Borte, Bortenweberei
englisch: Border (textile); französisch: Bordure, passementerie, galon; italienisch: Passamano, passamanteria, gallone.
Marie Schuette (1942)
RDK II, 1044–1062
I. Begriff, Material und Technik
B., Bänder, Gurten sind ein Urbedürfnis der Menschheit, notwendiges Werkzeug und Hilfsmittel zum Tragen von Lasten und Waffen, zu jeglichem Binden, zum Fangen und Anschirren, zum Lenken und Zügeln, zum Gürten und Halten der Kleidung. – Diesem weiten Begriff entsprechen die Vielfalt von Material und Technik und die Weite der Entwicklung. Jegliches Material, soweit es schmiegsam ist, hat Verwendung gefunden, die Auswahl richtete sich nur nach den Erfordernissen des Gebrauchszwecks. Jeder Stoff, vom Rindenbast bis zur modernden Spinnfaser, der textil verarbeitet werden kann, kommt als B. vor. In prähistorischer Zeit bevorzugte der Norden die Wolle. In geschichtlicher Zeit hat die Seide den Vorzug, wozu Gold und Silber in ausgedehntem Maße kamen. Leinen, Hanf, Wolle wurden für einfachere Zwecke und den Alltag verwendet.
B. und Bänder können in jeder textilen Technik hergestellt werden, sie können je nach dem Zweck geflochten, geknotet, gewebt, gewirkt, gestrickt, gehäkelt werden. B.- und Bandweberei sind nicht zu trennen, sie waren das Gebiet der „Portenmacher, Portenwürker, Pantbereiter“, der Posamentmacher und Posamentierer im 17. Jh.; im 18. Jh. wurde die Bandweberei auch von der Weberzunft betrieben. – Die ursprüngliche Technik dürfte die Flechterei sein. Sie hat sich in der Volkskunst erhalten (Hessen, Schweden; als Strumpf- und Hutband und als Gürtel) und wird noch heute gelegentlich von der Posamenterie geübt; aber nur in der Weberei ist die B. zu einer fortlaufenden Entwicklung gekommen als ihre bescheidenere Schwester, die mit ihr auf dem Gebiet der Mode vom 17. Jh. ab eine nicht unwichtige Rolle zu spielen bekam.
Das Merkmal von B. und Band ist die Beschränkung in der Breite. Dem Band haftet der Begriff des Bindens an, die B., wie der Name besagt, ursprünglich Rand-, Saumverzierung, ist Besatz an Möbel, Wand, Gardine (als „Tapezierbörtel“), Wagen und Kleidung, vor allem auch an der Uniform. Die Schmalheit bedingt besondere Werkzeuge und Webstühle. In dieser Beziehung ist die Brettchenweberei (Sp. 1137ff.) die klassische B.-Weberei, denn das Werkzeug, die Brettchen, und ihre Handhabung verbieten jede größere Ausdehnung in der Breite. Das Brettchenband erfüllt zudem alle technischen und ästhetischen Erfordernisse des Bandes und der B.
II. Webgeräte
a) Der volkstümliche Webekamm (Webega[i]tter, Weberost, Webebrett) ist das verbreitetste Werkzeug für die Bandweberei (Abb. 1). Es ist ein – oft geschnitzter und bemalter – Holzrahmen mit schmalen durchlöcherten Latten. Die Kettfäden werden durch Lattenzwischenraum und Loch gezogen, so daß der Rahmen an den durch die Löcher geführten Fäden hängt. Heben und Senken öffnet die Fächer für die Leinwandbindung. Die Musterung geschieht durch verschiedene Farben in Kette und Schuß; Streifen und Karos sind das gegebene. Durch weitere Löcher in den Latten läßt sich eine weitere Kette, eine Musterkette, führen, und dazu kommt noch die Möglichkeit des Broschierens und einer reicheren Musterung in anderem Material und verschiedenen Farben. Die geometrischen Urmuster, Hakenkreuz. Raute, Schrägbalken kehren immer wieder. – Das Webegatter ist uralt, wenn auch in seinen frühesten einwandfreien Exemplaren für Deutschland erst im 9. Jh. nachweisbar. Seine früheste bisher bekannte Darstellung, allerdings auf einem Fuß, mit Zettel und fertigem Band, findet sich in der Manesse-Handschrift (E. 13. Jh.; [9]). Derartige stehende Webegatter haben sich auf dem Lande erhalten; das Mus. für Kunst u. Gewerbe in Hamburg besitzt ein Original aus den Vierlanden (Abb. 1). Es wurde verbessert durch Hinzufügung von Garnrolle und Bandrolle (für das fertige Band); die Weberin saß seitlich vor der Kette und regelte die Spannung mit dem Fuß. Einen solchen Bandwebstuhl zeigt das Titelblatt des in Augsburg 1534 erschienenen Modelbuches von Schwartzenberger [21, Abb. 23] und besitzt das gleiche Museum in Hamburg (aus Müden, Kreis Gifhorn in der Lüneburger Heide; Abb. 2; [9]).
b) Im 16. bis tief ins 17. Jh. hinein war die „Lade“ (Bortenlade, Bandlade, Wirklade, Häcken) der geläufige kleine Tischwebstuhl zum Porten-(Borten-)Wirken, das sich damals der gleichen Beliebtheit erfreute wie im MA. – Die wichtigste Quelle hierfür und für die B.-Muster selbst sind die deutschen Modelbücher von 1523 ab. Die Titelblätter erwähnen die Lade und zeigen in Holzschnitt und Radierung die Frauen an der Wirklade arbeitend (Abb. 3); die Beischriften geben bei den geometrischen Mustern mitunter an, daß sie in verschiedenen Sticharten gestickt und auch auf der Lade gewirkt werden können (Abb. 5). Das Schloßmus. in Berlin hat eine derartige kunstreich geschnitzte Bandlade (Abb. 6; 67 cm tief, 29 cm breit, 26 cm hoch; [7]), die nach den darauf dargestellten Köpfen Karls V. und seines Bruders Ferdinand aus den Jahren 1530–35 stammen und ob ihrer Kostbarkeit ein fürstliches Geschenk an eine hochstehende Frau sein dürfte. Wie die Bandlade gehandhabt wurde, zeigt der Stich (B. 109) von Georg Pencz [7, S. 296], auf dem das „Gefühl“ als Bandwirkerin verkörpert ist. Ein zwölfschäftiges „Web-Gestühl“, wie es der B.-Macher im 17. Jh. benutzte, bildet Christoff Weigel ([2], Abb. 4) ab. Die schweren, kunstvollen Bänder wurden auch im 18. und 19. Jh. auf dem Handstuhl gewebt.
c) Der Schubstuhl beruhte ebenfalls auf Handbetrieb durch einen Arbeiter, war aber so eingerichtet, daß 2–4 breite und 12–14 schmale Bänder gleichzeitig gewebt werden konnten.
d) Die Bandmühle (Schnurmühle, Mühle, Mühlstuhl) als ein selbstwebender Stuhl, dessen Bewegungen ein eigener, von Menschenhänden, Pferden, Wasserrädern und später von Dampfmaschinen angetriebener Mechanismus auslöst, ist bereits zwischen 1579 und 1586 erfunden worden [1]. Sie ermöglichte es schon im 17. Jh., bis zu 16 Bändern nebeneinander zu weben. Zunächst fertigte man nur die leichte und billige Massenware auf der Bandmühle an, in der Folgezeit wurde der Stuhl aber sehr vervollkommnet für die Fabrikation von Atlasbändern und durch die Verbindung mit der Jacquard-Maschine auch geeignet, gemusterte Bänder herzustellen. Wien, das vom 18. Jh. ab in der Seidenbandmanufaktur in Deutschland führte, hatte seine besonderen, leichter zu handhabenden Bandmühlen.
III. Geschichte
A. Antike und frühes MA
Die B. war der Schmuck und die Verzierung der Kleidung von der Antike bis ins 18. Jh., und noch heute ist sie Teil der Uniform. – Ihre frühesten Erzeugnisse hat die ägyptische Erde bewahrt in den spätantiken gewebten, halbwollenen Bändern, die den Gewändern im 5. bis 6. Jh. aufgenäht wurden [13; 17]. Die typischen Muster, zu Zickzacklinien und Rauten zusammengeordnete kleine, in sich gemusterte Schrägbalken, sind in etwas veränderter Gestalt in die Palermitaner Borten des MA übergegangen. – Mit dem Schnitt übernahm das MA auch den Schmuck des orientalischen Gewandes für die Priesterkleidung. Die Kirche hatte einen ungeheuren Bedarf an B. jeder Breite für die liturgische Gewandung und den Altar. Beispiele sind hierfür in großer Anzahl erhalten (Abb. 9; [8; 19; 20]. Sie müssen die als Kopfschmuck und Gürtel verwendeten und restlos verbrauchten profanen Zierbänder des MA ersetzen.
Mit vielen Orten ist der Begriff des Aurifrisium (RDK I, Sp. 1280ff.) verbunden: mit Anglia, Lucca, Romana (Griechenland); im 14. Jh. werden erwähnt: opus venetum, senense, cyprense, tartaricum (der sarazenische Osten). Allein die einzelnen frühen m.a. B. lassen sich einstweilen in der Regel nicht nach ihrer Herkunft bestimmen. Nur auf England kann man gewisse Brettchenbänder (Sp. 1145) zurückführen. „Pariser Borten“ kommen in deutschen Akten des 14. Jh. vor, merkwürdigerweise aber nicht in den Inventaren, obgleich die Bedeutung des Pariser Posamentiergewerbes bereits im 13. Jh. urkundlich belegt ist [14, S. 13f.]. Wir wissen auch nicht, wie diese Bänder ausgesehen haben. Bisher sind nur die Palermitaner, Kölner, Luccheser und Florentiner B. des 12. bis 16. Jh. in ihrem Charakter ermittelt [14; 18]. Die im Grabe Heinrichs VI. in Palermo aufgefundene B. (Abb. 7; [3]) dient als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Palermitaner B. (Abb. 8). Es ist ein starkes Diagonalgewebe, das Material ist Seide in heute blassen Tönen, weiß, hellrot, hellgrün, hellblau und Häutchengold. Die Muster zeigen auf meist nicht sonderlich erhaltenem Goldgrund Tiere (Vierfüßer und Fabeltiere) in Ranken und unter Palmen, häufig auch ein dünnes, meist unzusammenhängendes Streumuster: kurze, wie abgebrochene symmetrische Spiralranken, im Zickzack aneinandergelegte, weiß und farbig gestreifte kleine Bänder, Vögelchen, Vierfüßer. Sie bilden den Besatz der ehrwürdigsten liturgischen Gewänder (Albe des hl. Bernulf, Bischofs von Utrecht, † 1056; Utrecht, Bischöfl. Kanzlei), Kaseln in Halberstadt (Abb. 8), Schuhe und Wams Philipps von Schwaben († 1208) im Speyrer Dom (Inv. Bayern, Pfalz 3, S. 371ff.), um nur einiges zu nennen, und sind Beweis für die hohe Schätzung der Bänder. Von besonderer Art ist die nicht gewebte, sondern geflochtene (gewirkte) breite B. am Krönungsmantel der deutschen Kaiser (1133).
B. Spätes MA
1. Deutschland
Ohne Zweifel haben diese importierten B. in Deutschland Einfluß auf die B.-Weberei ausgeübt, doch wissen wir darüber nichts Genaueres. Der große Bedarf der Kirche wurde wohl in der Regel durch heimische Arbeit, und nur für besonders wertvolle Gewänder durch ausländische gedeckt. Bei der Herstellung der kostbaren goldenen Besätze spielte die Brettchenweberei (Sp. 1137ff.) eine große Rolle. Es gab aber auch einfachere Aufgaben, und diese haben in steigendem Maße neben der Brettchenweberei die Kamm- und Ladenweberei erfüllt. Die Marienkirche in Danzig besitzt als Besatz der Zierbehänge von Leuchtern (vgl. Sp. 806) geradezu eine Mustersammlung solcher meist wollenen, gefällig mit geometrischen Elementen in ungebrochenen Tönen und mit Gold gemusterten Bänder, von denen man mit Sicherheit die Anfertigung in Danzig selbst wird annehmen dürfen (Abb. 10, 11; [20, Bd. 4, Taf. 147ff., 5, Nr. 104ff.]).
Sicher auf deutschem Boden stehen wir erst mit der Kölner B. [14], deren frühestes datierbares Erzeugnis, das Wappen von Horn-Bircklin, in die 2. H. 12. Jh. verweist. Sehr wahrscheinlich existierte die B.-Weberei in Köln bereits im 12. Jh. Die Entwicklung geht gradlinig bis E. 15. Jh.; Technik und Material bleiben konstant. Letzteres ist Leinen für die Grundkette und für den Verstärkungsschuß, Seide für Bindekette und Schuß, dazu kommt Häutchengold für den Schuß. Diese Verbindung von Leinen und Seide hat der Kölner B. eine Haltbarkeit gegeben, die sie z.T. noch heute in ihrem alten Zustand zeigt. Sie verwendet ausschließlich Köperbindung, einfachen und Spitzköper. – Von der M. 15. Jh. ab tritt mit der zunehmenden Herrschaft des Figürlichen die Stickerei hinzu, zunächst für die feinen Einzelheiten und für die Gelichter, die bei den frühesten figürlichen Darstellungen gewebt waren. In der Spätzeit des Jh. gewinnt sie immer mehr Rechte, und schließlich werden die gestickten Figuren auf den Goldgrund aufgenäht (Abb. 12). Damit hat sich die Kölner B. als Weberei überlebt und sich dem Zuge der Zeit folgend in Stickerei aufgelöst. Stilistisch ist ihre Entwicklung vom sparsam, monumental verwendeten Wappen mit Achtpaß, Raute, Rosette und kleiner Schrift auf Goldgrund zur symmetrischen Bäumchenstaude mit bunten Blüten und zur Figur vor Blattwerkhintergrund mit großer Schrift gegangen, wobei die Farbe – rot, blau, grün, violett mit weiß auf Häutchengold – an Tiefe immer mehr zugenommen hat. – Die Herstellung der Kölner B., die sehr wahrscheinlich exportiert wurde, lag bei den Wappenstickern, die seit 1397 eine eigene Zunft bildeten.
2. Italien
Etwas von Grund auf anderes ist die italienische B., schon durch ihre größeren Maße (die Florentiner B. [18] sind durchschnittlich 20 bis 25 cm breit). Dann kennt sie nur figürliche Darstellungen (Verkündigung, Anbetung, Taufe, Auferstehung, Mariä Himmelfahrt, Apostel- und Heiligenfiguren). Auch die Herstellung ist eine andere. Die frühen, ihrer Textur nach lucchesischen des 14. Jh. (Abb. 13), die gotische Züge tragen, und die Florentiner des 15. Jh. (Abb. 14) wurden auf dem gewöhnlichen Webstuhl gearbeitet, die einzelnen B. als Streifen auseinandergeschnitten. Die Florentiner B. der Früh- und Hochrenaissance ragt durch außerordentlich schöne Zeichnung hervor. Der Seidengrund ist durchgehends rot, selten grün, das Muster gold (Darmgold), das Fleisch weiß, Einzelheiten blau durchschossen. Gegen E. 15. Jh. wird das Muster zweifarbig und steht gelb- und golddurchschossen auf dem roten Atlasgrund. Eine Ausnahme bildet das Muster in Samt. Technik und Zeichnung weisen in ihren verschiedenen Merkmalen auf drei bis vier Werkstätten.
C. Neuzeit
An der weiteren Entwicklung der B.-Weberei hat vom 16. Jh. ab die Mode des weiten Glockenrockes größten Anteil; dieser nach Garnierung verlangenden fläche bemächtigte sich dankbar die B. Über den Luxus, der mit ihr getrieben wurde, unterrichten eindeutig die Kleiderordnungen des späten 16. Jh. Das 17. Jh. entdeckte die Bandschleife, und indem die Mode den Anzug mit Bandschluppen förmlich zudeckte, nahm der Luxus nur eine andere Form an. Zu einem Herrenanzug gehörten 300 Ellen Band, zu den von der Mode vorgeschriebenen 500 bis 600 Bandschleifen. Eine sächsische Polizeiverordnung von 1661 beschränkt den gewöhnlichen Besatz von 200 Ellen Taffetband für einen Herrenanzug auf 50 Ellen für Adlige, 30 für Bürger, 10 bis 15 für das gemeine Volk.
Die Miniatur des Zunftwappens im Zunftbuch der Straßburger Posamentierer und Knopfmacher von 1618–1789 (Abb. 15) gibt eine gute Vorstellung von dem, was die Zeit verlangte und leistete. Jedenfalls hatte das Posamentierhandwerk Arbeit im Überfluß, und so war es kein Wunder, daß man auf Zeit sparende Methoden und Werkzeuge sann. Sicher gab es in den Niederlanden zu A. 17. Jh. bereits Bandmühlen (s. o.); hier setzt auch zuerst mit Hilfe des Gesetzes (1623) die Abwehr der in ihrem Gewerbe bedrohten Posamentiererinnungen ein. Der Reihe nach verboten die großen Handelsstädte wie Nürnberg (1664), Köln (1675). Hamburg die Bandmühlen, bis 1685 ein allgemeines kaiserliches Verbot für Bandmühle und Bandmühlenarbeit im Römischen Reich erwirkt wurde. Das Ergebnis war in den nächsten Dezennien eine riesige Einfuhr von Mühlarbeit aus den weiterblickenden Nachbarländern, wo in Lyon, Genf und Basel die Mühlstühle weiter ausgebaut und mit Wasserkraft getrieben wurden. Weitere Beschwerden der Zünfte führten zu einer Erneuerung des Reichsverbotes i. J. 1719. Charlottenburg hatte aber schon 1718 den ersten Mühlstuhl aus Holland bezogen, und 1765 hob Kursachsen nicht nur das Verbot auf, sondern setzte sogar Prämien auf die Anlegung von Bandmühlen aus. Die Annaberger sperrten sich allerdings noch zu A. 19. Jh. gegen die Bandmühle, die eine Firma zur Hebung der durch die Einfuhr der ausländischen Mühlenbänder immer weiter zurückgehenden Bandweberei eingeführt hatte, bewirkten damit aber nur, daß dieses jahrhundertelang betriebene Gewerbe der Auslandskonkurrenz vollständig erlag und aufhörte. – Das Gegenstück zu Annaberg ist Basel, wo der lothringische Refugié Ant. Lescailles 1577 mit Gesellen aus Lothringen, Piemont, Savoyen, den Niederlanden und Locarno eine „Passementer“-Werkstätte begründete. 1630 folgte Franz Passavant mit einer neuen „Fabrike der Gold- und Silber-Passamenten“. Ein Ratsbeschluß von 1670, daß die neuen Bandstühle ohne Einschränkung arbeiten dürften, bewirkte im Verein mit Abgabenfreiheit und religiöser Duldung, daß die Basler Bandweberei einen außerordentlichen Aufschwung nahm und für Stadt und Kanton Basel sowie auch für Bern eine Quelle des Reichtums wurde. 1762 berechnet der Basler Bandweber Markus von Kämel, der die Industrie in Wien einführte, den Basler Bandverkauf auf einige Millionen Gulden. Durch Hausierer sorgten die Basler für die Feilhaltung der billigen Ware auf den Jahrmärkten. Dem Ausland wurde sie auf den Frankfurter Messen angeboten, sie selbst aber schützten sich vor ausländischer Luxusware durch Verbote oder Nachahmungen derselben. Ein anderes mit Virtuosität geübtes Absatzmittel war der Schmuggel, der nach Oberösterreich über Passau und nach Böhmen und Mähren über Leipzig-Tetschen ging. Die Überlegenheit der Schweiz begründete sich auf die Massenware, die auf Mühlstühlen in ländlicher Heimarbeit gemacht wurde, auf seine Wasserkräfte und auf das ausgedehnte Verlegerwesen.
Wien hat seit dem MA eine eigene Band- und B.-Weberei gehabt, die im 18. Jh. systematisch von der Regierung gepflegt und gefördert wurde [6; 11; 12]. Für die Verbesserung der feineren und teuren Arbeit auf dem Handwebstuhl zog man erfahrene Arbeiter aus Sachsen, für die Samtbänder Rheinländer, besonders aus der Gegend von Krefeld, heran, und für die Massenware auf der Bandmühle wurden Schweizer die Lehrmeister. In der 1. H. 18. Jh. lag die Bandweberei größtenteils in Händen von Ausländern und Protestanten. Dem „Vater“ der sog. Modebandmanufaktur in Österreich, Franz Rusche (E. 18. Jh.), gelang es, durch die Ausbildung vieler Fabrikanten und Gesellen und durch die Vervollkommnung der Produktion in Geschmack und Güte die österreichische Banderzeugung so zu fördern, daß sie das früher eingeführte französische Band vom Markt verdrängte und das eigene Erzeugnis nach Italien, Deutschland, Polen und Rußland ausführen konnte. Nach einem Regierungsbericht von 1797 verfertigten 4000 Menschen auf beinahe 2000 Posamentierstühlen jährlich wenigstens für 1 400 000 fl Bänder. Auf den Handstühlen in Wien wurden nur die rasch wechselnden Putz- und Modebänder (Abb. 16), auf Mühl- und Schubstühlen in den Hauptstädten der Provinz die Zwirn- und Wollbänder und die Trachtenbänder für Bauer und Bürger (Abb. 17) als eigentliche Exportware nach Ungarn, Kroatien, Polen gearbeitet. Die Bemühungen um die Bandweberei in Österreich gingen auch im 19. Jh. weiter (Abb. 18, 19), und Wien blieb bis in unsere Zeit führend, wofür die reichste Sammlung von Bändern im Wiener Kunstgewerbemuseum Zeugnis ablegt.
Zu den Abbildungen
1. Hamburg, Mus. f. Kunst u. Gewerbe, stehendes Webgatter aus den Vierlanden. 93,5 cm hoch. Nach R. Stettiner [9], S. 17.
2. Ebd., Apparat zum Bandweben („Gattergestell“) aus Müden (Kr. Gifhorn, Prov. Hannover). Nach R. Stettiner [9], S. 7.
3. Modelbuch „Eyn new kunstlich boich ...“, gedruckt bei Peter Quentel, Köln 1527. Titelblatt: Frauen an der Wirklade und am Webstuhl. Nach Lotz [21], Taf. 5, Abb. 9.
4. Bandwebstuhl des 17. Jh. Nach Chr. Weigel [2], Taf. zu S. 582.
5. Modelbuch von Sibmacher 1597, Webmuster. Nach dem Neudruck Wien 1877, Taf. 1.
6. Berlin, Kunstgewerbe-Mus., Bandwirkerrahmen (Lade), Buchsbaum. Nürnberg, ca. 1530–35. Nach J. Lessing [7], Taf. zu S. 296.
7. Band von der Grabkrone Heinrichs VI., gezeichn. von Manganoro, in Kupfer gestochen von della Bella nach der Umstellung und Öffnung der kaiserlichen Särge im Dom zu Palermo. Nach Fr. Daniele [3], Taf. H.
8. Halberstadt, Dom, Palermitaner Borte an einer gelben Kasel. 8 cm breit. 13. Jh. Phot. H. Kirchhoff, Leipzig.
9. Ebd., Borte als Stola. Weißleinene Grundkette, farbige seidene Bindekette und Schußfaden, Köperbindung. Regensburg (?), 13./14. Jh. Nach einer älteren Phot.
10. Danzig, Marienkirche, Borte von einem Meßhandtuch, Vorder- und Rückseite. Schwarze und weiße Seide, 15 mm breit. Deutsch, 15. Jh. Nach W. Mannowsky [20], Taf. 165, Nr. 335 u. 338.
11. Ebd., Borte von einem Meßhandtuch. Leinen und Silber um Leinenkette, schwarz und weiß, 27 mm breit. 15. Jh. Nach W. Mannowsky [20], Taf. 165, Nr. 328.
12. London, Victoria- and Albert-Mus., Kölner Borte mit Johannes Evang. 2. H. 15. Jh. Phot. Mus.
13. Berlin, Schloß-Mus., Luccheser Borte mit Darstellung des Gebetes der Maria Ägyptiaca (?). E. 14. Jh. Nach O. v. Falke [10], Bd. 2, Abb. 462.
14. Ebd., Florentiner Borte mit Mariä Himmelfahrt. 2.H. 15. Jh. Nach O. v. Falke [10], Bd. 2, Abb. 539.
15. Straßburg, Universitätsbibl., Zunftwappen der Posamentierer und Knopfmacher in Straßburg 1618 bis 1789 (Ausschnitt). Phot. Landesbildstelle Straßburg.
16. Wien, Kunstgewerbe-Mus., Wiener Rokokoband. Starke Farben auf weißem Grund. Phot. Mus.
17. Ebd., „Bauernband“. Bunt broschierte Blumen auf weißem Grund. E. 18. Jh. Phot. Mus.
18. Ehem. Slg. Figdor, Wien, Seidenband mit Darstellungen zur Erinnerung an die Wahl des Palatins Erzherzog Alexander Leopold, 4. Sohns Kaiser Leopolds II. und der Kaiserin Maria Theresia. Rosa Grund mit grünen Seitenstreifen, die Blumen broschiert, das übrige Ornament schwärzlich aufgedruckt (Ausschnitt). Für Ungarn hergestellt 1790. Nach M. Dreger [11], S. 478.
19. Ebd., Halbseidenband. Lichtgrüner Grund mit Rosa, Rot und Violett, etwas Schwarz und schwarzer Baumwollkette. Um 1813. Nach M. Dreger [11], S. 415.
Literatur
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Verweise
Empfohlene Zitierweise: Schuette, Marie , Borte, Bortenweberei, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1942), Sp. 1044–1062; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=92392> [02.11.2024]
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