Darbringung im Tempel
englisch: Presentation in the Temple; französisch: Présentation au Temple; italienisch: Presentazione al Tempio.
Hans Martin von Erffa (1954)
RDK III, 1057–1076
I. Quellen und Begriff
Die wichtigste Quelle für die bildliche Wiedergabe der D. ist der Evangelientext Lk. 2, 22 bis 38. Der Text enthält insgesamt fünf Teile: das Reinigungsopfer Mariä (Purificatio, v. 22), die D. Jesu im Tempel (Praesentatio, v. 22–24), die Begegnung des Jesusknaben mit Simeon (Occursus Domini oder Hypapante, v. 25–33), die Weissagung Simeons (v. 34–35) und die Begegnung mit der Prophetin Hanna (v. 36–38). In der bildenden Kunst werden meist die drei ersten Szenen zusammengefaßt, seltener der vierte, häufiger der fünfte Teil hinzugenommen. – Weitere Einzelzüge entstammen dem Pseudo-Matthäusevangelium und dem Armenischen Kindheitsevangelium (s. u.).
Die Bezeichnungen „Darbringung im Tempel“ und „Darstellung im Tempel“ werden gleichbedeutend nebeneinander gebraucht. Die erstere hat den Vorzug der Eindeutigkeit und wird auch (entgegen Andr. Huppertz, Zs. f. Kg. 15, 1952, 72–75) in der neueren kunstgesch. wie in der theolog. Literatur bevorzugt. Es handelt sich bei der D. um die im Gesetz vorgeschriebene gottesdienstliche Handlung, in welcher die Eltern, in Erinnerung an die Errettung der Erstgeburt in Ägypten (2. Mos. 13, 2–15), dem Priester ihren Erstgeborenen brachten, um ihn aus zulösen; denn während der Stamm Levi zum Dienst im Tempel verpflichtet war, konnten die anderen Stämme durch die D. ihre Erstgeburt von dieser Pflicht auslösen (4. Mi. 3, 12f. und 45; ebd. 18, 16). Die Handlung entsprach nicht einer „Gestellung“, sondern eher einer „Aufopferung“, da die Eltern, um den Erstgeborenen vom Tempeldienst freizubekommen, ein Auslösungsopfer von 5 Schekel bringen mußten (William Rosenau, Jewish Ceremonial Institutions and Customs, New York 1925, S. 139 bis 143). Dieser Opfergedanke tritt in m.a. Darstellungen der D. zuweilen in Erscheinung, am nachdrücklichsten wohl in Lochners Altarbild in Darmstadt [2, S. 158].– Das Reinigungsopfer, das nach dem Text mit der D. zugleich vollzogen wird, fand dem Gesetz Mosis entsprechend allerdings erst zehn Tage nach der D., am 40. Tage nach der Geburt, statt (3. Mos. 12).
II. Fest Mariä Reinigung
Die Kirche feiert heute am 2. Februar nicht eigentlich die D. Christi, sondern das mit ihr verbundene Reinigungsopfer Mariä (Purificatio b. M. V.). Das Fest ist im 4. Jh. zunächst nur in Jerusalem, und zwar als „Hypapante“, Fest der Begegnung Simeons mit dem Herrn, oder des Eintritts des Gottessohnes in den Tempel, nachweisbar (Aug. Bludau, Die Pilgerreise der Aetheria, Paderborn 1927, S. 89–93). Es kam, noch unter diesem Namen, in den Westen: nach Rom schon vor Gregor d. Gr., wahrscheinlich schon unter Gelasius I., E. 5. Jh.; nach Gallien und Spanien wohl erst im 8. Jh. – Die mit dem Fest schon früh verbundene Kerzenweihe und Lichterprozession, die möglicherweise auf Simeons Worte „ein Licht, zu erleuchten die Heiden“ (Lk. 2, 32) zurückgeht, gab dem Fest den Namen Lichtmeß (festum luminis oder candelarum) ([1] S. 18f. über Zusammenhänge mit antiken Festen; Buchberger VI 935f.).
III. Ikonographie
A. Anfänge
Die Seltenheit bildlicher Darstellungen der D. in frühchristlicher Zeit ist wohl z. T. aus der Tatsache zu erklären, daß das Fest der Hypapante zunächst lokal begrenzt gefeiert wurde und auch später, bis um die Jahrtausendwende, nicht zu den großen Marienfesten gehörte. In der Katakombenmalerei ist die D. ebenso unbekannt wie in der Sarkophagplastik oder auf frühchristlichen Geräten. Nur in dem n.t. Mosaikenzyklus am Triumphbogen von S. Maria Maggiore in Rom, 432–40, findet sie sich zwischen der Aufklärung der Zweifel Josephs und dem Befehl zur Flucht nach Ägypten (Wilpert III Taf. 57–60 und I S. 480–83; als Beispiel des 6. Jh. sind die nicht erhaltenen Wandbilder von S. Sergius in Gaza zu nennen, deren Inhalt Choricius beschrieben hat: Joh. Reil, Die altchristl. Bildzyklen des Lebens Jesu, Leipzig 1910, S. 110).
Die Geschichte ist in S. Maria Maggiore ausführlich erzählt: Maria, von zwei Engeln geleitet, bringt den Jesusknaben zum Tempel; Joseph, in Begleitung eines Engels, deutet auf den herbeieilenden Simeon; zwischen beiden die Prophetin Hanna. Die Handlung findet außerhalb des Tempels statt. Hinter Simeon, der mit verhüllten Händen auf die hl. Familie zueilt, indem er ein Knie beugt, erscheinen die Priester und Tempeldiener zu seiten des Tempels, auf dessen Stufen zwei Turteltauben und zwei junge Tauben sitzen. In dieser Darstellung ist also nur die Begegnung Simeons mit Christus, die Hypapante, wiedergegeben. Die Priester und Tempeldiener im Hintergrund, von denen Simeon durch sein Gewand deutlich unterschieden ist, beobachten den seltsamen Vorgang; hierdurch und durch das Fehlen eines Altars wird jeder Hinweis auf die eigentliche D. vermieden. Aber auch die Kennzeichen des Reinigungsopfers, die Tauben, befinden sich außerhalb des Geschehens. Die Schilderung zeigt, daß der Künstler sich in freier Ausdeutung auf den Lukastext sowie auf Pseudo-Matthäus stützt (Wilpert a. a. O.).
Eine Darstellung, wie sie das Mosaik von S. Maria Maggiore zeigt, steht unter den erhaltenen Denkmälern völlig vereinzelt; sie ist auch später nicht wiederholt worden. Dagegen klingt die aus ihr sprechende Auffassung des Vorgangs, bei welcher nach östlicher Tradition der Nachdruck auf der Begegnung des Gottessohns mit Simeon liegt, noch zuweilen in früh-m.a. Bildern der D. an.
Verlorenes Mosaik in St. Peter in Rom, A. 8. Jh., Zeichnung von Grimaldi (Wilpert I S. 390, Abb. 128); Fresko in S. Maria di Castelseprio (Abb. 1; zeitliche Einordnung noch umstritten, zw. 7. und 10. Jh., vgl. C. R. Morey in Art Bulletin 34, 1952, 173–201); karoling. Freskofragment in Münster i. Gr. (unpubl.); Hitdacodex in Darmstadt, um 1030 (Abb. 3); New York, Pierpont Morgan Libr. Ms. 781, Evangelistar aus St. Peter in Salzburg, 11. Jh.; München, Clm. 16 002, Passauer Perikopenbuch, E. 12. Jh. – In den genannten Darstellungen fehlt ebenfalls der Altar, Simeon steht im Tor des Tempels und nimmt den Jesusknaben in Empfang; im Hitdacodex seltsamerweise aus der Hand Josephs, vielleicht in Anlehnung an Pseudo-Matthäus, wonach Joseph das Kind zum Tempel des Herrn brachte. In byzantinischen Hss. des 10. und 11. Jh. steht der Altar meist beziehungslos am Rand des Bildes; ebenso in einem Antiphonar des 11. Jh. aus Prüm (Paris, B.N. ms. lat. 9448) und auf der Hildesheimer Bronzetür, A. 11. Jh. (Ad. Goldschmidt, Die dt. Bronzetüren d. fr. MA, Marburg 1926, Taf. 48): in beiden Darstellungen steht der Tempel, in dessen Tür der Altar sichtbar wird, im Hintergrund der Szene. Diese östliche Version, die den Anschein erweckt, das Kind würde nicht Gott, sondern Simeon dargebracht, läßt sich dann über Altichiero, Holbein d. Ä. noch bis zu Rubens verfolgen [1, S. 21].
Eine seltene Form der D. läßt das Kind selbst zu Simeon laufen (Beinkasten im Mus. dell’Istria in Pola, 4.–5. Jh.; Elfenbeinbuchdeckel im Vikt. u. Alb. Mus., niederrheinisch 11. Jh.).
B. Frühes MA
Seitdem Karl d. Gr. das Fest Purificatio b. M. V. für das Frankenreich zum verbindlichen Marienfest erklärt hatte, wurde auch die bildliche Darstellung der D. im Westen häufiger, zumal als Illustration zur Perikope des 2. Februar. Schon in karolingischer Zeit tritt uns ein fertiger Bildtypus entgegen, der sich möglicherweise schon im 6. oder 7. Jh. – aber wohl im Westen – herausgebildet hatte: über einen in der Bildmitte stehenden Altar hält Maria den Jesusknaben, dem Simeon die verhüllten Hände entgegenstreckt. Die Personen sind annähernd symmetrisch zu beiden Seiten des Altars verteilt, im allgemeinen links Maria und Joseph, rechts Simeon und Hanna (Abb. 2). Hier ist also das dritte im Lukastext genannte Ereignis wiedergegeben: die eigentliche D. Das Jesuskind wird über einem Altar dem Herrn dargebracht; die beiden weiteren Handlungen sind im Bilde unausgesprochen enthalten. Die Szene spielt sich nunmehr im Tempelinneren am Altar ab.
Emailkreuz in Rom, Kapelle Sancta Sanctorum, 8.–9. Jh. [1, Abb. 2]; Paliotto in Mailand, 9. Jh. (V. H. Elbern, Der karol. Goldaltar von Mailand, Bonn 1952, S. 30); Egbertcodex (Abb. 2); Codex aureus Escurialensis, um 1045–46 (Boeckler Abb. 113). Die Tempelfront kann bei diesem Typ aber auch, entsprechend der wirklichen Anordnung im Tempel zu Jerusalem, im Hintergrund stehen, während der Altar die Mitte des Vordergrundes einnimmt (z. B. Elfenbeinantependium in Salerno, 11. Jh., [1] Abb. 9). Neben der ganz oder annähernd symmetrischen Komposition tritt aber schon im frühen MA, besonders in der ottonischen Buchmalerei, eine asymmetrische auf. Die Darstellung bekommt eine Richtung von links nach rechts wie im Echternacher Evangeliar in Coburg (ehem. Gotha) oder im Perikopenbuch Clm. 2939 in München. Bei der Beschränkung auf wenige Personen kommt die Prophetin Hanna – besonders im nördlichen Europa – meist in Fortfall, doch werden dem Elternpaar auch Begleiter beigegeben, insbesondere eine Magd, die die Opfertauben hält. Immer jedoch wird der Inhalt der ganzen Erzählung auf die Haupthandlung, die D., konzentriert. Eine seltene Ausnahme bildet die auf zwei Deckenfelder verteilte Darstellung auf der Holzdecke in Zillis, 1130–40: das eine Feld zeigt Maria mit den Tauben, zwischen Joseph und Hanna zum Reinigungsopfer nahend; das zweite Bild stellt die D. dar, bei welcher nur Maria und Simeon am Altar zugegen sind (Erw. Poeschel, Die roman. Deckengemälde von Zillis, Erlenbach-Zürich 1941, S. 87, Taf. 78f.).
D. C. Shorr [1] unterscheidet in den früh-m.a. Darstellungen der D. sechs Typen:
1) Maria hält das auf Simeon blickende Jesuskind; Simeon eilt, es in Empfang zu nehmen (Kreuz von Sancta Sanctorum);
2) Maria und Simeon halten das Kind gemeinsam (Drogosakramentar, Utrechtpsalter, beide 9. Jh.);
3) das Kind steht inmitten des Bildes frontal auf dem Altar, von Maria und Simeon gehalten (Bogenfeld in Chartres, 12. Jh.; häufiger im 13. Jh., z. B. Hamburg, St. Bibl., Hs. in scrin. 83, trierisch: H. Swarzenski, Die lat. ill. Hss. d. 13. Jh., Berlin 1936, Abb. 190);
4) während Maria die Tauben trägt, hält Simeon allein das Kind im Arm (Echternacher Evangeliare in Coburg und Bremen; Cod. aur. Escurial., alle um 1040–45); Simeon bringt es dem Herrn dar (Clm. 2939, 11. Jh.), dessen Hand über dem Altar erscheint (Evangeliar in Gnesen, Ms. 1 a; Paris, B.N. ms. lat. 12 117 aus St.-Germain-des-Prés, beide 11. Jh.); das Kind umarmt zuweilen den Propheten, der seine Wange an die des Kindes schmiegt (Wandbild in Hocheppan, E. 12. Jh.; J. Garber, Die rom. Wandgemälde Tirols, Wien 1928, Taf. 39);
5) Maria empfängt das Kind wieder aus den Händen Simeons (Perikopenbuch von St. Erentrud, Clm. 15903, 2. V. 12. Jh.: Gg. Swarzenski, Salzb. Malerei, Leipzig 1913, Taf. 54; Evangelistar in Brandenburg a. d. H., A. 13. Jh.: H. Swarzenski, Vorgot. Miniaturen, Königstein i. T. 1927, S. 74);
6) Joseph bringt das Kind dar (selten; Hitdacodex, Abb. 3; Paris, Bibl. de l’Arsenal, Ms. 1169 aus Autun, 1. V. 11. Jh., [1] Abb. 11).
Seit dem 9. Jh. läßt sich die Segensgebärde des Jesusknaben bei der D. nachweisen (Drogosakramentar); sie ist auch im Malerbuch vom Berge Athos vorgeschrieben (Godehard Schäfer, Trier 1855, S. 175 § 215). In der Literatur findet sich dieser Zug erst viel später (Johann de Caulibus, Meditationes vitae Christi, übers. v. P. Vinz. Rock, Berlin 1928; um 1300). Meist wird das Kind nicht im Alter von 40 Tagen, sondern von etwa 3–4 Jahren wiedergegeben.
Simeon nimmt den Heiland im frühen MA fast immer – wie in der frühesten D. bereits – mit verhüllten Händen entgegen; er behielt dann dies Zeichen tiefer Devotion durch das ganze MA und in die Neuzeit hinein. Der Prophet wurde seit dem 9. Jh., vor allem aber im 11., 12. und 13. Jh. mit Nimbus dargestellt (s. RDK I 1054, Abb. 3; [1] Abb. 10 u. 13; H. Swarzenski, Lat. ill. Hss. 13. Jh., Abb. 190, 459, 476, 562, 663, 732, 752, 1011, 1026). Auch die Darstellung Simeons als Hoherpriester begann im 13. Jh. (s. u.).
Das Tempelinnere kann, je nach dem architektonischen Stil und der Raumauffassung der betr. Epoche und des Meisters, sehr verschieden sein. Der Altar steht häufig – besonders im späteren MA – unter einem Altarciborium (s. auch Hans-Hellmut Klihm, Die bildliche Darstellung des Altars im MA, Diss. München, Würzburg 1941) und trägt zuweilen Altargeräte, aber auch die Opfergaben.
Ein seit dem 13. Jh. in Deutschland selten fehlendes Requisit der D. ist die Kerze. Im Zusammenhang mit der Lichterprozession zu Mariä Reinigung und mit Lk. 2, 32 tragen eine oder mehrere Personen Kerzen in der Hand: Maria (H. Swarzenski, Lat. ill. Hss. 13. Jh., Abb. 459) 732) oder eine ihrer Begleiterinnen (Ebd. Abb. 20, 476, 603, 608; Wimpfener Fenster in Darmstadt, Abb. 4), seltener Joseph. Die Kerze kann aber auch auf dem Altar stehen (fränk. Lektionar Pierp. Morgan Ms. 299, H. Swarzenski, Abb. 1011) oder dort durch einen Leuchter angedeutet sein.
Das früheste Beispiel einer Kerze bei der D. fand sich im Evangeliar Kaiser Lothars I. für Prüm, M. 9. Jh. (Berlin, St. Bibl. lat. theol. fol. 733). Die Szene spielt sich zwischen zwei großen Leuchtern ab: Simeon, mit einem Rauchfaß, schreitet hinter Maria und Joseph von links zum Altar; rechts vom Altar sitzt Hanna, hinter der ein kerzentragender Mann steht (Amad. Boinet, La miniature carolingienne, Paris 1913, Taf. 37). – Von zwei kerzentragenden Frauen wird Maria in dem Glasfenster der D. in der Kathedrale von Chartres, 12. Jh., begleitet (Mâle I, Abb. 105). – Zu einer Lichterprozession wird die D. in einem Relief des Cismarer Altars, 1310–20 (Abb. 6).
Im ganzen ist festzuhalten, daß die Ikonographie der D. im MA zeigt, wie hier – im Gegensatz etwa zur Geburt Christi und anderen Jugendszenen – eine byzantinische Bildform im wesentlichen unverändert beibehalten wurde. Die Unterschiede zwischen Ost und West liegen mehr in der liturgischen Auffassung. Im späteren MA machen sich dagegen ikonographische Unterschiede zwischen Italien und dem nördlichen Europa bemerkbar.
C. Hohes und spätes MA
Späteres MA. Die naturalistische Ausschmückung der Darstellungen setzte bereits im 13. Jh. ein (z. B.: die Tauben werden in einem Korb oder Käfig getragen, wie im Psalter Pierpont Morgan Ms. 97, Abb. 5, dies Motiv begegnet nun bis zu Rubens immer wieder; zuweilen ist der Korb leer, die Tauben spazieren auf dem Altar, wie in einem westfäl. Flügelaltar um 1370 im W.-R.-Museum Köln, Stange II Abb. 160; so schon im Psalter der Bamberger Dombibl., A. 13. Jh., H. Swarzenski Abb. 799). Die Szene wurde in einen gotischen Kirchenraum verlegt, dem man gewisse archaistische Züge beimischte.
Von größerer Bedeutung für die Ikonographie der D. ist aber die Einfügung eines Hohenpriesters im Bilde gewesen. Nach dem Auftreten von Priestern und Tempeldienern im Mosaik von S. Maria Maggiore und im Fresko von S. Maria di Castelseprio war Simeon immer allein derjenige gewesen, der das Kind in Empfang nahm. Im Armenischen Kindheitsevangelium (Evangiles apocryphes, ed. P. Peeters, Paris 1914, I S. 153; zitiert nach [1]) ist allerdings schon angegeben, das Christuskind sei den Priestern dargebracht worden. Das neue Motiv trat zuerst in Italien auf. ist aber auch nördlich der Alpen bekannt.
Bei Niccolò Pisanos D. an der Kanzel des Baptisteriums von Pisa erscheint, wohl zum erstenmal in der abendländischen Kunst, neben Simeon ein zweiter – allerdings nicht als Priester eigens gekennzeichneter – Patriarch im langen Bart. Als viel bedeutender für die Weiterentwicklung dieses Motivs erwies sich aber erst Ambrogio Lorenzettis D. von 1342 in den Uffizien oder ein ihm zugrundeliegender Archetypus. Hier steht im Hintergrund der Darstellung der Hohepriester, zum Opfern der Tauben bereit, hinter dem Altar. Simeon, als Heiliger inschriftlich und durch Nimbus gekennzeichnet, hält den Knaben im Arm, während Hanna, ebenfalls nimbiert, mit der Schriftrolle der Prophetin hinter ihm steht. Moses und Maleachi erscheinen als a.t. Zeugen mit Spruchbändern, die auf 3. Mos. 12, 8 und Mal. 3, 1 hinweisen (die letztere Beziehung findet sich auch in der Armenbibel). Dieser Bildtypus wurde in Italien im 14. Jh. und bis ins 15. Jh. hinein häufig wiederholt, findet sich aber vereinzelt auch im Norden.
Eine seltenere Abart ist die D. mit der knienden Maria, die im Zusammenhang mit der „Madonna in Umiltà“ in Kreuzigungen und verwandten Darstellungen zu finden ist (z. B. Orvieto, Dom, Silberreliquiar von 1337–38, [1] Abb. 28). Auch dieser Typ fand seinen Weg nach Norden (Altarbild in der Thorner Marienkirche, böhmisch um 1380, C. Glaser, Die altdt. Malerei, München 1924, S. 37; verschiedene französ. und niederländ. Hss.-Miniaturen vom A. 15. Jh.; Lochner s. u.).
Simeon wird im späteren MA immer deutlicher mit der Person des Hohenpriesters identifiziert. Vereinzelte Vorläufer finden sich schon im 13. Jh., z. B. im Psalter der Bamberger Dombibl., A. 13. Jh. (H. Swarzenski a. a. O. Abb. 799); im 14. Jh. am deutlichsten in der knappen Darstellung des Simeonsreliquiars im Aachener Domschatz, der einzigen bekannten vollplastischen D. (Abb. 8; Die christl. Kunst 25,1928/29, 289); im 15. Jh. bei Lochner: Praesentatio, Purificatio und Hypapante sind am Ende des MA, wenigstens in der bildenden Kunst, zu einem Bilde verschmolzen.
In Stephan Lochners D.-Bild von 1447 in Darmstadt [2, Abb. S. 157] wird zugleich das Reinigungsopfer Mariä und die D. wiedergegeben: Maria reicht kniend ihre Tauben dar, Joseph zählt das zur Auslösung des Knaben benötigte Geld ab, während Simeon, in der reichen Tracht des Hohenpriesters, das Jesuskind auf den Altar gesetzt hat, wobei er ihm einen Teil seines Pluviales untergelegt hat; die Prophetin Hanna steht zu seiten des Altars. Als ein weiterer Hinweis auf Mariä Reinigung kann die im Vordergrund stattfindende Lichterprozession der Kinder gelten; auch einige Begleiter tragen Kerzen. H. Feldbusch [2] hat, wenn auch nicht unwidersprochen (Andr. Huppertz, Stephan Lochners „Darbringung“ im Hess. Landesmuseum Darmstadt, Zs. f. Kg. 15, 1952, 72–75), dargelegt, daß der im Bild vollzogenen Handlung der Charakter einer Opferfeier eignet, was als Hinweis auf das Meßopfer aufgefaßt werden darf: daher z. B. die Opferung Isaaks auf dem Antependium des Altars (vgl. dazu auch B. Knipping, Iconografie I, Hilversum 1939, S. 244); die Gebärde Simeons gleicht der des Priesters, der dem Kelch das Korporale unterlegt usw. – Wenn auch zuweilen Engel in m.a. Bildern der D. begegnen (schon in S. M. Maggiore, später bei Giotto, auf einer Tafel der M. 14. Jh. im B.N.M., Stange II Abb. 124 u. a.), so ist bei Lochner völlig neu und einmalig die Erscheinung des segnenden Gottvaters.
Die Wirkung von Lochners Komposition erstreckt sich nicht nur auf Köln (Meister des Marienlebens, London Nat.Gall.; Meister der hl. Sippe, Darmstadt), sondern noch bis zu Dürer (Holzschnitt des Marienlebens B. 88). In vereinfachter Form hat Lochner selbst sein Bild wiederholt in einer Miniatur in Darmstadt (Landesbibl. Ms. 70, Stange III Abb. 136). Dagegen hält er sich in einem Tafelbild in Pariser Privatbesitz wieder ganz an das überlieferte Schema (Wallr.-Rich.-Jb. N.F. 2/3, 1933/34, S. 236 Abb. 192).
Zahlreiche Tafelbilder des späteren 14. und des 15. Jh. haben die D. in ihre Zyklen des Marienlebens oder des Lebens Christi aufgenommen. Sie bleiben in den wesentlichen Zügen bei der herkömmlichen Form, bereichern sie aber durch kleine persönliche Züge.
Seit dem 13. Jh. erscheint zuweilen als Begleiterin Maria eine jugendliche Heilige, die eine Kerze oder die Opfertauben trägt; lie ist durch den Nimbus, aber sonst nicht weiter kenntlich gemacht, während Simeon und auch Joseph meist nicht nimbiert erscheinen.
Diese Bereicherung der Darstellung, deren Quelle noch nicht gefunden ist, muß um oder bald nach 1200 erfolgt sein: um 1235 läßt sie sich sowohl in einem Psalter der Diözese Trier (in Hamburg) wie auf einem Augsburger Einzelblatt in Nürnberg (H. Swarzenski a. a. O. Abb. 190 und 732) gleichzeitig nachweisen; einige Psalterillustrationen der 2. H. 13. Jh. schließen sich an (Ebd. Abb. 486, 562, 357, 752). Simeon ist in diesen frühen Beispielen allerdings meist nimbiert, was später nicht mehr der Fall ist. Aus 14. und A. 15. Jh. sind zu nennen: Marienaltar in Schotten, um 1375 (Zs. f. chr. K. 24, 1911, Abb. Sp. 74); Altar aus Osnabrück im W.-R.-Mus. Köln, um 1370 (Stange II Abb. 126); Altar in Nikolausberg b. Göttingen, niedersächs. um 1400 (Ebd. III, Abb. 222); Meister Bertram, Grabower Altar, 1379 (Alex. Dorner, M. B. v. Minden, Berlin 1937, Taf. 1); Altar im Mus. des Arts dec. in Paris (Ebd. Abb. 30); Harvestehuder Altar in Hamburg, um 1400 (Stange II, Abb. 183); Meister Francke, nicht erhaltene D. des Englandfahreraltars, 1424ff. (Stich des Nic. Staphorst 1723: Bella Martens, M. Fr., Hamburg 1929, Abb. S. 37); Marienaltar aus Staufen in Freiburg/Br. (Stange IV, Abb. 98). – Auf dem Graudenzer Altar in der Marienburg, E. 14. Jh. (Abb. 7), ist diese nimbierte Begleiterin deutlich eine alte Frau; hierbei könnte man wohl an Elisabeth, die ältere Base, denken, die in der Malerei des Barock mehrfach die hl. Familie bei der D. begleitet (s. u.). – Ein Altar in Bielefeld mit ausführlicher Beschreibung des Lebens Mariä (Stange III Abb. 50 und S. 44ff.) enthält – außer der zugehörigen D. im D. M. (Berliner Museen 53, 1932, S. 10) – auch ein Bild der Darbringung Mariä im Tempel, das dem bekannten Bildtypus der D. folgt.
Stets ist der Tempelraum mehr oder weniger deutlich als solcher gekennzeichnet; nur selten, z. B. auf dem Tafelbild des mährischen Meisters von Raigern im G.N.M., steht der Altar, wie in östlichen D.-Bildern häufig, vor dem Tempel (Pantheon 14, 1934, 374).
Die vornehmlich von deutschen Dominikanerklöstern ausgehende Schwertmystik (s. Schmerzensmutter; vgl. auch C. R. Morey in Art Bulletin 18, 1936, 199ff.) erinnerte sich der prophetischen Worte Simeons (Lk. 2, 35), ein Schwert werde durch Marias Brust dringen. Später wies die hl. Birgitta in ihren Revelationen ebenfalls darauf hin. So kommt es, daß sich vereinzelt D.-Bilder finden, in denen Maria von einem Schwert durchbohrt wird (Fresko in der Pfarrkirche zu Mühlheim Krs. Frankenthal, Pfalz, A. 14. Jh.: Clemen, Got. Mon. Mal. Abb. 33 S. 32; italien. Heilsspiegel-Hs. in Paris, Bibl. de l’Arsenal; frühere italienische Beispiele: C. R. Morey a. a. O. S. 205). Ein von einem Schwert durchbohrter Dominikaner tritt zur D. in der Schlettstadter Heilsspiegel-Hs. Clm. 146 (Lutz-Perdrizet Taf. 89).
Wie schon in den handgemalten Psalterien des 13. und 14. Jh. (A. Haseloff, Eine thür.-sächs. Malerschule d. 13. Jh., Straßburg 1897, S. 103; H. Swarzenski a. a. O.), die viel zur Verbreitung des Typus beitrugen, hat die D. auch in Frühdrucken zahlreiche bildliche Darstellungen gefunden (W. H. Achtnich, Kat. d. bibl. Bilder aus A. Schramms Bilderschmuck der Frühdrucke, Bern 1949, Ms. S. 41). Sie schmücken zumeist die Plenarien, Postillen und kleineren Gebetbücher, Bertholds Zeitglöcklein, Jacobus’ de Voragine Heiligenlegenden, aber auch die Drucke der Armenbibel, des Heilsspiegels und des Spiegels menschl. Behaltnis.
Oft ist die Szene formelhaft auf den kleinstmöglichen Kreis beschränkt: Maria, Simeon, der Jesusknabe, symmetrisch um den gerade oder schräg stehenden Altar verteilt, über dem Ganzen ein Spitz- oder Kielbogen auf Säulen als Andeutung des Tempelinneren. Noch knapper ist die Fassung in einem Initial in Rodericus, Spiegel des menschl. Lebens, Ulm 1477 bei G. Zainer: Maria, allein, setzt das Kind auf den Altar (Schramm, Frühdrucke II, Abb. 658). Sind weitere Figuren vorhanden, so sind es meist: die Magd, die im Korb die Tauben trägt (oder kniend überreicht, wie es später Dürer übernimmt), Joseph, der auch zuweilen mit einer Kerze auftritt. Hinter Simeon oder hinter dem Altar steht in einigen Fällen Hanna, vereinzelt nimbiert wie Simeon. Selten tritt zu Simeon ein zweiter Priester. Der Raum ist entweder als jüdischer Tempel oder aber, häufiger, als Kirchenraum kenntlich gemacht. Simeons Tracht ist unterschiedlich: meist ist er als Hoherpriester gekleidet, mit phantastischer, mitraähnlicher Mütze oder Prophetenkappe, auch mit dem Beschneidungsmesser an der Seite; zuweilen aber trägt er die Kukulle und ist barhäuptig, dann wieder Gelehrtenhabit mit Pelzkragen und Pelzbarett. Nur zweimal findet er sich als Bischof mit Mitra und Pluviale (Kölner Bibel d. Heinr. Quentell, 1479; Joh. Zainers Geistl. Auslegung, Ulm um 1485; Schramm VIII, Abb. 460 und V, Abb. 336; im italien. Quattrocento trägt er sogar die Tiara: Filippo Lippi).
D. Neuzeit
Die deutsche Renaissance hat nicht so zahlreiche Bilder der D. geschaffen wie die Spätgotik. Und selbst eine vielfigurige Komposition wie Dürers D. im Marienleben bringt keine wesentlich neuen Züge (s. o.). Schon beim älteren Holbein wird zwischen dem Weingartener Altar von 1493 und dem Kaisheimer Altar von 1503 deutlich, wie sich die räumliche Vorstellung klärt und festigt; vor allem aber treten die handelnden Personen in einen lebendigeren Kontakt miteinander. Ikonographisch tritt keine Bereicherung ein (C. Glaser, H. H. d. Ä., Leipzig 1908, Taf. 41 und 15). Noch deutlicher zeichnet sich dieser Weg ab zwischen einer Komposition des Schongauerkreises (Albertina; Winkler, Dürers Zeichnungen I, Taf. IV), einer Nachzeichnung Dürers danach, aus den Wanderjahren (W. 21), und dem Holzschnitt des Marienlebens von 1504–05 (B. 88), dessen Komposition dann wieder von einer P. Flötner zugeschriebenen Zeichnung in Erlangen wiederholt, aber in eine hohe Renaissancehalle verlegt wird (E. Bock, Zchgn. Erlangen, Taf. 127 Nr. 356). Auffallend ist in Dürers Holzschnitt nicht so sehr die zahlreiche Menge der Zuschauer, sondern die asymmetrische Raumanordnung; als Einzelmotiv neu und beachtenswert ist die Erscheinung der Prophetin Hanna, die, in der Mitte der handelnden Personen stehend, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Maria weist (Künstle I 368 hält irrtümlich die kniende Magd für Maria). In einer stark aufgelockerten Handlung wie auf dem Bild Jan van Scorels in Wien (G. Glück, Propyl. Kg.2, S. 235) findet diese Entwicklung ihren vorläufigen Abschluß in einer nahezu völligen Verweltlichung des Vorgangs.
Aus dem Bereich der Skulptur mag als Beispiel für den aufgezeigten Weg ein Blick auf Veit Stoß genügen, dessen Relief im Bamberger Altar (1523) die Personen ebenfalls in reichere, vielfältigere Beziehungen zueinander setzt als das – an sich räumlich weiter angelegte – Relief in Krakau, vor 1489 (Th. Szydlowski, Le retable de N.-D. à Cracovie, Paris 1935, Taf. 24; Eb. Lutze, V. St., Berlin 1938, Abb. 66).
E. Barock
Im Barock empfängt die Darstellung der D. neue starke Impulse aus den Niederlanden. Wir begegnen einer Reihe ausdrucksstarker Altarbilder, die jedoch ebenfalls den ikonographisch vorgezeichneten Rahmen nicht sprengen, die sich z. T. sogar strenger an die überlieferte Form halten als Spätgotik und Renaissance.
Rubens hat die D. nur einmal gemalt. In einer ganz neuen Typologie ging er von dem Gedanken aus: welche Menschen durften den Heiland tragen? Deshalb stellte er für den Altar der Antwerpener Schützengilde die Bilder der Heimsuchung, der D. und der Kreuzabnahme (Mittelbild) mit dem Patron und Titelheiligen Christophorus zusammen (Antwerpen, Kathedrale, 1611–14; Oldenbourg, Kl. d. K.4, S. 52). Rubens hat auf gedrängtem Raum die meisten der bekannten Bildelemente zu einer neuartigen Form vereinigt, die das Thema der Hypapante wieder aufnimmt: Simeon, als Hoherpriester gekleidet, trägt mit verehrungsvollem Blick gen Himmel das Kind, nach welchem die Mutter die Hände ausstreckt; alle Personen sind der beherrschenden Figur Simeons untergeordnet; hinter ihm erscheint die greise Prophetin, während Joseph mit den Tauben vorn auf dem Tempelfußboden kniet. Der Altar ist nur durch Stufen angedeutet. Unbestreitbar liegt die Betonung hier auf der Begegnung Simeons mit dem Gottessohn.
P. Pontius hat das Bild in erweiterter Form 1638 gestochen und noch einen fackelhaltenden Knaben in den Vordergrund gestellt (M. Rooses, L’oeuvre de P.P.Rubens I, Antwerpen 1886, Taf. 60). Auch J. Jordaens nahm Rubens’ Komposition auf, doch hielt er sich wieder mehr an die weltliche Tradition: symmetrische Anordnung vor dem von einem Baldachin bekrönten Altar; kerzentragende Begleiter, Joseph mit den Tauben im Korb (um 1650, ehem. Dresden, Gem. Gal. Nr. 1012; Hans Posse, Meisterwerke der Staatl. Gem. Gal. Dresden, München 19243, Taf. 153; Entwürfe in Hannover, Rotterdam u. d. Albertina). Marten Pepyn (1575–1643) hat zwei ähnliche Bilder gemalt, doch mit kniender Maria und stehendem Joseph (Stockholm, Nat. Mus. Nr. 1098; ehem. Slg. Lanfranconi, Preßburg, Aukt. Kat. Heberle, Köln, 1895, Nr. 141): das erstere durch einen Engelreigen in der Höhe, das andere durch Elisabeth und den Johannesknaben bereichert.
Dies Motiv übernimmt dann auch die deutsche Barockmalerei: z. B. der Münchner Joh. Ulrich Loth (1600–62) in einem Bild, das als Leihgabe der Bayer. St. Gem. Slgn. in der Pfarrkirche zu Kirchheimbolanden ist (Abb. 10), und auf dem, wie im Barock nicht selten (Rembrandt), die Taube des hl. Geistes über der Szene schwebt. In Michael Willmanns Grüssauer Fresko, 1692–95, das sich von Rubens’ Komposition beeinflußt zeigt, kniet hinter der Gottesmutter eine Matrone im Gebet, die einen Knaben bei sich hat: auch hier wird man an Elisabeth und Johannes denken dürfen (E. Kloß, M. W, Breslau 1934, Abb. 96).
Rembrandt hat der Gegenstand der D. häufig beschäftigt. In der Frühzeit ist er ihm ein dramatisches Geschehen in großer Menschenmenge, wie in der Radierung B. 51 von 1630 und den Gemälden in Hamburg, 1628, und im Haager Mauritshuis, 1631, auf welchem Simeon kniend den Jesusknaben dem Hohenpriester darbringt (Kl. d. K. 23, S. 6 und 23). In den Werken der mittleren Zeit (Radierung B. 49, um 1640; Handzchgn. in Amsterdam, Berlin, München, Kl. d. K. 31, Abb. 311, 31 3, 314, 317) wird die D. ein verinnerlichtes religiöses Erlebnis, dessen Personenkreis sich einengt. Immer steht im Vordergrund die Prophetie Simeons; in der Radierung B. 50 von 1654 wiederholt sich das Motiv des Bildes im Haag. Am Ende seines Lebens beschränkt Rembrandt die Erzählung, in einem ergreifenden Bild der Slg. H. Reinhardt in New York, ganz auf die Halbfiguren Mariä und des fast erblindeten Simeon, der behutsam das Kind auf seinen steifen Armen hält (1669; Kl. d. K. 27, S. 99; vgl. dazu eine Zeichnung von 1661 im Haag, Kl. d. K. 31, S. 343, sowie eine Phil. Koninck zugeschriebene Zeichnung in Dresden, Rembrandts Handzchgn. III, Parchim 1925, Nr. 18). Diese gleichsam protestantische Auffassung der D. findet allerdings keine Verbreitung.
Ein Bild Rembrandts in London, Bridgewater Gall. (Kl. d. K. 23, S. 291), stellt wahrscheinlich die a.t. Hanna dar, die den kleinen Samuel unterweist. In seltsam anachronistischer Verknüpfung wird zu den Gesetzestafeln und der Ehernen Schlange eine kleine Hintergrundszene gefügt: Simeon hält hier kniend den Christusknaben im Arm, ihm gegenüber kniet Maria.
Jedoch muß im Barock auch die Kenntnis von den Beziehungen der D. zum Meßopfer noch durchaus lebendig gewesen sein, wie ein kleines Silberrelief beweist, das die Tabernakeltür des sog. Silbernen Altars von 1736–37 im Freiburger Münster schmückt (Abb. 11; Anna Kempf in: Oberrh. Kunst 4, 1930, 147–72). In stark abgekürzter Form, doch mit allen Elementen der ikonographischen Tradition ist hier, an einer sehr bezeichnenden Stelle, die D. wiedergegeben. – Auch in der Monumentalmalerei findet die D. ihren Platz bei der Ausmalung von Kirchen mit größeren marianischen Programmen oder mit Christuszyklen, z. B. im Deckengemälde Christoph Thomas Schefflers im Schiff der Jesuitenkirche in Ellwangen. 1726/27 (Wilh. Braun, Chr. Th. Scheffler, Stuttgart 1939, S. 29), in der Querschiffempore der dortigen Kirche auf dem Schönenberg, ferner im Querschiff der Abteikirche Neresheim, 1775 von Martin Knoller (Paulus Weißenberger, Baugesch. der Abteikirche Neresheim, Stuttgart 1934, Abb. 88), aber auch im Privathaus, z. B. in Schwäbisch Gmünd, 1753 von Jos. Wannenmacher (Archiv f. christl. Kst. 15, 1907, 95). Als Beispiel aus der Skulptur sei ein Relief von Jos. Thaddäus Stammel (?) in Seitenstetten genannt (A. Mayr, Die Werke des Plastikers J. Th. Stammel, Wien 1912, Taf. 33).
Die Wiederbelebung der kirchlichen Kunst durch die Nazarener führte auch im 19. Jh. noch zu D.-Bildern, ohne daß dabei ikonographisch Neues geschaffen wurde.
Jul. Schnorr v. Carolsfelds Holzschnitt aus der „Bibel in Bildern“ hat die weiteste Verbreitung gefunden (die Bibel erschien 1860 nach jahrzehntelanger Vorbereitung): eine Komposition in der Art der D. Rubens’, doch ohne dessen Pathos; Simeon, auf den Stufen des Altars, neigt sich über den Heiland, Joseph und Maria stehen still davor, nur Hannas prophetische Geste bringt etwas Bewegung ins Bild; im Hintergrund steht abwartend der Hohepriester mit einem Priester und zwei Kerzenträgern. – Jos. v. Führich, der mehrere D. geschaffen hat, gibt in seiner „Rosa mystica“, um 1848–50, einen Holzschnitt in Art eines Triptychons, der zahlreiche bekannte Details enthält: Maria trägt eine Kerze, Joseph die Tauben im Korb; der Altar, über dem Ampeln schweben, ist mit Moses und den Gesetzestafeln geschmückt; im Hintergrund erscheint die Bundeslade, Hanna erhebt die rechte Hand usw.
Der uralte symmetrische Bildtypus der D. erlebt in der Romantik auch eine Säkularisierung, wie K. Lankheit (Zs. f. Kwiss. 7, 1953, S. 105 u. Abb. 6) dargelegt hat.
IV. Symbolik und Typologie
Da das MA die D. als ein Opfer auffaßte, galt sie ihm vor allem als Vorbild der späteren Selbstaufopferung Christi im Kreuzestod. Hierauf weisen besonders diejenigen Darstellungen hin, in denen Christus frontal auf dem Altar steht und sich selbst „präsentiert“ (Relief in Chartres; Heilsspiegel-Hs. in Prag; Cismarer Altar, Abb. 6; München, Clm. 146, Lutz-Perdrizet Taf. 19, 89, 95). Das Bild Lochners in Darmstadt weist ebenfalls in diese Richtung (s. o.), ferner bereits die frühen Darstellungen, bei denen auf dem Altar Kelch oder Hostie stehen (z. B. Rituale Cod. 73 des Stifts Lambach, um 1150–60, G. Swarzenski, Salzb. Mal. Abb. 423; Psalter im Kloster Engelberg, um 1240, H. Swarzenski, Lat. ill. Hss. 13. Jh. Abb. 476; nicht schon im Drogosakramentar, wie Molsdorf Nr. 100 angibt). Im Schlettstadter Heilsspiegel, Clm. 146, und auf dem Cismarer Altar hält das Christuskind noch dazu selber die Opfertauben in den Händen. Häufig enthalten die D.-Bilder – auf das Simeonswort Lk. 2, 32 weisende – Lichtsymbole, sei es, daß Sterne oder Ampeln über dem Altar erscheinen, oder daß die Beteiligten Kerzen in Händen tragen.
Der häufigste a.t. Typus zur D. ist die Erzählung von Hanna, dem Weibe Elkanas, die dem Priester Eli zu Silo ihren Knaben Samuel bringt, um ihn dem Herrn zu weihen (1. Sam. 1, 24–28). Er tritt in der Armenbibel schon A. 14. Jh. auf. Weiterhin hat die Armenbibel das Bild einer Darbringung nach dem Gesetz Mosis als Typus der D. Christi (z. B. Schramm, Frühdrucke I, Abb. 176, unter Anführung von 3. Mos. 12, 6: „Ein gepot was in dem geseze das eyn weip die do gepert ir erstes kint die must es losen mit einem lamme ...“). Ganz vereinzelt ist der Hinweis auf das Speisopfer nach dem Gesetz (3. Mos. 6, 14–18), wie er in der Wiener Bilderbibel aus 2. H. 14. Jh. vorkommt (G. Heider, Jb. Z. K. 5, 1861, 46). Der Heilsspiegel stellt im 10. Kap. zur D. außer der Darbringung Samuels die Bundeslade (2. Mos. 25, 10–16) und den siebenarmigen Leuchter (2. Mos. 25, 31–40): in die Bundeslade waren die Gesetzestafeln und die heiligen Schriften eingeschlossen; Maria hat sorgfältig die ersteren eingehalten (z. B. die Pflicht zur Reinigung, deren sie ja nicht bedurfte), gern hat sie in den letzteren gelesen. Auch eine Reihe marianischer Symbole enthielt die Arche, wie das Manna, den Aaronstab, die Fons signata usw.; diese beziehen sich auf den von der Jungfrau getragenen Christus. Der siebenarmige Leuchter hingegen präfiguriert die sieben Werke der Barmherzigkeit, die Maria stets ausgeübt hat – zugleich verbindet er die D. mit dem Gedanken an Mariä Lichtmeß. Christus ist die entzündete Kerze, die dem Herrn dargebracht wird: wie diese aus Wachs, Docht und Feuer besteht, so Christus aus Fleisch, Seele und göttlichem Geist (s. a. Lutz-Perdrizet S. 22f.). Die Concordantia caritatis fügt zur Tempelweihe Samuels noch die Entwöhnung Isaaks, zu welcher Abraham ein Gastmahl veranstaltet (1. Mos. 21,8; nicht im Temporale, sondern zu Mariä Reinigung; Abb. 9).
Zu den Abbildungen
1. S. Maria di Castelseprio, Wandfresko, 9. Jh. (?). Nach Umzeichnung aus Alb. Capitani d’Arzago u. a., S. M. di Castelseprio, Mailand 1948, Taf. 59 (dort auch Farbreprod.).
2. Trier, Stadtbibl., Cod. 24. Perikopenbuch EB. Egberts von Trier (Egbertcodex), fol. 18. Reichenau, um 980. Phot. Marburg 59 676.
3. Darmstadt, Hess. Landesbibl., Cod. 1640. Evangeliar der Äbtissin Hitda von Meschede (Hitdacodex), fol. 23. Köln, um 1030. Nach Elis. Schipperges, Der Hitda-Codex (= Rhein. Meisterwerke 5), Bonn 1938, Abb. 7.
4. Darmstadt, Hess. Landesmus. Glasfenster aus der Ritterstiftskirche in Wimpfen im Tal. Um 1270–75. Phot. Hans Feldbusch, Aachen.
5. New York, Pierpont Morgan Libr., Ms. 97. Lateinischer Psalter (Katherine Psalter), fol. 18. Flämisch (Cambrai-Tournai) um 1290. Phot. Bibl. (vgl. Kat. M. R. James, 1906, Nr. 28).
6. Cismar in Holstein, Klosterkirche. Relief im Mittelschrein des Flügelaltars. Lübeck um 1310–20. Nach Hans Wentzel, Der Cismarer Altar, Hamburg 1941, Abb. 8.
7. Marienburg, Westpr. Flügelbild vom Marienaltar aus der Kapelle des Deutschordensschlosses in Graudenz. Böhmisch, Ende 14. Jh. Phot. Dt. Kunstverlag, München.
8. Aachen, Münsterschatz. Simeonsreliquiar, silbervergoldete Treibarbeit mit Edelsteinen, Perlen und Schmelzplatten, Länge 59,6 cm. Aachen 14. Jh. Phot. Stoedtner 86 135.
9. Lilienfeld, N.Ö., Stiftsbibl., Hs. 151. Concordantiae caritatis des Abts Ulrich von Lilienfeld, Darstellung zu Mariä Reinigung. Mitte 14. Jh. Phot. Marburg 133 464.
10. Joh. Ulrich Loth (1600–62), Darbringung im Tempel. Ölgemälde auf Leinwand, aus dem Kloster Ottobeuren. Bayer. St. Gem. Slgn., Inv. Nr. 1529, Leihgabe in der Pfarrkirche zu Kirchheimbolanden, Pfalz. 4,50 × 2,26 m. 2. Viertel 17. Jh. Phot. B. H. Röttger, München (L. A. f. Dkpfl.).
11. Freiburg i. Br., Münster, sog. „Silberner Altar“. Altarretabel aus Holz mit kupfervergoldeter Verkleidung und aufgesetzten silbernen getriebenen Verzierungen. Höhe des Retabels (ohne Kruzifix) 67 cm. Silberarbeiten von J. Frdr. Bräuer, Augsburg, 1749–51. Phot. Anna Kempf, Freiburg i. Br.
Literatur
1. Dorothy C. Shorr, The Iconographic Development of the Presentation in the Temple, The Art Bulletin 28, 1946, 17–32. – 2. Hans Feldbusch, Stephan Lochners „Darbringung“ im Hess. Landesmus. Darmstadt, Das Münster 2, 1948/49, 154–59. – 3. Molsdorf Nr. 99–107. – 4. Künstle I S. 365–68. – 5. J. J. M. Timmers, Symboliek en iconographie der christelijke kunst, Roermond-Maaseik 1947, Nr. 454.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Erffa, Hans Martin von , Darbringung im Tempel, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1954), Sp. 1057–1076; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89142> [16.10.2024]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.