Echinos

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englisch: Echinus; französisch: Échine; italienisch: Echino.


Wilhelm Rave (1956)

RDK IV, 700–703


RDK IV, 699, Abb. 1. Entwicklung des Echinos.
RDK IV, 701, Abb. 2. Aegina, um 500 v. Chr.
RDK IV, 701, Abb. 3. K. F. Schinkel, 1816, Berlin.

I. Antike

E. (griech.) bezeichnet zunächst den Seeigel. Seine halbkugelige Gestalt gab dem polsterartigen Rotationskörper der Urform des dorischen Kapitells seinen Namen, der auch bei den späteren Abwandlungen des Kapitells an diesem seinem wichtigsten Bestandteil haften blieb. Der E. trägt über seiner oberen Einziehung, der „Schulter“, eine unprofilierte quadratische Deckplatte (Abakus) und leitet mit dem unteren Teil, dem „Bauch“, zum flach kannelierten Säulenschaft über, zunächst durch vermittelnde Ornamentstreifen und Blattstäbe, später durch meist drei kantige „Riemchen“ (anuli). Sein Urbild wird von einigen Forschern im Knauf der mykenischen Holzsäule gesehen und ist von Arthur Evans (The Palace of Minos, London 1935) rekonstruiert (Abb. 1 a). Die weitausladende bauchige Form des E. ist auch kennzeichnend für die griechische Architektur des 7. und 6. Jh. (Abb. 1 b). Sie straffte sich dann zur klassischen „kanonischen“ Gestalt (Abb, 2 u. 1 c). Endlich verschwanden Schulter und Bauch: der elastische E. erstarrte zum Kegelstumpf (Abb. 1 d). Eine Variante des dorischen Kapitells ist das sog. tuskanische, das sich in Italien vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit nachweisen läßt. Der E. büßte dabei seine beherrschende Stellung ein und wurde als Viertelstab ein Glied unter vielen anderen (Abb. 1 e).

II. Neuzeit

Nur in dieser, immer etwas abgewandelten Profilierung erscheint er auch bei den „dorischen“ und geradeso bei den „italischen“ und „toskanischen“ Säulenordnungen der Theoretiker der Renaissance und des Barock. Nach Jacob Burckhardt (Gesch. d. Renss. in Italien, Stg. 1904, § 25, 36, 52, 53) fanden die damaligen Meister keinen Zugang zu den griechischen Bauten, nicht einmal zu den in Italien errichteten. Der schlichte tektonische E. war diesen schmuckfreudigen Zeiten innerlich fremd. So blieb wie im ganzen Abendlande auch in Deutschland der eigentliche E. vorerst unbekannt. Es traten nur die römischen Kümmerformen auf, die kaum noch die Bezeichnung E. verdienen, meistens glatt, auch durch Lorbeerblätter (Tucherhaus in Nürnberg), öfter – und in der Antike schon vorgebildet – durch den Eierstab ornamentiert, bei Pfeilern geradeso wie bei Säulen (Abb. 1f.).

Erst in der 2.H. 18. Jh. schufen, durch Winckelmanns Schriften vorbereitet, die Aufnahmen griechischer Baudenkmale durch die Engländer Stuart und Revett [1] und den Franzosen Leroy [2; 3] eine Wandlung, welche die neuhellenistische Strömung auslöste. Nachdem schon einige Bauten im Ausland wie die Universität in Edinburg (1778) und die Rotonde im Park Monceau in Paris (1780) vorangegangen waren, brachte Karl Gotthard Langhans bei den Säulen des Brandenburger Tores zu Berlin (1788–91) die klassische Form des E. auch in Deutschland wieder zu Ehren, indem er sich ausdrücklich auf die oben genannten Veröffentlichungen berief und besonders die Propyläen in Athen als Vorbild erkor [4]. Von jetzt ab fand der E. wieder häufigere Anwendung, besonders bei Portalen, Wachhäusern (z. B. Schinkels Neue Wache, Abb. 3), Altanen und Vorhallen in dem ernsten, feierlichen Gepräge dorischer Haltung. Klopfer [5] und Mebes [6] bringen eine Reihe von Beispielen. Um die M. 19. Jh. verebbte aber diese Welle. Als Ende kann man die Münchener Propyläen von Leo v. Klenze (1846–60) ansehen. Wenn auch der Eklektizismus noch vereinzelte Vorkommen aufweist, so lag doch die kurze Nachblüte des kanonischen E. zwischen den beiden Prachttoren im Norden und Süden Deutschlands.

Zu den Abbildungen

1. Entwicklung des Echinos. Zeichnungen des Verfassers.

2. Aegina, Kapitell am Aphaiatempel. Um 500 v. Chr. Fot. unbekannt (Archäolog. Inst. d. Univ. München).

3. Karl Friedrich Schinkel, Kapitell an der Neuen Wache in Berlin. 1816. Fot. Staatl. Bildstelle 5416.7.

Literatur

1. James Stuart und Nicholas Revett, The Antiquities of Athens measured and delineated, London 1762ff. – 2. Julien-David Leroy, Les ruines des plus beaux monuments de la Grèce, Paris 1758, 17702. – 3. Ders., Observations sur les édifices des anciens peuples, Paris 1767. – 4. Walther Th. Hinrichs, Carl Gotthard Langhans, ein schles. Baumeister (= Stud. z. dt. Kg. 116), Straßburg 1909. – 5. Paul Klopfer, Von Palladio bis Schinkel (Gesch. der neueren Bauk. Bd. 9), Eßlingen 1911. – 6. Paul Mebes, Um 1800, München 19203.

Verweise