Apostel
englisch: Apostle; französisch: Apôtre; italienisch: Apostolo.
Adolf Katzenellenbogen (1935)
RDK I, 811–829
Apostel (vom griech. ἀποστέλλειν = aussenden).
I. Begriff, Namen und Zahl der A.
Unter A. versteht man nach allgemeinem biblischen Sprachgebrauch die mit göttlichem Auftrag bedachten Boten (1. Kön. 14, 6), in engerem Sinne aber die zwölf Jünger, die Christus aus der Schar seiner Anhänger erwählte, um. sie zur Verkündung der Heilslehre und Errichtung der Kirche in alle Welt zu schicken (Matth. 28, 18ff., Mark. 16, 15f., Eph. 4, 11ff.). Sie waren Zeugen der messianischen Sendung ihres Herrn, wurden von ihm sorgsam auf ihren Beruf als Priester, Lehrer und Leiter der Gemeinschaft der Gläubigen vorbereitet und zu Besitzern des Jüngsten Gerichts bestimmt (Matth. 19, 28). Ihre Namen sind von Markus (3, 14ff.) und mit einzelnen Abweichungen, besonders in der Reihenfolge, auch von Matthäus (10, 1ff.), Lukas (6, 13ff.) und in der Apostelgeschichte (1, 13) aufgeführt: Simon Petrus, dem stets der erste Platz vorbehalten bleibt; Jakobus (der Ältere), der Sohn des Zebedäus; Johannes, sein Bruder; Andreas, der Bruder Petri; Philippus; Bartholomäus; Matthäus, der Zöllner; Thomas; Jakobus (der Jüngere), der Sohn des Alphäus; Thaddäus (oder Lebbäus nach Matth.; Judas, Sohn des Jakobus, nach Luk. und der Apg.); Simon, der Kanaanäer (Zelotes) und Judas Ischarioth, den die drei Evangelien zuletzt nennen. An die Stelle des Verräters wird Matthias durch das Los gewählt (Apg. 1,15ff.). Zwar bleibt der Begriff der A. nicht immer auf diesen Kreis beschränkt – z. B. rechnet 1. Kor. 9, 6 den Barnabas dazu –, doch gilt er in der Regel für den einheitlichen Zwölferverband unter der Leitung des Petrus. Daneben erlangt noch Paulus kraft seiner visionären Berufung die apostolische Würde (Gal. 1, 1ff.) und nimmt in späteren Apostelverzeichnissen den bevorzugten Platz hinter Petrus ein. Wenn er im Kanon der Messe und in vielen Werken der bildenden Kunst, wo er eigentlich als dreizehnter A. vorkommen müßte, den nachträglich aufgenommenen Matthias verdrängt, dann erweist sich die symbolische Zwölfzahl, die Ausdruck der Vollkommenheit ist, stärker als die Überlieferung.
II. Historische Darstellungen
Die bildlichen Darstellungen des Apostelkollegiums, deren Entwicklung hier in großen Umrissen aufgezeichnet werden soll (wegen der einzelnen A. s. unter „Heilige“), lassen sich in zwei Gruppen scheiden: einmal werden die Sendboten auf Grund biblischer Berichte, apokrypher Geschichten und mittelalterlicher Legenden in zeitlich bestimmbaren Situationen ihres Erdenwandels gezeigt (historische Darstellungen). Da aber über dieses vergängliche irdische Dasein hinaus ihr unvergängliches Wesen von theologischen Denkern erkannt wird, gewinnen sie auch als Repräsentanten einer zeitlosen religiösen Ordnung Gestalt (theologisch-dogmatische Darstellungen). Die hier vorgenommene Scheidung will die Übersicht des Bilderguts erleichtern. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß beide Gruppen eng miteinander verwachsen sind, denn aus dem einmaligen Verlauf der religiösen Historie suchten Kirchenväter und Scholastiker die bleibenden theologisch-dogmatischen Sinngehalte zu erschließen.
Während ihres zeitgebundenen Erdenwandels sind die A. die Vertrauten des Messias gewesen. Als seine Vertrauten werden sie seit frühchristlicher Zeit (Mosaiken von S. Apollinare nuovo in Ravenna, Codex Rossanensis, Rabula-Evangeliar) immer wieder nach den Evangelien und der Apostelgeschichte dargestellt. Wenn die Sendboten in den Berichten über Auferweckungen und andere Wundertaten Christi nur eine nebengeordnete Rolle spielen, dann genügt es den Künstlern bei diesen Szenen in der Regel, dem Meister einige Jünger zur Begleitung hinzuzugesellen. Sobald sich aber Christus in seinem Wirken und seiner Lehre den A. bevorzugt offenbart (z. B. Stillung des Sturms, Schlüsselübergabe), treten sie im Bildgefüge stärker hervor. Maßgebenden Einfluß haben Textstellen, die für manche Geschehnisse die Anwesenheit bestimmter Jünger bezeugen (z. B. Verklärung) oder für die bedeutungsschwere Zeit nach dem Einzug in Jerusalem (vor allem Abendmahl, Sp. 28ff., Ungläubiger Thomas, Himmelfahrt, Pfingsten) mit Vorliebe die Gesamtzahl des Kollegiums – zwölf bzw. elf ohne den Verräter – betonen (vgl. hierzu etwa die Bilderzyklen ottonischer Handschriften). Gelegentlich bewirkt die Autorität des Paulus, daß ihn die Künstler der Apostelschar in einem Zeitpunkt einfügen, da er ihr noch gar nicht angehörte.
Schon seit dem 2. und 3. Jh. berichtet die Überlieferung, die Zwölf seien nach dem Pfingstfest (oder einige Jahre später, wie es in manchen Schriften heißt) auseinandergegangen, um in allen Ländern das Evangelium zu predigen (A. S. Juli, Bd. IV, S. 6ff. und [5]). Die Kunst dagegen gestaltet erst im späteren 15. und im 16. Jh. häufig das Thema der Apostelteilung (divisio apostolorum), die damals von der Kirche vielerorts am 15. Juli, dem Zwölfbotentag, gefeiert wurde, oder genauer gesagt, das Thema des Apostelabschieds. Die inhaltsreichen Darstellungen weichen nicht wesentlich voneinander ab, ob nun je nach Zeitstil und Ausdruckswollen die typischen Bildelemente nur lose verbunden (vgl. ein Bild der Wolgemutschule um 1470 [13, Abb. 87], den Schnitzaltar um 1480 im Bamberger Dom und einen Schnitzaltar der Riemenschneider-Werkstatt [14, Taf. 68]) oder einheitlich zusammengefaßt sind (Abb. 1; vgl. ferner das Gemälde Jörg Ratgebs von 1519, Wölfflin-Festschrift 1924, S. 199, Abb. 3; Handzeichnung Jörg Breus [15, Taf. 18]): Eine weite Landschaft bildet den Schauplatz des Auseinandergehens, das in allen Stadien gezeigt wird. Zur Wanderschaft gerüstet, nehmen die bisher eng Verbundenen Abschied voneinander. Einige der Gefährten umarmen einander oder drücken sich die Hände, andere A. schöpfen Wasser, stärken sich noch durch einen Trunk für die Reise oder ziehen traurig in die Weite; „ibant flentes“ besagt eine Brevierhymne [32, Bd. 5, S. 75]. Bisweilen erscheint Christus in den Wolken, gab er doch seinen Jüngern den Befehl, dem sie jetzt nachkommen. Da sich mit dem Auszug in der Regel die Vorstellung verknüpft, die A. hätten die Welt in zwölf Missionsgebiete geteilt, wird ihren Heiligenscheinen gerne Name und Reiseziel eingeschrieben. In einer Handzeichnung von 1566 (H. S. Lautensack? [15, Taf. 89]) ist die zeitliche Einheit des Geschehens gesprengt, denn im Hintergrund erleiden einige A. bereits das Martyrium.
Die Missionstätigkeit bei den einzelnen Völkern ist im 6. Jh. auf Mosaiken der Apostelkirche zu Konstantinopel dargestellt worden, wovon byzantinische Miniaturen vermutlich ein ungefähres Bild geben [3, Abb. 191]. Der Marientod entrückt die Zwölf nochmals für kurze Zeit in ihre Heimat. Dort sind sie Zeugen des seligen Endes der Gottesmutter und ihrer Himmelfahrt, eine Szenenfolge, die seit dem Aufkommen der Marienverehrung die Künstler beschäftigt (s. Sp. 791ff.). Schließlich besiegeln die A. ihre Glaubenstreue mit dem Tod, wie es in den Apokryphen, Hymnen und Heiligengeschichten erzählt, als Zyklus ausführlich in der Malerei (so schon im Gregor von Nazianz der Pariser Bibl. Nat., um 880. – Passionalien, Altarflügel Stephan Lochners, s. Sp. 795-98, Abb. 12 u. 13) oder knapper gefaßt in Portalarchivolten (Straßburger Münster; Heiligkreuzkirche in Gmünd; Thann i. E.) sichtbar wird.
In allen diesen Szenen sind die A. fast nie durch Attribute oder lehrhafte Spruchbänder bestimmt, sondern durch ihr Verhalten gekennzeichnet, das auf dem Wortlaut des Neuen Testaments, der Apokryphen und Legenden beruht.
III. Theologisch-dogmatische Darstellungen
Neben den historischen Darstellungen erwächst, gleichsam auf einer anderen gedanklichen Stufe, ein Bilderkreis, der über die Einmaligkeit überlieferter Geschehnisse herausgehoben, die Stellung der A. im Gefüge der Heilsordnung dem Betrachter vor Augen führen will.
Schon die frühchristliche Kunst hat es als eine wichtige Aufgabe angesehen, die Gemeinschaft Christi und der A., die Keimzelle der Kirche, darzustellen, und hat diese Aufgabe durch eine monumental wirkende, symmetrische Gestaltung grundlegend und vorbildlich für die kommenden Jahrhunderte gelöst [6-10. 16–19].
Auf Katakombenfresken bildet seit dem 4. Jh. die sogenannte Lehrszene ein bevorzugtes Thema, das auch in der Mosaikmalerei und Plastik heimisch ist. Mit weisend erhobener Rechten sitzt Christus zwischen zwei Gruppen von A., deren Zahl schwankt, meist aber zwölf beträgt. Es wird üblich, zwei Jünger porträthaft als die „Apostelfürsten“ Petrus und Paulus zu kennzeichnen und ihnen die Ehrenplätze neben Christus einzuräumen (Abb. 2). Zwar berichtet das Neue Testament wiederholt von der Lehrtätigkeit Christi, aber die regelmäßige Anwesenheit des Paulus und die repräsentative Art der Darstellung deuten auf einen übertragenen Sinngehalt: das Urbild der Kirche, deren Haupt Christus, der Lehrer der Welt, und deren wichtigste Glieder die A. sind. Formal wirkt offenbar das antike Schema des Gelehrten- oder Dichterkollegiums nach [9. 10]. Die flächenhafte Sarkophagkunst verfestigt und klärt das Bildgefüge. So kann eine Säulenhalle die Gemeinschaft Christi und der A. in einzelne Gestalten oder Paare gliedern. Manchmal sind je zwei Jünger als die berufenen Lehrorgane zu disputierenden Gruppen zusammengefaßt, auch dies ein Motiv, das für das Mittelalter fruchtbar werden sollte (vgl. Abb. 9). Gelegentlich geben die Künstler nur die Brustbilder Christi und der Jünger in Rundmedaillons, wie auf Mosaiken der erzbischöflichen Kapelle in Ravenna [16, Abb. 311].
In den nahe verwandten Darstellungen der sogenannten Gesetzesübergabe verlagert sich das inhaltliche Schwergewicht vom gesprochenen Wort zur schriftlich festgelegten Heilslehre. Von Petrus und Paulus, den Vertretern der Lehrautorität, umgeben, hält Christus das Sinnbild des Evangeliums, ein Buch oder Schriftband, das er einem der beiden Apostelfürsten, in der Regel dem Petrus, verleiht. Oft stehen die anderen Jünger wie Zeugen dabei, ziehen mit anbetend erhobenen Händen zu ihrem Meister hin oder bringen ihm Kronen dar. Auch nähern sie sich huldigend und zugleich miteinander redend dem erhöhten Heiland (Abb. 3) oder dem Triumphkreuz, dem Zeichen der Auferstehung Christi. In diesen Prozessionen scheint antike Bildtradition fortzuwirken [16, Abb. 161].
Häufig strömt eschatologisches Gedankengut in die verschiedenen Bildinhalte ein. So thronen im Apsismosaik von S. Pudentiana zu Rom Christus und die Zwölf unter den vier apokalyptischen Tieren vor den Mauern des himmlischen Jerusalem, so erscheint auf einem Fresko des 6. Jh. in Baouît die Majestas Domini über Maria und den A. [3, Abb. 34].
Eine Steigerung in das Gebiet der Symbolik erfolgt, wenn die A. gleichnishaft durch Lämmer (Matth. 10, 16) vertreten werden [16, Taf. 20, 1]. Im Mosaik des Baptisterium von Albenga [18, Taf. 88] schart sich ein Kranz von zwölf Tauben (Matth. 10, 16) um das Monogramm Christi.
Das Apostelkollegium vermag endlich die Bedeutsamkeit eines Ereignisses aus dem Leben Christi mit Nachdruck zu betonen. In den Kuppelmosaiken der beiden ravennatischen Baptisterien schreiten die Zwölf um das Mittelbild der Taufe Christi, denn sie wurden ausgesandt, die Menschen zu taufen.
So hat die frühchristliche Kunst die „urbildliche“ Gemeinschaft des Herrn und seiner Jünger aus geschichtlichen Zusammenhängen gelöst und als festgefügte Gruppe oder klar gegliederte Reihe sitzender, stehender und ziehender Gestalten dargestellt. In der mittelalterlichen Kunst sollte das Grundthema immer beziehungsreicher ausgesponnen werden und immer deutlicher die systematische Denkweise des scholastischen Zeitalters widerspiegeln. Die späteren Epochen halten sich im wesentlichen in den einmal eingeschlagenen Bahnen, soweit sie überhaupt noch den gleichen Bildinhalt gestalten.
Auf Monumentaldarstellungen repräsentativer oder ausgesprochen eschatologischer Prägung bleiben die Zwölf mit ihrem Herrn verbunden. In romanischen Wandgemälden (St. Peter und Paul auf der Reichenau, Knechtsteden [20, Abb. 357f.]) und an zahlreichen französischen Kirchenportalen des 12. Jh. thronen oder stehen sie unterhalb der Majestas Domini. Sie sind hier nicht immer schlechthin das Gefolge des Weltenherrschers. Wie sie bereits auf einer irischen Miniatur des 8. Jh. (Abb. 4) zum wiedererscheinenden Christus emporschauen, so kann auch in jenen Darstellungen die Weissagung über ihr Richteramt am Abschluß der Tage anklingen, etwa an der Fassade von St.-Trophime in Arles. Klarer aber spricht die Prophezeiung aus dem umfassenden Bildprogramm des Weltgerichts, wo die Zwölf als Beisitzer Christi in das Endgeschehen einbezogen werden. In den Werken der Reichenauer Buch- und Wandmalerei um die Jahrtausendwende (Clm. 4452. – St. Georg, Oberzell [20, Abb. 321, 353]) und in den Bogenfeldern der Portale (Freiburger Münster; Heiligkreuzkirche, Gmünd) haben sie in dem großen Zusammenhang des Weltgerichts ihren Platz inne, der ihnen noch auf niederländischen Gemälden des 15. und 16. Jh. (Jan van Eyck, Lucas van Leyden) bewahrt bleibt. Auch können sie in verkürzten Gerichtsszenen nur die Deesis umsäumen (Meißener Dom, E. 14. Jh. [21, Taf. 84]). Der Gedanke an ihr Richteramt verblaßt, wo sie zusammen mit Propheten sich abgesondert in Archivolten (St. Lorenz, Nürnberg, um 1355 [22, Abb. 145]) oder an Portalgewänden (Abb. 10) finden.
An anderen Kirchenfassaden ist das Kollegium der A. nur noch entfernt mit der eschatologischen Gedankenwelt verknüpft oder überhaupt nicht mehr mit ihr verbunden. Am Rottweiler Kapellenturm (um 1340 [23, Taf. 2]) etwa fehlen die Zwölf in der Gerichtsdarstellung; dafür sind sie weiter oberhalb neben Christus angeordnet, der dort ein zweites Mal, aber nicht als Richter zu sehen ist. Werden die A. vor Kircheneingängen gegeben (oder darüber, wie im 12. Jh. am St.-Jakobs-Portal in Regensburg, späterhin an der Vorhalle des Ulmer Münsters oder am Aposteltor der Stuttgarter Stiftskirche von 1494), so sind sie in erster Linie die Nachfolger der göttlichen Sendung Christi, die Mittler zur Gnade. „Sunt portae“ heißt es in einer Sequenz [32, Bd. 55, S. 9]. Als Beispiele seien außer französischen Darstellungen des 12. und frühen 13. Jh. in Toulouse (Portal von St.-Etienne), St.-Gilles, Chartres und Amiens die Zyklen am heute größtenteils zerstörten Südportal des Straßburger Münsters, an den Domen von Münster, Erfurt (Abb. 5) und Augsburg genannt. In Erfurt und Augsburg sind die A. unter dem Einfluß der Marienverehrung um das Standbild der Gottesmutter geschart.
Seit dem 14. Jh. werden die Statuen der A. häufig – meist mit Christus zusammen – im Kircheninnern an den Pfeilern angebracht (so schon um 1250 in der Ste. Chapelle zu Paris, wo sie Weihekreuze halten; vgl. Apostelkreuz). Eine solche Anordnung hat ihren tieferen Sinn, verglich doch bereits Paulus die A. mit Säulen (Gal. 2, 9). Die geistliche Dichtung greift den Gedanken auf: „Sunt bases atque columnae, quibus stat ecclesia“ [32, Bd. 55, S. 9]. Der breite Strom dieser Darstellungen beginnt mit den Skulpturen des Freiburger Münsters und des Kölner Domchors, um erst im 18. Jh. zu enden. Auch werden die Sendboten auf die Pfeiler aufgemalt (Jakobikirche, Lübeck; Clemen, Got. Mon. Mal., Abb. 138). Die Gepflogenheit, sie weiter oben in der Wand- oder Fensterzone aufzureihen, läßt sich von frühchristlicher Zeit an (S. Apollinare nuovo, Ravenna) durch das Mittelalter (Limburger Dom) bis zu zahlreichen Kirchen des 18. Jh. hin verfolgen, in denen sie oft Nischen einnehmen und auch paarweise die Altäre umgeben. In Glasfenstern (Katharinenkapelle des Straßburger Münsters, M. 14. Jh.) oder Strebewerktabernakeln (Freiburger Münster) überziehen sie ebenfalls das Architekturgefüge.
Auch die graphische Kunst des 15. und 16. Jh. (z. B. Meister E. S., Schongauer, Hans Baldung Grien) faßt, wie schon die Miniaturmalerei des 13. Jh. in Kalendarien [24], die Zwölf meist nicht zu einer Einheit zusammen, sondern verteilt die Jünger einzeln oder zu zweien in einer „Folge“ über verschiedene Blätter.
Auf kirchlichen Ausstattungsgegenständen und Geräten von mannigfaltiger Bestimmung, wie sie sich in Deutschland seit dem 11. Jh. zahlreich erhalten haben, ist das zeitentrückte Kollegium der A. meist einem Zentralmotiv (Majestas Domini, Christus, Maria, Heilige, Szenen der Heilsgeschichte) zugeordnet und dabei mit Vorliebe durch den vielteiligen Rahmen einer Arkatur in einzelne Gestalten oder Paare gegliedert [25]. So war es in der Sarkophagkunst bereits vorgebildet. An den Langseiten vieler Heiligenschreine stehen oder sitzen die A., nach vorne gewandt oder paarweise miteinander disputierend (Abb. 6). Die Zwölf, denen Christus das Gnadenmittel des eucharistischen Opfers anvertraut hatte, finden sich auf festen Altären (s. Sp. 423-24, Abb. 20), Tragaltären, Altarantependien (Sp. 451ff.) und -retabeln ([26] u. Sp. 529ff.). Im späteren Mittelalter sind sie vor allem im Norden Deutschlands über den Altarschrein und seine Flügel hin aufgereiht – Schleswig-Holstein und Mecklenburg bieten hierfür zahlreiche Beispiele (s. auch Sp. 547-48, Abb. 16 u. 17) –, während sie auf süddeutschen Werken oft als geschlossene Gruppe von Halbfiguren um den Weltheiland wie beim Abendmahl geschart die Predella einnehmen (Abb. 7; vgl. dagegen Sp. 549-50, Abb. 18). Weil sie die ersten Verkünder des Evangeliums waren, schmücken sie Lettner (Bielefelder Marienkirche, um 1350 [27, Abb. 248ff.]) und späterhin Kanzeln. Als Grundsteine in der Mauer des neuen Jerusalem (Apok. 21, 14) erhalten sie auf Radleuchtern, den Sinnbildern der Himmelsstadt, Platz (Aachener Münster). Auf Chorschranken bieten sie sich den Blicken der Laien dar (Hildesheim, Halberstadt). Den zwölf Ochsen des ehernen Meers (1. Kön. 7, 44) vergleichbar, umsäumen die Spender der Taufe das Kesselrund, z. B. auf zahlreichen spätromanischen Taufbecken Westfalens. Als erste Empfänger des Abendmahls zieren sie die Kelche (Abb. 8). Es ließen sich noch viele weitere Beispiele aufzählen, etwa Schlußsteine, Altarschranken, Emporenbrüstungen, Chorgestühle, Grabmäler, Beichtstühle, liturgische Gewänder, Apostelkrüge, ja sogar Schachfiguren. Die Bevorzugung der Zwölf im Bilderkreis ergibt Sich aus der Bedeutungsfülle ihres Wesens und ihrem vertrauten Verhältnis zu Christus, sind sie doch seine Bevollmächtigten und die Boten des Heils, die im Meßkanon sogleich nach ihm aufgeführt werden. Für die Reihenfolge ihrer Anordnung läßt sich bei der Unzahl von Werken – bis auf den üblichen Vorrang von Petrus und Paulus – keine feste Regel aufstellen. Wo die protestantische Kunst das Thema aufgreift, wie auf Altarretabel (Stadtkirche Varel, 1614; vgl. auch Sp. 582, Abb. 15) oder Kanzeln (St. Marien, Parchim, 1601; St. Jürgen, Wismar, 1608; St. Jakobi, Stettin, um 1690 [28] und vielen anderen) fügt sie dem ikonographischen Bestand keine neuen Züge hinzu.
Die grundlegende Stellung der A. innerhalb des Lehrsystems wird deutlich, wenn sie als Schöpfer des Credo kenntlich gemacht sind. Nach einem Pseudo-Augustinischen Sermo des 6. Jh. (Migne, P. L. 39, 2189f.), der frühere Quellen erweitert und Stärker als ähnliche Predigten die bildende Kunst und das geistliche Schauspiel beeinflußt hat, sollen die Zwölfboten vor ihrer Trennung gemeinsam das Glaubensbekenntnis verfaßt haben, wobei ein jeder – Paulus fehlt hier – einen Abschnitt sprach ([11]. – Dieser dramatische Augenblick ist E. 13. Jh. in der Illustration der „Somme le Roi“ festgehalten worden: Henry Martin, La Miniature française du XIIIe au XVe siècle, Paris-Brüssel 19242, Taf. 16). Auf vielen Werken der Monumental- und Kleinkunst sind diese Sätze, bei wechselnder Verteilung auf die einzelnen Jünger, ihren Spruchbändern oder Büchern eingeschrieben. Zugleich aber werden meistens den Sendboten als den Verkündern des geoffenbarten Heils Propheten oder andere alttestamentliche Gestalten mit entsprechenden Weissagungen des künftigen Heils zugeordnet. Eine sichtbare typologische Gegenüberstellung ist zwar im allgemeinen schon in frühchristlicher Zeit nachweisbar, gewinnt aber wohl erst im 12. Jh. ein systematisches Gepräge. Leider läßt die häufige Zerstörung aufgemalter Inschriften keine genauen Schlüsse über den Umfang dieser Gruppe zu. In mannigfaltiger Art tritt die geistige Verwandtschaft zwischen Propheten und A. zutage, bei der die Überlegenheit der A. gerne formal betont wird. So nehmen die A. die Deckplatte des Eilbertus-Portatile (um 1150-60 [29, Taf. 27ff.]) ein, die alttestamentlichen Persönlichkeiten dagegen nur die Wandungen. Der Heribert-Schrein zu Deutz (Abb. 6) läßt die getriebenen großen Gestalten der Sendboten gegenüber den kleineren Emailbildern der Propheten hervortreten. Aus richtungssymbolischen Erwägungen ist den Propheten an der Nordseite der Bamberger Chorschranken, den A. dagegen an der bevorzugten Südseite ihr Platz angewiesen (Abb. 9; ein Vorläufer ist die Aposteltafel des Baseler Münsters). In diesem Werk sind die frühchristlichen Motive der Disputation und des Zuges von neuem zu einer spannungsreichen Einheit verschmolzen (vgl. Abb. 3). Auf der Altarpredella der Osnabrücker Marienkirche wandern die A. mit den Propheten (Abb. 11) und rufen so den Vergleich mit den Gestalten eines geistlichen Dramas wach (Franz J. Mone, Altteutsche Schauspiele, 1841, S. 145ff.), während im Altarflügel der ehemaligen Barfüßerkirche in Göttingen von 1424 [30, Abb. 37] die A. unten Stehen, aber die Halbfiguren der Propheten, mit Kirchenlehrern zusammengefaßt, in die Arkadenzwickel zurückgedrängt sind. Das typologische Verhältnis des Alten zum Neuen Testament kann nicht sinnfälliger zutage treten, als wenn die Propheten, „quorum nimirum filii sancti apostoli nuncupantur“ (Gregor d. Gr., Moralia in Hiob, Migne, P. L. 76, 68), die A. auf den Schultern tragen (so ohne besonderen Bezug auf das Credo auf dem Merseburger Taufstein, um 1180 [31, Abb. 43f.] und am Bamberger Fürstenportal (Abb. 10), oder wenn sie in dem doppelgeschossigen Kuppelreliquiar des ehemaligen Welfenschatzes (um 1175 [29, Taf. 48ff.]) unten, die A. aber oben angeordnet werden. Daß die Propheten in der Klosterkirche zu Blaubeuren den Apostelstatuen als Konsolen dienen, entspringt der gleichen Vorstellung. Noch genauer spiegelt sich der stufenförmige Aufbau der göttlichen Heilsordnung (tempus ante legem, sub lege, sub gratia) im Figurenschmuck des Ulmer Chorgestühls wider (Heidnische Personen, alttestamentarische Gestalten, A. und Heilige). Andere, weniger wichtige Beziehungen ergeben sich dadurch, daß die A. auf ihren Peinigern stehen (z. B. in Chartres) und mit Tugenden in Verbindung gebracht sind (ehemaliger Folcardusbrunnen von St. Maximin, Trier, 12. Jh., Clemen, Roman. Mon. Mal., Abb. 233; Glasfenster des Naumburger Westchors, 2. H. 13. Jh., Inv. Prov. Sachsen 24, S. 137ff.). Das zahlensymbolische Denken läßt sie den Tierkreiszeichen oder Monatsbildern entsprechen, die sich in den Bogenfeldern über ihnen befinden (Kalendarien der Evangeliare des 13. Jh. [24, Taf. 1ff.]), oder den Löwen am Throne Salomos (Molsdorf, Nr. 986). Den sieben Söhnen Hiobs werden sie gleichgesetzt (Bibel von Floreffe, um 1160, A. Michel, Bd. 2, 1, Abb. 229), da die Siebenzahl in ihren Teilen drei und vier miteinander vervielfacht zwölf ergibt.
In der allegorischen Darstellung der Hostienmühle, einem mystisch-lehrhaften Bild vom Wesen und Werden des eucharistischen Brots, bewegen die Zwölf die Welle des Mühlkastens an Kurbeln (Abb. 12) oder ziehen die Schleusen auf, falls die Mühle durch Wasserkraft betrieben wird [12]. Auch werden sie in die Zweige eines Baumes verteilt, in deren Krone Christus thront (Molsdorf, Nr. 1023).
Auf Allerheiligenbildern (Sp. 365ff.) und verwandten Darstellungen nehmen die A. wie in Litaneien, Hymnen und Predigten den ihnen gebührenden Platz zwischen den einzelnen Kategorien der Heiligen ein. Damit ist: ein Thema zur Vollkommenheit einer „Summa“ erweitert, das einen ersten Niederschlag in der urbildlichen Gemeinschaft Christi und der A. gefunden hatte.
IV. Kennzeichnung der A.
Zu Beginn der frühchristlichen Kunst sind die A. durchweg unbärtig, dann wie aus rhythmischen Gründen abwechselnd bärtig und bartlos gegeben. Im Laufe des Mittelalters verstärkt sich die Tendenz, ihnen mit Ausnahme des Johannes den Bart als Zeichen der Würde zuzuerkennen. Als erste heben sich Petrus und Paulus durch ihre Kopftypen deutlich von den anderen A. ab. Seit dem 5. Jh. werden die Sendboten durch Nimben ausgezeichnet. Ihre Kleidung besteht nach gültiger Tradition, die selten und erst spät durchbrochen oder erweitert wird – Petrus ist manchmal in päpstlichem Ornat zu sehen –, aus langem Gewand (Tunika) und mantelartigem Überwurf (Pallium). Schuhe tragen sie fast nie (Matth. 10, 10), hin und wieder Sandalen. In ihren Händen pflegen sie die geschlossene und offene Schriftrolle oder ein Buch zu halten. Späterhin sind die Schriftbänder zur Aufzeichnung der Credo-Sätze geeignet, während die Bücher als Kennzeichnung höherer Offenbarung gelten können. Seit dem 13. Jh. werden in steigendem Maße Attribute, meist Märtyrerwerkzeuge – bei historischen Darstellungen erübrigen sie sich – für alle A. üblich. Wiederum ist Petrus hierbei der allgemeinen Entwicklung weit voraus. Auch auf andere Weise werden die Zwölf bestimmt, etwa durch Inschriften (so schon im Baptisterium der Orthodoxen, Ravenna); gelegentlich halten sie Rundscheiben mit den Bildern ihrer Misslonsgebiete (Kölner Tragaltar des 12. Jh., Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen III, Abb. 87) oder Kreise mit den Tierkreiszeichen (deutsche Handschriften des 13. Jh. [24]). Am Hauptportal des Ulmer Münsters aber sind sie dem Typus lefender, schreibender und meditierender Evangelisten angeglichen.
Zu den Abbildungen
1. Albrecht Altdorfer, Apostelabschied, um 1525. Berlin, Deutsches Museum. Phot. Mus.
2. Mailand, S. Lorenzo, Kapelle S. Aquilino, Nischenmosaik, 1. H.5. Jh. Phot. Anderson, Rom.
3. Rom, Museo Petriano, Sarkophag des Probus, E. 4. Jh. Phot. Alinari, Florenz.
4. St. Gallen, Stiftsbibl., Ms. 51, fol. 267, irisch, um 750–60. Nach E. H. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen.
5. Erfurt, Domtriangel, Nordostportal, Gewände, um 1320. Phot. K.gesch. Sem. Marburg.
6. Köln-Deutz, Pfarrkirche, Heribertschrein, um 1170–80. Phot. K.gesch. Sem. Marburg.
7. Meister H. L., Predella des Hochaltars in Niederrotweil, um 1515. Phot. W. Kratt, Karlsruhe.
8. Fritzlar, Stiftskirche St. Petri, Kelch, um 1200. Phot. K.gesch. Seminar Marburg.
9. Bamberg, Dom, Schranke des Georgenchors, Südseite, um 1230. Phot. K.gesch. Sem. Marburg.
10. Bamberg, Dom, Fürstenportal, linkes Gewände, um 1235. Phot. K.gesch. Sem. Marburg.
11. Osnabrück, Marienkirche, Werkstatt des Meisters der Goldenen Tafel, Predella des Hochaltars (Ausschnitt), um 1430. Phot. Rud. Lichtenberg, Osnabrück.
12. Hannover, Prov. Mus., Außenflügel vom Hochaltar der ehem. Barfüßerkirche in Göttingen, 1424. Phot. Mus.; mit Genehmigung S. K. H. des Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg.
Literatur
I. Spezialliteratur: 1. Künstle II, S. 93ff. 2. Sauer. 3. Mâle I. 4. Mâle II, S. 296ff. 5. R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden, Braunschweig 1883-90, Bd. 1, S. 11ff. 6. Joh. Ficker, Die Darstellung der A. in der altchristl. K. (Beitr. zur Kg. N. F. V), Leipzig 1887. 7. J. E. Weis-Liebersdorf, Christus- und Apostelbilder, Freiburg i. B. 1902. 8. Ernst v. Dobschütz, Der A. Paulus II, Halle 1928. 9. Fritz Saxl, Frühes Christentum u. spätes Heidentum (Wiener Jb. f. Kg. II, 1923, S. 63ff.). 10. Walter Artelt, Die Quellen der m.a. Dialogdarstellung, Diss. Frankfurt 1933. 11. E. Wernicke, Die bildliche Darstellung des apostolischen Glaubensbekenntnisses in der dt. K. des M.A. (Christl. K.blatt 1887/8/9/93). 12. Alois Thomas, Die mystische Mühle (Die christl. K., XXXI. Jg., 1934-35, S. 129ff.); ders., Die Darstellung Christi in der Kelter, Düsseldorf 1935, S. 163ff.
II. Abbildungshinweise: 13. Ernst Heidrich, Die altd. Malerei, Jena 1909. 14. Justus Bier, Tilmann Riemenschneider II, Augsburg 1930. 15. Elfried Bock, Die dt. Meister, Berlin 1921. 16. Oskar Wulff, Altchristl. u. byz. K. im Hdb. d. Kw. 17. Wilpert, Katakomben. 18. Wilpert, Mos. u. Mal. 19. Giuseppe Wilpert, I sarcofagi cristiani antichi I, Tafeln, Rom 1929. 20. Georg Dehio, Geschichte der dt. Kunst, 1. Bd., Berlin u. Leipzig 19304. 21. Herbert Kunze, Die Plastik des 14. Jh. in Sachsen u. Thüringen, Berlin 1925. 22. Kurt Martin, Die Nürnberger Steinplastik im 14• Jh., Berlin 1927. 23. Paul Hartmann, Die gotische Monumentalplastik in Schwaben, München 1910. 24. Arthur Haseloff, Eine thüringisch-sächsische Malerschule des 13. Jh. (Stud. z. dt. Kg., 9. Heft), Straßburg 1897. 25. Otto v. Falke u. Heinrich Frauberger, Dt. Schmelzarbeiten des M.A., Frankfurt a. M. 1904. 26. Braun, Altar. 27. Richard Hamann u. K. Wilhelm-Kästner, Die Elisabethkirche zu Marburg, 2. Bd., Marburg 1929. 28. Hanna Mayer, Barockkanzeln (Stud. z. dt. Kg., 287. Heft), Straßburg 1932. 29. Der Welfenschatz, herausg. von O. v. Falke, Robert Schmidt u. Georg Swarzenski, Frankfurt a. M. 1930. 30. Carl Georg Heise, Norddt. Malerei, Leipzig 1918. 31. Hermann Beenken, Romanische Skulptur in Deutschland, Leipzig 1924. 32. Clemens Blume u. Guido Dreves, Analecta hymnica medii aevi, Leipzig 1886ff.
Empfohlene Zitierweise: Katzenellenbogen, Adolf , Apostel, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1935), Sp. 811–829; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89638> [16.10.2024]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.