Drehergewebe
englisch: Gauze; französisch: Gaze, fil de tour; italienisch: Garza, velo.
Renate Jaques (1955)
RDK IV, 394–397
I. Technisches
D. (Gazegewebe) entstehen durch Verkreuzen von zwei oder mehreren Kettfäden miteinander. Das Schußfadensystem hält die Kettfäden in der jeweiligen Lage zusammen.
a) Einfache D. Man unterscheidet Volldreher und Halbdreher. Beide Gruppen teilen sich je nach der Art der Halbdrehungen und Volldrehungen in Einzelgruppen auf.
Ein Halbdreher entsteht dadurch, daß der Drehfaden nur eine halbe Drehung um den anderen Kettfaden (Stehfaden) macht.
Bei Volldrehern macht der Drehfaden jeweils eine ganze Drehung um den Stehfaden ([1] S. 213; [5] S. 164).
In der einfachen Dreherbindung erscheinen gemusterte D.
1) mit Broschierungen (broschierte Gaze), 2) mit damastartiger Musterung.
Das Muster ist in Leinenbindung 1 : 1 hergestellt.
b) Komplizierte D., auch mit Ajoureffekten: „In den einfachsten Fällen sind auch hier immer bloß je zwei Kettfäden verdreht; dabei geht aber jeder Kettfaden abwechslungsweise mit dem rechts bzw. dem links benachbarten Faden solche Bindungen ein, so daß in der Kettrichtung immer je drei Kettfäden miteinander in Verbindung stehen und sich statt der Stoffe mit isolierten Reihen von Kettfadenpaaren, netzartige Formen mit durchgehenden Rautenmustern ergeben (‚gazes à trois fils‘, Abb. 1 c). Kompliziertere Formen und Mischtypen weisen Kombinationen der ‚zwei-‘ und ‚dreifädigen‘ Bindungen auf, und weitere Möglichkeiten ergeben sich z. B. durch stellenweises Auslassen der Bindungen, durch Verdrehung von mehr als zwei Fäden, durch die Bindung von nicht direkt nebeneinander liegenden Kettfäden über die dazwischen liegenden Kettenteile hinweg“ ([3] S. 218. – Abb. 2 u. 3).
II. Vorkommen
D. erscheinen unter altperuanischen wie unter frühen chinesischen (Abb. 4) und späteren Textilien, sowohl in China wie in Japan, und finden bis in die Neuzeit, auch in abendländischen Kirchenschätzen, vielseitige Verwendung ([2] S. 54; [4] S. 21, Kat. Nr. 42 und 43).
Zu den Abbildungen
1. und 3. Dreherbindungen nach D’Harcourt [2]. Nach [3], Abb. 120 und 123.
2. und 4. Wien, Österr. Mus. f. angewandte Kunst, Inv. Nr. T 895. Weißes Drehergewebe, China 12.–14. Jh. Diagramm und Fot. Mus.
Literatur
1. Heiden S. 213 („Gaze“). – 2. Raoul D’Harcourt, Les textiles anciens du Pérou et leurs techniques, Paris 1934. – 3. Kristin und Alfred Bühler-Oppenheim, Die Textiliensammlung Fritz Iklé-Huber im Mus. f. Völkerkunde und Schweizer. Mus. f. Volkskunde Basel, Zürich 1948, S. 215ff. – 4. Weibel S. 21 und Abb. 42f. – 5. Theo Schreus, Das Gewebe, Kevelaer 1953.
Empfohlene Zitierweise: Jaques, Renate , Drehergewebe, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1955), Sp. 394–397; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89377> [07.12.2023]
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