Eleasar

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englisch: Eleazar; französisch: Éléazar; italienisch: Eleazaro.


Karl-August Wirth (1957)

RDK IV, 1215–1221


RDK IV, 1215, Abb. 1. Leiden, um 925 (?).
RDK IV, 1217, Abb. 2. London, Mitte 13. Jh.
RDK IV, 1217, Abb. 3. Bremen, um 1400.
RDK IV, 1219, Abb. 4. Spiegel menschlicher Behaltnis, 1478.

E., hebräisch ’el’āzar = Gott hat geholfen, griech. Ελεαζάρ, ist ein im A.T. und den a.t. Apokryphen häufig vorkommender Eigenname (nicht zu verwechseln mit Elieser, s. Rebekka).

1) Unter den elf Trägern dieses Namens ragt Aarons dritter Sohn (2. Mos. 6, 23 u. 28, 1) und Nachfolger im Hohepriesteramt (4. Mos. 20, 24–28; 5. Mos. 10, 6) hervor; im Gegensatz zu seiner geschichtlichen Bedeutung ist seine Rolle in der bildenden Kunst bescheiden: man sah in ihm beinahe ausschließlich einen Repräsentanten des Hohepriestertums, das jedoch vornehmlich in der Gestalt Aarons dargestellt wurde. Selbst bei der Schilderung von Ereignissen, die dem biblischen Bericht zufolge nach Aarons Tod stattfanden, versichern Beischriften öfters, daß Aaron – nicht E. – mit dem abgebildeten Hohenpriester gemeint sei. Am häufigsten finden sich bei Darstellungen der Errichtung der Ehernen Schlange Beispiele hierfür (vgl. etwa das Grubenschmelztäfelchen von einem Altarkreuz, Maasgebiet M. 12. Jh., im B.M. London: Sp. 822, Abb. 3). In den streng historisch erzählenden Bildern ist E. als Hoherpriester wiedergegeben.

2) E., Sohn des Eliud, ist nach Mt. 1, 15 einer der Vorfahren Christi (s. a. Wurzel Jesse).

3) E. der Makkabäer, der den Beinamen Abaron (Awaran; griech. Αὐαράν, Εαυαράν = Durch-Stecher?) trägt, hat für die bildende Kunst die meiste Bedeutung. Er war ein Bruder des Judas Makkabäus (1. Makk. 2, 5) und dessen Begleiter im Kampf gegen das Heer des Königs Antiochus Eupator. Als es zur Feldschlacht kam, entdeckte E. einen besonders großen und besser ausgerüsteten Kriegselefanten. Er hielt ihn für den des Königs und tötete das Tier, indem er es in den Leib stach. Das zusammenbrechende Tier erschlug den Makkabäer (1. Makk. 6, 43–46); durch diese Aufopferung konnte E. jedoch nicht verhindern, daß die Juden der Übermacht wichen.

Die relative Häufigkeit von Darstellungen E., der den Kriegselefant tötet, ist vornehmlich der Eingliederung des Themas in verschiedene typologische Systeme zu verdanken. In der frühchristlichen Zeit griffen bereits einige Schriftsteller das Thema auf. Im Hinblick auf das historische Ereignis beschreibt Flavius Josephus E. Kampf mit dem Elefanten in einer der biblischen Quelle ähnlichen Weise (Antiqu. Jud. Buch 12, Kap. 9, 4). Ambrosius feiert E. als Geisteshelden und hervorragenden Repräsentanten der virtus bellica (De officiis ministrorum Buch 1, Kap. 40: Migne, P. L. 16 Sp. 81f.). In der Bible moralisée ist die Szene als Exempel dafür angesehen, daß diejenigen, die durch Buße die fleischlichen Laster in sich überwunden haben, das „Tier“ (= diese Laster) töten, wohingegen die von den Lüsten Überwundenen von dem „Tier“ gestürzt werden (Abb. 2). Während die Armenbibel die E.-Darstellung nicht kennt, hat E. Opfertod im Heilsspiegel als Antityp zur Kreuzigung Christi einen hervorragenden Platz; gemeinsam mit zwei weiteren a.t. Szenen weist er auf das „Gnadenwerk des für die Menschheit sich opfernden Gottes“ [4, S. 201]. Ausnahmsweise ist E. Heldentat auch der Kreuzaufrichtung zugeordnet ([3] Nr. 404; [5] Nr. 535). Als eine Präzisierung der im Heilsspiegel niedergelegten typologischen Deutung darf die Gegenüberstellung von E. und Longinus angesehen werden, die uns in den Tituli von zerstörten Glasgemälden vom Ende des 14. Jh. in St. Albans unweit London begegnet [3, Nr. 458]; ebenfalls vom Heilsspiegel herzuleiten ist die typologische Gruppierung im Tractatus histor. des Predigerbruders Vincentius (Leipzig, U. B. Ms. 3506, dat. 1436: Rob. Bruck, Die Malereien in den Hss. des Königreichs Sachsen, Dresden 1906, S. 287ff.): hier gehört die E.-Szene (fol. 55 v: ebd. Abb. 188) – ebenso wie Nebukadnezars Traum (Dan. 4, 7–14), die Ermordung des Königs Kodros (Pauly-Wissowa Bd. 11, Sp. 984–94) und der Untergang des Pharao im Roten Meer (s. Sp. 632) – zu den Antitypen der Kreuzigung.

In der Renaissance ging der ethische Gehalt, den man E. Tod beim Kampf mit dem Elefanten beimaß, auf die Darstellung des Kampfes zwischen Elefant und Drachen über, wobei dann der Elefant zum Triumphator wurde (Belege bei Heckscher [6] S. 160 Anm. 30). Für das Verblassen der Bedeutung im Barock ist Fil. Picinellos ganz im Allgemeinen bleibende Auswertung des E.-Themas als Symbol für die Märtyrer bezeichnend (Mundus symbolicus, Köln 1681, Buch 3, Nr. 382). Im folgenden Jh. ist E. Kampf und Tod schließlich in einem Résumé von „quaecunque habentur de Elephantis in duobus Macchabaeorum libris“ beschrieben (Samuel Borchart, Hieroicon sive de animalibus S. Scripturae, Leipzig 1793, Bd. 1, Buch 2, Kap. 27, S. 257–68): charakteristisch dafür, daß die Gestalt E. immer stärker zurücktrat gegenüber dem mit reichem Symbolgehalt ausgestatteten Elefanten.

Die älteste derzeit bekannte Darstellung von E. Kampf mit dem Kriegselefanten findet sich in einer St. Galler Hs. in Leiden, U. B. ms. Perizoni 17, fol. 27 V, 10. Jh. (Abb. 1; nach [6] erst im 11. Jh. geschaffen). Die relativ seltenen Beispiele vor 1300 zeigen gegenüber den im Bildtyp ziemlich konstanten der Folgezeit eine Reihe selbständiger, die Schilderung belebender Züge: z. B. reitet E. auf einem Pferd (Paris, B.N. ms. Rod. B III, cod. lat. 6, fol. 14 5; 11. Jh.: Wilh. Neuß, Die katalanische Bibelillustration usw., Bonn u. Lpz. 1922, Taf. 45, 132), oder E. ist in kontinuierlicher Bilderzählung zweimal dargestellt: er geht mit einem Schwert den sich aufbäumenden Elefanten an, Bewaffnete stürzen aus dem Turm, den das Tier auf seinem Rücken trägt; E. liegt tot zu Füßen des Tieres (London, B.M. ms. Harley 1526, fol. 7; Abb. 2). Als weiteres Beispiel vor den zahlreichen E.-Bildern in Heilsspiegelhss. sei das Fußbodenmosaik des 12. Jh. in Casale Monferrato, S. Evasio, genannt (A. K. Porter, Lombard Architecture, New Haven 1917, Bd. 2 S. 254; Abb. bei E. Mella, Frammenti di antichi mosaici della catt. di Casale Monferrato, Vercelli o. J.).

Ein eigener Bildtyp für Darstellungen E. im Kampf mit dem Elefanten ist erst seit der Einbeziehung des Themas in den Heilsspiegel festzustellen: die E.-Szene ist aus der Schilderung der sog. Elefantenschlacht ausgesondert (eine Ausnahme hiervon machen nur Darstellungen in Weltchroniken u. ä., z. B. die Miniatur der dem Landgrafen Heinrich von Thüringen gewidmeten Christherre-Chronik, bayerisch 14. Jh.: Ausst.Kat. „The 1st Quarter Century of the Pierpont Morgan Libr.“, New York 1949, Taf. 19); E., zumeist in Kriegerrüstung, tötet den Elefanten mit dem Schwert, das er ihm in den Leib stößt (Abb. 3), seltener bedient er sich einer Lanze oder geht das Tier von vorn an (Heilsspiegelhss. München, St. B. Cgm. 3974 und Cgm. 3, sowie die aus Mainz stammende Hs. des 14. Jh. in London, B.M. ms. Arundel 120, und ebd., ms. Harley 4996, ebenfalls 14. Jh.: vgl. [4] S. 205). In den Illustrationen der Frühdrucke erscheint E. vorwiegend ohne Waffen, gelegentlich auch ohne Rüstung (so in dem bei Günther Zainer erschienenen Heilsspiegel: [2] Bd. 2 Abb. 444), er liegt tot (mit geschlossenen Augen) unter dem aufrecht stehenden Elefanten, der einen Fuß auf E. setzt (Heilsspiegel bei Lucas Brandis, Lübeck o. J.: [2] Bd. 10 Abb. 396); in den Heilsspiegeldrucken bei Bernh. Richel, Basel 1476 [2, Bd. 21 Abb. 139], und bei Peter Drach, Speyer 1478 (Abb. 4), liegt der gerüstete, aber waffenlose E. tot neben dem Elefanten. Die Abbildung des Elefanten ist fast immer mehr oder minder phantastisch, in den Frühdrucken und in dem Gewölbefresko des Brixener Domkreuzgangs, 2. H. 15. Jh., hat er öfters an Fledermausflügel gemahnende Ohren (Abb. 4). Das Tier trägt auf seinem Rücken einen – manchmal mit Zinnen bewehrten – Turm, auf dem in der Regel zwei oder drei Krieger stehen; bisweilen muß der Elefant eine ganze Festung tragen (so in den Heilsspiegel-Hss. des 2. V. 15. Jh. in Freiburg i. Br., U. B. Ms. 179, dat. 1436; in Königsberg, Stadtbibl. Ms. 518, dat. 1426; in Wolfenbüttel, L.B. Kod. 1622, um 1440: vgl. [4]). Eine so lebhaft bewegte Darstellung wie in der Bible moralisée (Abb. 2) findet sich in den Heilsspiegel-Hss. nicht wieder. Deren Konzentration auf diejenigen Angaben, die für das Verständnis des dargestellten Geschehens unerläßlich sind, wurde erst durch die spärlichen Landschaftsangaben in den Illustrationen der Frühdrucke (vereinzelte Bäume, Hügel, Stadt oder Burg auf einer Hügelkuppe im Bildhintergrund) etwas gelockert (ein älteres Beispiel: Relief am Chorgestühl des Bremer Doms, Abb. 3). Der Wandel in der Auffassung des Themas, der in Darstellungen des getöteten E. anstelle des den Elefanten niederwerfenden und sich durch seine Tat selbst aufopfernden E. in der Spätgotik sichtbar wird, entspricht derjenigen von Christi Kreuzestod: das Bild des sich opfernden Erlösers tritt zurück gegenüber dem des geopferten Gottessohns (vgl. Kreuzigung).

Nach-ma. Darstellungen sind außerordentlich selten. Lediglich in den bilderreichen Historienbibeln des 17. u. 18. Jh. finden sich ganz vereinzelt Beispiele; in den meisten Fällen fehlen E.-Bilder jedoch auch in den vergleichsweise spärlich illustrierten – bei Luther apokryphen – Makkabäerbüchern.

Einzelne Schilderungen von anderen Begebenheiten aus dem Leben E. – z. B. E. vor König Antiochus (Rom, Bibl.Vat. cod. Reg. gr. 1, fol. 450 v: Collezione paleografica Vaticana Fasc. 1, Mailand 1905, Taf. 16) – zeigen keine ikonographisch bemerkenswerten Motive, die eine Gruppierung ermöglichten: ohne die erläuternden Beischriften und den zyklischen Zusammenhang wäre eine Identifizierung solcher Darstellungen kaum möglich.

Zu den Abbildungen

1. Leiden, U.B. Cod. Periz. 17, fol. 27 v. Sammel-Hs., Illustration aus dem Bildzyklus zu 1. u. 2. Makkabäer. St. Gallen, um 925 (?). Fot. Bibl.

2. London, B.M. ms. Harley 1528, fol. 7. Bible moralisée. Paris, Mitte 13. Jh. Moralisation: wer durch Buße die Fleischeslust in sich zerstört hat, vermag das wilde Tier (der Lust) zu töten; wer aber von ihr überwunden wird, den tötet die Bestie. Nach A. de Laborde, La Bible moralisée 3, Paris 1913, Taf. 450.

3. Bremen, Dom, Relief an der Vorderseite der 6. Chorstuhlwange. Eiche. Um 1400. Fot. Lala Aufsberg, Sonthofen, 58 036.

4. Holzschnitt aus dem Spiegel menschlicher Behaltnis, Speyer bei Peter Drach 1478, Blatt 100. Nach [2] Bd. 16, Abb. 419.

Literatur

1. Lutz-Perdrizet. – 2. Schramm, Frühdrucke. – 3. Molsdorf Nr. 404, 424 u. 458. – 4. Edgar Breitenbach, Speculum humanae salvationis (= Stud. z. dt. Kg. 272), Straßburg 1930. – 5. Timmers Nr. 535 u. 618. – 6. William S. Heckscher, Bernini’s Elephant and Obelisk, Art Bull. 29, 1947, 160. – 7. Achtnich S. 30.