Ebenist

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englisch: Eboniste, cabinet-maker; französisch: Ébéniste; italienisch: Ebanista.


Alice Bethe-Kränzner (I u. II) und Josef Greber (III) (1955)

RDK IV, 650–665


RDK II, 853, Abb. 22. J. Ad. Pichler, 1761. München.
RDK IV, 651, Abb. 1. Johann Friedrich Spindler, Potsdam, 1767.
RDK IV, 653, Abb. 2. Johann Melchior Kambli, Potsdam, um 1765.
RDK IV, 655, Abb. 3. Joseph Baumhauer d. Ä., Paris, um 1770.
RDK IV, 657, Abb. 4. Ferd. Schwerdfeger, Paris, 1788.
RDK IV, 657, Abb. 5. Signaturstempel des oben abgebildeten Tischchens.
RDK IV, 659, Abb. 6. R. Bénard nach J. R. Lucotte, Kupferstich aus der Encyclopédie, 1765.
RDK IV, 661, Abb. 7. R. Bénard nach J. R. Lucotte, Kupferstich aus der Encyclopédie, 1765.
RDK IV, 661, Abb. 8. R. Bénard nach J. R. Lucotte, Kupferstich aus der Encyclopédie, 1765.
RDK IV, 663, Abb. 9. Thomas Sheraton, 1794.

I. Begriff und Organisation

E. (von ital. ebenista) ist ein im 17. Jh. in Frankreich geprägter Begriff für Kunsttischler, der besonders auf die Verfertiger der französischen Luxusmöbel des 18. Jh. Anwendung findet.

Um 1600 verstand man unter dem italienischen ebenista wie unter dem französischen maître en ébène sowohl einen Handwerker, der sich speziell mit Ebenholz (s. Sp. 639ff.) beschäftigte, wie einen Tischler, der Möbel aus Ebenholz bzw. mit Ebenholzfurnier oder mit Ebenholzeinlagen anfertigte. Als dann unter Ludwig XIV. neben anderen Kunstzweigen auch die Möbelkunst einen neuen Aufschwung nahm und die besten Meister in den Dienst des Hofes traten, wurde der Stand des Möbelschreiners gehoben. 1657 wurden die menuisiers en ebene in den Rechnungen der Krone zum erstenmal als ébénistes bezeichnet, ein (nach Feulner) bemerkenswertes Datum, denn es bedeutet den Beginn der größten Zeit in der Geschichte des Möbels. Von nun ab beschäftigten sich schöpferische Kräfte mit dem Möbel als Kunstwerk. Die Gründung der Manufacture royale des meubles de la couronne, 1667, und die Einrichtung der Künstlerwerkstätten im Louvre 1668 bewirkten einen weiteren Schritt zur Gleichstellung des Möbelschreiners mit dem Künstler. Aus dem menuisier wurde der E. Im Lauf des 18. Jh., als das Wort seinen eigentlichen Sinn verlor, weil das unmodern gewordene Ebenholz kaum noch verarbeitet wurde, erhielt es eine weitere Bedeutung: als E. bezeichnete man jetzt Künstler, die über ihren eigentlichen Schreinerberuf hinaus vielerlei Fähigkeiten in sich vereinten. Wenn auch nicht jeder so vielseitig war wie die beiden berühmtesten französischen E. – Boulle, der „architecte, peintre, sculpteur en mosaïque, ébéniste, ciseleur et marqueteur“ genannt wurde, und Cressent, der seine delikaten Möbel selbst entwarf, fertigte und mit selbstgegossenen Bronzeappliken verzierte –, so mußte doch jeder gute E. des 18. Jh. nicht nur ein hervorragender Marqueteur, sondern auch ein geschickter Organisator sein, der die verschiedensten Kräfte zu seinem Werk heranzog und der mit der Arbeit der Architekten und Ornamentiker, der Bildhauer und Bronzegießer vertraut war. Denn alle diese Kräfte waren für die vielerlei Aufgaben, die Möbel im 18. Jh. zu erfüllen hatten, notwendig. Wie nie zuvor und nachher hatten sich diese dem Raum harmonisch einzupassen. Jetzt wurden sie nicht mehr mit einem Furnier aus großen Stücken überzogen, das die geschweiften Körper der Régence- und Louis XV-Möbel nicht mehr zuließen, sondern mit Marketerie bedeckt, d. h. mit einer Furnierung aus kleinen Holzplättchen, die würfel- oder rautenförmig, auch zu figürlichen Mustern zusammengesetzt und – aus kostbaren Hölzern bestehend (Cayenne-, Satin-, Veilchen-, Rosen-, Amaranten- und Palisanderholz) – feinfarbig abgestimmt wurden (s. a. Einlegearbeit). Dem Schmuckbedürfnis entsprachen auch die auf den Furnieren angebrachten, oft feuervergoldeten Bronzeappliken, die zugleich der Festigung dienen konnten. Ornamental oder figürlich reliefiert, zum Teil rundplastisch gestaltet, waren sie echte Bildhauerarbeit; höchst minutiös ausgeführt wie die Girlanden, Lambrequins und Metallbänder der späten Louis XVI-Möbel setzten sie das Können eines Ziseleurs voraus.

Diese Kollektivarbeit, der vielfach der Entwurf eines Architekten oder Ornamentstechers zugrunde lag und bei der oftmals bis zu vier verschiedene Kunsthandwerker tätig waren, macht es fast unmöglich, das Lebenswerk eines bestimmten E. klar zu erkennen, selbst dann nicht, wenn er sein Möbel mit seinem Namen signierte, wie es die Zunft der „maîtres menuisiers et ébénistes“ vorschrieb. Bis 1790 waren die E. zunftmäßig organisiert; seit 1723 wurden sie gesondert als E. geführt, getrennt von der alten Zunft der huchiers-menuisiers, der Kastentischler, die es neben den chaisiers-menuisiers, den Stuhlmachern, gab. Doch bestanden auch Ausnahmen. Den Zunftgesetzen waren nicht unterworfen die „ouvriers de la couronne“, die Meister, die fest im Dienst des Hofes standen und in königlichen Häusern logierten, sowie die „ouvriers libres“, die das Asylrecht der Universität oder der Kirche genossen und die im Bereich eines Klosters wohnten. Hauptort solcher „lieux privilégiés“, besonders für Deutsche, war die Vorstadt St. Antoine, wo sich auf der nahen Seine gute Gelegenheit zum Transport der Hölzer und auf den weiten Terrains gute Möglichkeiten für Holzstapelplätze boten. Gegen diese freien Arbeiter, die zum Teil die Preise unterboten oder zunftwidrig mehrere Berufe ausübten, führten die organisierten E. zur Wahrung ihrer Rechte einen heißen Kampf, indem sie gerichtliche Kontrollen ausübten, Geldstrafen verhängten, Beschlagnahmen anordneten u. dgl., so daß sich die „maîtres irréguliers“ schließlich selbst um die Aufnahme in die Zunft bewarben.

Die schon auf Ludwig XI. zurückgehende Verordnung über den Gebrauch von Stempeln wurde im Zuge dieser Auseinandersetzung durch ein Gesetz von 1741 bzw. 1743 nachdrücklich erneuert. Jedes Möbelstück mußte von nun an neben dem Kontrollstempel der Zunft, der aus den drei Buchstaben J. M. E. (Jurés Menuisiers-Ebénistes) besteht, die Marke des Herstellers tragen, die meist den Familiennamen und die Anfangsbuchstaben des Vornamens nennt, wobei man es mit der richtigen Schreibweise nicht so genau nahm, auch Pseudonyme und Abkürzungen zuließ. Das Signieren geschah im allgemeinen mittels eines metallenen Stempels, zuweilen durch Einbrennen, und nur da, wo es die Zerbrechlichkeit nicht anders zuließ, mit Tinte. Eine bestimmte Stelle war für die Signatur nicht vorgeschrieben, doch bildeten sich aus der Notwendigkeit, das Möbel durch den Stempelschlag nicht zu ruinieren oder zu verunzieren, gewisse Gewohnheiten heraus. Trotz aller festen Vorschriften gingen jedoch genügend Möbel anonym in den Handel.

II. Geschichte

A. Paris

In den Pariser Zunftlisten nahmen die französischen E. den größten Raum ein, bis M. 18. Jh. nicht nur ihrer Zahl, sondern auch ihrer Bedeutung nach.

Der berühmteste E. zur Zeit Ludwigs XIV., wie der bedeutendste französische E. überhaupt, war Ch. André Boulle (1642–1732), weltbekannt wegen der nicht von ihm erfundenen, aber von ihm zu höchster Vollkommenheit gesteigerten Technik der Marketerie aus Schildpatt und Metall, die viel nachgeahmt wurde und die der ganzen Gattung von ähnlichen Möbeln ihren Namen gab (RDK II 1075–81). Hauptmeister des Régence war Charles Cressent (1685–1768), dessen Möbel aus kostbarsten Hölzern, von vornehm-ruhiger Kontur, geschmückt mit selbstgegossenen, feuervergoldeten Bronzen in Form von naturalistischen Palmzweigen, Akanthusblättern, Füllhörnern, vollplastischen Frauenbüsten (sog. Espagnolettes) zum Schönsten gehören, was Möbelkunst geschaffen hat. – Zu den bedeutendsten Meistern des französischen Rokoko zählen Jacques Caffieri, berühmt wegen seiner bronzebeschlagenen Möbel, und Robert Martin, der seine Möbel statt mit einem Furnier mit Goldlackmalereien im ostasiatischen Geschmack überzog, wonach man Möbel dieser Art mit dem Namen „Vernis Martin“ bezeichnet.

Im Zeitalter Ludwigs XVI. spielten Martin Carlin, René Dubois, J. Fr. Leleu, um nur die bekanntesten zu nennen, eine zweitrangige Rolle neben den berühmteren Meistern deutschen Ursprungs. Nur Georges Jacob (1739–1814), der Begründer der bekannten E.-Firma Jacob, verdient noch besondere Erwähnung. Neben sehr anspruchsvollen Möbeln, meist nach Entwürfen der Architekten Percier und Fontaine geschaffen, fertigte er zahlreiche einfache, weitverbreitete Möbel aus dunklem Mahagoniholz mit Leisten, Kanneluren und Beschlägen aus Messing, die nach ihm die Bezeichnung „Genre Jacob“ führen. Jacob ist der letzte große französische E., nicht nur des ausgehenden Jahrhunderts, sondern der Kunsttischlerei überhaupt. Denn als durch die Revolution mit dem absterbenden Feudalismus die Ansprüche an das Möbel bescheidener wurden und durch die Aufhebung der Zünfte die garantierte Solidität des Möbels schwand, wurde das Ende der Ebenisterie vorbereitet. Nur im Empire, als das Kaiserreich Napoleons auch das Mobiliar zum Repräsentationsfaktor machte, wurden noch einmal kostbare Möbel geschaffen, als deren bedeutendster Hersteller ein Sohn G. Jacobs, Jacob-Desmalter, gilt.

Neben den französischen Kunsttischlern nennen die Listen der Pariser E.-Gilde eine große Anzahl ausländischer Namen: englische, niederländische, schwedische, italienische, auch einige schweizerische und amerikanische, vor allem aber deutsche. Von den nahezu 1200 Mitgliedern der Zunft waren im Jahre 1785 mehr als ein Drittel Fremde, darunter etwa 100 Deutsche. Bald nach der Jahrhundertmitte siedelten sie sich im Faubourg St. Antoine an, später auch in den Stadtteilen Quinze Vingts, Montreuil und Popincourt. Hier arbeiteten sie zunächst in der Werkstatt eines französischen Tischlers, der sich ihr hohes handwerkliches Können zunutze machte, während sie sich an den Modeschöpfungen und dem erlesenen Geschmack der Pariser Kunsthandwerker bildeten. Bald etablierten sie sich selbst und nahmen alle Vorteile der Privilegien von St. Antoine so sehr wahr, daß sie zu den besonderen Feinden der E.-Gilde gehörten. Als aber ein Statut von 1776 den Fremden wesentliche Vergünstigungen verschaffte, indem es sie von den kostspieligen Formalitäten der Naturalisation befreite und die Aufnahmegebühren auf die Hälfte herabsetzte, wurden schließlich doch zahlreiche Deutsche Mitglieder der Zunft. Ihre Anpassungsfähigkeit an den Pariser Stil und ihre große Geschicklichkeit in allen technischen Verfahren: im Schneiden und Einlegen der Hölzer, im Furnieren, im Schattieren der Hölzer mit dem Grabstichel, in der Verwendung von Lack, in der raffinierten Konstruktion von Geheimfächern, Rollverschlüssen, Versenkungen u. dgl. machten sie bald zu den bevorzugten Künstlern ihrer Zeit, die – von Marie Antoinette protegiert – schließlich die Führung übernahmen.

Jean François Oeben († 1763), der bedeutendste Meister des Louis XV, war einer der einflußreichsten E. Seine kompliziert konstruierten Verwandlungsmöbel (Geldschränke, Schreibpulte, Krankentische, ein „fauteuil mécanique“, der sich nach drei Seiten drehen und bis zu Manneshöhe erheben konnte, Sitze, die sich zu Chaiselongues oder zu Treppen verändern ließen) haben ihn zu seiner Zeit berühmt gemacht. Sein bedeutendstes Werk, das reichste Möbel der Übergangszeit und das bekannteste französische Möbel überhaupt, ist das „Bureau du roi“, reich an eingelegten kostbaren Hölzern und an Bronzen, an dem sein Gehilfe und späterer Werkstattnachfolger Riesener neun Jahre lang mitarbeitete; dieser vollendete es nach Oebens Tod. – Der Erfolg dieser Arbeit brachte Joh. Heinr. Riesener (1734–1806) den Titel „Ebéniste ordinaire du mobilier de la couronne“ ein. Er war der bevorzugte E. des Hofes, der Hauptlieferant für den Adel und der Günstling Marie Antoinettes, für deren Schloß in St. Cloud er kostbare Möbel fertigte. Anfangs in einem kraftvollen Stil arbeitend, schuf er dann – meist nach eigenem Entwurf –, dem Geschmack des Stils Louis XVI folgend, leichtere Möbel von beruhigtem Umriß mit glatten Flächen, nur sparsam mit Bronze geschmückt, dafür aber mit erlesener Marketerie (Blumen inmitten von geometrischen Mustern) bedeckt. Bevorzugt wurden helle Hölzer, doch verwendete er besonders in den achtziger Jahren auch gern Mahagoni mit Bronze oder Ebenholz mit Lackpanneaux. – 1784 wurde er von seinem Mitarbeiter und Landsmann G. Benemann verdrängt, der in Zusammenarbeit mit Modelleuren, Ziseleuren u. a. prunkvolle, massive Kommoden aus Mahagoni oder Rosenholz für Marie Antoinette fertigte. – Aus der Werkstatt von Ferd. Schwerdfeger (Abb. 4, 5) ging 1787 ein großer Mahagoni-Schmuckschrank für Marie Antoinette hervor, überreich mit figürlichen und ornamentalen Bronzen, mit Sèvresporzellanen, Perlmuttereinlagen und Hinterglasmalereien geschmückt. – Adam Weisweiler (1778 Meister in Paris), wohl ein Schüler Roentgens, ist wegen seiner graziösen Schreibtische aus Ebenholz mit Japanlackplatte und bronzenen Karyatidenfüßen bekannt. – David Roentgen selbst, der zuerst in den siebziger Jahren zweimal und später noch öfter nach Paris kam, aber nie dort seßhaft wurde, lieferte viele Möbel für den Hof; er wurde „ébéniste mécanicien du roi et de la reine“ und 1780 Mitglied der Pariser E.-Zunft. – Von den sonst noch recht tüchtigen deutschen E. in Frankreich seien nur die besten genannt: Bernh. Molitor, J. G. Schlichtig, A. M. Schmidt, Casp. Schneider, Chr. Wolff, Jos. Canabas gen. Gengenbach, M. Cramer, M.B. Ewald, N. Grevenich, J. Baumhauer gen. Joseph (Abb. 3). J.G.Frost, der nach Erlangung seiner Meisterschaft 1785 eine Filiale von Roentgenschen Möbeln in Paris eröffnete, gehörte zu den Kunstschreinern, die sich nicht auf ihren Werkstattbetrieb beschränkten, sondern mit Möbeln Handel trieben und als Marchands-ébénistes bezeichnet wurden.

B. Deutschland

Auf die Kunstschreiner in Deutschland wurde der Begriff E. nicht angewendet. Einige nannten sich „englische Kabinettmacher“, ein Zeichen dafür, von welchem Einfluß die englischen E. des 18. Jh., vor allem Chippendale (RDK III 482–88), Hepplewhite, Robert Adam und Thomas Sheraton, waren. Wurde wirklich einmal einer – wie der Mainzer Schacht – in allen Schreiben des Fürstbischofs als E. bezeichnet, oder rühmte sich der Mannheimer Kieser als „Ebéniste de S. A. Elect. Palatine, qui fait toute sorte de l’ébénisterie“, so hatten ihre Namen nicht den Ruf wie die der E. in Paris. Die Stellung des E., der in der Gesellschaft dem Maler oder Bildhauer gleichgestellt wurde, existierte in Deutschland nicht, der Kunstschreiner blieb hier der Handwerker, dessen Ruf kaum über die lokalen Grenzen hinausging. Auch dem Möbel selbst wurde nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie in Frankreich. Es wurde selten signiert und vielfach weniger kostbar hergestellt, oft nur weiß oder hellfarbig gefaßt anstatt marketiert, und statt mit Bronzeappliken nur mit vergoldeten Stuck- oder Schnitzornamenten versehen. Trotzdem gibt es eine Fülle prächtiger deutscher Möbel, die zwar dem französischen Luxusmöbel des 18. Jh. an Eleganz und konventioneller Vornehmheit nachstehen, dafür aber reicher sind an lebendiger Individualität und dekorativer Phantasie. Ihre Meister sind an verschiedenen Fürstenhöfen zu suchen, die mehrere Kulturstätten bildeten im Gegensatz zu dem zentralisierten Kunstbetrieb in Paris.

In München arbeitete der in Frankreich geschulte Architekt François Cuvilliés (1695–1768), dessen Möbel-Ornamentstiche ungemein anregend gewirkt haben, vor allem auf die für die Räume der Residenz und der Amalienburg unter seiner Leitung arbeitenden heimischen Schnitzer Joachim Dietrich, Wenzeslaus Miroffsky, Ad. Schmidt und J. Ad. Pichler (RDK II 853/54, Abb. 22). In Franken mit den Hauptzentren Würzburg und Bruchsal arbeiteten nach den Angaben von Balth. Neumann, der aus Paris nicht nur Vorlagen, sondern gegenständliche Vorbilder und Modelle, ja sogar einen französischen Schreiner schickte, die Kunsttischler Wolfgang v. d. Auvera, Karl Mattern, Ferd. Hundt und J. G. Neßtfell kraftvoll geschnitzte Konsoltische, Schreibkabinette und Schränke. Die erlesensten Möbel entstanden am Hof Friedrichs d. Gr. in Potsdam von Melchior Kambli und den Brüdern Spindler, bes. dem jüngeren (Abb. 1). Beide arbeiteten z.T. nach eigenen Entwürfen, z. T. nach Entwürfen der Brüder Hoppenhaupt. Kambli (Abb. 2) wählte für die Austäfelung königlicher Salons wie für seine Kommoden, Notenpulte, Uhrgehäuse, Schränkchen usw. kostbare Hölzer wie Zedern-, Palisander- und Ebenholz, auch Schildpatt, und belebte sie mit einem kraftvollen, naturalistischen Ornament in vergoldeter Bronze. Spindler, der in den sechziger Jahren seine schönsten Möbel für das Neue Palais arbeitete, bevorzugte für seine überreich marketierten Kommoden Schildpatt mit Silber (RDK II 855/56, Abb. 23). – In den späteren Jahren war der Hauptlieferant des preußischen Hofes David Roentgen (1743–1807), der die 1772 von seinem Vater Abraham Roentgen übernommene Werkstatt in Neuwied zu einem der bedeutendsten Betriebe im damaligen Europa machte. Zwei Eigenarten haben seinen Ruf begründet: die Ausstattung der Möbel mit allerlei Geheimfächern, Mechanismen und Uhrwerken und die zu höchster Vollendung gesteigerte Marketerie. Seine Technik, die Hölzer zu tönen, erlaubte es ihm, Nuancen und Schattierungen nicht mehr durch Holzbrand und Grabstichel zu erreichen, sondern durch verschiedenfarbig getönte, kleinste aufeinander abgestimmte Holzteilchen. Mit ihnen „malte“ er nicht nur Blumen, Bänder und Instrumente, sondern ganze figürliche Bilder: [[Lemma::Chinoiserie|Chinoiserien (RDK III 124, Abb. 4), Allegorien, geschichtliche Begebenheiten und holländische Genreszenen, zu denen ihm der Maler Jan. Zick die Entwürfe lieferte. In den achtziger Jahren, als die leichtgeschwungene Möbelform der Frühzeit sich zu einem klassizistischen Stil wandelte, trat die Marketerie zugunsten von Mahagoni und Bronze zurück. Neben Prunkmöbeln, mit denen David Roentgen die Höfe von Paris, Berlin und Petersburg belieferte, schuf er Typenmöbel im modernen Sinn des Wortes. Zahlreiche formschöne, schlichte Mahagonimöbel mit einfachen Metallbändern und -beschlägen gingen aus seiner Werkstatt hervor, in der zeitweise bis zu 30 Arbeiter beschäftigt waren. Einige seiner Schüler setzten sein Werk fort, besonders Christian Meyer, Heinr. Gambs und L. J. Werner in Petersburg.

III. Arbeitsvorgang

In der Werkstatt des E. (Abb. 6) wurden an erster Stelle die Holzarbeiten ausgeführt, d. h. das Gehäuse der Möbel mit der Inneneinrichtung aufgebaut, die Oberflächen furniert, eingelegt und poliert. Man ging dabei nicht allein von kleinen Entwurfskizzen aus, sondern legte der Arbeit genaue Werkzeichnungen (Aufrisse, Quer- und Höhenschnitte, meist im Maßstab 1 : 1; [17] S. 23 Nr. 46 u. Taf. 47ff.) zugrunde, die der Meister selbst anzufertigen pflegte. Alle übrigen Mitarbeiter an dem Werk stellten die von ihnen zu liefernden Teile (Skulpturen, Drechslerarbeiten, Bronzen, Mechanismen, Beschläge u. a.) gewöhnlich in den eigenen Werkstätten nach Zeichnung her und brachten sie dann zur Weiterverarbeitung bzw. zum Einbau in die E.-Werkstatt.

David Roentgen schreibt z. B. 1779 in einem Verzeichnis seiner Gesellen am Schlusse: „Außer obenstehenden arbeiten ... außerm Haus: Wollschlager in Bronze Arbeit und Vergoldung mit seinen Gesellen, Kinzing als Uhren und Claviermacher, Daubner als Schlosser, Sprado als Drechsler, Martin als Gießer, Hermann als Gürtler“ [15, S. 72f.].

Die Werkstatteinrichtung des E. zeichnete sich gegenüber derjenigen des Bau- und einfachen Möbelschreiners durch einen größeren Bestand an Geräten und feineren Werkzeugen aus. Die einzige „Maschine“ war die „Zieh-Maschine vor leisten zu ziehen“ ([6] Nota; [1] Taf. 9; [15] Abb. 51) und geflammte Gesimse auszukehlen, in Deutschland Zieh- oder Flammstock, in Frankreich „outil à ondes“ genannt (s. Flammleiste).

Als Arbeitstisch diente die Hobelbank (Abb. 6, a), auf der die Holzteile in verschiedenen Lagen festgespannt werden konnten. Schraubzangen gab es an der französischen Hobelbank bis gegen E. 18. Jh. höchstens eine, und zwar vorn [15, Abb. 49–51], an der deutschen seit 1. H. 18. Jh. bereits zwei ([15] Abb. 47, 48; J. M. Greber, Die Gesch. d. Hobelbank, Fachbl. f. Holzarbeiten 32, 1937, 115–17).

Zum Auftrennen der Bohlen und zum Schneiden der Furniere benutzte man Klobsägen, deren breites Blatt in der Mitte eines rechteckigen Rahmens eingespannt war (Abb. 7, Fig. 71). Zwei Personen führten die Klobsäge in waagerechter Richtung (Abb. 6, f). Das Zu- bzw. Ausschneiden der Möbelteile und das Anschneiden der Holzverbindungen geschah mit einer ganzen Reihe gespannter und ungespannter Sägen (Örter-, Schließ-, Schweifsäge; Abb. 7, Fig. 72, 73. – Fuchsschwanz, Loch-, Zapfen- und Gratsäge; Abb. 7, Fig. 76). Die Laubsäge (Abb. 7, Fig. 75, s. Einlegearbeit) nahm eine besondere Stellung ein (J. M. Greber, Der Werdegang unserer Holzsägen, Fachbl. f. Holzarbeiten 32, 1937, 143ff.).

Die Zahl der Hobel ging über die der Sägen weit hinaus. Ohne die Spezialhobel sind es etwa 18–20 Arten gewesen: Langhobel (Rauh- und Fugbank; Abb. 8, Fig. 95, 97), Fausthobel (Schürf-, Schlicht-, Zahn-, Steilhobel; Abb. 8, Fig. 96) und Schiffhobel zum Glätten ebener und gekrümmter Flächen, Form- und Kehlhobel (Sims-, Falz-, Nut-, Spund-, Wangen-, Grat-, Grund-, Profilhobel; Abb. 8, Fig. 98, 99) zur Herstellung und Bearbeitung von Holzverbindungen. Mit Ausnahme des Vergatthobels (Hirnholzhobels; Abb. 8, Fig. 100), dessen Gehäuse aus Eisen bestand, waren alle andern aus Holz gemacht. Doppeleisen (Klappen), die den Schnitt des Hobels außerordentlich verfeinerten, kamen erst gegen E. 18. Jh., zuerst vermutlich in England auf (vgl. J. M. Greber, Die Gesch. des Hobels, Schweizer. Schreinerztg. 65, 1954, 599ff.; ebd. 66, 1955, 11ff.). Den letzten Schliff bekam das Werkstück durch das Abreiben mit der „Glanzbürste“ (Polissoir), einem Büschel Schachtelhalm („Schafftheu“; Abb. 8, Fig. 104).

Von den übrigen formgebenden Werkzeugen sind die Stemm- und Stechwerkzeuge (Abb. 8, Fig. 101–103, 107–113), Bohrer (Abb. 7, Fig. 86–90; Abb 8, Fig. 114), Raspeln und Feilen zu nennen. Zum Verleimen und Furnieren wurden Zwingen, Knechte (Abb. 8, Fig. 94), Schraubböcke und (bei Kanten) auch Aufreibhämmer mit breiter Finne (Abb. 7, Fig. 78, 79) benutzt. Neben dem Hautleim leistete vor allem für wasserfeste Verbindungen der Kaseinleim ausgezeichnete Dienste. Die Zubereitung der Warmleime erfolgte in einem dreibeinigen Eisentiegel, der um M. 18. Jh. in Frankreich bereits mit einem Einsatz versehen war (J. M. Greber, Erich Lehmann und Alb. v. d. Werth, Die tierischen Leime, Heidelberg 1950, Abb. 19).

Wie der künstlerischen Gestaltung, so widmeten die E. auch dem konstruktiven Aufbau der Möbel große Aufmerksamkeit. Wenngleich die Einführung mancher – oft kurioser – Verwandlungsarten und gewisser mechanischer Inneneinrichtungen (der versenkbaren Schreibzeuge, geheimen Spielwerke oder Kurbelfächer, vgl. [18] Umschlagbild u. Abb. 16), die dem eigentlichen Wesen der Möbel fremd blieben, als Zugeständnisse an den Zeitgeist gewertet werden müssen, stellen andere konstruktive Neuerungen, z. B. die dreifache Klapptischplatte, der Jalousieverschluß oder die Rolldecke am Schreibtisch, recht beachtliche Beiträge zur handwerksgerechten Weiterentwicklung der Möbelformen dar. Die Rolldecke, die eine deutsche Erfindung zu sein scheint (Ad. Feulner, Jean François Oeben, Belvedere 7, 1925 (31), S. 30f.), aber erst durch das „Bureau du roi“ von Oeben und Riesener 1769 berühmt und von Sheraton in ihren technischen Einzelheiten wohl erstmalig publiziert wurde (Abb. 9), hat von allen durch die E. aufgebrachten Neuerungen die größte Verbreitung und früheste Anwendung am bürgerlichen Möbel gefunden. Goethe ließ schon 1779, wahrscheinlich nach einem Vorbilde Roentgens, von dem Weimarer Schreiner Preller (nicht von Mieding) einen Rollschreibtisch für Frau von Stein anfertigen (Rechnung im Goethe-Schiller-Archiv Weimar).

Während die innere Verarbeitung der Möbel anderer Schreiner des 18. Jh. trotz der Intarsiatur und Politur auf den Außenflächen oft viel zu wünschen übrig läßt, sind die Erzeugnisse der E. auch im Innern meist einwandfrei.

Zu den Abbildungen

1. Joh. Friedrich Spindler (nachw. 1764–99), Kommode. Einlegearbeit, vergoldete Bronzebeschläge, Marmorplatte. Ehem. Potsdam, Neues Palais. Potsdam, 1767. Fot. Staatl. Bildstelle 6551.

2. Joh. Melchior Kambli (1718–83), Kastenuhr. Mahagoni mit vergoldeten Bronzebeschlägen. Ehem. Potsdam, Neues Palais. Potsdam, um 1765. Fot. Staatl. Bildstelle 6564.

3. Joseph Baumhauer d. Ä. († 1772), dreitüriges kommodenförmiges Schränkchen. Einlegearbeit, vergoldete Bronzebeschläge, Marmorplatte. Ehem. Berlin, Kunsthandel (Aukt. R. Lepke 6./7. 11. 1928). Paris, um 1770, gestempelt „Josephe“. Fot. R. Lepke, Berlin.

4. Ferdinand Schwerdfeger (nachw. 1760–98), Tischchen. Mahagoni mit vergoldeten Bronzebeschlägen. Paris, Louvre (ehem. Slg. Baron Schlichting, Paris). Paris, sign. u. dat. 1788 (vgl. Abb. 5). Nach Denis Roche, Le mobilier français en Russie, Paris 1914, Bd. 2 Taf. 84.

5. Signaturstempel von Ferd. Schwerdfeger am Tischchen Abb. 4. Nach Carle Dreyfus, Musées du Louvre, Le mobilier français, Epoque de Louis XVI, Paris 1921, Taf. 51.

6. Werkstatt eines französischen Ebenisten. Kupferstich von R. Bénard nach J. R. Lucotte. 1765. Nach [1] Taf. 1.

7. und 8. Werkzeuge des Ebenisten. Kupferstich von R. Bénard nach J. R. Lucotte. 1765. Nach [1] Taf. 10 und 11.

9. Thomas Sheraton (London, 1751–1806), Ansicht und Konstruktion eines Rollschreibtisches (Zylinderbureau). 1794. Nach einem Kupferstich aus der deutschen Ausgabe, [5] Taf. 47.

Literatur

Quellen.

1. J. R. Lucotte, Art. „Marqueterie“ in: Encyclopédie ou Dict. raisonné etc. Bd. 10, Neufchâtel 1765, S. 137–43; dazu: Recueil de Planches Bd. 4, Paris 1765, Taf. 1–11. – 2. André Jacques Roubo d. J., L’Art du Menuisier Bd. 1, Paris 1769. – 3. Joh. Samuel Halle, Werkstätte unserer heutigen Künste Bd. 3, Berlin 1764. – 4. N. P. Sprengel, Handwerke in Tabellen, Berlin 1767. – 5. Thomas Sheraton, Modell- und Zeichenbuch für Ebenisten, Tischler, Tapezierer und Stuhlbauer (übers. von G. T. Wenzel), Dresden 1794. – 6. Schloßbauakten in Weimar, Goethe-Schiller-Archiv: „Nota über die Werkzeuge, welche mir eigenthümlich zugehören, July 1798“, von Cronrath; „Inventarium der neuen Werkzeuge, Febr. 1798“, von Cronrath.

Literatur.

7. Comte François de Salverte, Les ébénistes du XVIIIe siècle, Paris 19343. – 8. André Theunissen, Meubles et sièges du XVIIIe siècle. Menuisiers, ébénistes, marques, plans et ornementation de leurs œuvres, Paris 1934. – 9. Feulner, Möbel. – 10. Ders., Französische Möbel in Deutschland, Pantheon 4, 1929, 406ff. – 11. Schmidt, Möbel. – 12. Schmitz, Möbelwerk. – 13. Ders., Bar. Möbel. – 14. Hans Huth, Abraham und David Roentgen, Bln. 1928. – 15. Jos. M. Greber, David Roentgen, der kgl. Kabinettmacher aus Neuwied, Neuwied 1948. – 16. Sigrid Müller-Christensen, Alte Möbel, München 19543 – 17. Fritz Arens, Meisterrisse und Möbel der Mainzer Schreiner, Mainz 1955. – 18. Pierre Verlet, Möbel von J. H. Riesener, Darmstadt 1955.

Verweise