Akademie
englisch: Academy; französisch: Académie; italienisch: Accademia.
Paul Ortwin Rave und Ernst Herbert Lehmann (1933)
RDK I, 243–262
I. Ursprung des Wortes
Das Wort leitet sich her von dem am Kephissos bei Athen gelegenen geweihten Bezirk des attischen Lokalheros Akademos, in dem sich ein Gymnasion befand. Hier pflegte auch Platon zu lehren und nach ihm seine Schüler, die den Namen Akademiker erhielten. Die Bezeichnung der platonischen Schule als A. blieb ihr bis zu ihrem Ende 529 unter Justinian.
II. Die humanistischen A., Sprach-A., A. der Wissenschaft
Nachdem sich bereits Gelehrtenkreise im späteren Altertum, auch der um Alkuin am Hof Karls d. Gr., Akademiker genannt hatten, kam das Wort allgemeiner zur Anwendung in den während des 13. und 14. Jh. entstehenden Vereinigungen zur Pflege der Dichtkunst in Florenz, Palermo, Toulouse, sodann in der italienischen Renaissance durch Freunde der platonischen Philosophie, die sich und ihr geselliges Treiben in Gegensatz wußten zu der in der mittelalterlichen Scholastik bewahrten Lehre des Aristoteles. Die erste dieser humanistischen A. finden wir in Neapel, wohin König Alfons I. 1433 den Dichter Antonio Beccadelli (nach seinem Geburtsort Palermo Panormita genannt) und nach seinem Tode 1471 Giovanni Pontano (A. Pontaniana) berufen hatte. In Florenz kam in den letzten Lebensjahren von Cosimo de Medici eine A. Platonica zustande unter Leitung des Marsilio Ficino, der seit 1463 in seiner „Academia“, einem ihm von Cosimo geschenkten Landhaus zu Careggi, den Platon ins Lateinische übersetzte; sie bestand bis 1521. Mitglieder waren u. a. Pico della Mirandola, Macchiavelli, Poliziano. In Rom gründete Pomponio Leto unter Sixtus IV. Rovere eine A. antiquaria (aufgelöst 1550), in Venedig 1495 Aldus Manutius. In Deutschland fand dieser Gedanke einer humanistischen A. zuerst Gestalt in der 1490 unter Johann Clemens von Dalberg begründeten Sodalitas Celtica oder Rhenana zu Worms, auf Betreiben des Humanisten Celtes (Conrad Pickel), der dann auch die seit 1497 in Wien bestehende Sodalitas litteraria Danubia ins Leben rief.
Nach dieser Gattung der humanistischen A., die lediglich Freundeskreise waren und weder feste Satzungen noch einen geregelten Lehrbetrieb hatten, folgen die Sprach-A. und Musik-A. Auch sie sind anfänglich weniger Unterrichtsanstalten, sondern vielmehr gelehrte Gesellschaften. Namentlich genannt werden muß die zur Erhaltung der Reinheit der italienischen Sprache 1582 begründete A. della Crusca in Florenz sowie die 1630 unter Richelieu als Wächterin der französischen Sprache bestellte A. Française in Paris und die zur Pflege der Poesie in Rom 1690 gestiftete Arcadia (in die 1787 Goethe aufgenommen wurde). Diesen Vereinen entsprachen die deutschen Sprachgesellschaften, etwa die 1617 in Weimar entstandene Fruchtbringende Gesellschaft. Die älteste A. zur Pflege der Musik ist die 1566 in Rom eingerichtete A. di Sta. Cecilia, der noch viele ähnliche folgten.
Als der Fortschritt des Wissens eine Aufspaltung in einzelne Fächer erbrachte, entstanden die A. der Wissenschaft, wobei zunächst die Erforschung der Natur im Vordergrund stand. In Neapel bildete sich 1560 die erste Anstalt dieser Art. Es folgen 1603 die A. dei Lincei in Rom, 1652 die Leopoldinisch-Karolinische Deutsche A. der Naturforscher in Schweinfurt (1878 nach Halle verlegt, wo sie bis heute besteht), 1657 die A. del Cimento in Toscana und eine A. in Madrid, 1658 die Royal Society in London, 1662 die A. curiosorum naturae in Halle. Im 18. Jh. wurden dann vielerorts (meist königliche) A. auf einer allgemeineren wissenschaftlichen Grundlage eingerichtet. Auf den Rat von Leibniz wurde im Jahre 1700 durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg eine solche Anstalt ins Leben gerufen, 1711 unter dem Namen Societas Regia Scientiarum und 1744 unter Friedrich d. Gr. mit neuem Glanz als Kgl. A. der Wissenschaften zu Berlin eröffnet. 1724 folgte die Petersburger A. Scientiarum, 1731 eine in Dublin, 1743 in Kopenhagen, 1751 in Göttingen, 1759 in München, 1769 in Prag, 1772 in Brüssel, dann noch zahlreiche andere. Für die Kunstwissenschaft belangvoller erscheinen die Geschichts- und archäologischen A., wie die Petite A. zu Paris (1663, seit 1795 A. des Inscriptions) oder die englische Society of Dilettanti, wegen ihrer Veröffentlichungen über antike Gegenstände. In Frankreich wie in Italien blühten dergleichen archäologische A. zur Erforschung der Altertümer auch in kleineren Städten, so die A. Etrusca in Cortona oder die A. Ercolana in Neapel, die, 1755 gegründet, seit 1775 die Antichità di Ercolano veröffentlichte.
III. Die Kunst-A. bis Sandrart
Stärker als für die Fächer der Dichtung, der Musik, der Wissenschaften wurde früh und vielerorts bei den bildenden Künsten das Bedürfnis nach Lehre und Unterricht empfunden. Schon im Mittelalter hatten sich die Künstler zu irgendwelchen Verbänden, deren Schirmherr meist der hl. Lukas war, zusammengeschlossen, durchweg aber erschöpfte sich ihr Zusammenhalt, außer dem zunft- und gildemäßigen, in der Gemeinschaft der Werkstatt eines Meisters. Was der Schüler hier lernen konnte, war namentlich die handwerkliche Ausbildung, die regelmäßig eine Reihe von Jahren währte. So bestimmte die Satzung der Malerzunft in Genua, daß niemand dort selbständig arbeiten dürfe, ohne demselben Meister sieben Jahre als Lehrling gedient zu haben. Aber das Zeichnen nach dem Modell und die Kenntnis der Anatomie, der Perspektive, Geometrie und der Antike (und später der Kunstgeschichte) setzt einen regelrechten Lehrbetrieb voraus. So hatte schon Galeazzo Visconti um 1380 in Mailand eine Schule für Baumeister ins Leben gerufen, wie 100 Jahre später Lorenzo il Magnifico eine Bildhauerschule in Florenz, in der unter Leitung Bertoldos z. B. Lionardo und Michelangelo lernten. Die Malerschule Lionardos, die unter Lodovico Sforza 1494 in Mailand entstand, wird als A. Vinciana bezeichnet, da neben den Arbeiten in seiner Werkstatt allgemein wissenschaftliche Unterweisungen hergingen. Wie denn auch Dürer in seinen Schriften sich bemüht hatte, die in den Werkstätten gepflegten Überlieferungen, die er als „Brauch“ bezeichnet, zu ersetzen durch die „Kunst“, d. h. eine wissenschaftlich geklärte Arbeitsweise.
1577 wurde in Rom unter Gregor XIII. Buoncampagni auf Vorschlag von Girolamo Muziana die A. di San Luca gegründet, die bis heute Bestand hat. Diese A. war aber zunächst, ebenso wie die 1562 in Florenz auf Anregung Vasaris aus einer Lukas-Genossenschaft hervorgegangene A., mehr eine repräsentative Stätte der Kunst als eine Lehranstalt. Erst 1599 wurde die römische Lukas-A. unter Leitung von Federigo Zucchero zu einer modernen Kunstschule mit geordnetem Lehrbetrieb eingerichtet; sie war die erste A. mit festen Satzungen und hat allen anderen derartigen Gründungen hinfort als Vorbild gedient.
Die in älteren Quellen oft genannte A. degli Incamminati, die von Ludovico, Agostino und Annibale Carracci 1582 in Bologna gegründet worden sein soll, ist wahrscheinlich keine Malerschule, sondern wohl eher ein Trutzbündnis gegen andere Künstler gewesen. Die Nachrichten über Gründung dieser A. erklären sich aus dem schulmäßigen Gegensatz der Carracci gegen die Manieristen und ihrem energischen Kampf für Klassik und Naturstudium. Tatsache ist lediglich, daß Ludovico C. in Rom Schritte unternommen hat, um für die Malerzunft in Bologna Privilegien zu erwirken. Näheres darüber bei Dresdner [4] und Thieme-Becker 6, 60f. Von den später in Italien begründeten Kunst-A. seien noch genannt die in Venedig, die aus einer wohl schon im 13. Jh. bestehenden Bruderschaft hervorgegangen ist, die in Turin 1652, in Bologna 1709, Lucca 1748, Genua 1751, Parma 1757, Verona 1764, Carrara 1769, Mailand 1776, Florenz 1783, Modena 1786, Siena 1816, Neapel 1822.
Eine wichtige Rolle in der A.-Geschichte spielt die A. in Antwerpen, die 1663 auf Betreiben David Teniers d. J. gegründet wurde. Sie entstand aus einer Lukas-Gilde, die bereits im 14. Jh. nachweisbar ist und vor allem deshalb Bedeutung erlangt hat, weil sie schon 1453 die Namen ihrer Mitglieder zu verzeichnen begann. Dieses unter dem Namen der „Liggeren“ bekannte Register ist eine wertvolle Quelle zur Geschichte der niederländischen Kunst. 1480 erfolgte eine Vereinigung der Lukas-Gilde mit der bedeutenden literarischen Gesellschaft „Rederijkerskamer der Violieren“, und dadurch zum ersten Male auch eine Vereinigung von „Pictura“ und „Poesis“. Die Antwerpener A. war seit ihrer Gründung (1663) bestrebt, den alten niederländischen Kunstgeist wachzuhalten, und hatte naturgemäß besonders im 18. Jh. schwere Kämpfe zu bestehen.
Private Maler-A. blühten im 17. Jh. sehr zahlreich; sie hatten aber kaum über den Tod ihres Begründers hinaus Bedeutung. 1692 entstand in Wien eine „Akademie von der Mallery, Bildhaver-, Fortification-, Prospektiv- und Architektur-Kunst“ unter Leitung des Hofmalers Peter Strudel. In Nürnberg errichtete 1662 der Ratsherr und Kupferstichdilettant Joachim Nützel eine private Maler-A., die unter ihren ersten Direktoren Jakob von Sandrart und Elias Gedeler einen Auf schwung erhielt. Durch Joachim von Sandrart (Abb. 1) wurde sie zu einer öffentlichen und gemeinnützigen Anstalt ausgebaut, nachdem er 1674 von Augsburg, wo ebenfalls eine private Maler-A. bestand, nach Nürnberg übergesiedelt war. 1675 und 1679 erschienen die zwei Hauptteile seiner „Teutschen Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste“ (Neue Ausg. mit Kommentar von R. A. Peltzer, München 1925). In dem mit vielen Kupferstichen ausgestatteten Werk erscheint die Summe dessen niedergelegt, was in dieser Anstalt gelehrt und gelernt, vorgetragen und erstrebt wurde, ein Niederschlag von der geistigen Welt der damaligen Künstlerschaft.
IV. Die höfischen A.
Da die Pflege der Kunst mehr und mehr in die Hände der Fürsten kam, so entstanden an den meisten der größeren Höfe Europas Anstalten zur Ausbildung von Künstlern, um den Ruhm des Herrschers zu mehren. Schon die Schule Vasaris kann man als eine solche höfische A. bezeichnen, da sie unter dem Schutz des ersten Großherzogs von Toscana, Cosimo I., stand, dessen Residenz das ehemals freie Florenz geworden war. Als Vorbilder für die Einrichtung vieler höfischen Kunst-A. dienten die Anstalten in Paris und Rom, wo unter Ludwig XIV. französische Kunstschulen begründet waren: in Paris 1648 auf Vorschlag von Charles Le Brun die A. royale des Beaux-Arts (1671 erweitert durch eine Architekturabteilung), 1666 in Rom, wo sie seit 1803 bis heute in der Villa Medici ihren Sitz hat. Die A. des Beaux-Arts in Paris bildet seit 1795 eine Abteilung des Institut de France, wie die Sprach-A. (A. française), die Historische A. (A. des inscriptions et belles lettres), die A. der Naturwissenschaften (A. des sciences), zu denen 1832 als fünfte Abteilung die A. des sciences morales et politiques hinzukam. Von anderen französischen Kunst-A. sind noch Gründungen des 17. Jh. die zu Lyon, Reims und Bordeaux, des 18. Jh. die zu Nancy, Toulouse, Rouen, Montpellier, Marseille, Lille, Dijon.
Sandrart hatte sein Werk dem (Großen) Kurfürsten von Brandenburg gewidmet; dieser hatte auch die Gründung einer A. der Künste in Berlin geplant, doch kam sie erst unter seinem Nachfolger zustande. Der Kurfürst Friedrich III. vollzog 1696 durch seinen Minister Dankelmann die Stiftung einer A., als deren erster Leiter der Berner Joseph Werner und als Mitdirektor Andreas Schlüter berufen wurden. Untergebracht wurde sie in dem durch Nering zu diesem Zweck aufgestockten Marstall Unter den Linden („mulis et musis“). Nach einem Brande 1743 wurde der A.-Flügel durch Boumann d. Ä. neu erbaut (Abb. 2) und blieb Sitz der A. der Künste und Wissenschaften bis E. 19. Jh.; 1907 siedelte die A. der Künste in das Haus am Pariser Platz über.
Fast alle Hauptstädte Europas folgten dem Beispiel von Paris, Rom und Berlin. 1725 begründete Kaiser Karl VI. eine A. in Wien, die durch den k. k. Kammermaler van Schuppen († 1751) als Zeichen- und Kupferstichschule geleitet wurde, auch seit 1732 jährliche Preisaufgaben stellte, zunächst jedoch noch ohne das Fach der Malerei bestand, da hier die Zünfte widerstanden und es zu ähnlichen Angriffen dieser gegen die A. kam wie in Paris. Trotzdem war die Wiener A. bis zum Klassizismus die bedeutendste im ganzen deutschen Sprachgebiet. Seit 1759 hatte die Wiener A. das obere Geschoß des Universitätsgebäudes inne (Abb. 4) und lehrte „Geschichtmalerey, Bildhauerey, Architektur, Landschaftsmalerey, Erzverschneider und Kupferstecherey“. Von den übrigen europäischen Hauptstädten erhalten eine Kunst-A.: Stockholm 1733 durch Graf Tessin; Kopenhagen 1738 unter Christian VI., seit 1754 bis heute im Schloß Charlottenborg; Madrid 1744 die A. de Nobles Artes di San Fernando durch Philipp V. (schon unter Philipp IV. von Velazquez vorgeschlagen); London 1768 die Royal A. of Arts unter Georg III. mit ihrem ersten Präsidenten Sir Joshua Reynolds († 1792); Prag 1796. 1758 wurde die A. Petersburg durch die Kaiserin Elisabeth gegründet. Zunächst betraute I. I. Betzkoi die Künstler Cuvillier, N. F. Gillet, J. M. Vallin de la Motte u. a. mit Organisierung einer akademischen Kunstschule nach Pariser Vorbild. 1764 erhielt die Petersburger A. durch Katharina II. Statuten. 1802 erfolgte unter Alexander I. eine grundlegende Neuordnung.
Im Laufe des 18. und 19. Jh. entstanden weitere deutsche A. höfischen Charakters. Schon unter August dem Starken hatte in Dresden eine A. bestanden, die allerdings nur eine Zeichenschule mit einem einzigen Lehrer gewesen war, Heinrich Christoph Fehling, als dessen Nachfolger 1726 Louis de Silvestre Direktor wurde. Die in Verfall geratene Anstalt wurde dann 1764, nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, durch den Kurfürsten Friedrich Christian als allgemeine Kunst-A. von vier Klassen neu gestiftet. Christian Ludwig v. Hagedorn, der Generaldirektor wurde, richtete gleichzeitig in Meißen und Leipzig Zeichenschulen ein, die Leipziger in einem Flügel der alten Pleißenburg; deren erster Direktor war Adam Friedrich Oeser bis zu seinem Tode (Abb. 7), Goethe sein berühmtester Schüler. Die A. Düsseldorf entstand, als der Pfalzgraf Karl Theodor zum Inspektor der berühmten Galerie Lambert Krahe berufen und dieser es verstanden hatte, seine Privatschule als Kurfürstliche Kunst-A. 1767 bestätigt zu erhalten. Sie ging 1805 ein, doch erlebte sie eine zweite Blütezeit, nachdem sie unter preußischer Herrschaft 1819 durch Peter Cornelius erneuert war und seit 1826 Wilhelm Schadow als Leiter hatte. Mannheim besaß unter dem Hofbildhauer Peter Anton Verschaffelt eine A., die aber eigentlich nicht mehr war als eine gewöhnliche Zeichenschule, wie eine solche auch 1770 in München eröffnet wurde; erst die Reform unter Max Joseph machte die kgl. A. der bildenden Künste zu München 1808 zu einer hochschulartigen Anstalt; von der Hand des ersten Generalsekretärs Schelling stammt ihre Verfassung; ihr Leben entfaltete sie unter Johann Peter Langer und Peter Cornelius. In Kassel organisierte der Landgraf Friedrich II. mit Hilfe seines Hofmalers Joh. Heinr. Tischbein (Abb. 8), des Hofbildhauers Nahl und des Baumeisters Du Ry eine A., die 1775 bis 1808 im Fürstlichen Hause in der Bellevuestraße, später anderwärts, ihren Sitz hatte. Gründungen des 19. Jh. sind dann die A. zu Karlsruhe 1854 (Berufung Schirmers aus Düsseldorf), Weimar 1858 (Böcklin, Begas) und Stuttgart 1867. Die preußischen Provinzialkunstschulen zu Königsberg und Breslau wurden 1843 zu A. erhoben.
Eine besonders bemerkenswerte A. wurde Mitte des 18. Jh. in Augsburg gegründet. Bereits 1710 war hier eine städtische A. als öffentliche Anstalt anerkannt worden (einer der ersten Direktoren war G. Ph. Rugendas). Ein 1753 eröffnetes Gegenunternehmen, das zur Unterstützung und zur Ausbildung heimischer Künstler und zur Popularisierung Augsburger Kunst von Johann Daniel Herz ins Leben gerufen wurde, wußte sich bald ein kaiserliches Privileg zu erwerben und nannte sich seit 1755 „Kaiserlich Franziscische A. der freien Künste und Wissenschaften“ (Abb. 9). In dieser A., die wegen Spekulationen ihrer Gründer und wegen Mißhelligkeiten mit dem Rat der Stadt bald an Ansehen verlor, wurde vor allem die Bedeutung der Kunstpublizistik erkannt. Nicht weniger als 6 verschiedene Kunstzeitschriften veröffentlichte man hier in den Jahren 1755-72. Mit der „Reisenden und correspondirenden Pallas“ (Abb. 10) hatte die Augsburger A. nicht nur die erste periodische A.-Veröffentlichung, sondern die erste deutsche Kunstzeitschrift überhaupt geschaffen.
V. Gegenbewegungen gegen die A.
Hatte sich der Gedanke der Kunst-A. zunächst durchzusetzen vermocht, da er dem erstarrten Zwang der Malerzünfte und Gilden entgegentrat, dem frei schaffenden Künstler Rückhalt bot und dem künstlerischen Leben Aufschwung verlieh, so waren doch auch die A. durch übertriebenes Regelwesen, Übungen nach feststehenden Vorbildern und eklektisches Verfahren immer wieder der Gefahr der Vertrocknung ausgesetzt. Durch die Kunstanschauung der Aufklärungszeit (Vereinigung von Kunst und Gelehrsamkeit) wurden die A. noch einmal außerordentlich gefördert. Die erste große Gegenbewegung löste dann der „Sturm und Drang“ aus, der mit der Verkündigung von Freiheit und Genie des Künstlers eine Ablehnung allen schematischen Lehrzwanges brachte. In Wilhelm Heinses Briefen aus der Düsseldorfer Gemäldegalerie wird die Stimmung gegen die A. bereits deutlich ausgesprochen. Carstens schrieb an den Staatsminister von Heinitz am 9. Februar 1793 entrüstet über die gedankenlosen Malereien der französischen A. in Rom. Gegen die A. äußerten sich weiter Schick, der sie mit einem „Hospital der kränkelnden Kunst“ verglich, C.D. Friedrich, Koch, Thorwaldsen u. a.; in einem Brief vom 3. November 1814 an Görres spricht Peter Cornelius ironisch von den Professoren der A., die „vom Dunstkreis ihrer negativen eklektischen Kunstrumpelkammer umnebelt sind“. 1809 gründeten Franz Pforr, Overbeck u. a. in Widerstand gegen die pseudoklassizistischen Lehrmethoden der Wiener A. den „Lukasbund“, der eine Erneuerung der Kunst auf religiöser Grundlage erstrebte (erste „Sezession“). 1810 gingen diese Künstler nach Rom und lebten hier in bewußtem Gegensatz zu den „Akademikern“ in enger Gemeinschaft (Kloster San Isidoro). Auch in den folgenden Jahren empfand man immer wieder „die Leere des Unterrichtes“ (Joh. Dav. Passavant). Trotzdem man allerorten mit Reformen nicht sparte und etwa statt des gebundenen Klassenzwanges wieder wie in den alten Werkstätten ein freieres Schülerverhältnis der Lernenden zu den Lehrern einführte (Meisterateliers), nahm doch der Begriff akademisch im Bereich der bildenden Künste allmählich eine abwertende Bedeutung an. Bereits in dem ersten deutschen zusammenfassenden Artikel über A. (Conversationslex. f. bild. K. 1, Leipzig 1843) kommt dies zum Ausdruck.
VI. Einrichtung einer A. am Beispiel der Berliner
Das Wesentliche einer A. im späteren Sinne, ihr Hochschulcharakter, war schon klar in den Bestimmungen der ersten deutschen Kunst-A. zu Berlin ausgedrückt: das Bestehen von Prüfungen bedingte die Aufnahme. Der Unterricht bestand einmal im Zeichnen – in den Anfangsgründen, nach Kupferstichen, nach Zeichnungen berühmter alter Meister, nach Gipsen und dem lebenden Modell (Abb. 3, 5, 6) –, sodann in „Collegia über Anatomia, Perspectiva, Architettura Civili, Geometria und Architettura Militari“. Die lehrenden Künstler versammelten sich öfters zu gemeinsamen Begutachtungen aller Arbeiten, wozu auch „kunstliebende Subjecta als Assessores“ herangezogen wurden: Neben der Kunstschule war die A. gedacht als Richter des guten Geschmacks. Aus diesem Kunstbeirat bildete sich später der Senat der A.
Als dann nach der ersten Blütezeit der A.-Gedanke wieder verblaßte, blieb nicht mehr als eine bloße Zeichenschule übrig, die unter den Direktoren Blaise Nicolas Le Sueur (1756 bis 1783) und Bernhard Rode ein Schattendasein führte. Es war das Verdienst Daniel Chodowieckis, eine Reform erwirkt zu haben, die Friedrich Wilhelm II. durch den Minister von Heinitz 1790 ins Werk setzen ließ. Der zum „Flor der Künste“ berufenen A. wurden bedeutende Rechte eingeräumt, wodurch sie den vaterländischen Kunstfleiß erwecken, fördern und veredeln sollte. Ihr Einfluß erstreckte sich bald auf ganz Preußen, die neu errichteten Kunstschulen in Halle, Königsberg, Breslau, Magdeburg und Danzig werden alle der Berliner A. unterstellt.
Eine abermalige Neuordnung brachte der Wiederaufbau der Staatsverwaltung durch Stein und Hardenberg. Die Architekturabteilung war vorher schon abgetrennt und hatte 1799 zur Bildung der Bau-A. geführt. Bei der Reform von 1809 wurde die Selbstherrliche Stellung der A. unter einem Kurator beseitigt und die Künstlerschaft der A. der Sektion für den Kultus, dem späteren Kultusministerium, unterstellt. Humboldt übertrug Zelter eine Professur für Musik bei der A., und aus dieser Keimzelle entstand 1833 eine eigene Sektion für die Tonkunst (der 1926 als dritte Abteilung die Sektion für Dichtkunst folgte). Unter Gottfried Schadows Leitung (1816-50) war der Geltungsbereich der A. Ständig gewachsen, nicht nur durch die Vergrößerung der Lehrerschaft für die bildenden Künste, sondern auch durch die wachsende Zahl der unterstellten Anstalten: Bau-A., Hochschule für Musik, Institut für Kirchen- und Schulmusik, Kunst- und Gewerbeschule.
Da die Provinzialkunstschulen indes wieder von der A. losgelöst waren und die übrigen Anstalten nach Selbständigkeit Strebten, wurde eine neue Änderung der A.-Verfassung nötig, die 1875 und 1882 erfolgte. Scharf getrennt wurde nunmehr das akademische Unterrichtswesen, das in der Hochschule für die bildenden Künste und den beiden Lehranstalten für Musik bestand, von dem Teil der A., welche Kunst und Künstlerschaft als Staatsanstalt vertritt mit ihrem als begutachtende Stelle für das Ministerium dienenden Senat.
Zu den Abbildungen
1. Bildnis des Malers Joachim von Sandrart (1606 bis 1688). Aus der „Teutschen Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste“, Nürnberg 1675.
2. Berlin, Alte Akademie unter den Linden, 1743, von Joh. Boumann. Phot. Schinkel-Mus., Berlin.
3. Zeichensaal der Berliner Akademie, nach Lorenz Beger, Thesaurus regius et electoralis Brandenburgicus ... III, Kölln 1701.
4. Wien, „Grundriß von den Zimmern der K. K. Akademie der bildenden Künste“, gezeichnet von Fischer, gestochen von M. Grimm. Nach Weinkopf [62], Wien 1783.
5. König Gustavs III. Besuch im Aktsaal der Kgl. Akademie zu Stockholm. Gemälde von Elias Martin (1782) in Stockholm, Nord. Museum. Phot. Mus.
6. König Gustav IV. besucht die Kgl. Akademie zu Stockholm. Gemälde von Per Hilleström (1797) in Stockholm, Nord. Museum. Phot. Mus.
7. Adam Friedrich Oeser (1717–1799), erster Direktor der Akademie in Leipzig. Kupferstich von Christian Gottfried Schulze nach Anton Graff, um 1799/1801. Phot. Dr. E. H. Lehmann.
8. Gründung der Akademie in Kassel. Allegorisches Gemälde von Joh. Heinr. Tischbein im Landesmuseum Kassel, 1778. Phot. Mus.
9. Wappen der Augsburger Kunstakademie. Stich von Jac. Balth. Lidel. Aus „Gedoppelte Probe einer Neuen Zeitung“, Augsburg 1764. Phot. Dr. E. H. Lehmann.
10. Titelblatt der Zeitschrift: „Die reisende und correspondirende Pallas“, der ersten periodischen Publikation einer deutschen Akademie. Phot. Dr. E. H. Lehmann.
Literatur
Allgemeines: Ausführliche Darstellungen in den ausländischen Enzyklopädien: 1. La Grande Encyclopédie, Paris 1885, S. 184ff. (Lit.-Ang. S. 245f.). 2. The Encyclopaedia Britannica, London-New York, 14. Aufl. 1929, S. 80ff. (Lit.-Ang. unter Academy, Royal). 3. Enciclopedia Italiana, Roma 1929, S. 186ff. 4. Alb. Dresdner, Die K.-Kritik, ihre G. u. Theorie 1, München 1915. – Bibliographien. 5. C. Cicognara, Catalogo ragionato dei libri d’arte 1, Pisa 1821, S. 223–31. 6. Ernest Vinet, Bibliogr. des Beaux-Arts, Paris 1874, S. 33-46. 7. Katalog d. Bibl. d. K. K. Akad. Wien, 1876, S. 4–10. 8. J. F. van Someren, Essai d’une Bibliogr. de l’hist. spéciale etc, Amsterdam 1882, S. 33–42 (hier vor allem die ersten holländischen und belgischen periodischen A.-Veröffentlichungen). – Sonderschriften: 9. Hans Christian Genelli, Idee einer A. d. bild. Künste, Braunschweig 1800. 10. E. Guhl, Die neuere gesch. Malerei u. die A., mit Einleitung von F. Kugler, Stuttgart 1848. 11. 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Verweise
Empfohlene Zitierweise: Rave, Paul Ortwin, Lehmann, Ernst-Herbert , Akademie, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1933), Sp. 243–262; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88961> [10.12.2023]
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