Diele

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englisch: Hall, vestibule; französisch: Vestibule; italienisch: Androne, vestibolo, ingesso.


Gerhard Eitzen (1954)

RDK III, 1458–1467


RDK III, 197, Abb. 16. Lübeck, Schabbelhaus, um 1590.
RDK III, 1459, Abb. 1.-3. Die Diele im niederdeutschen Bauernhaus.
RDK III, 1461, Abb. 4.-6. Die Diele im niedersächsischen Bürgerhaus.
RDK III, 1463, Abb. 7. Niederdornberg Krs. Bielefeld, 1791.
RDK III, 1465, Abb. 8. Uetersener Neuendeich Krs. Pinneberg, 1733.

I. Begriff

Unter D. versteht man im gegenwärtigen Sprachgebrauch: A 1) ein starkes Brett, A 2) einen aus Brettern gebildeten Fußboden; B) einen Raum wie den Hausflur und die Tenne. Weiterhin hat D. in oberdeutschen Mundarten noch folgende Bedeutungen, die wie der bretterne Fußboden aus A 1 abzuleiten sind: 1. Zimmerdecke, 2. die von einer solchen Decke getragene obere Kammer, 3. der Dachboden über der hölzernen Decke.

In den Bedeutungen von A 1 und A 2 geht D. zurück auf ahd. dil, dili, dilli; mhd. dil, dile, dilli. Dem hochdt. D. (Brett) entspricht das niederdt. deel(e) oder däl(e), das auf mnd. dele, altsächs. thili zurückgeht. Das niederdt. deel(e) im Sinne von Hausflur, Dreschtenne ist ein anderes Wort, das zu dal = niedrig zu stellen ist. In der Annahme, daß es sich bei deel (Brett) und deel (Raum) um zwei verschiedene Bedeutungen desselben Wortes handelt, verhochdeutscht der Niederdeutsche auch sein deel in der Bedeutung von Hausflur und Tenne. Die begründete Verhochdeutschung von niederdt. deel = Brett in Diele zog mithin die nicht zu Recht bestehende Verhochdeutschung des niederdt. deel im Sinne von Tenne-Hausflur nach sich. Gegen die Zusammenstellung D. (Brett) und D. (Raum) im Niederdeutschen spricht 1) der unterschiedliche Vokal in verschiedenen niederdt. Mundarten (ist in der hier verwandten Schreibung nicht zum Ausdruck gebracht) und 2) die Tatsache, daß der Fußboden bei D. (Raum) im niederdeutschen Hause durchweg nicht aus Brettern besteht. Für den Zusammenhang der niederdt. D. (Raum) mit dal = niedrig spricht der Sachverhalt, daß die D. im niederdt. Bauernhaus niedriger liegt als der Wohnteil, und daß das große Einfahrtstor in Teilen des westlichen Niederdeutschlands auch „Neddendör“ (niedrig, unten gelegene Tür) genannt wird.

In neuester Zeit setzt sich das aus dem Niederdeutschen stammende Wort D. in der Bedeutung von Hausflur und Repräsentationsraum mehr und mehr auch über Niederdeutschland hinaus durch.

II. D. im Bauernhaus

Im niederdeutschen Hallenhaus (auch Niedersachsenhaus genannt; s. Bauernhaus) ist die D. der große, hinter der Giebeleinfahrt gelegene Raum, der als Dreschtenne angelegt ist und die angrenzenden Räume erschließt. Die D. weist bei den verschiedenen Hallenhausformen beträchtliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Gestalt und ihrer Stellung im Grundriß auf. Im Hallenhaus alter Art (Kübbungshaus) ist sie in der Regel 6–9, vereinzelt sogar bis 10 m breit, 3–4 m hoch und 6–30 m lang. Bei solchen Spannweiten sind starke Gefüge notwendig, zumal die Balken freitragend bleiben müssen und die Erntelast aufzunehmen haben. Ständer und Balken folgen in Abständen von 2–3,6 m. Vorherrschend sind aufgefügte Dachbalken, im westlichen Hallenhausgebiet sind durchgezapfte Ankerbalken üblich.

Die Zimmerungsart blieb ohne Einfluß auf die Abmessungen der D. Größte D.-Breite bei Dachbalken: Lüdingworth Krs. Hadeln (1577) 10,05 m; Magelsen Krs. Hoya (ca. 1620) 9,95 m; bei Ankerbalken: Edewecht, Oldenb. Ammerland (1793) 9,85 m. Zuweilen sind die D.-Balken mit den Namen der Stifter bezeichnet. Die der D. angeschlossenen Stallungen und schrägen Zwischenböden waren ebenso wie der angrenzende Herdraum zur D. hin offen. Vom 18. Jh. an kommt die Abtrennung durch Fachwerk- oder Bretterwände auf. Beim Flettdeelenhaus (Abb. 2 und 7) ist der D. der quer durchs Haus reichende Herdraum (Flett) angeschlossen. Beim Durchgangshaus (Abb. 1) geht die D. ohne sichtbare Grenze in den Herdraum über, der wie die D. beiderseits von seitlichen Kübbungen eingeschlossen wird. Im Bereich des alten Vierständerbaus mit hohen tragenden Außenwänden wuchs die D. schon früh mit den zweigeschossigen Seitenschiffen in die Höhe, verlor jedoch an Breite und wurde zu einem hohen schmalen Raum. Im Oberwesergebiet verlegte man den Herd in ein Seitenschiff, so daß das ganze Mittelschiff zur D. wurde, die als Durchgangs-D. zu bezeichnen ist (Abb. 3).

Im Bereich niederdeutscher Mundarten wird, mit Ausnahme Nordfrieslands, auch die Dreschtenne anderer Hausformen als D. bezeichnet. Im quer aufgeschlossenen Bauernhaus des nördlichen Harzvorlandes unterscheidet man zwischen der Haus-D. und der Scheunen-D. Die Haus-D. dient zur Erschließung der Wohnräume, die Scheunen-D. ist nicht mit einer Einfahrt, sondern nur mit einer Tür versehen und dient als Dreschtenne. Sie weist innerhalb des Wirtschaftsteiles keine feste Ordnung auf. Im Grenzgebiet zwischen Hallenhaus und queraufgeschlossenen Hausformen kommen seit etwa 1700 queraufgeschlossene Häuser mit einer Einfahrts-D. im Wirtschaftsteil auf. In den friesischen „Gulfhäusern“ zieht sich die D. in Firstrichtung an den Gulfen entlang („Gulf“ nennt man in Friesland die vom Gefüge gebildeten Vierkante, in denen die Vorräte gestapelt werden).

Da die D. des Bauernhauses im wesentlichen Wirtschaftsraum ist, sind Auszierungen nur spärlich vertreten. Es kommen vor: profilierte Kopfbänder, namentlich im mittleren und westlichen Niedersachsen von M. 17. Jh. an; geschnitzte Stollen an den Pferdekrippen bei Bremen und profilierte Gitter an den Futterraufen im Osnabrücker Land und in Minden-Ravensberg. Auf der D. standen früher vielfach die Alkoven für das Gesinde. Der Fußboden besteht in der Regel aus gestampftem Lehm. Im südlichen Westfalen, vereinzelt auch im westlichen Münsterland kommen Kleinpflaster in Fischgräten- oder Bogenmustern vor. Im Sauerland ist der vordere Teil der D. ohne besonderen Belag eingetieft. Die gleiche Einrichtung kam früher auch im Lüneburgischen vor. Sie wird als Müll oder Mesthus bezeichnet und war in älterer Zeit offenbar weiter verbreitet.

III. D. im Bürgerhaus

Im niederdeutschen Bürgerhaus alter Art ist die D. ein hoher, ebenerdiger Raum, der den größten Teil der Hausgrundfläche einnimmt. In dieser Gestalt war die D. früher Herd-, Wohn- und Arbeitsraum. Sie wurde im Laufe der Zeit durch den Einbau von Sonderräumen wie Stuben, Kammern, Hängekammern und Küchen eingeengt und mußte ihre Aufgaben zum größten Teil an die eingebauten Räume abgeben, so daß sie heute nur noch als Flur und Treppenhaus die übrigen Räume des Hauses zu erschließen hat (Abb. 4–6). Wo sie eine ansehnliche Höhe und Weite bewahren konnte, ist sie zum Repräsentationsraum geworden, z. B. im Schabbeihaus in Lübeck, 1590 mit Einbauten aus der 2. H. 18. Jh. (Sp. 197/98, Abb. 16).

Bei der einfachsten Form des niederdeutschen Bürgerhauses nimmt die D. mit Ausnahme der neben der Einfahrt oder dem Eingang gelegenen Stube noch die gesamte Grundfläche ein. Bei diesen einraumartigen Häusern ist die D. entweder auf ein älteres, nicht mehr greifbares Einraumhaus mit tragenden Umfassungswänden oder auf die D. des niederdeutschen Bauernhauses zurückzuführen, das durch Abstoßen der Kübbungen auf die D. reduziert wurde. In Westfalen nimmt die D. bei breiten Bürger- und Ackerbürgerhäusern nur das Mittelschiff ein. Hier sind die Kübbungen des Hallenhauses nicht abgestoßen, sondern in das tragende Gefüge einbezogen worden. Der Zusammenhang von Bauern- und Bürgerhaus blieb hier sichtbar. Bei diesen dreischiffigen Anlagen ist die D. oft mit einer oder zwei seitlichen Luchten versehen und erinnert an die Flett-D. des Bauernhauses.

Die Feuerstelle lag, wie es noch vereinzelt die im Hofgiebel liegenden Schornsteine bei m.a. Häusern erkennen lassen (z. B. Lüneburg, Am Berge 35, um 1400), zunächst im rückwärtigen Teil der D., rückte jedoch schon früh in die Ecke zwischen Stube und Seitenwand. Bei den einraumartigen Giebelhäusern werden die Deckbalken durch einen firstparallelen Unterzug unterstützt, der nach dem Stubenanbau ausgerichtet ist, also nicht in der Hausmitte liegt. Er wird in der Regel zwischen Stube und Hofgiebel von einer freistehenden Säule mit Sattelholz und Kopfbändern gestützt. Die Säule bildet – nicht geometrisch – den Mittelpunkt der D. Sie wurde bei reicheren Häusern samt Sattelholz und Kopfbändern mit Auszierungen versehen, die in der Gotik noch sehr einfach waren und auf Fasen, Stab- und Kehlprofile beschränkt blieben. Reichere Schnitzereien treten erst in den nachfolgenden Stilperioden auf. Bei Traufenhäusern sind die Säulen für die firstparallelen Unterzüge durchweg in den Wänden der Einbauten angeordnet und treten nicht besonders in Erscheinung; bei dreischiffigen Anlagen sind keine besonderen Unterzüge notwendig, da die Rähme der Längswände eine ausreichende Stützung der Balken bewirken. Die Decke wurde im allgemeinen nicht weiter behandelt; in den schornsteinlosen Häusern wurde sie durch die Einwirkung des Rauches schwarz. Wohlhabende Bürger in den Hansestädten ließen die D.-Decken ihrer Häuser mit gotischem Rankenwerk bemalen. In Kaufmannshäusern hing an einem Deckenbalken die große Waage.

Im Bereich des Backsteinbaues ist die D. in der Regel nicht befahrbar. Beim Fachwerkbau des Harzgebietes und der benachbarten Landschaften bis an die Weser im Westen und an die Aller im Norden ist die D. vielfach als Durchfahrt zum Hof mit zwei Toren versehen; weitlich der Weser ist sie im Fachwerkbau je nach Größe und Bedarf mit einer Einfahrt oder einem Eingang versehen. Der Lehmschlag des Fußbodens wurde, wo die D. nicht wie beim Ackerbürgerhaus als Dreschplatz dient, durch einen Belag aus Backstein, Sandstein, Kalkstein oder vereinzelt auch Feldstein verdrängt. Der Charakter der D.-Wände ist durch den Baustoff bestimmt. Beim Backsteinbau blieb die Gliederung der Mauer in starke, tragende Säulen und Entlastungsbögen und schwache, füllende Blenden sichtbar. Der alte Stubeneinbau ist ebenso wie die nachträglichen Einbauten zumeist in Fachwerk ausgeführt. Für Schränke sind im Backstein- und Bruchsteinbau in den Mauern Nischen ausgespart. Beim Fachwerkbau blieb das Fachwerk sichtbar. Von Eckhäusern abgesehen, stehen für die Anlage von Fenstern nur Teile der vorderen und hinteren D.-Wände zur Verfügung. Die großen, dem Hof zugekehrten Fenster, die heute vielfach das Gepräge der norddeutschen Bürgerhaus-D. mitbestimmen, sind jedoch erst im Laufe des 17. Jh. aufgekommen, als die D. soweit mit Tageslicht versehen werden mußte, daß auch die im Innern eingebauten Räume ihr Licht von der D. her empfangen konnten. Vorher waren die Fenster kleiner als die Blenden zwischen den Entlastungsbögen. Der Zugang zu den über der D. gelegenen Räumen, die zunächst nur als Speicher dienten, erfolgte bis ins 17. Jh. vielfach über eine Wendeltreppe, die zwischen Herd und Hofgiebel angeordnet war.

Die eingebauten Räume veränderten das Gepräge der D. (Abb. 8). Zunächst wurde die Küche abgetrennt, um die durch den Rauchabzug entstehende Zugluft zu vermeiden. Soweit die Breite des Hauses und die Lage des Eingangs es zuließen, wurde an der Straße eine weitere Stube mit darüber liegender Kammer eingebaut. Der obere Raum zwischen dem alten Stubeneinbau und der Hofwand wurde durch Hängekammern ausgefüllt. Da die Sonderräume nur die halbe D.-Höhe einnehmen, liegen jeweils zwei davon übereinander, oder es wurden, wo man den unteren Raum nicht von der D. abtrennen konnte, Hängekammern eingerichtet. Für die oberen, in die D. eingebauten Räume mußten Treppen und Galerien angelegt werden, die heute das Gesicht der norddeutschen Bürgerhaus-D. wesentlich mitbestimmen und von der Renaissance an mit Beispielen aus allen Stilperioden erhalten sind. Besonders sorgfältig wurden die Treppenanfänge behandelt, die zuweilen durch figürlichen Schmuck hervorgehoben waren. Von der Renaissance an wurden die D.-Wände auch mit etwa mannshohen Holztäfelungen verkleidet. So ging aus der mit Leben erfüllten D. des mittelalterlichen Hauses ein immer noch stattlicher Repräsentationsraum hervor, der in Namen und Sache noch heute auf die Gestaltung von Einzelhäusern einwirkt.

Zu den Abbildungen

1.–3. Die Diele im niederdeutschen Bauernhaus.

1. Lünten Krs. Ahaus i. W., um 1700. Durchgangshaus (Mittelschiff mit Diele und Herdraum), Hochrähmgefüge m. Ankerbalken.

2. Köhlau Krs. Uelzen/Hann., 1656, Flettdeelenhaus, Unterrähmgefüge m. Dachbalken.

3. Godelheim Krs. Höxter i. W., 1729, abgebr. 1950. Durchgangsdiele im Vierständerbau.

4.–6. Die Diele im niedersächsischen Bürgerhaus.

4. Lüneburg, Lünertorstr. 4, um 1560. Backstein-Giebelhaus, Diele m. altem Stubeneinbau, Unterzug u. Säule (eingezeichnet nur Kellertreppe; Speichertreppe nicht mehr feststellbar).

5. Northeim/Hann., Häuserstr. 6, um 1490. Fachwerk-Traufenhaus m. altem Stubeneinbau. Diele m. Durchfahrt z. Hof.

6. Warburg i. W., Unterstadt, 1513. Dreischiffiges Fachwerk-Giebelhaus, hohe Mitteldiele m. Luchten auf beiden Seiten.

1–6 nach Zeichnungen d. Verf. (Abb. 5 u. 6 gemeinsam mit Dr. Schepers, Münster).

7. Niederdornberg Krs. Bielefeld i. W., Flettdiele. 1791. Phot. Stoedtner (f. Landesbaupfleger Westfalen, Münster).

8. Uetersener Neuendeich Krs. Pinneberg, Haus Schinkel, Diele. 1733. Phot. Landesamt f. Dkpfl. Schleswig-Holstein, Kiel.

Literatur

Zu I: 1. Ed. Damköhler, Diele, dele, däle, Jb. d. Ver. f. niederdt. Sprachforschung 15, 1889, 51–53. – 2. Grimm, Dt. Wörterbuch II, S. 1099–1102. – 3. Erich Nörrenberg, Die Herkunft von mnd. dele, f., Westfäl. Forschungen 1, 1938, 326–57. – 4. K. Rhamm, Urzeitliche Bauernhöfe im german.-slaw. Waldgebiet I, Altgerman. Bauernhöfe im Übergang v. Saal zu Fletz u. Stube (= Ethnograph. Beitr. z. german.-slaw. Alt.kde. II), Braunschweig 1908.

Zu II und III: 5. F. Unglaub, Die Diele im niedersächsischen Bauernhaus und norddeutschen Bürgerhaus. Eine Raumstudie als Beitr. z. Hausforschung, Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Alt. kde. 13, 1911, 181–357. – 6. Jos. Schepers, Das Bauernhaus in Nordwestdeutschland, Münster i. W. (1943). – Weitere Lit. s. Bauernhaus und Bürgerhaus.

Verweise