Dornenkrone

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englisch: Crown of thorns; französisch: Couronne d'épines; italienisch: Corona di spine.


Elisabeth von Witzleben (1955)

RDK IV, 299–311


RDK III, 597, Abb. 9. Meister E. S., 1467.
RDK III, 645, Abb. 1. Braunschweig, E. 14. Jh.
RDK III, 645, Abb. 2. Hans Leinberger, um 1525, Berlin.
RDK III, 649, Abb. 3. Hans Holbein d. Ä., um 1500, Donaueschingen.
RDK III, 651, Abb. 4. Hannover, A. 15. Jh.
RDK III, 651, Abb. 5. Hans Holbein d. Ä., um 1502, Hannover.
RDK III, 653, Abb. 7. Dortmund, A. 16. Jh.
RDK IV, 301, Abb. 1. Cambridge, um M. 13. Jh.
RDK IV, 303, Abb. 2. Cambridge, um M. 13. Jh.
RDK IV, 305, Abb. 3. und 4. Merseburg, um M. 13. Jh.
RDK IV, 307, Abb. 5. Ehem. Köln, 2. H. 13. Jh.
RDK IV, 307, Abb. 6. Meister von Flémalle, 2. V. 15. Jh., Berlin.
RDK IV, 309, Abb. 7. Nördlingen, um 1478.
RDK IV, 309, Abb. 8. München, Anf. 18. Jh.
RDK IV, 311, Abb. 9. Chr. Fr. Tieck, 1830, Breslau.
RDK IV, 315, Abb. 1. Nürnberg (ehem. Gotha), 1020-30, aus Echternach.

I. D.-Reliquie und D.-Verehrung

Nach biblischem Bericht (Mt. 27, 29; Mk. 15, 17; Joh. 19, 2, 3) wurde Christus während der Verhandlung vor Pilatus eine D. aufgesetzt (s. *Dornenkrönung), ein Purpurmantel umgelegt und er so (nach Joh. 19, 4–5) den Juden vorgeführt (s. Ecce homo). Bei Darstellung dieser Szenen und der Leidenswerkzeuge Christi ist die D. thematisch gefordert. Sie kommt ferner als Attribut Christi bei Andachtsbildern und Passionsszenen sowie als Attribut von Heiligen vor.

Das Aufkommen der D. in Kunstwerken des hohen MA war durch die Geschichte und Verehrung der Dornenkronen- bzw. Dornreliquien vorbereitet.

Die Geschichte der Reliquie wird zuerst greifbar durch die Erwähnung bei dem hl. Paulinus von Nola, der für das Jahr 409 die Aufbewahrung der D. auf dem Berg Sion zu Jerusalem bezeugt (Itinera Hierosolymitana, hrsg. von A. Molinier und Ch. Kohler, 1885, II, S. 122). Seit dem E. 6. Jh. häufen sich die Erwähnungen der D. in den Reiseberichten der Pilger. Antonius Placentius (um 570), hielt die D. in der Hand und küßte sie (Joh. Reil, Die frühchristl. Darstellungen der Kreuzigung Christi, Lpz. 1904, S. 45). Als um die Jahrtausendwende in Byzanz eine intensivere Vergegenwärtigung der Passion Christi einsetzte (s. Gekreuzigter), entstand der Wunsch, die D.-Reliquie zu besitzen; er wurde 1063 durch die Überführung der D.-Reliquie nach Byzanz befriedigt. Entsprechend war die Übertragung der Reliquie ins Abendland (1238 Venedig, 1239 von König Ludwig IX. von Frankreich erworben) durch eine Hinwendung zu andächtigem Bedenken der Leiden Christi vorbereitet. Reliquienübertragung und Aufkommen der Darstellungen von D. stehen schwerlich in kausalem Zusammenhang – wie Aron Andersson [4] will –, sondern haben eine gemeinsame Wurzel im Frömmigkeitscharakter des hohen MA.

Die nach Paris gelangte Reliquie (bis zur französischen Revolution in der Ste.-Chapelle, seitdem in der Kathedrale) besteht aus einfachem Binsenrohr (Abb. 1 und 2); dieser Befund bestätigt die Angabe eines armenischen Inventars aus dem 13. Jh., derzufolge die Reliquie in zwei Teile, das Rohrgeflecht und die Dornen, geteilt worden sein soll [1]. Die Dornreliquien, darunter viele nur durch Berührung der D. geweihte Dornen des Busches Zizyphus spina Christi, sind zerstreut.

Typologische Interpretationen der D. sind die ältesten Zeugnisse für die Bedeutung der D. im Bewußtsein der Gläubigen. An Adam erging das Verdammungsurteil: die Früchte der Erde sind verflucht, um deinetwillen wird sie Dornen und Disteln hervorbringen; deshalb wählt Christus die Dornen, um diese Verwünschung aufzuheben (Cyrillus von Jerusalem, † 386; Migne, P. G. 33, 796). Nur in Syrien ist die D. Gegenstand bei der Betrachtung des leidenden Gottmenschen geworden (Jakob von Sarug: Pius Zingerle, Über und aus Reden von zwei syrischen Kirchenvätern über das Leben Jesu, Theol. Quartalschr. 52, 1870, 92–114; ebd. 53, 1871, 409–26). Noch in karolingischer Zeit ist es eine Ausnahme, wenn von der D. im Zusammenhang mit Christi Kreuzestod die Rede ist (Schlosser, Schriftquellen Nr. 1003). Die Auffassung des Cyrillus blieb bis ins Hoch-MA die vorherrschende: nicht als Zeichen der Schmach, sondern als Zeichen des Sieges wurde die D. verstanden und konnte, nachdem sich diese Interpretation mit Vorstellungen vom Königtum Christi vermischt hatte, etwa seit ottonischer Zeit zur Darstellung der D. in Form der Königskrone führen. Erst um die M. 12. Jh. sorgten ein Wandel der Frömmigkeit und theologische Theorien (Satisfikationstheorie des Anselm von Canterbury u. a.) für ein unmittelbares Verständnis der D. als Marterinstrument. Im späteren MA wurde für die D. (ebenso wie für die übrigen Leidenswerkzeuge) eine Reihe von Gebetsandachten geschaffen, in denen die D. in den Mittelpunkt gerückt wurde.

II. Darstellungsformen

Die vorgotischen Darstellungsformen der D. sind die Königskrone, der Kronreif, der bisweilen mit Dornen besetzte, gewundene oder geflochtene Kranz, der bald aus kräftigen Stricken, bald aus feinen binsenartig schlanken Fasern gedreht zu sein scheint; eine spezifisch spätromanische Abart ist die mit langen Palmettenblättern gezierte Zackenkrone.

Die frühchristliche Kunst kannte die D. nicht (Ausnahme s. Dornenkrönung Sp. 316); als ein Attribut der Verhöhnung Christi erschien sie ihr nicht darstellungswürdig. Aus dem gleichen Grund fehlt die D. in den Passionsschilderungen der byzantinischen Kunst (eine Ausnahme macht die Dornenkrönung in einem Lektionar in Venedig, S. Giorgio dei Greci, Ill. Ms. fol. 297 v, 11. Jh.), nicht aber bei Darstellungen der Leidenswerkzeuge (s. a. Etimasie). In der hoch-ma. Kunst Italiens kommt die D. selten und wohl nur unter nordischem Einfluß vor. Die D. auf dem Haupte des Gekreuzigten eines pisanischen (?) gemalten Kreuzes, 12. Jh., in der Ak. zu Florenz ist erst in späterer Zeit hinzugefügt worden (Sandberg-Vavalà, S. 115, Abb. 387).

In der frühesten Darstellung der Dornenkrönung im abendländischen MA (Echternacher Evangeliar, jetzt G.N.M., s. Dornenkrönung Sp. 315/16, Abb. 1) ist die D. sehr groß und mit Dornen besetzt; ein Scherge hält sie in der Hand. Der Gekreuzigte derselben Hs. besitzt keine D.: der ottonischen Kunst lag es noch fern, das Leiden Christi realistisch zu gestalten. Wenn die D. außerhalb der Szenen, bei denen sie thematisch gefordert ist, vorkam, so wurde sie stets zum Herrscherattribut umgedeutet.

Der Regensburger Utacodex (München, St. B. Clm. 13 601, fol. 3 v) zeigt den gekreuzigten Christus mit einem Kronreif geschmückt; die Dornenkrönung auf der Goldenen Tafel des Aachener Münsters weist als D. einen schmalen, gedrehten Reif auf. Ähnliche Bildungen gibt es in der gleichzeitigen englischen Buchmalerei (O. Elfrida Saunders, Englische Buchmalerei I, München u. Florenz 1928, Taf. 26) und auf Elfenbeinreliefs: Berlin, K. F. M., kölnisch; Tongern, aus Lüttich, wo noch ein von der Hand Gottvaters über Christi Haupt gehaltener Kronreif hinzugefügt ist (Goldschmidt, Elfenbeinskulpt. II, Nr. 141 u. 57).

Während des 13. Jh. überwog in der monumentalen Plastik Frankreichs und der meisten deutschen Landschaften die schmale, diademartige D. (ehem. Köln, Slg. Seligmann, Abb. 5; Holzkruzifixus in Halberstadt, U.L.F.; entsprechend in der Buchmalerei: Wolfenbüttel, Hzg. August Bibl. Cod. Helmst. 65, Weltgericht mit Etimasie, Röm. Jb. f. Kg. 2, 1939, S. 354 Abb. 292), doch neben ihr kam seit 1225 bei den Monumentalkruzifixen Mitteldeutschlands (Wechselburg; Merseburg, Abb. 3 und 4) auch die aus spitzigem Dorngestrüpp geflochtene große D. auf. Seit derselben Zeit scheint auch die sog. Taukrone, ein mit Dornen besetztes Taugewinde, bekannt zu sein (Sitten, Mus., Holzkruzifixus aus St. Léonard im Wallis; P. Bouffard, L’art gothique en Suisse, Lausanne 1948, S. 50, Abb. 14 und 50), doch läßt sich, da die Taukrone stets aus anderem Material als das Bildwerk gearbeitet ist, ein Beweis ihrer Zugehörigkeit zu diesem in keinem Falle führen. Die Vielfalt der im 13. Jh. möglichen Formen der D. kann allein auf Grund plastischer Werke erkannt werden, denn während dieses Zeitraums und noch im beginnenden 14. Jh. blieben Darstellungen der D. in der Malerei ziemlich selten.

Eine mit Dornen besetzte D. bildet eine Miniatur aus einem Würzburger Psalter, um 1240, ab (Swarzenski, 13. Jh., Abb. 929); aus drei dicken Dornbüscheln ist bei sechs Passionsdarstellungen des Psalters in Besançon, Bibl. municipale ms. 54 (Ebd., Taf. 98f., um 1260) eine Art Herrscherkrone gebildet. In englischen Hss. kommt die D. erst nach M. 13. Jh. als schmaler, glatter Reif vor: Psalter aus Evesham; Psalter in Oxford, All Souls College; De Quincey Apokalypse. – Die D. in Hss. der 1. H. 14. Jh. ist schmal und meist ohne Dornen. Ausnahmsweise zeigen das Prager Missale Komarum der Salzburger Studienbibl. und ein Missale der Darmstädter Landesbibl. (Cod. 876; Stange I, Abb. 20) Dornen an der D.

Die deutsche Mystik hat seit dem späten 13. Jh. viel zur Verbreitung einer realistischen Auffassung der D. beigetragen (Astkruzifix der Liebfrauenkirche in Andernach, um 1310–20, vgl. Kunstchronik 7, 1954, S. 93–95 m. Abb.; Köln, Dom, Allerheiligenkapelle, 1330–40: geflochtene D. mit Dornen; s. III). Nachdem seit 2. H. 14. Jh. die D. bei Darstellungen des Gekreuzigten gebräuchlich geworden war, konnte im Verlauf des 15. Jh. eine für die Folgezeit verbindlich gebliebene Form der D. ausgebildet werden: die D. erscheint als ziemlich breites, mit Dornen besetztes Geflecht. Die schmale D. des Hochmittelalters wurde seit 4. V. 14. Jh. immer mehr von dieser Form verdrängt. Seit etwa 1450 sind nur noch geringe Veränderungen zu beobachten, die die Grundform jedoch nicht antasteten: sie wurden durch die Stilformen der jeweiligen Epoche und den unterschiedlichen Charakter der Schilderung veranlaßt: die spätgotische D. (Nikolaus Gerhaert von Leyden, Baden-Baden, Steinkruzifix 1467; Meister v. Flémalle, Abb. 6; Nördlingen, St. Georg, Abb. 7) neigt zu ornamentaler und spitziger Form, die des 17. Jh. ist eher aus fleischigem Dorngestrüpp gewunden. Darstellungen, die stärker der Volkskunst verhaftet sind, weisen eine Vorliebe für Drastik der Erzählung auf: z. B. das Gemälde mit der Geißelung in Kleinholzhausen/Obb., M. 18. Jh., Inschrift „Diße (die D.) ist so grob“; (Peter von Bombard, Die Kdm. der Stadt u. des Lkrs. Rosenheim II, 1, Rosenheim 1954, S. 140). Im 18. Jh. trugen Bildwerke häufig D. aus natürlichem Dornengeflecht (München, Priv.bes., Abb. 8); ein charakteristisches Beispiel für die Form der D. in der 1. H. 19. Jh. bietet ein nach Modell von Chr. Fr. Tieck geschaffener Berliner Eisenguß von 1830 (Abb. 9).

III. D. als Attribut Christi

Die D. als Attribut Christi kam erst im Hoch-MA auf: um M. 12. Jh. begegnen erstmals bei plastischen Darstellungen des Gekreuzigten Beispiele für eine realistische Darstellung der D. (z. B. Holzkruzifixus aus Untergermaringen b. Kaufbeuren im B.N.M., 3. V. 12. Jh.; Kat. Halm-Lill Nr. 71), doch bedeutet es noch im 2. V. 13. Jh. eine Ausnahme, wenn – wie bei den mitteldeutschen Monumentalkruzifixen (Abb. 3) – die D. bei einer größeren Denkmälergruppe regelmäßig erscheint. Erst mit der Verbreitung eines ziemlich genau um M. 13. Jh. in Frankreich geschaffenen hochgotischen Bildtypus des Gekreuzigten wurde die D. mehr und mehr zu einem Attribut des Kruzifixus. Während in Deutschland die Passionsmystik diese Entwicklung förderte, verschlossen sich ihr die Limousiner Goldschmiede und viele italienische Meister weitgehend.

Die Ausbildung neuer ikonographischer Themen im späten MA erweiterte den Kreis, innerhalb dessen die D. als Attribut Christi dargestellt wurde, erheblich (s. Schmerzensmann, Engelpietà, Marienklage, Christus im Elend, Kreuzträger usw.). In der 2. H. 15. Jh., der Zeit der größten Verbreitung der D., erschien sie auch in neuen Bildformen, wie dem von Veronika gehaltenen Schweißtuch mit dem Gesichtsabdruck Christi (Veronika-Meister, um 1420, A. Pin.: sehr große, dornenbesetzte D.; B.N.M., Tegernseer Passion, um 1440). Ab 1450 ist Veronika mit dem Schweißtuch auf Darstellungen der Kreuztragung und der Kreuzigung häufiger anzutreffen.

Nicht bei allen der genannten Themen war die D. von Anfang an ein unentbehrliches Attribut. Bei den Darstellungen der Kreuzträger z. B. fehlt sie während des 13. Jh. fast immer (vgl. französ. Siegel; Reims, Kath., Archivolte des nördlichen Portals der Westfassade); auch das Reliefmedaillon am Schrein der hl. Johannes und Paulus in Mittelzell auf der Reichenau (Jul. Baum, Got. Bildwerke Schwabens, Augsburg u. Stuttgart 1921, Abb. 60) zeigt den Kreuzträger ohne D. Erst im Verlauf des 14. Jh. ist die D. bei dieser Darstellung regelmäßig vorkommendes Attribut geworden: Baum a.a.O. Abb. 61 u. 62. – Beim Schmerzensmann hingegen fehlt die D. nur bei einer Gruppe fränkischer Bildwerke durchweg (Gert von der Osten, Der Schmerzensmann [Forsch. z. dt. Kg. 7], Bln. 1935, Abb. 13f., 16, 18 bis 23; dort auch vereinzelte Beispiele aus anderen deutschen Landschaften). Italienische Darstellungen der Engelpietà kamen bis zum Spät-MA häufig, in der Folgezeit nicht selten ohne D. aus. In Bildwerken der Marienklage ist gerade bei den ältesten die D. stets vorhanden (Bonn, Landesmus.; Erfurt, Ursulinenkloster usw.). Christus im Elend trägt die D. ebenfalls nahezu regelmäßig (RDK III 644–58, Abb. 1–5 und 7).

Schließlich begegnet die D. im Spät-MA und im Barock auch bei Schilderungen der Passionsereignisse, bei denen sie thematisch nicht gefordert ist: bei Kreuzabnahme, Beweinung und Grablegung Christi liegt die D. meist im Vordergrund, oft von den drei Kreuznägeln, Zange, Hammer, Salbgefäß oder einem Totenkopf umgeben, z. B.:

Beweinung: B. N. M., Bronzeplakette, nürnbergisch um 1550. – Bamberg, Heimatmus., Alabasterrelief, fränkisch A. 17. Jh. – Gurk, Dom, Marienklage von Gg. Raphael Donner, 1741. – Grablegung: Tiefenbronn, Hochaltar von Hans Schüchlin, 1469. – D. M., Gemälde von Lukas Cranach, 1538. – Mitunter hält Joseph von Arimathia oder ein fliegendes Engelchen die D. in der Hand (s. a. IV): Nürnberg, St. Sebald, Grabmal Schreyer, 1490/ 91 von Adam Krafft (Pinder, Hdb. d. Kw., Abb. 404); Dresden, Gem.Gal., Kreuzabnahme des Joos van Cleve, 1507. – Auf einem süddeutschen Elfenbeinrelief mit der Kreuzabnahme, um 1630 (B. N. M., Kat. Berliner Nr. 135), trägt ein Jüngling, der oberhalb Josephs von Arimathia auf der Leiter steht, die D. An einem Baum hängt die D. bei Joh. Anton Gaabs um 1700 entstandenen Bronzerelief der Beweinung, B. N. M.

Das Christkind mit der D. als Symbol seines zukünftigen Leidens stellte Desiderio da Settignano auf einem Sakramentsaltärchen in S. Lorenzo zu Florenz dar; dasselbe Motiv begegnet bei einem Gemälde Botticellis (Mailand, Mus. Poldi-Pezzoli), Muttergottes mit dem Kind. Auf deutschen Holzschnitten gibt es die Darstellung des Christkindes mit Geißel oder Rute im Arm, stehend oder sitzend in der am Kreuz hängenden D. (Molsdorf, Nr. 31). Die meisten Darstellungen dieser Art zeigen das Christkind mit sämtlichen Leidenswerkzeugen, die entweder um das Kind herum verstreut am Boden liegen, ihm als Spielzeug dienen, ihm von Engelputten zugebracht werden (RDK III 598, Abb. 9) oder in einem Körbchen von dem Knaben getragen werden. Die Verbindung des jugendlichen Christus mit der D. kehrte im 17. Jh. in anderer Form in Spanien wieder: Christus flicht eine D. und verletzt sich dabei am Finger (Gem. von Zurbaran, Sevilla, Mus., um 1630) oder er hütet als Guter Hirte die Schafe und beschäftigt sich dabei mit dem Flechten einer D. (Gem. von Murillo, Glasgow, Universität, 1665/70).

IV. D. als Heiligenattribut

Die D. als Attribut der Heiligen kommt im MA selten vor. Damals wurde die D. lediglich der hl. Katharina von Siena und vielleicht auch dem hl. Nikolaus von Tolentino beigegeben. Erst im 17. und 18. Jh. fand sie häufiger Verwendung und diente zur Charakterisierung lolcher Heiliger, in deren Frömmigkeit die Versenkung in die Passion Christi eine hervorragende Stelle einnahm: hl. Maria Magdalena von Pazzi, Rosa von Lima, Achatius, Ludwig, Johannes von Gott, Joseph von Arimathia sowie die sel. Elisabeth von Reute und Anna Katharina Emmerick.

Auf einem Fresko des 14. Jh. in der Kirche zu Gebweiler i. E. empfängt die hl. Katharina v. Siena die D. von Christus; dasselbe Motiv zeigt die von Bernardino Fungai gemalte Predella des Altars, den Franc. di Giorgio E. 15. Jh. für S. Domenico in Siena schuf (George Kaftal, St. Catherine in Tuscan Painting, Oxford 1948, Abb. 17), und ein Gemälde des Francesco Bissolo (Venedig, Akademie, Auftrag 1513). Später trägt die Heilige die D. über dem Schleier auf dem Haupte: ehem. Slg. Figdor-Wien, westfäl. Tafelbild um 1500; Bronnbach, Magdalenenaltar von Mich. Kern, um 1642 (Barbara Reuter in Mainfränkisches Jb. 6,1954, 242–6, Taf. 18); Aachen, St. Paul, Altarfigur von 1652, Inv. Rheinprov. 10, 2, S. 185; Anzenberg, Pfarrkirche, Altarfigur um 1750, Inv. Bayern IV, 8, S. 15; Schäftlarn/Obb., Rosenkranzaltar (Rich. Hoffmann, Kloster Schäftlarn im Isartal, Augsburg 1928, S. 41; weitere Beisp. bei [3] Sp. 419). – Giov. Maria Morandi griff das Motiv auf und gab ihm eine typisch barocke Fassung: das auf dem Schoß der Muttergottes sitzende Kind krönt die kniende Heilige (Rom, S. Sabina, um 1700).

Ein schwäbischer Holzschnitt von etwa 1480 (Gg. Leidinger, Einzelholzschnitte des 15. Jh. in der Kgl. Hof- und Staatsbibl. München, Straßburg 1907–10, Taf. 39) stellt einen Mönch dar, der in der einen Hand einen Lilienstengel, in der anderen die D. hält (hl. Nikolaus von Tolentino?).

Joseph von Arimathia wurde manchmal mit der D. in der Hand abgebildet: Retabelflügel aus Villingendorf, um 1500, Lorenzkapelle Rottweil, und Bartel Bruyn, 1524 [3, Sp. 387]. – Die Karmelitenheilige Maria Magdalena von Pazzi erscheint auf florentinischen Andachtsbildern des 17. Jh. mit brennendem Herzen und einer D. in der Hand. Ein Stich von Corn. Galle, der ihre Stigmatisation darstellt, zeigt die Heilige mit der D. auf dem Haupt. – Ebenfalls auf dem Haupt trägt die hl. Rosa v. Lima die D. bei einer Mainzer (?) Holzskulptur M. 18. Jh. im D.M. (Kat. Demmler Nr. 8307). – Darstellungen des hl. Achatius mit der D. in der Hand oder auf dem Haupt sind sehr selten (vgl. z. B. Klauber, Annus Sanctorum, Augsburg 1765). – Der hl. Ludwig besitzt als Attribute gelegentlich die D. und die Kreuznägel: Statue im Breisacher Münster [3, Sp. 477]; auf einem Gemälde von Michael Willmann im Breslauer Mus., um 1696 (Ernst Kloos, Mich. Willmann, Breslau 1934, Taf. 115), kniet er vor der Gottesmutter und bringt ihr auf einer Schale D. und Kreuznägel dar. – Der hl. Johannes von Gott wurde schon im Jahre seiner Kanonisation (1690) auf Stichen mit der D. gekrönt dargestellt (P. Petrucci und A. van Westerhout, Rom, Gab. Naz. delle Stampe; Mâle IV, S. 102); vgl. die Statue in Imbach Bez. Krems, Pfarrkirche, aus der Zeit um 1700 [3, Sp. 379 Abb. 200]; die Aufnahme des Heiligen in den Himmel und seine Vorstellung durch seinen Namenspatron, den hl. Johannes, schildert das Fresko des Corrado Giaquinto in S. Giovanni Calybita auf der Tiberinsel S. Bartolommeo in Rom, 1741/42: die Muttergottes hält eine D. über ihn (Mâle IV, S. 92f.). – Elisabeth von Reute, 1766 seliggesprochen und in Oberschwaben verehrt, trägt die D. über dem Schleier der Franziskanerinnen [3, Sp. 207 Abb. 96]. Auch die sel.

Anna Kath. Emmerick hat als Attribut die D.: Bildnis Clemens Brentanos von Ludwig Emil Grimm, München 1837.

Die D. ist – neben dem Horn – Attribut der Delphischen Sibylle (Molsdorf Nr. 993; Timmers Nr. 416).

V. D. als Symbol

Seit dem ausgehenden MA erscheint die D. – wenngleich selten – auch in symbolischen Bezügen: so trägt der Antichrist auf der Anbetung der Könige von Hier. Bosch einen mit einer D. umwundenen Helm (Lotte Brand Philip in Art Bull. 35, 1953, S. 268 Anm. 2, Abb. 4); auf einem Fresko von P. Candid im Antiquarium der Münchener Residenz, spätes 16. Jh., ist die Allegorie des Gehorsams (Oboedientia) mit gebundenen Händen und D. abgebildet; sie betrachtet ein Kreuz (Inv. Bayern I, 2, S. 1117). – Timmers hat eine Anzahl weiterer symbolischer Bedeutungen der D. zusammengestellt (Timmers Nr. 139, 627, 661, 847, 1552, 1941).

Manchmal erscheint die D. im Wappen geistlicher Würdenträger; zusammen mit Krummstab und Blume: B. Nikolaus Sachow von Lübeck † 1449 (Carl Gg. Heise, Fabelwelt des MA, Berlin 1936, Abb. 46). – Taukreuz in D. auf Dreiberg: Gotthard Schiterberger, Abt von St. Veit a. d. Rott 1537–48. – Rechte Hälfte eines zweigeteilten Wappens mit Kreuz und zwei Pfeilen in der D.: Roman Daniel, Abt von St. Ulrich in Augsburg 1674–94. – Einfache D. im Wappenschild: Georg Dorner, Abt von Thierhaupten 1761–71 (E. Zimmermann, Bayerische Klosterheraldik, München 1930, S. 47, 159 und 163).

Zu den Abbildungen

1. und 2. Cambridge, Corpus Christi College Ms. 16, fol. 141 und 139. Matthäus Parisiensis († 1259), Historia maior Bd. II. Nach M. R. James, The Drawings of Matthew Paris, Publ. of the Walpole Soc. 14, 1925–26, Taf. 15.

3. und 4. Merseburg, Dom, Triumphkreuz. Holz, überlebensgroß. Zustand während der Rest. von 1955. Um M. 13. Jh. Fot. Institut f. Dpfl., Halle a. d. Saale.

5. Ehem. Köln, Slg. Seligmann, Kruzifix aus einer Kölner Kirche. Lindenholz, lebensgroß, Fassung verloren. Nach Eug. Lüthgen, Got. Plastik i. d. Rheinlanden, Bonn 1921, Taf. 13.

6. Meister von Flémalle, Christus am Kreuz, Ausschnitt. Berlin, K. F. M. 2. V. 15. Jh. Fot. Schwarz, Berlin.

7. Nördlingen, St. Georg, Kopf des Gekreuzigten. Jetzt im Hochaltar von 1683. Etwas unterlebensgroß. Um 1478, Fassung 1683. Fot. Marburg 60018.

8. München, Priv.bes., Kopf des Gekreuzigten. Holz, alte Fassung. Anf. 18. Jh. Fot. Bayer. Landesamt f. Dpfl., München.

9. Christ. Frdr. Tieck (1776–1851), Relief mit Christuskopf und n.t. Darstellungen. Berliner Eisenguß. 1830. Breslau, Schloßmus. Nach Kat. Erwin Hintze, Breslau 1930, Taf. 36.

Literatur

1. Cabrol-Leclercq VII, 1, 1155f. – 2. Buchberger III 423. – 3. Braun, Tracht u. Attribute. – 4. Aron Andersson, English Influence in Norwegian and Swedish Figure Sculpture in Wood, Stockholm 1949, S. 288f.

Verweise