Falisker Schulmeister
englisch: Faliscan Schoolmaster; französisch: Maître Falisque; italienisch: Maestro di Faleri.
Gabriele Sprigath und Günther Schiedlausky (1973)
RDK VI, 1237–1251
I. Quellen
In seinem dritten Konsulartribunat, i. J. 394 v. Chr. (= 360 a. u. c.), belagerte M. Furius Camillus die Stadt Falerii in Latium (heute Civita Castellana), die von Faliskern, Angehörigen eines Volksstammes italischer Herkunft, bewohnt war. Während der Belagerung ging ein nicht namentlich genannter Lehrer mit seinen Schülern vor die Tore der Stadt, führte sie aber nicht etwa zu Spiel und Gymnastik, sondern durch die feindlichen Linien vor das Zelt des Camillus und bot sie den Römern als Geiseln an. Camillus wies das Angebot als frevelhaft und den Gesetzen des Krieges zuwider ab. Er ließ den Verräter entkleiden, fesseln und durch seine Schüler mit Ruten in die Stadt zurückpeitschen. Dieses Verhalten bewog die Falisker, um Frieden zu bitten. Mehrere auch später vielgelesene Autoren überliefern die Geschichte vom verräterischen F. Sch. und würdigen dabei das Verhalten des Camillus, des F. Sch. und der Falisker. Damit ist bereits die spätere Auslegung als exemplum morale vorgezeichnet. Livius V, 27 fügt dem Bericht über das verräterische Anerbieten („scelestum munus“) hinzu, nach der Begebenheit seien in Falera die „fides romana“ und die „iustitia imperatoris“ öffentlich gefeiert worden; die Gesandten der Stadt erklärten vor dem Senat, die Römer hätten die „fides in bello“ dem augenblicklichen Sieg – den sie durch Annahme des Verrats erlangt haben würden – vorgezogen und durch diese Treue die Falisker bewogen, ihnen überdies den Sieg darzubieten. An anderen Stellen vergleicht Livius den F. Sch. mit dem Verräter des Pyrrhus (XXIV, 45, 3; XXXXII, 47, 6; s. Fabricius, Sp. 836).
Auch Valerius Maximus VI, 5, 1 sieht in der Geschichte ein exemplum der „iustitia“, die mehr als die Waffen zum Sieg der Römer beigetragen habe. Die Bestrafung des F. Sch. wird hier vom Senat verhängt, nicht von Camillus.
Plutarch, Vitae parallelae, Camillus X, 1 hebt ebenfalls die Gerechtigkeit des Camillus hervor.
II. Darstellungen
Bildliche Wiedergaben sind zuerst im Spät-MA in Livius- und Valerius Maximus-Handschriften nachweisbar. Häufig begegnet man ihnen im 16. und 17. Jh.: vor allem in der Malerei (Fassadenmalerei, Wandbilder in Innenräumen höfischer, städtischer und bürgerlicher Bauten) und in der Buchillustration (Geschichtswerke, Asketika, Emblembücher), gelegentlich auch in anderen Bereichen der Kunst. Im 18. Jh. wurde das Thema wohl in ikonologischen Handbüchern erwähnt, aber vergleichsweise selten dargestellt.
In der Regel wird der F. Sch. in Anwesenheit des Camillus ausgepeitscht, der soeben die Strafe verhängt hat, seltener in dessen Abwesenheit. Die einzelnen Bildmotive wurden nur geringfügig variiert. Die Szene spielt vor der belagerten Stadt Falerii, beim Feldlager des Camillus; oft umringen die Schüler den F. Sch. und treiben ihn mit Ruten zu dem geöffneten Stadttor; Camillus steht im Kreis seiner Soldaten oder sitzt vor seinem Zelt; er wurde auch zu Pferde im Befehlsgestus gezeigt, ohne daß dies durch die Quellen belegt wird.
In den frühesten Darstellungen des Themas tragen die Beteiligten zeitgenössische Kleidung, die Knaben Schülerkappen, der F. Sch. einen Magisterhut (erst nach 1550 wurde es gebräuchlich, Rüstungen und Kleider antikisch wiederzugeben), das lange Gewand des F. Sch. ist von Oberkörper und Armen gestreift, seine Hände sind vor dem Leib, später fast immer – entsprechend Livius V, 27, 9 – auf dem Rücken gebunden. Zelte deuten das Lager des Camillus an; mitunter ist es befestigt und mit Geschützen bestückt.
Der dem Thema unterlegte Sinn geht aus der Abbildung selbst meist nicht hervor. Häufig erklären Beischriften, ob der Verrat des F. Sch. gebrandmarkt oder die Tugend des Camillus gefeiert werden soll (selbst wenn Camillus nicht im Bild erscheint, kann man nicht sicher sein, welche von beiden Deutungen gemeint ist). In anderen Fällen muß die Deutung aus dem ikonologischen Zusammenhang erschlossen werden.
A. Exemplum morale
1. Tugend des Camillus
a) Illustrationen:
In der franz. Buchmalerei des 14. und 15. Jh. wurde die Bestrafung des F. Sch. sehr unterschiedlich geschildert. Da nur ein kleiner Teil der in Frage kommenden – bisher meist nicht untersuchten – Hss. berücksichtigt werden konnte, ist mit noch größerer Vielfalt der Darstellungen zu rechnen.
Die älteste bisher bekanntgewordene Wiedergabe der Szene findet sich in einer Pariser Hs. mit Pierre Bersuires Übersetzung des Livius ins Französische. Die Miniatur aus dem Umkreis des „Maître aux boqueteaux“, um 1370 (Abb. 1; André Masson, Le „Tite-Live“ de Bordeaux et l’atelier du „Maître aux boqueteaux“, Trésors des Bibl. de France 6, 1936–1938, 11–33), zeigt vor gemustertem Grund den tonsurierten F. Sch. im Lendenschurz, hinter ihm Schüler mit Ruten, die ihn auf ein Stadttor zutreiben. In jüngeren Hss. wird die Bestrafung des F. Sch. abweichend geschildert: das Geschehen spielt sich in einer Landschaft ab, die ummauerte Stadt ist anschaulich wiedergegeben (Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 34, fol. 253v); auf der Miniatur Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 264, fol. 135v, sind Verurteilung und Bestrafung verbunden: der thronende Camillus veranlaßt, in Anwesenheit von vornehmen Gefolgsleuten, die Schüler, ihren Lehrer mit Rutenstreichen zu strafen. – Auf allen Beispielen tragen die Dargestellten zeitgenössische Kleidung.
Vom 15. Jh. an begegnet man der Geschichte vom F. Sch. auch in Hss. mit franz. Übersetzung des Valerius Maximus. In der Hs. Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 290, fol. 272 (Abb. 2), ist der Vorgang der Bestrafung abbreviiert abgebildet; in der – angedeuteten – Landschaft sitzt, das moralische Verständnis des exemplum veranschaulichend, die Personifikation der Gerechtigkeit mit erhobenem Schwert in der Rechten. Auf später entstandenen Illustrationen fehlt diese allegorische Zutat, das Geschehen ist z. T. in eine weiträumige Landschaft verlegt: im Vordergrund steht Camillus, begleitet von Kriegern, vor seinen Zelten; der (gelegentlich unbekleidete) F. Sch. ist bereits ein gutes Stück zur Stadt (im Hintergrund) hingetrieben (Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 6185, fol. 189v; ebendort, ms. fr. 289, fol. 304v).
Zu den frühen deutschen Beispielen zählen Holzschnitt-Ill. in Mainzer Livius-Ausg., die zwischen 1505 und 1541 bei Schöffer erschienen.
Sie enthalten drei verschiedene, je aus zwei Holzstöcken zusammengesetzte Bilder (Ausg. 1505, Bl. 51, Abb. 4; wiederverwendet in der Ausg. 1514; Ausg. 1518, Bl. 51; Ausg. 1533, Bl. 54, wiederverwendet in der Ausg. 1541). Auf dem einen Holzstock ist die Auspeitschung des F. Sch. dargestellt, auf dem anderen ein befestigtes Feldlager (dieser Stock ist in den jeweiligen Ausg. wiederholt verwendet). – Den Holzschnitten der Livius-Ausg. Ffm. 1568 von Jost Amman, um 1563/64, liegen Entwürfe von Johann Melchior Bocksberger zugrunde (Separatausg. der Holzschnitte: Neuwe Livische Figuren, Ffm. 1571; die gleichen Holzstöcke wiederbenutzt in der Livius-Ausg. Straßburg 1589; Max Goering, Die Malerfamilie Bocksberger, Münchner Jb. N.F. 7, 1930, 245–48). Die einzelnen Personen sind hier erstmals antikisch gekleidet (Bl. Iv); auch die Darstellung des Camillus zu Pferde ist eine – später häufig aufgegriffene – Neuerung. – Unter den Holzschnitten Tobias Stimmers zu Livius und Lucius (sic) Florus, Von Ankunfft vnd Vrsprung deß Römischen Reichs ..., Straßburg (Theodosius Rihel) 1574 (Kolophon 1575), zeigt einer die Bestrafung vor den Augen des Camillus (S. 154).
Verurteilung und Bestrafung des F. Sch. schildert ein Holzschnitt, der am Anfang von Plutarchs Lebensbeschreibung des Camillus steht (Vitae Plutarchi, Venedig 1516, Bl. 53).
Auch außerhalb der Livius- und Plutarch-Ill. ist das Thema nachweisbar, zuerst in Johs. Vintlers „Buch der Tugend“, Augsburg (Joh. Blaubirer) 1486 (vgl. Schramm, Frühdrucke Bd. 23, S. 20 Nr. 57f., Abb. 543f.: Zurückweisung des F. Sch., seine Bestrafung).
Das „Büchle Memorial der Tugent“ von Johann von Schwartzenberg, Augsburg (Heinr. Steyner) 1534, ist mit Holzschnitten von Hans Leonh. Schäufelein ausgestattet (Muther Nr. 927); neben anderen Historien erscheint auf S. 115 die Geschichte des F. Sch., erläutert durch darunterstehende Verse (Moral: „Darumb wer wirig [auf Dauer] herschen will/Der soll sich fleissen tugent vil.“). – In dem ersten englischen Emblembuch von Geoffrey Whitney, A Choice of Emblemes, and other Devises ..., Leiden 1586 (Praz S. 535), ist das Thema auf die Gesetze des Krieges bezogen (Lemma: „Habet et bellum suas leges“, vgl. Livius V, 27, 6). Dieses Emblem gehört zu denjenigen, für die Henry Green keine Vorlage nachweisen konnte (Whitney’s „Choice of Emblemes“, London 1866, S. 236). – Joh. Ludw. Gottfried, Historische Chronica ..., zuerst Ffm. 1629/30–1634, belegt durch das Beispiel des Camillus „daß die Gerechtigkeit / Tugend / Treu und Glaub / wann solche auch gegen den Feinden geübet wird / wol so viel außricht / als Stärck und Gewalt der Waffen / in alle Wege aber der Verraetherey und andern Lastern weit vorgehe“ (Ausg. Ffm. 1674, S. 134); Matth. Merians Darstellung des F. Sch. (ebd. S. 135) hat bis ins 18. Jh. hinein weitergewirkt (s. Sp. 1246).
b) Malerei:
Auf einem Cassone in der Nat. Gall. London (Nr. 3826), Florenz um 1440 (so Paul Schubring, Belvedere 9, 1930, 1ff., Tafel 1; dagegen Martin Davies, in: Nat. Gall. Cat. The Earlier Italian Schools, London 19612, S. 189f.), und auf dem Nerli-Cassone, Florenz 1472 (Abb. 3), werden in einem Bild verschiedene Szenen erzählt: der Spaziergang des F. Sch. mit seinen Schülern, die Auslieferung der Kinder an Camillus, die Rückführung des F. Sch. zur Stadt, die Auspeitschung in der Stadt und die Übergabe der Stadt an Camillus. Auf der Rücklehne des Nerli-Cassone sind Szenen aus der Mucius Scaevola-Geschichte, auf den Seiten Temperantia und Prudentia dargestellt (zugehörig als Allianztruhe der Morelli-Cassone mit Wiedergaben von Justitia und Fortitudo sowie der Horatius Cocles-Geschichte und dem Sieg des Camillus über die Gallier; Courtauld Inst. of Art. Cat. of the Lee Coll., London [1962], S. 29f. Nr. 60. – Ost- und Nordseite des Ulmer Rathauses wurden 1540 wahrscheinlich von einem Augsburger Künstler mit Schilderungen biblischer und antiker Historien als Tugendexempel bemalt; unter ihnen ist die Bestrafung des F. Sch. als „Krigserbarkeit“ des Camillus vorgestellt. Nach der Sepiazeichnung von Paul Wille, dat. 1680, stand unter dem Fresko: „Jungen des Weisen Balg / Schlagen weil er ein Schalk“ (Theodor Ebner, Das Rathaus in Ulm, Ulm 1905, S. 10f.). – In den Fresken im Großen Saal des Schlosses Freisaal bei Salzburg, Johann Bocksberger d. Ä. zugeschrieben und um 1557 begonnen, ist offensichtlich die Geschichte des F. Sch. der Justitia zugeordnet (M. Goering a.a.O. [Sp. 1242], S. 202–08). – Thomas Blanchet malte um 1615 für den Justizpalast in Lyon einen Bilderzyklus, in dem das Thema – neben anderen Historien – die Justitia veranschaulicht (freundlicher Hinweis von Madeleine Rocher-Jauneau, Lyon). – Als Exempel der Gerechtigkeit erscheint es auch in einer Reihe von zehn Tugendexempeln aus der antiken Geschichte in einem Ballett, das 1684 im Heidelberger Schloß unter dem Titel „Die über alle Tilgende Triumphirende Tugend der Beständigkeit ...“ aufgeführt worden war. In dem den Text begleitenden Kupferstich ist das Szenenbild mit der Bestrafung des F. Sch. von Säulenportiken gerahmt, unter denen auf Podesten Statuen rechts der Historia, links der Veritas stehen (Abb. 8; Ausst.Kat. „Barock in Deutschland, Residenzen“, Bln. 1966, Nr. 20). – Charles Nicolas Cochin d. J. hatte für eine Raumfolge im Schloß Choisy 1765 ein Bildprogramm entworfen, das römische Historien als Anspielungen auf die Tugenden Ludwigs XV. vorsah. Die Szenen aus der Zeit der römischen Republik, darunter auch die Geschichte des F. Sch., wurden jedoch nicht ausgeführt [2, Bd. 1, S. 70–81].
2. Verrat des F. Sch.
Beispiele, in denen die Geschichte vom F. Sch. ausschließlich als exemplum des Verrats dient, sind verhältnismäßig selten.
Hans Holbein d. J. stellte in der Fassadenmalerei des Hauses Hertenstein in Luzern 1518 Beispiele verräterischen und treuen Verhaltens gegenüber: die Bestrafung des F. Sch. – ohne Camillus – und Leaina, die Geliebte von Harmodios und Aristogeiton, die sich beim Verhör die Zunge ausreißt, um die Tyrannenmörder nicht zu verraten (Heinr. Alfr. Schmid, H. H. d. J., Basel 1945–1948, Textbd. S. 50ff., Tafelbd. Abb. 8 und 11). – In dem Emblembuch „Bellerophon of Lust tot VVysheyd Begrijpende Sinnebeelden ...“, Amsterdam 1614 (Landwehr Nr. 179), ist die Bestrafung des F. Sch. als „Loon na werck“ ausgegeben: „Den verrader moetmen billick voor een vyant achten“. – Eine Glasscheibe aus der Werkstatt von Hans Heinr. Wegemann, 1615 (Vict.Alb. Mus., London), zeigt die Geschichte des F. Sch. in einem schmalen Streifen über dem Hauptbild: „By diser history soltu lehren / wie untrüw schlacht sim eignen Herren / so einem römischen schuolmeister beschechen ist / von Sinen schuoleren zu disser frist“ (Hans Lehmann, Gesch. der Luzerner Glasmal. von den Anfängen bis zu Beginn des 18. Jh. [= Luzern, Gesch. und Kultur III, 5], Luzern 1941, S. 142, Abb. 183). – Beyerlincks „Magnum Theatrum Vitae Humanae“, Lyon 1678, führt das Thema unter den Stichworten „Proditio, Proditor“ (im Abschnitt „Prudenter vel astute Occurrere“) und „Fraudulenti“ (unter „Exempla quaedam profana“) auf. – Joh. Esaias Nilson hat um 1750 die Geschichte des Codrus, der sich für sein Vaterland opfert, der des F. Sch. antithetisch gegenübergestellt (Abb. 9; Marianne Schuster, J.E.N., Ein Kupferstecher des süddt. Barock 1721–1788, Mchn. 1936, Nr. 453; Faks.-Ausg. von Hertel-Ripa, ed. Ilse Wirth, Mchn. 1970, Abb. 15). Die Stadtansicht von Falerii ist von dem Merian-Stich der Gottfried-Chronik (s. Sp. 1243) übernommen. Zur Darstellung des F. Sch. sind Mars (?), eine Frau mit Spiegel, Schlange und brennender Fackel als Attribute und ein Krokodil als Tierallegorie des Verrats (vgl. Picinelli (lat.) VI, 17, 96) hinzugefügt. – Dieselbe Bedeutung hat der F. Sch. bei Hertel-Ripa Taf. 75: „Weil der Lehrer falsch beschaffen, / Ihn die Schüler müssen straffen“. Die Bestrafung des F. Sch. vor den Augen des Camillus, im Anschluß an Nilson geschildert (Faks.-Ausg. von Hertel-Ripa, a.a.O. Sp. 1246), erläutert die Darstellung im Vordergrund: hier stehen zwei Männer unter einem Baum; der eine in Rüstung, legt dem anderen in bürgerlicher Tracht vertraulich den Arm um die Schulter (Allegorie des Verrats?). – Orlandi-Ripa (Bd. 1, S. 8) sieht im F. Sch. einen „Fatto“ des „Aborrimento“.
B. in Zyklen mit historischen Themen
In einigen Bilderzyklen kommt die Geschichte des F. Sch. neben anderen römischen Historien, mythologischen und (oder) atl. Szenen vor, ohne daß es bisher gelungen ist, ihre Bedeutung im jeweiligen Zusammenhang genauer zu bestimmen; bisweilen erscheint es sogar fragwürdig, ob das Programm aus exemplarisch zu begreifenden und auf einen einheitlichen Grundgedanken zu beziehenden Darstellungen besteht.
Die Johann Bocksberger d. J. zugeschriebenen Entwürfe für die Fassadenmalerei des Regensburger Rathauses, um 1564, sehen neben atl. und römischen Historien auch eine Darstellung des F. Sch. vor, die an die Livius-Ill. von Jost Amman (s. Sp. 1242) anschließt (Abb. 6; Margarete Baur-Heinhold, Süddt. Fassadenmal., Mchn. 1952, S. 53f.). – Auch Ludwig Refinger hat um 1542 im sogenannten Ecksaal der Landshuter Residenz das Thema neben atl. und römischen Historien dargestellt (Hans Thoma und Herbert Brunner, Stadtresidenz Landshut, Mchn. 1956, S. 15). – Eine Kachel des mit römischen Historien bemalten Tiroler Ofens von 1555 im Germ. Nat.Mus. Nürnberg zeigt die Auspeitschung des F. Sch. – ohne Camillus (Abb. 5; G. Schiedlausky, Keramos 8, 1960, 4). – Möglicherweise sind auch zwei nur aus Quellen bekannte Darstellungen des F. Sch. von Christoph Schwarz hier zu nennen; Sandrart (S. 118) erwähnt ein Haus „in der alten Burggaßen zu München“, auf dessen Fassade und Giebel Christoph Schwarz „viel Römische Historien von Camillo und dergleichen“ gemalt habe. Vielleicht war darunter auch die Geschichte des F. Sch. (Heinrich Geissler, Christoph Schwarz 1548–1592, Diss. Freiburg i. Br. 1960 [masch.], Kat. G II, 132). Ein diesem Künstler zugeschriebenes Gemälde wird im Schleißheimer Inventar von 1748 erwähnt; es wurde 1852 versteigert und ist seitdem verschollen; wahrscheinlich gehörte es zu den Bildern im Schwarzen Saal der Münchner Residenz „so allerhand Geschichten Alexandri des Großen und Römische Historien“ darstellten (ebd. Nr. 134). – Die Decke des Hirschsaals im Schloß Gottorf, Schleswig, wurde um 1590 mit Jagdmotiven und Ornamenten bemalt, ausgesparte ovale Medaillons enthalten Bilder aus der römischen Geschichte, unter ihnen auch die Bestrafung des F. Sch. Der unbekannte Künstler benutzte die Ill. der Livius-Ausg. Ffm. 1568 (s. Sp. 1242) als Vorlage.
In der Villa Passerini bei Cortona malte Tommaso Bernabei, gen. Papacello nach 1515 an den Wänden des großen Saales sechzehn römische Historien, unter denen auch die Geschichte des F. Sch. vorkommt (die Themen bei Vasari-Milanesi III, S. 695). – Giov. Franc. Romanellis (1610 [?]–1662) Zeichnung gehört wahrscheinlich zu Vorarbeiten für eine Folge römischer Historien (Windsor Castle: Kat. Anthony Blunt und Hereward Lester Cooke, The Roman Drawings of the XVII and XVIII C, London 1960, Nr. 727). – Nicolas Poussin schilderte 1637 die Verurteilung des F. Sch. durch Camillus sowie die Bestrafung in einem Gemälde (heute im Mus. du Louvre) für die Galerie des Hôtel de la Vrillière in Paris, für die der Besitzer eine Reihe weiterer Bilder mit römischen Historien bei Guercino und Pietro da Cortona bestellt hatte (Anthony Blunt, The Paintings of M. P. A Critical Cat., London 1966, Nr. 142; andere Fassung ebd. Nr. 143; Kurt Badt, Die Kunst des N. P., Köln 1969, S. 327f., Abb. 109). Poussin bezeichnete in einem Brief an den Maler Stella das Thema als „sujet héroique“ (Charles Jouanny, Correspondance de N. P., Paris 1911, S. 4). – Joh. Heinr. Schönfeld hat das Thema zweimal behandelt: das ehem. in der Slg. der Principessa del Drago, Rom, befindliche Gemälde v.J. 1653 ist verschollen; das zweite, unsignierte und undatierte Bild im Kh.Mus. zu Kroměříž (Kremsier), ČSSR, schildert die Geschichte als Halbfigurenkomposition; die Beteiligten sind in Lebensgröße wiedergegeben. Die Existenz einer Reihe formatähnlicher Gemälde mythologischer und römischer Historien läßt vermuten, daß dieses Bild zu einem Zyklus gehörte, der sich vielleicht ursprünglich in der Residenz der Bischöfe von Olomouc (Olmütz), ČSSR, befand (Ausst.Kat. „J. H. Sch. Bilder, Zchgn., Graphik“, Ulm 1967, S. 46 und 47, Nr. 65, mit Abb.). – Auch ein Kupferstich von Jean Lepautre (1618–1682) gehört zu einer Folge von Stichen zur römischen Geschichte, deren genaue Bestimmung bisher ungeklärt ist (J. Le Pautre, Oeuvres d’Architecture, Paris Der Name des Attributs „[Person“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.] 1751, Folge Nr. 120). – Im Saal eines Nürnberger Bürgerhauses war an der Decke eine Folge von Rundbildern mit römischen Historien zu sehen; andere – kleinere – Darstellungen behandelten Themen aus der Mythologie. Die in der 1. H. des 18. Jh. entstandenen Deckenmalereien, die im zweiten Weltkrieg zerstört wurden, enthielten eine Darstellung des F. Seh., für die offensichtlich der Holzschnitt Tobias Stimmers in der Straßburger Livius-Ausg. von 1574 (s. Sp. 1242f.) als Vorlage gedient hatte (Fritz Traugott Schulz, Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstattung, Wien und Lpz. 1909–37, S. 51f., Abb. 70).
C. in Zyklen der Camillusvita
Vereinzelt ist das Thema in Bildfolgen mit Darstellungen aus dem Leben des Camillus nachweisbar.
Taddeo Zuccari bemalte 1548 die Fassade des Pal. Mattei in Rom mit Bildern aus dem Leben des Furius Camillus; eine der Szenen hatte die Beischrift: M. F. C. proditorem vinctum Falerio (sic) reducendum tradit (Vasari-Milanesi VII, S. 77/78). – Eine Freskenfolge gleichen Themas schuf Francesco Salviati um 1550/ 1560 in der Sala dell’Udienza der Uffizien in Florenz (ebd. S. 23). – Die Deckenmalereien in zwei Sälen des Pal. Chigi in Siena, 1574 von Bernard van Rantwijck ausgeführt, behandeln im einen Saal Themen aus dem A.T., im anderen Ereignisse aus dem Leben des Camillus. Der Geschichte des F. Sch. sind zwei Bilder gewidmet, die Verurteilung des Verräters durch Camillus und der Vollzug der Strafe. Der gefesselt auf einem Pferd sitzende Schulmeister wird von Soldaten nach Falerii zurückgejagt, die Schüler führen den Zug an (Godfried Joannes Hoogewerff, De Noord-Nederlandsche Schilderkunst, Teil 4, Den Haag 1941 bis 1942. S. 450f., Abb. 213f.).
D. Einzelne Bilder
Aus dem 17. und 18. Jh. sind einzelne Darstellungen des F. Sch. erhalten, von denen man nicht weiß, ob sie ursprünglich Teil einer Bildfolge oder ob sie als Einzelbilder konzipiert waren.
Im Cabinet des Dessins im Mus. du Louvre befindet sich eine skizzenhafte Federzchng. von Raymond Lafage (1656–1690). Bisher konnte nicht geklärt werden, ob die Komposition von Lafage erfunden ist, oder – wie viele andere seiner Arbeiten – eine fremde Vorlage wiedergibt; deswegen muß auch offen bleiben, ob die Skizze als gesonderte Behandlung des Themas zu erachten ist (Jean Guiffrey und Pierre Marcel, Inv. gén. des dessins de l’école franç., Bd. 7, Paris 1912, Nr. 5381). – In einem relativ kleinformatigen Gemälde von Bartholomeus Breenbergh (1599/1600–1659) in der Kasseler Gem.gal. (Kat. 1958, Nr. 206; Abb. 7) wird – wofür bislang keine Parallelen nachzuweisen sind – die Bestrafung des F. Sch. beinahe nur als figürliche Staffage im Vordergrund eines Landschaftsbildes dargestellt. Die Schüler tragen zeitgenössische Kleidung, nur der Feldherr Camillus und seine Krieger sind antikisierend wiedergegeben. – In der Slg. Grzimek befindet sich ein kleines, Joseph Werner (1637–1710) – mit Recht? (vgl. Abb. 10) – zugeschriebenes Aquarell, das die Bestrafung des F. Sch. ohne Camillus darstellt (Günther Grzimek, Vom Anfang der Neuzeit, Handbuch von Gemälden des europäischen Manierismus, Ravensburg 1966, S. 99). – Zwei Radierungen von Bernhard Rode, um 1779–80, erwähnt Nagler, Künstlerlex. Bd. 13, Nr. 116 und 117 (vgl. Abb. 10). – Die königliche Akademie in Paris vergab das Thema des F. Sch. in ihrem letzten Skulptur-Wettbewerb von 1793. Leider ist bisher keine der eingereichten Arbeiten bekannt geworden. Die Jury des republikanischen Frankreich lehnte aus politischen Gründen eine Preisverteilung ab: das Thema spiegele weder den republikanischen Geist wider noch stelle es den Widerstand des Volkes dar [2, Bd. 1 S. 189].
Zu den Abbildungen
1. Bordeaux, Bibl. munic., ms. fr. 730 (Bersuire, „La Traduction de l’hist. romaine de Titus Livius en français ...“), fol. 101, Bestrafung des F. Sch. Paris, um 1370. Nach Trésors des Bibl. de France 6, 1936–1938, Taf. 9, 24.
2. Paris, Bibl. Nat., ms. fr. 290 („Le Livre de Valerius Maximus“), fol. 272, F. Sch. und Justitia. Frankreich, 1. H. 15. Jh. Fot. Bibl.
3. London, Courtauld Inst. of Art, Lee Coll., Vorderfront eines Cassone („Nerli-Cassone“) mit der Eroberung der Stadt Falerii durch Camillus. Gem., Tempera a. Holz, Gesamtmaße 2,12 × 1,93 × 0,76 m. Florenz 1472. Fot. Slg.
4. Bestrafung des F. Sch. Holzschnitt-Ill. (11,7 × 14,6 cm) aus „Römische Historie vss Titus Livius gezogen“, Mainz (Peter Schöffer) 1505, Bl. 51. Fot. RDK.
5. Nürnberg, Germ. Nat.Mus., Inv.Nr. A 3396, Bestrafung des F. Sch. Kachel von einem Ofen. Fayence, 40 × 30,5 cm. Tirol, 1555. Fot. Mus.
6. Joh. Bocksberger d. J. (zugeschr.), Bestrafung des F. Sch., Ausschnitt aus einem Entwurf für die Fassadenmalerei des Regensburger Rathauses (Gesamtabb.: M. Baur-Heinhold a.a.O. [Sp. 1246]). Zchg. auf Papier, Pinsel und Feder, Maße unbekannt. Regensburg, Stadtmus. Um 1564. Fot. Mus.
7. Barth. Breenbergh, Bestrafung des F. Sch. Gem., Öl a. Holz, 55,5 × 92,5 cm. Kassel, Staatl. K.slgn., Inv. 1749 Nr. 728. 2. V. 17. Jh. Fot. Mus.
8. Bestrafung des F. Sch. Kupferstich-Ill. (31 × 42 cm) aus „Die über alle Tugende Triumphirende Tugend der Beständigkeit ...“, o. O. u. J. (nach 1684), Taf. nach S. 26. Fot. Bln., Stiftung Preuß. Kulturbes., K.bibl.
9. Joh. Esaias Nilson, Verrat des F. Sch. Kupferstich, 32,5 × 20,5 cm. Um 1750. Fot. RDK.
10. Bernh. Rode, „Strafe des verrätherischen Schulmeisters zu Falerii“. Radierung, Maße unbekannt. Nürnberg. Germ. Nat.Mus., Inv.Nr. St N 4085. Dat. 1779. Fot. Mus.
Literatur
1. Pigler II, S. 361. – 2. Gabriele Sprigath, Themen aus der Gesch. der römischen Republik in der franz. Mal. des 18. Jh., Diss. München 1969.
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