Diasper

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englisch: Diaper; französisch: Diapré; italienisch: Diaspro.


Renate Jaques (1954)

RDK III, 1441–1444


RDK III, 1441, Abb. 1. Krefeld, 1. H. 14. Jh.
RDK III, 1443, Abb. 2. Webdiagramm zu Abb. 1.

I. Urkundliches u. Technisches

D. (lat. diasp[e]rus, dyasprum, diaspis, diapretus, pannus diasperatus, altfrz. dyapre, diaspré, diaspinel, altengl. diapered) ist eine textile Bezeichnung griechischer Herkunft [5, S. 153], doch ist in der Forschung noch umstritten, welche Art Stoffe mit D. benannt wurden. Da eine systematische Erfassung aller für die Textilgeschichte wichtigen Quellen bisher fehlt und webtechnische Untersuchungen nur wenig gemacht wurden, ist es nicht möglich, eine genaue Definition dieser Stoffart zu geben.

Die Bezeichnung D. ist seit dem 9. Jh. nachzuweisen (Schatzverzeichnis von St. Denis: „cappam ex diaspro cum aviculis auro paratum“, Schlosser, Schriftquellen Nr. 664 b. – Bulle Papst Benedikts VIII. von 1023: „similiter et pluviale diasprum, cum listis auro textis“, [2]), tritt aber erst seit E. 11. Jh. häufiger auf. Weitere Quellenangaben bei Lehmann-Brockhaus (Schriftquellen Nr. 2703, 2836, 2838, 2840, 2841, 2845) und für das 12. und 13. Jh. bei Du Cange [2] und Gay [3].

Da im Schatzverzeichnis von St. Peter in Rom von 1295 D. unter den „paramenta alba“ aufgeführt werden, hat man oft vermutet, daß der D. eine dem Damast verwandte Stoffart sei und den uns bisher bekannten Geweben entspreche, deren wie ziseliert wirkende Muster durch die Bindung vertieft erscheinen [6, S. 27f.]. In weiteren Inventaren, so dem der Londoner Paulskirche von 1295, werden jedoch auch andersfarbige D. (diorodanae = rosenfarben, diapisti = grün, cetrina = gelb) erwähnt und ihre Muster ähnlich denen von St. Peter in Rom beschrieben (William Dugdale, The history of St. Paul’s Cathedral etc., London 1818, passim).

Du Cange [2] und Gay [3] erwähnen auch D. mit Schachbrettmustern und mit Goldbändern [4, S. 117 Anm. 3]. Im Inventar des Erzbistums Chartres von 1327 werden „item duo pulvinaria de samiz diaprez“ genannt (Gay II, S. 324).

Die in den Inventaren vielfach aufgeführten Muster von Tierköpfen, gekrönten Leoparden und Vögeln (St. Paul in London), von Papageien in Kreisen oder Paaren von Vögeln in Kreisen, bei denen Köpfe, Füße und die Rundfelder der Vogelflügel aus Gold eingewebt sind (Abb. 1; vgl. Schatzverzeichnis von St. Peter in Rom von 1361, [3]), oder Muster mit Löwen, Greifen, Pfauen, Weinranken und Hirschen (Ebd.) lassen sich mit einigen erhaltenen D.-Geweben identifizieren.

Über die Webtechnik des D. sind die Forscher verschiedener Meinung. Da die ziselierten Atlasstoffe meist Ton in Ton gehaltene Köpergewebe mit komplizierter Musterschußführung sind, kommen sie für den Begriff D. nicht in Frage. Flemming [7, S. 100] hat über die Webtechnik Aufschluß gegeben, die mit neueren Untersuchungen (Textilingenieurschule Krefeld; Abb. 2) im wesentlichen übereinstimmt. Demnach ist der D. ein zweischüssiges – also nicht damastartiges (vgl. Damast) – Gewebe, das eine Muster- und eine Bindekette, einen Grund- und einen Figurschuß aufweist. „Die Musterkette, die gleichzeitig den farbigen Grund des Gewebes bildet, bindet mit dem meist gleichfarbigen Grundschuß Leinenbindung, ebenso die Bindekette, die zur Musterkette im Verhältnis von 1 : 2, 1 : 3 oder auch 1 : 4 steht, mit dem Figurschuß. Durch die Leinenbindung des Grundes erscheint dieser matt gegenüber den flott liegenden, glänzenden Figurschüssen“ (Flemming a. a. O.). Es muß dabei aber erwähnt werden, daß diese außerordentlich komplizierten Gewebe keineswegs alle gleich in der Bindungsart sind, sondern daß gerade mit der Verwendung vielfarbiger Figurschüsse eine reiche Abwechslung möglich war. Aus allen Auslegungen ist in Übereinstimmung mit dem urkundlichen Material und dem Ergebnis webtechnischer Prüfung der erhaltenen Originale zu folgern, daß unter D. keine besondere Bindungsart verstanden wurde, sondern wohl am ehesten Seidenstoffe, die in den zum Zeitpunkt ihres Auftretens bekannten Techniken zunächst einfarbig, dann auch bunt, oft mit einbroschierten Goldteilen, hergestellt wurden.

II. Entwicklung

Die Stickereien auf dem Mantel König Rogers I. von Sizilien (dat. 1134) und auf der Albe Wilhelms II. (dat. 1181) zeigen als Grundstoffe die Form der ziselierten Köperstoffe [8, S. 57]. Weibel spricht die Möglichkeit aus, daß die ornamentalen Musterungen weniger in den Staatswebereien von Byzanz als in Griechenland ihren Ursprung hatten. Der im Londoner Inventar gegebene Hinweis auf Antiochia wäre als frühchristliche Grundlage für die Griechen zu werten [3, S. 31]. Griechische Weber wurden 1146 von Roger II. nach Palermo geholt [4, S. 86]. Auf dieser Grundlage entwickelte sich dann in Sizilien zusammen mit byzantinischen und sarazenischen Einflüssen eine reiche Produktion von D. Die für den Anfang genannten Kreis- oder Medaillonstoffe weichen versetzten Reihenmusterungen, in denen gegenständige Tiere wie Adler, Greifen, Drachen und Pfauen um stilisierte Pflanzenmitten gruppiert sind (Abb. 1).

Nach dem Tode Manfreds (1266) sollen die sizilischen Seidenweber in die toskanische Textilstadt Lucca übergesiedelt sein. Von hier aus entwickelte sich ein lebhafter Export in die Länder jenseits der Alpen bis weit ins 15. Jh. hinein; in vielen kirchlichen Schatzkammern und Museen haben sich Luccheser Gewebe (unter ihnen auch „diasprum Lucanum“) erhalten. Der Stil des Luccheser D. prägt die sarazenisch-sizilische Zeichnung der Musterung in romanisch-heraldische Formen um. Noch immer entsteht er aus einem fast ungedrehten dicken Schußfaden im Motiv, während im Fond der fein gedrehte Grundschuß erscheint. Schließlich werden die Goldbroschierungen durch farbige Seidenbroschierungen ersetzt. Die Tiere werden kleiner und aus ihrer Statuenhaftigkeit gelöst. Das Blattwerk wird naturalistisch und umgibt – größer geworden – die im Schreiten oder Laufen gegebenen Tiere wie ein Buschwerk. Allmählich verschwinden die Tiere ganz aus dem Formenschatz, und die Musterung des D. besteht aus Blattwerk, unter dem das gotische Weinblatt eine bevorzugte Stellung einnimmt.

Zu den Abbildungen

1. Krefeld, Gewebe-Slg. der Textilingenieurschule, Inv. Nr. 00045. Italienischer Diasper, Lucca unter sarazenischem Einfluß. Rot, die Köpfe, Füße und Flügelschilder in Gold broschiert. H. 43 cm, Br. 30 cm. 1. H. 14. Jh. Phot. Textilingenieurschule Krefeld F 282.

2. Webdiagramm zu dem Diasper Abb. 1 (Längsschnitt). Zeichnung Textilingenieurschule Krefeld.

Literatur

1. Francisque-Michel, Recherches sur le commerce ... des étoffes de soie, 2 Bde., Paris 1852–54. – 2. Du Cange 1840–502, II 840. – 3. Gay I 550f. – 4. Moriz Dreger, Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei usw., Wien 1904. – 5. Max Heiden, Handwörterbuch der Textilkunde usw., Stuttgart 1904. – 6. Otto v. Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei, Berlin 19363. – 7. Ernst Flemming, Textile Künste, Berlin (1923). – 8. Adèle C. Weibel, Two Thousand Years of Textiles, New York 1952.

Verweise