Festsaal
englisch: Banquetting hall; französisch: Salle de fête; italienisch: Sala, sala di rappresentanza, salone per festo.
Hans Reuther (1982)
RDK VIII, 276–304
I.
A. Definition, Wort
Als F. wird sowohl in der Fachliteratur als auch im lokalen Schrifttum nach Gutdünken ein großer Saal bezeichnet, der auf irgendeine Weise gegenüber den sonstigen Räumen eines Profanbaues hervorgehoben ist und dessen Funktion darin besteht, dem Fest als „einem in der Gemeinschaft sich vollziehenden Ereignis“ [22] zu dienen.
Das Wort F. kommt erstmals bei Joh. Wolfg. von Goethe vor, dort metaphorisch verwendet (Ital. Reise: Werke, I, 32 S. 232). Sachbezeichnend erscheint es – in der Nachfolge des im 18. Jh. gelegentlich gebrauchten Wortes „Festin-Saal“ (Beleg von 1746 bei [21] S. 57) – in der 1. H. 19. Jh., z. B. bei Karl Friedr. Schinkel (Sammlung architectonischer Entwürfe ..., 2. H., Bln. 1821, S. (2) bei der Beschreibung des Schauspielhauses in Berlin), ehe es, wohl seit E. 19. Jh., als Terminus der Kunstgeschichte gebraucht wurde. Zu Saal vgl. auch Grimm Bd. 8 Sp. 1577-1579.
B. Sonstige Benennungen
Auf einen speziellen Verwendungszweck beziehen sich sonstige Benennungen wie Bankettsaal, Ball-, Tanz und Musiksaal, Thron- oder Ordenssaal, ferner Spielsaal und Kursaal (letzterer ein Mehrzweckraum, der vielfältigen gesellschaftlichen und musikalischen Zwecken diente).
Andere Bezeichnung sind vom Dekor genommen. Nach dem Material der wandfesten Ausstattung spricht man vom Steinernen oder Marmorsaal, vom Spiegel- oder Gläsernen Saal, auf Farbgebung anspielend vom Weißen Saal, Goldenen Saal usw. (all diese Bezeichnungen müssen nicht unbedingt und immer einen F. meinen).
Auf das vorgegebene ikonologische Programm nehmen die Bezeichnungen Kaisersaal, Fürsten- und Rittersaal, Ahnensaal usw. Bezug. Im Kaisersaal z. B. – bestimmt für Feste, Empfänge sowie Staatsakte und, zusammen mit den Kaiserzimmern, charakteristischer Bestandteil geistlicher Fürstenresidenzen und kaiserlicher Stifte – ist das Programm die Darstellung der römisch-deutschen Kaiser (vgl. [23]).
Während Bezeichnungen wie die zuletzt genannten schon in der Entstehungszeit der Bauten vorkommen können, sind Benennungen nach dem Bauherrn oder nach dem entwerfenden Architekten in der Regel jüngeren Datums.
Bei den italienischen Architekturtheoretikern kann schon „sala“ allein den F. bezeichnen, denn „le sale servono à feste, à conviti, ad apparati per recitar commedie, nozze, e simili sollazzi“ (Palladio [2] 1. Buch S. 52; vgl. die etymologische Ableitung bei Leon Batt. Alberti, De re aedificatoria, Flor. 1485, Bl. i VIIIv). In dt. Lexika hat man noch im 18. und 19. Jh. wiederholt den F. einfach Saal genannt (Zedler Bd. 33 Sp. 11; H. A. Pierer, Encyclopäd. Wb. der Wiss., Künste und Gewerbe, Bd. 19, Altenburg 1833, S. 2).
Die Vorrangigkeit des F. vor den anderen Räumen, auch anderen Sälen, kann in Zusätzen zum Ausdruck kommen: es wird von „sala maggiore“, „sala grande“ und „sala principale“ gesprochen (Palladio [2] 2. Buch S. 12; Scamozzi [3] S. 305; gemäß seiner ital. Bildung auch Furttenbach [4] S. 3f.). Im Französischen heißt es „grande salle“ (Androuet du Cerceau [1] 1. Buch Bl. D IIv)und „Salon“ (Boffrand [9] Taf. 56; Blondel d. J. [10] Bd. 5 S. 100), gar „grand Sallon“ (RDK IV 89f. Abb.). Im Deutschen ist neben der Bezeichnung „Großer Saal“ (Decker [7] Taf. 3, 6 u. ö.) vor allen die Bezeichnung „Hauptsaal“ üblich (Furttenbach [4] S. 3; Goldmann [5] S. 122; Sturm [6] S. 143ff.). Vitruvianische Termini für F. bestimmter formaler Beschaffenheit wurden in der neuzeitlichen Architekturtheorie tradiert ([5], [6], s. Sp. 282), fanden aber in der Praxis keine Verwendung. „Sallon à l’Italienne“ nennt Blondel d. J. den F. mit zwei Fensterreihen übereinander und mit Wölbung [8, Bd. 2 S. 31f., Taf. 7f.].
II. Erscheinungsformen, Zahl der F.
a. Baulich und kunstgeschichtlich betrachtet sind F. in der Mehrzahl stützenlose, mit Flachdecke oder Wölbung versehene große, vielfach mehr als ein Stockwerk einnehmende Säle. Es sind Zentralräume über kreisrundem, ovalem oder polygonalem Grundriß oder Rechteckräume, die abgekantete Ecken haben können, so daß ein gestrecktes Polygon entsteht. Schließlich kann der F. als Galerie angelegt sein.
Weiteres Kennzeichen ist die einheitliche, meist kostbare wandfeste Ausstattung, die, ebenso wie Decke und Fußboden (Marmor, Edelholzparkett, *Fliesen) sowie die gewählte Befensterung, dem F. seinen repräsentativen Charakter verleiht. Zu *Emporen im F. s. RDK V 313.
Im *Schloßbau und in Palästen ist die Lage des F. von der Distribution (RDK IV 87-90) des jeweiligen Gebäudes her festgelegt. Zeitweise galt als repräsentative Lage die im ersten Obergeschoß (s. Sp. 285; vgl. noch F. Ch. Schmidt [12] S. 301). Die Lage im Erdgeschoß ist in Dtld. bei mehrstöckigen Gebäuden unüblich. Die Lage im obersten Vollgeschoß war auch durch technische Notwendigkeit bedingt (vgl. Sp. 288f.; so noch F. Ch. Schmidt [12] S. 248, 268, 294 u.ö.).
Erreichbar sind F. auf unterschiedliche Weise: direkt vom Haupttreppenhaus, über eine Freitreppe oder, besonders im 17.-19. Jh., über zwischen Treppe und F. gelegene Vorräume.
Der F. bestimmte oft durch seine Lage die bevorzugte Stelle im Raumgefüge, und diese ist dann vielfach in der Fassadengestaltung architektonisch hervorgehoben (Risalit, Pavillon).
Zuweilen beherbergt ein eigenes Gebäude, das meist anderen Gebäuden zugeordnet ist, den F. („Saalbau“; vgl. auch Aula, RDK I 1277ff.).
Gelegentlich gibt es anstelle des F. ein Festappartement, das – ohne Hervorhebung eines einzelnen Saales – in seiner Gesamtheit als Festräumlichkeit benutzt wurde (etwa in Schloß Augustusburg in Brühl: Wilfried Hansmann, Das Treppenhaus und das Große Neue Appartement des Brühler Schlosses, Ddf. 1972, S. 16-26).
Waren nach ursprünglicher Planung in einem Schloß mehrere F. vorhanden, wurde wohl oft jedem eine spezielle Funktion zugewiesen. Bauliche Veränderungen, bei denen neue F. errichtet wurden, konnten zur Folge haben, daß ältere F. ihre Funktion verloren. Wenn man heute mehrere F. antrifft, muß dies nicht früherer simultaner Nutzung der Räume als F. entsprechen.
b. Äußerungen der Architekturtheoretiker über F. sind bis jetzt nicht systematisch untersucht (Ansätze dazu bei [21]), und auch in dieser Zusammenstellung ist es nicht möglich. In einigen ihrer Schriften sind dieselben Gesichtspunkte erörtert, die den erhaltenen Bauten und Plänen abgelesen wurden. So hat man die Lage des F. im Gebäude für entscheidend angesehen: „ne gli edifici ornati si mettino le Sale principale nel mezo, e sopra all’entrata“ (Scamozzi [3] S. 304).
Eine ausführliche Beschreibung der „Essential Stücke“ eines F. lieferte 1699 Sturm [6, S. 143ff.], der ältere Texte mit modernen Baugewohnheiten in Einklang zu bringen suchte. So soll der Weg in den F. über eine Haupttreppe und – durch andere Türen – „gemächlich aus den vornehmsten Gemächern“ führen (ebd. S. 145; vgl. Blondel d. J., der noch 1754 die „salle des rois“ im Hôtel de Toulouse in Paris als am Ende der Paradezimmer gelegen beschreibt: [11] Bd. 3 S. 29, Taf. 325). Der Saal soll groß sein, die Schmalseite mindestens 32 Fuß (ca. 9,60 m), und „ziemliche Höhe“ haben. Der Grundriß soll „meistens viereckicht und je näher dem Quadrat, je besser seyn“ (Sturm selbst allerdings entwarf einen ovalen F.: ebd. Taf. XVIII). Der Saal soll gedeckt sein „mit einer schönen gegipseten Platten Decke“ (dem widerspricht sein Entwurf Taf. XVIII, der eine Kuppel vorsieht). Zur Belichtung empfiehlt er fünf oder sieben Fenster an der Längsseite; außerdem werde es „sonderlich vor schön gehalten, wenn über den ordinair Fenstern überdies noch Halb-Fenster gemachet werden“. „Die Auszierung besteht meist aus korinthischen Wandpfeilern, zuweilen auch in Seulen an den Wänden herum“; die gemalte und plastische Ausstattung muß einem Programm folgen. Außerdem soll „der Prospect des Sahls in einen Garten oder auf einen raumlichen Platz vor dem Hause fallen“ (vgl. auch Sturms Äußerungen zum Hauptsaal in „Vollständige Anweisung großer Herren Palläste ... anzugeben...“, Augsb. 1718, S. 16-19, 37, Taf. V, XIVf., Taf. B).
Je nach Größe und Ausgestaltung eines Hauptsaals unterscheidet Sturm, hierin noch vitruvianischer Tradition und Goldmann folgend, den „egyptischen Haupt-Sahl“, zweigeschossig und im Querschnitt basilikal, den „vierseuligen“, den „corinthischen“ und den „cyzizenischen oder asiatischen Haupt-Sahl“. Kriterium zur Unterscheidung des „antichen“ vom „modernen“ Hauptsaal ist für Sturm, daß bei letzterem die Decke im Dachwerk aufgehängt ist, wohingegen sie im „antichen“ F. auf Säulen ruht (nach Goldmann müssen Hauptsäle „wegen ihrer Weitläufigkeit“ von Säulen abgestützt werden: [5] S. 122).
III. Geschichtliche Entwicklung
A. Vorläufer im MA
Bestimmte Räume des ma. Profanbaues F. zu nennen, ist im allgemeinen wenig sinnvoll. Allenfalls könnte man so die (stets rechteckigen, flach gedeckten oder mit einer im Dachwerk aufgehängten Holztonne überspannten) Säle in bürgerlichöffentlichen Gebäuden so nennen; denn sie dienten in erster Linie zu Festlichkeiten (vgl. Rathaus, Tanzhaus, *Hochzeitshaus), so der sog. Löwensaal im Lübecker Rathaus, um 1298/1308 (Kdm. Lübeck 1,2 S. 10 und 210ff.), der Saal im „Alten Rathaus“ in München, 1470-1480 err., in dem auch Feste des Herzogshofes stattfanden (Mich. Schattenhofer, Das A. R. zu M., Mchn. 1972, S. 28ff., Abb. S. 46f., 123), oder der sog. Fürstensaal des Lüneburger Rathauses, zw. 1449 und 1464, dessen Balkendecke der großen Spannweite wegen Unterzüge erhielt (Otto Stiehl, Das dt. Rathaus im MA ..., Lpz. 1905, S. 154, Abb. 183; Kdm. Hannover 3,2-3 S. 197ff., bes. S. 247ff., Abb. 82f.).
In der Regel benutzte man große wie kleine Säle, die für Zwecke der Verwaltung, der Rechtsprechung und des Handels errichtet worden waren, auch zur Repräsentation und für öffentliche sowie für private Festlichkeiten.
Nicht immer diente der größte Saal im Baugefüge letzteren Zwecken (vgl. O. Stiehl a. a. O. S. 33, das Rathaus in Alsfeld, 1512-1516, betreffend). Selbst Werkräume konnten durch ephemere Ausstattung zu F. werden, so der Hüttenraum der Bauhütte von St. Stephan in Wien anläßlich der mit einem Festmahl verbundenen jährlichen Rechnungslegung (Viktor Flieder, Stephansdom und Wiener Bistumsgründung, Wien 1968 [Veröffn. des kirchenhist. Inst. der kath. theol. Fakultät der Univ. Wien, 6], S. 115). Um bei besonderem Anlaß über einen ausreichend großen „F.“ verfügen zu können, hat man sogar ad hoc die Trennmauern nebeneinanderliegender Bürgerhäuser ausgebrochen (1475 in Landshut, Ndb., die des Aschhauses und des Zollhauses: Seb. Hiereth, Hzg. Georgs Hochzeit zu L. i. J. 1475, Landshut [1975], S. 30f.) oder Zimmerwände versetzt (vgl. ebd. S. 30f. und 74: die Ratsherrenstube des Landshuter Rathauses war zu klein, um als Tanzsaal dienen zu können).
Die Säle des MA, die als Vorläufer des späteren F. angesehen werden können, haben hölzerne Flachdecken oder Steinwölbung. Zu unterscheiden sind 1) der Rechteckraum mit flacher Decke, die von Unterzügen auf Stützen bzw. von Pfeilern und Säulenarkaden getragen wird. Solche Säle gab es im Hauptgeschoß ma. Pfalzen (z. B. Goslar, Neubau 1038-1056: Uvo Hölscher, Die Kaiserpfalz G., Bln. 1927, S. 44-47, Taf. 11, 21f.; Gelnhausen, vor 1170, zur Rekonstruktion vgl. Günther Binding, Pfalz G., Bonn 1965 [Abhn. zu K.-, Musik- und Lit.wiss., 30], S. 93f., Abb. 3f., 8; später Nachfolger dieses Saaltypus’ ist der Goldene Saal im Uracher Stadtschloß, um 1620: Fleischhauer, Renss., S. 322, Abb. 158); 2) der stützenlose Rechteckraum mit flacher Decke, Holztonne oder offenem Dachwerk. Beispiele siehe oben Sp. 282 (Lübeck, München); besonders eindrucksvoll ist die 1262 vollendete, ca. 33 × 13 m große Håkonshalle des Schlosses in Bergen, Norwegen, deren offenes Dachwerk auf einem Stichgebälk ruht (der F. liegt über einem zweischiffigen, überwölbten Erdgeschoß; nach schweren Schäden von 1944 wieder aufgebaut: W. Douglas Simpson, The Castle of Bergen ..., Edinburgh und Ld. 1961, S. 34ff., Fig. 1-5, 11f.).
Ob die bei giebelständigen Bürgerhäusern in der Schweiz seit etwa 1560 zuweilen nachweisbare, altertümlich scheinende Ausbildung des Dachraums zu einem von einer Holztonne überspannten F. schon im MA vorkam, ist unbekannt (z. B. Höchhaus in Wolfenschießen, Kt. Unterwalden, 1586: Bürgerhaus Schweiz Bd. 30 S. LXII).
3) der vorherrschend zweischiffige, hallenartige Saal mit Steinwölbung. Erstes Beispiel im dt. Schloßbau ist der Rittersaal im Schloß zu Marburg a.d. L., erb. 1288ff. (Karl Justi, Das Marburger Schloß, Marburg, Lahn 1942, S. 27ff.), ihm formal vergleichbar sind Säle in Bauten des Deutschen Ordens in Preußen. Der Marburger Saal, der u. a. in den großen verglasten Maßwerkfenstern franz. Einfluß zeigt, hat zahlreiche Nachfolge gefunden. Außer den von Hans-Joachim Mrusek, Die Albrechtsburg zu Meißen, Lpz. 1972, S. 30 aufgezählten Beispielen wäre z. B. der Thronsaal der unter Kaiser Friedrich III. ausgebauten Burg in Wiener Neustadt zu nennen (inschriftlich dat. 1461: Ausst.kat. „Friedrich III. ...“, Wiener Neustadt 1966, S. 116, 308). Der aufwendig gestaltete, über einer Mittelstütze eingewölbte Saal in Stadthäusern des Patriziats wird in der Literatur auch als „F.“ bezeichnet (vgl. Rich. Strobel, Das Bürgerhaus in Regensburg, MA, Tüb. 1976 [Dt. Bürgerhaus, 23], S. 99f.; allgemein zu Sälen s. Adalbert Klaar, Saalbautypen des Hoch-MA, Österr. Zs. Dpfl. 26, 1972, S. 118-122).
B. Vom Ausgang des MA bis zum 30jährigen Krieg
1. Wladislaw-Saal
Die entscheidende Wende in der Raumgestaltung wird bezeichnet durch den um 1493-1502 von Benedikt Ried erbauten Wladislawsaal in der Prager Burg, einen 62 × 16 m großen und 13 m hohen stützenlosen Raum mit Schlingrippenwölbung. Der einem älteren Trakt aufgesetzte und über eine eigene Reitertreppe zugängliche Saal, der größte der dt. Spätgotik, ist nach Zweck und Nutzung erster F. in einem Feudalbau Mitteleuropas (Abb. 1; Götz Fehr, B. R., Mchn. 1961, S. 24-30, Abb. 3f., 8-10, 13-22).
2. F. in Schlossanlagen
In Schloßanlagen befindet sich der F. meist im ersten, seltener im zweiten Obergeschoß; sofern er das ganze Geschoß einnimmt, erhält er Licht von mehreren Seiten. Bei Anlagen über regelmäßigem Grundriß hat man ihn oft in die Mitte eines Flügels gelegt.
Der F. ist zugänglich entweder unmittelbar von einer Treppe, oft einer Freitreppe, manchmal einer Wendelstiege, oder – vorzugsweise bei regelmäßig angelegten Drei- und Vierflügelbauten – von Arkadengängen an der Hofseite, die über Treppen(türme) zu erreichen sind. An der Außenseite ist der F. oft durch ein Portal hervorgehoben.
Der F. im 1533-1536 von Konrad Krebs err. Johann-Friedrich-Bau des Schlosses Hartenfels zu Torgau nahm das erste Obergeschoß ein (65 × 11,50 m); man betrat ihn über eine Freitreppe kommend vom „Großen Wendelstein“ durch das „Große Saalportal“ (Oskar Thulin, Schloß und Schloßkirche in T., Bln. 1963, Abb. 3f.). In Schloß Porcia in Spittal a. d. Drau, beg. nach 1533, liegen Säle in beiden Obergeschossen übereinander, zugänglich über die den Hof umziehenden Arkadengänge, zu denen man über die Treppe in einer Hofecke gelangt (Abb. 2; Renate Wagner-Rieger, Das Schloß zu S. a. d. D. in Kärnten, Wien 1962 [Stud. zur Österr. Kg., 3], S. 38, 48, Fig. 4).
Der unmittelbare Zugang über eine Freitreppe blieb bis weit ins 17. Jh. hinein gebräuchlich, z. B. bei dem von Santino Solari 1613-1619 erb. Sommerschloß Hellbrunn bei Salzburg. Der F. nimmt die gesamte Schloßbreite ein und wird von drei Seiten belichtet (Franz Martin, Schloß H. bei Salzburg, Wien und Augsb. 1927, S. 14f., Abb. 5; Kdm. Österr. 11 S. 164ff., 204, Abb. 167, 171).
Weitere Möglichkeit, den Zugang zu F. zu schaffen, war die Führung des Wegs über Vorräume. Ein besonders frühes Beispiel ist der Italienische Saal der Landshuter Stadtresidenz, erb. 1541 bis 1542.
Dieser Saal liegt gegen die NW-Ecke des Italienischen Baus an der Ländgasse und erhält Licht durch vier Fenster an einer Längsseite; vor der anderen, hofseitigen Längsseite liegt ein Vorraum, über den der F. von der in der NW-Ecke eingebauten sog. Reitertreppe her zu erreichen ist, einer gerad- und gegenläufigen Stiegenanlage, die erstmals hier auf deutschem Boden anstelle der bis dahin üblichen Wendeltreppe auftritt (Abb. 3; Kdm. Bayern, Ndb. 16 S. 428, Abb. 323f.).
Die Einbindung des F. in eine Enfilade läßt sich seit 1. V. 17. Jh. nachweisen.
Ein frühes Beispiel dafür ist der große, für die Hoftafel bestimmte Saal im Mittelbau des Alten Schlosses zu Schleißheim (1617 - nach 1623), der zugänglich war über den Stirnseiten vorgelegte Freitreppen. In den Längswänden saßen je zwei Türen, die mit den Türen der anschließenden Räume in einer Achse lagen – wohl das früheste dt. Beispiel eines zentral im Baukörper gelegenen F. mit symmetrisch angeordneten Begleiträumen (Gerh. Hojer, Sch., Mchn. 31973 [Amtl. Führer], S. 6-8; Elmar D. Schmid, Schloß Sch., Mchn. 1980, Abb. S. 38).
3. F. in Saalbauten
F. können auch in selbständigen Saalbauten liegen.
Das Belvedere zu Prag, das sog. Lustschloß der Kgn. Anna (beg. 1535 nach Idee von Paolo di Stella durch Giov. Spatio, voll. 1557-1563 durch Bonifaz Wolmut) nimmt – erster reiner Renaissancebau der Stadt – Palladios Konzept zur Basilika in Vicenza auf. Über den Wohnräumen im Erdgeschoß liegt der rechteckige Tanzsaal, der das gesamte Obergeschoß einnimmt und den Dachraum in seine Höhe einbezieht (RDK II 231f. Abb. 3, Sp. 234; Olga Frejková, Palladianismus v České renesanci, Prag 1941, Abb. 36f.). Der dem Hochschloß Ambras in Tirol vorgelagerte Spanische Saal (erb. 1570-1571 von Giov. Lucchese) erhält, bedingt durch die Lage des Baus, seine Belichtung nur an einer Längsseite. Er ist längsrechteckig (Grundfläche 43 × 10 m, H. 5,20 m), hat eine Kassettendecke und ist in seiner Gestaltung mit den Sälen zu Heiligenberg und Weikersheim verwandt (s. Sp. 288; Laurin Luchner, Schloß A. Innsbruck, Innsbr. 1959, S. 2). Beim Bau des ehem. Großen Lusthauses in Stuttgart wurden Baugedanken des Prager Belvedere weitergeführt (beg. 1583 von Gg. Beer unter Mitarbeit von Heinr. Schickhardt d. J.). Der doppelstöckige, rechteckige Giebelbau wurde von einem auf Arkaden ruhenden Gang mit bastionsähnlichen Kegeldachtürmchen an den Ecken umzogen. Eine doppelläufige Freitreppe führte zu einer Altane an einer Längsseite des Gangs und erschloß den Saal, der das gesamte Obergeschoß einnahm (Grundfläche 57,60 × 20,30 m) und allseitige Belichtung erhielt. Er war von einer hölzernen Segmentbogentonne überspannt, die mit der Dachwerkkonstruktion verbunden war (Abb. 5; Fleischhauer, Renss. S. 39f., 54ff., Abb. 23-32, 241; die hölzerne Tonnenwölbung steht in der Nachfolge ähnlicher stützenloser Überspannungen, wie sie zuvor entstanden waren in den Ratssälen zu Lüneburg, um 1430, und zu Nürnberg, 1520: s. Kdm. Hannover a. a. O. [Sp. 283] und Sp. 282f.; Ernst Mummenhoff, Das Rathaus in N., Nbg. 1891, S. 89ff., Abb. S. 31).
4. Eindeckung des F.
Eine Neuerung der frühen Neuzeit sind die meist an den Bindern des Dachwerks aufgehängten durchgehenden Kassettendecken über stützenlosen Rechteckräumen von beachtlichen Dimensionen (bis maximal 83 × 18 m: Moskowitersaal des Schlosses zu Königsberg, Pr., s. Sp. 288).
Als frühes Beispiel kann der große eingeschossige F. im Obergeschoß des noch bestehenden SW-Flügels von Schloß Dachau genannt werden, dessen Kassettendecke der Kistler Hans Wisreuther 1564-1566 fertigte (E. D. Schmid und Toni Beil, Das Schloß D., Dachau 1981, S. 24-44, Abb. 12-24). Der F. im zweiten Obergeschoß des Deutschen Baus der Landshuter Stadtresidenz mit vier Fenstern zum Hof wurde 1541 voll.; er hat eine aus 40 quadratischen Feldern bestehende Kassettendecke (dem Schreiner Andre Fuegl zugeschr.: Hans Thoma u.a., Stadtresidenz L., Mchn. 1969, Nr. 33; Kdm. Bayern, Ndb. 16 S. 416ff., Fig. 327). Der Rittersaal im S-Flügel des Schlosses Heiligenberg in Baden nimmt fast den ganzen S-Flügel ein und reicht durch beide Obergeschosse (32 × 10 m Grundfläche, 6,50 m hoch); er ist an drei Seiten durch zwei Fensterreihen übereinander (Rechteck- und Rundfenster) belichtet (erb. um 1575-1584: Abb. 4). Verwandt in Raumform und Fensterbildung bei etwas steileren Maßverhältnissen (36,50 × 11,60 m, H. 8,30 m) und Belichtung an beiden Längsseiten ist der große Saal im Hohenloheschloß zu Weikersheim, Württ. (geplant von Georges Robin, erb. von Wolf Beringer 1586-1605); er hat Zugang an einer Längsseite von einem offenen, zum Hof vorgelegten Gang aus, der von einem Wendeltreppenturm in der Ecke zu erreichen ist (RDK III 1134 Abb. 15; [17] S. 10, 25ff., Abb. 6f., 13). Der Große Saal (Zedernsaal) im O-Flügel über der Eingangshalle im Fuggerschloß zu Kirchheim a. d. Mindel entstand 1581-1585. Der 36 m lange und eineinhalb Stockwerke hohe F. erhält seine Belichtung an beiden Längsseiten durch doppelte Fensterreihen; auch er besitzt eine reich gegliederte Kassettendecke (von Wendel Dietrich: RDK III 1136 Abb. 18; Klaus Merten, Die Landschlösser der Familie Fugger im 16. Jh., in: Ausst.kat. „Welt im Umbruch“, Augsb. 1981, Bd. 3 S. 75ff. Abb. 14). Der größte Saal jener Zeit war der (seit 1711 sog.) Moskowitersaal des Schlosses zu Königsberg, Pr., der das Obergeschoß des gesamten W-Flügels einnahm und bis zu seinem Umbau 1887 eine mit dem Dachwerk verbundene Kassettendecke besaß (beg. 1584, Decke 1588, zerstört 1945: Friedr. Lahrs, Das Königsberger Schloß, Stg. 1956, S. 81). Der große Ratssaal im Rathaus zu Augsburg (erb. 1615-1620 von Elias Holl, die im 2. Weltkrieg zerst. Ausstattung 1622 voll.), wegen der Vergoldung seiner Kassettendecke als Goldener Saal bezeichnet, liegt in der Mitte des Baus und nimmt mehr als ein Drittel der Grundfläche ein. Er ist rechteckig und an beiden Stirnseiten entsprechend der Geschoßgliederung durch drei Reihen unterschiedlich geformter Fenster belichtet (Grundfläche 32 × 17,30 m, H. 14,22 m). In der Mitte seiner beiden Längsseiten wird er von je einer doppelarmigen, vom unteren Fletz ausgehenden Treppe erschlossen. Die Gestaltung der Säle im Dogenpalast zu Venedig hat sicher den Architekten beeinflußt (RDK III 1157f. Abb. 7; Ausst.kat. „Augsburger Barock“, Augsb. 1968, Nr. 50, auch Nr. 45).
Auch Holzbalkendecken wurden am Dachwerk aufgehängt. So hängt die freigespannte, nur an ihren Auflagern durch Sattelhölzer verstärkte Holzbalkendecke in der Oberen Halle, dem F. des Alten Rathauses in Bremen an sehr starken Balken des vierstöckigen Hängewerk-Dachstuhls von 1608/09, einem Werk des Ratszimmermeisters Joh. Stollink von der Stolzenau. Der Zugang zu diesem F. führte ursprünglich über eine gedeckte Freitreppe an der nördl. Schmalseite (vermauert 1532 nach dem Einbau einer inneren Wendeltreppe; Eberhard Lutze, B., Mchn. und Bln. 21965, S. 27f., 45, Abb. 44-46).
Seltener und altertümlich sind F., deren Kassettendecke konstruktiv nicht mit dem Dachwerk verbunden ist, sondern von stützenden Unterzügen getragen wird (z. B. Goldener Saal im Schloß zu Urach, um 1620: s. Sp. 284).
Steinwölbung, wie sie bereits der Wladislawsaal in Prag aufgewiesen hatte (s. Sp. 284f.), dort in der Formensprache der dt. Sondergotik verpflichtet, wurde gg. M. 16. Jh. in stilistisch anderem Kontext und anderen Formen für F. verwendet, z. B. überwölbt eine steinerne, mit Kassetten dekorierte Korbbogentonne den Italienischen Saal in Landshut (s. Sp. 285); das Tonnengewölbe des F. im Alten Schloß zu Schleißheim ist mit Stuck dekoriert (s. Sp. 285f.).
C. Vom 30jährigen Krieg bis 3. V. 18. Jh.
1. Rechteckiger Grundriss
Bis zum A. 18. Jh. war der rechteckige Grundriß des F. das übliche. Im Verlauf des 18. Jh. herrschten andere Grundrisse vor.
Das auf der Prager Kleinseite von Andrea Spezza und Giov. Pieroni 1623-1630 erbaute Waldstein-Palais, frühestes Zeugnis einer ersten Phase italienisch bestimmter Barockbaukunst nördl. der Alpen, enthält einen rechteckigen F., der in Grundriß und struktiver Gliederung als Grundtypus zahlreicher F. in dt. Barockschlössern zu gelten hat.
Der einheitlich durch jonische Pilaster gegliederte F. wird an beiden Längsseiten durch doppelte Fensterreihen belichtet und ist an den Schmalseiten mit Blindfenstern ausgestattet. Das Spiegelgewölbe mit Stichkappen wirkt baldachinartig (Abb. 6; Karl M. Swoboda [Hg.], Barock in Böhmen, Mchn. 1964, S. 12, Abb. 2-7; Jaromir Neumann, Das böhmische Barock, Prag 1970, S. 100).
Bei eingreifenden Umbauten und bei Erweiterungen älterer Schloßanlagen liegen die eingeschossigen F. im obersten Vollgeschoß. Auch die mehrgeschossigen F. wurden so angelegt, daß sie mit ihrer Decke an den Dachstuhl heranreichen und durch die konstruktive Verbindung mit dem Dachwerk stützenlos überspannt werden konnten. Weiters geben die inneren Trennwände der unter dem F. gelegenen Stockwerke dem Fußboden die notwendige statische Sicherheit. Der Zugang zum F. führte oft durch Vorräume. Risalite können die Lage des F. nach außen anzeigen.
Das Esterházy-Schloß zu Eisenstadt im Burgenland, eine vierflügelige ma. Anlage, wurde 1663-1672 nach Entw. von Carlo Martino Carlone umgebaut. Der F. im N-Trakt ist ein durch die drei Obergeschosse reichender Rechteckraum mit sieben Achsen, in denen an der Längsseite zum Hof je drei Fenster übereinander sitzen; ursprünglich war die gegenüberliegende Gartenseite ebenso durchfenstert. Ein flaches Spiegelgewölbe überspannt den F. Er ist über einen Vorsaal in der NO-Ecke des Schloßkomplexes erreichbar und liegt mit dem Treppenhaus im O-Flügel nicht in axialer Verbindung. (Kdm. Österr. 24 S. 55ff., 71f.; Adalbert Klaar, Beitr. zu Planaufnahmen österr. Burgen I, Burgenland, Wien 1970 [Österr. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl., Anz. 107,1970, zugleich Min. der Komm. für Burgenforschg., Nr. 14], S. 36f., Pläne 8f.). – Der längsrechteckige, eingeschossige F. im Schloß Ehrenburg in Coburg, der nach den 28 das Gebälk tragenden Atlanten Riesensaal genannt ist, entstand seit 1690 im Rahmen des Schloßumbaus unter Hzg. Albrecht. Er lag im zweiten Obergeschoß in voller Breite des W-Flügels über der doppelstöckigen Schloßkapelle. An beiden Längsseiten ist er von querrechteckigen Vorräumen eingefaßt (Abb. 7; Herb. Brunner, C, Schloß E., Mchn. 1958 [Amtl. Führer], S. 38, Abb. 3; [25] Taf. n. S. 64). – Risalite als Mittel zur Betonung zweier rechteckiger F. am Außenbau zeigten die Fassaden des SO- und NW-Flügels am ab 1698 erbauten Schlüterbau um den zweiten Hof des Berliner Schlosses (abgebrochen 1950). Beide Säle lagen im zweiten Obergeschoß, zum Lustgarten hin der Rittersaal und zum Schloßplatz der Elisabethsaal. Der Zugang erfolgte über doppelläufige, gewendelte Treppen, die hofseitig in kräftig vortretenden Risaliten mit Mittelportalen lagen und auf die in beiden unteren Geschossen Arkadengänge zuführten. Jeder der F. war in eine Enfilade einbezogen (Rich. Borrmann, Die Bau- und K.dkm. von B., Bln. 1893, Abb. 38, Taf. 17-19).
2. F. im Corps de Logis
Mit der Ausbildung des Corps de Logis (RDK III 866-869) erhielt der F. im Schloßgefüge einen festen Ort: er lag in der Mitte des Corps de Logis, im Piano nobile über dem Gartensaal und war zugänglich vom Vestibül im Erdgeschoß über eine Repräsentationstreppe und durch den Vorsaal (salle des gardes). Die Entwicklung verlief in Dtld. seit der 2. H. 17. Jh. nicht zuletzt unter dem Einfluß franz. Vorbilder. Die Enfilade (RDK V 336f.) wurde durch den F. gelegt und im günstigsten Fall (z. B. in der Würzburger Residenz, s. Sp. 294f.) ergab sich von dieser zentralen Stelle aus ein Blick durch sämtliche Repräsentationsräume in der Längsausdehnung des Schlosses.
Der doppelstöckige, flachgedeckte Saal im fürstbisch. Schloß zu Osnabrück (beg. 1668, Corps de Logis bezogen 1673) liegt im ersten Obergeschoß und in der Mitte des Hauptbaus zum Hof hin und empfängt nur von dieser Seite Licht. Der Zugang führte von der Vorhalle im Erdgeschoß über eine doppelarmige Treppe, die auf der Gartenseite liegt (Kdm. Hannover 4,2 Abb. 227). Für die Gesamtdisposition wurden Anregungen vom Pal. de Luxembourg in Paris (beg. 1615: Gustave Hirschfeld, Le Pal. de L., Paris 1931, Abb. S. 21, 29) und von Schloß Raudnitz in Böhmen (1652-1684: Kdm. Böhmen 27 S. 26, Abb. 8) wirksam. – Im für Hzg. Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel durch Balthasar Lauterbach 1688-1698 errichteten Lustschloß Salzdahlum (abgebrochen ab 1813) lag der F. zur Gartenseite im Piano nobile des Corps de Logis und nahm die ganze Breite des Mittelrisalits ein. Der F. war eingeschossig, fünfachsig und einseitig belichtet. Die Verbindung dieses fast quadratischen F. zur offenen Treppenanlage in der Mitte der Hofseite erfolgte durch einen parallel zur Längsachse des F. verlaufenden Gang (Abb. 8; Gerh. Gerkens, Das fürstliche Lustschloß S. ..., Braunschweig 1974 [Quellen und Forschgn. zur braunschweig. Gesch., 22], S. 56ff., bes. S. 60, 62).
Die Raumdistribution änderte sich auch dann nicht grundsätzlich, wenn im Corps de Logis ein großer Mittelpavillon ausgebildet wurde, wie im Schloß zu Pommersfelden (1711-1717 erb. von Joh. Dientzenhofer u. a.).
Der „Marmorsaal“ liegt im Piano nobile über dem Gartensaal und reicht durch zwei Geschosse. Er ist als „carré long“ ausgebildet (zu anderen Planungsphasen s. Heinr. Kreisel, Das Schloß zu P., Mchn. 1953, S. 30) und zeigt als Wandgliederung eine große Ordnung. Das Treppenhaus ist direkt vom Ehrenhof aus zugänglich, ein eigenständiges Vestibül im Erdgeschoß fehlt; der Abschnitt des Treppenumgangs vor dem Portal des F. ist aber als zentrierter Raum, als „Vestibül“ ausgebildet. Die Enfilade ist durch die dem Portal nächstliegende dritte Achse des Marmorsaals geführt, der einzigen, die nicht in dem vortretenden Teil des Mittelpavillons liegt (ebd. Abb. I, Abb. 2, 9-17, 24-28).
Bei Lustschlössern konnte man auf ein Corps de Logis und ein repräsentatives Treppenhaus verzichten; man legte dann den rechteckigen Saal in das erste Vollgeschoß und machte ihn über eine oft doppelläufige Freitreppe zugänglich.
Vgl. den durch drei Geschosse reichenden sog. Großen oder Steinernen Saal des Schlosses Nymphenburg, erbaut nach Entwurf von Agostino Barelli 1664-1675. Der Gartenseite ist in den beiden unteren Geschossen je ein Saal vorgelegt; beim Umbau 1701-1704 wurden diese beiden Säle durch eine große Arkadenstellung zum Hauptsaal geöffnet, so daß der F. von beiden Seiten Licht erhielt (Luisa Hager, N., Mchn. 1955, Abb. d, 4-6, 10-14; G. Hojer und E. D. Schmid, N. ..., Mchn. 1977 [Amtl. Führer], S. 6f., 10f.; ebd. S. 17 und 25 zur Saaldekoration von 1755-1757).
3. Modifizierung des Rechteckgrundrisses durch Abschrägen der Ecken
Eine Modifizierung des Rechteckgrundrisses des im Corps de Logis gelegenen F. durch Abschrägen der Ecken findet sich bei Joh. Lucas von Hildebrandt, so in einem verworfenen Plan für Pommersfelden 1713 (H. Kreisel a. a. O. [Sp. 293] S. 30) und im Oberen Belvedere zu Wien. In der Würzburger Residenz ist dieser seit 1720/21 geplante Grundriß bis zur Ausführung beibehalten worden.
Im Oberen Belvedere zu Wien, erbaut 1721-1722, ist, wie in Pommersfelden, das Treppenhaus von der Ehrenhofseite direkt zugänglich; über eine Freitreppe oder seitliche Rampen erreicht man wegen der Hanglage des Gebäudes bereits das Wendepodest des Treppenhauses. Von hier aus führt einer der Treppenarme hinunter zum Gartensaal, die seitlichen parallelen Arme führen über den „Perron d’Entrée de la salle“, d. h. das obere Treppenpodest hinauf zum Marmorsaal (Abb. 10a und b; Bruno Grimschitz, J. L. v. H., Wien und Mchn. 1959, Abb. 116-131). – Der Grundriß des Kaisersaal genannten F. in der Würzburger Residenz, erbaut 1720-1744 von Balthasar Neumann, entspricht weitgehend dem des F. im Oberen Belvedere. Der Würzburger F. liegt an der Gartenseite des Piano nobile, vor ihm zum Ehrenhof hin der Trabantensaal („Weißer Saal“), unter diesem im Erdgeschoß das Vestibül, an dessen nördliche Längsseite das Treppenhaus anschließt. Diese Anordnung des Treppenhauses geht auf Robert de Cotte zurück, der allerdings noch ein gleichartiges zweites an der südlichen Längsseite plante (Abb. 11 a und b; Rich. Sedlmaier und Rud. Pfister, Die fürstbisch. Residenz zu W., Mchn. 1923, Textbd. S. 29ff., Abb. 59f., Taf.bd. Taf. 83f.).
Diesen „Würzburger Typus“ des Corps de Logis versuchte B. Neumann bei anderen Residenzplanungen durchzusetzen. In der Residenz zu Bruchsal (urspr. Planung 1722 von Maximilian von Welsch) wurden 1731 beim Einbau eines ellipsenzylindrischen zentralen Treppenhauses in den Mitteltrakt des Hauptgebäudes die beiden F. – der Fürstensaal zum Ehrenhof und der Marmorsaal an der Gartenseite – brückenartig durch die runde Plattform des im Piano nobile endenden Treppenhauses verbunden (RDK II 130f. Abb. 18; Harald Keller, Das Treppenhaus im dt. Schloß- und Klosterbau des Barock, Mchn. 1936, S. 111f.).
4. Ovaler Grundriß
F. mit ovalem Grundriß sind in Dtld. seit etwa 1690 zu belegen, zuerst bei Joh. Bernhard Fischer von Erlach und sicher nicht unbeeinflußt von Lorenzo Berninis erstem Entwurf von 1665 für die O-Fassade des Louvre in Paris (Hans Aurenhammer, J. B. F. v. E., Ld. 1973, S. 98, Abb. 53-55; vgl. auch Hellmut Lorenz, Wiener Jb. 32, 1979, S. 59-76). Solche F. können in Lustgebäuden und anderen Gartenpalästen weitgehend verselbständigt sein.
Im ehem. Altanschen Lustgebäude in Wien lag der ovale F. turmartig betont im Kreuzungspunkt zweier diagonaler Gebäudetrakte (erb. um 1693 von J. B. Fischer von Erlach: H. Aurenhammer a. a. O. S. 100, Abb. 64). – Der Weiße Saal beherrscht als Kuppelbau auf ovalem Grundriß das Lustschloß Solitude bei Stuttgart. Der F. ist beidseitig belichtet, durch seine Längsachse ist die Enfilade gelegt (erb. 1763-1767, Entw. von Philippe de la Guêpière: Abb. 12; Gotthilf Kleemann, Schloß S. bei St., Stg. 1966 [Veröffn. des Archivs der Stadt Stg., 19], S. 35ff., Taf. 4-6; [20] Abb. 46).
In größeren Schloßkomplexen können solche ovalen F. an der Fassade als konvexer Mittelrisalit dominierend vortreten.
Im Kernbau des Charlottenburger Schlosses zu Berlin (erb. 1695 - nach 1699, Entw. von Arnold Nering) liegt der F. im Piano nobile über dem gleichfalls ovalen Gartensaal des Erdgeschosses und tritt -ummantelt- mit fünf konkav geschwungenen Polygonseiten pavillonartig vor die Gartenfront. Drei seiner fünf Rundbogenfenster sind als Sichtachsen auf Schloßanlagen in der weiteren Umgebung gerichtet, der F. ist Bezugspunkt für die Zuordnung der Landschaft (Marg. Kühn, Schloß Ch., Bln. 1955, S. 11ff., Textabb. 7 und Abb. 6f.). – Beim Neuen Corps de Logis des Schlosses zu Ludwigsburg, Württ. (voll. 1732, Entw. von Donato Giuseppe Frisoni), ist der ovale sog. Marmorsaal mit seiner Längsachse in die Enfilade eingebunden; er tritt an der Gartenfront segmentbogig als Risalit hervor. Zum ihm vorgelegten Gardensaal gelangt man über zwei dreiläufige Treppen mit Wendepodesten, die das Vestibül im Erdgeschoß flankieren (Rich. Schmidt, Schloß L., Mchn. 1954, S. 29ff., Abb. S. 20, Abb. 47f., 51). – Im eingeschossigen Weinbergschlößchen Sanssouci zu Potsdam liegt der ovale Marmorsaal hinter dem querrechteckigen Vorsaal und ist überkuppelt. Die Enfilade führt durch die Längsachse des F. (Entw. von G. Wenzeslaus von Knobelsdorff nach Ideenskizze Friedrichs d. Gr. von 1744: Willy Kurth, S. ..., Bln. 1962, S. 107ff., Abb. 2, 4, 64ff., Taf. 1-4, 58-63; [20] Abb. S. 22). – Im Schloß Richmond bei Braunschweig (erb. 1769 von Karl Chr. Fleischer) liegt der langgestreckte F. in der Gebäudemitte, seine Schmalseiten sind halbkreisförmig; er nimmt eineinhalb Geschosse ein und erhielt nur indirektes Licht durch Vestibül und Gartensaal (zu nachträglicher Veränderung s. Sp. 299), die den Schmalseiten vorgelegt sind und im Halbkreis aus dem im übrigen über einem quadratischen Grundriß errichteten Bau hervortreten, so die Hauptachse des Schlosses kennzeichnend (Gert Adriani, Schloß R. bei B., Mchn. und Bln. 1966 [Große Baudkm., 204], S. 10-14, Abb. S. 7, 16).
5. F. und Theater
Die Verbindung von F. und Theater zeigt das 1741-1743 von G. W. von Knobelsdorff für Friedrich d. Gr. erbaute Berliner Opernhaus (später stark verändert).
Der für höfische Feste und Redouten bestimmte sog. Apollinische Saal liegt hinter der Portikus an der Gebäudeschmalseite, ist also zwischen Eingang und Logenhaus eingeschoben und nimmt die volle Breite des Gebäudes ein. Der querrechteckige, urspr. von einer Galerie umzogene Saal reicht durch eineinhalb Geschosse und erhält sein Licht vor allem von den vier Fenstern an jeder Schmalseite. Zugänglich war er sowohl über die Freitreppe an der Portikus als auch vom Logenhaus her (R. Borrmann a. a. O. [Sp. 292] Abb. 50; Annelise Streichhan, Knobeldorff und das friderizianische Rokoko, Diss. Rostock 1931, Burg b. Magdeburg 1932, Abb. 13).
6. F. in Klöstern und Stiften
Die Anordnung der F. in den Klöstern und Stiften, vor allem der als Kaisersäle bezeichneten F. (s. Sp. 277f.) in den unter kaiserlicher Oberlehnsherrschaft stehenden Reichsstiften, ist der im Schloßbau vergleichbar. Helga Wagner [21] hat, ausgehend vom Alten F. im 1671-1690 errichteten Konventgebäude der damaligen Benediktinerabtei Benediktbeuren, die Entwicklung in Süddeutschland dargestellt.
In Benediktbeuren tritt der Alte F., ein eingeschossiger und – über abgeschrägter Zwischenzone – flachgedeckte Raum im zweiten Obergeschoß, an der Fassade nicht einmal durch besondere Fensterformen hervor. – Etwa gleichzeitig mit dem Pommersfeldener Schloßbau entstand der Neue Bau der Zisterzienserabtei Ebrach (ab 1715 err.); der F. liegt in der Mitte des Piano nobile und war wohl durch einen Gang mit dem Repräsentationstreppenhaus verbunden (Abb. 9; Walter Jürgen Hofmann, Der Neue Bau von Kloster E., Jb. für fränk. L.forschg. 31, 1971, S. 172ff., Abb. 2,10-12; [25] Taf. vor S. 95). – Oft wurde der Kaisersaal in eine Flucht von Repräsentationsräumen eingebunden.
Am Außenbau wird der F. oft durch Risalite oder pavillonartige Form kenntlich gemacht.
Als flacher Risalit erscheint er in Kloster Ebrach (W. J. Hofmann a. a. O. Abb. 12) sowie in Ottobeuren (erb. 1711-1727), wo der Vorsaal pavillonartig, flankiert von zwei Treppenhäusern, vor die Fassade tritt (RDK II 262 Abb. 15; [25] Taf. n. S. 112). Als Pavillon ist der F. in St. Florian, O.Ö., ausgebildet (beg. 1718: RDK I 1259f. Abb. 9; Thomas Korth, Stift St. F., Nbg. 1975 Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann. Beitr. zur Sprach- und Kw., 49], S. 180f., 188ff., Abb. 48f., 68-71).
Eine Ausnahme macht der F. in Stift Melk, N.Ö., sicher durch die Topographie mitbedingt. Der rechteckige Marmorsaal, voll. 1731, geht durch zwei Geschosse und steht an drei Seiten frei, dem gegenüberliegenden Bibliothekssaal entsprechend. Diese beiden vorspringenden Flügel der Klosteranlage fassen die zurückliegende Doppelturmfassade der Stiftskirche ehrenhofartig ein. Eine Aussichtsterrasse über offener Bogenhalle verbindet beide Gebäude (Kdm. Österr. 3 S. 206f., 250f., Fig. 232, 367; Gerh. Flossmann und Wolfg. Hilger, Stift M. und seine K.schätze, St. Pölten und Wien 1976, Abb. 1f., 25).
7. F. in Stadtpalästen des Adels
Den F. in den Stadtpalästen des Adels, die die gleiche Funktion erfüllen wie die Salons franz. Hôtels, haben diese zumeist teils mehr, teils weniger als Vorbild gedient. Als eine eigenständige Lösung kann man den F. in der Erbdrostei zu Münster i. W. nennen: der F., fast quadratisch, füllt beide Obergeschosse des gesamten Mittelteils in dem freistehenden Gebäude; von zwei Seiten her ist er durch je drei Fenster belichtet. Die Umlauf galerie läßt die Geschoßgliederung verspüren. Eine dreiarmige Treppe mit Wendepodesten erschließt den Saal von einer Seite (erb. 1753-1757 von Joh. Conrad Schlaun: Ausst.kat. „J. C. Sch.“, Münster i. W. 1973 [Schlaunstud., 1], Bildteil 71,3 und 71,5f.).
D. Vom 3. V. 18. Jh. bis M. 19. Jh.
1. F. im Schloß- und Palastbau
Im dt. Schloß- und Palastbau kommt seit dem 3. V. 18. Jh. ein Saaltypus vor, der schon früher in deutscher Architekturtheorie erörtert worden war (Sp. 281): ein Zentralraum vorwiegend über rundem oder oktogonalem Grundriß, oft durch eine Laterne belichtet, der – entgegen seinen Vorläufern im palladianischen Villenbau, wo er dem Bau als herrschender Mittelraum eingefügt ist – nicht nur als F., sondern auch als Durchgangsraum in der Achse vom Vestibül zum F. diente.
Als F. ist ein solcher Saal in dem 1756-1765 von Nicolaus von Pigage errichteten Schloß zu Benrath bei Düsseldorf verwendet. Der kreisrunde F. tritt im Segmentbogen vor die südl. Längsseite des Schlosses; er hat eine kassettierte Kuppel und erhält sein Licht aus der Laterne, jedoch auch durch drei Fenstertüren. Die Raumanordnung des Schlosses hatte schon 1738 Jacques François Blondel [8] niedergelegt (RDK III 827f. Abb. 1; ebd. Sp. 829f. Abb. 2; Edmund Renard, Das neue Schloß zu B., Lpz. 1913, S. 16ff., Abb. 20, Taf. 24). – Der F. in Schloß Richmond bei Braunschweig wurde nachträglich durch Umbau 1782 zu einem Raum dieses Typs, er erhielt zur Verbesserung der Lichtführung einen laternenartigen Aufsatz (s. Sp. 296). – Durchgangsraum zwischen Vestibül und F. ist ein solcher Saal im Pal. Rasumofsky in Wien, erbaut 1803-1807 von Louis Montoyer (Géza Hajós, Das Pal. R. in W. ..., Alte und moderne K. 16, 1971, H. 117 S. 15-18; Ausst.kat. „Klassizismus in W., Archit. und Plastik“, Wien 1978, S. 94, Abb. 4). – Etwa gleichzeitig entstand der Runde Saal in Schloß Ziebingen bei Frankfurt a. d. Oder von Christian Genelli (zerst.; Herm. Schmitz, Berliner Baumeister vom Ausgang des 18. Jh., 21925, S. 267). – Der pantheonartige Kuppelraum mit eingestelltem Säulenkranz – die Kuppel „geöffnet“ auf einen gemalten Himmel, der von Lampen beleuchtet wurde – war der Tanzsaal im ersten Obergeschoß des Pal. des Prinzen Wilhelm in Berlin (erb. 1834-1836 von Carl Ferdinand Langhans nach Plänen von K. F. Schinkel; kriegszerst.: Abb. 15). Dieser Saal lag nahe bei der Hofecke des Zweiflügelbaus, auf dessen beide Achsen er bezogen war. Der weitläufige Zugang führte vom Treppenhaus über einen Vorsaal und den Wintergarten (Johs.Sievers, Die Arbeiten von K. F. Sch. für Prinz Wilhelm, späteren Kg. von Preußen, Bln. 1955 [Schinkelwerk], Abb. 96, 110f.). – Im Baugefüge des Schlosses Babelsberg bei Potsdam dominiert der zwei Geschosse hohe oktogonale F. mit gotisierendem Sterngewölbe; ein triforienartig geführter Gang verläuft in Sohlbankhöhe der oberen Fensterreihe und durchdringt das Mauerwerk der Pfeiler (Teil des Erweiterungsbaus 1844-1849 nach Plänen von Ludwig Persius durch Heinr. Strack: Abb. 16).
Der querrechteckige F. ist weiterhin anzutreffen, z. B. im Rittersaal in der Wiener Hofburg, eingebaut 1804-1807 von Louis Montoyer (Kdm. Österr. 14 S. 309ff., Abb. 305, 315ff.), und im gleichzeitigen, vom selben Architekten errichteten F. des Pal. Rasumofsky in Wien (Abb. 13).
Im Markgräflichen Palais in Karlsruhe (von Friedrich Weinbrenner, 1807 Rohbau voll.; kriegszerst.) lag der querrechteckige, beidseits von Gesellschaftsräumen flankierte F. im Hauptgeschoß des Corps de Logis hinter der Portikus an der Platzfront. Ein Speisesaal über gleichem Grundriß lag zur Gartenseite; der Umgang des repräsentativen Treppenhauses, das Zentrum des Corps de Logis, ist als Durchgangsraum zwischen beiden Sälen zu betrachten (Arthur Valdenaire, F. W., Karlsruhe 21926, Abb. 112; Ulrich Bäte, Das Markgräfl. Pal. in K., Bauwelt 24, 1965, S. 695ff., Abb. 4ff.). – Im F.bau der Münchner Residenz, 1832-1842 nach Entw. von Leo von Klenze errichtet, lagen im Piano nobile mehrere, durch eine Enfilade verbundene große Säle: Ballsaal, drei Kaisersäle und Thronsaal. Der für die großen Staatsakte erstellte Thronsaal war eine rechteckige zweigeschossige Halle mit Kassettendecke, mit Fenstern an beiden Längsseiten, vor denen eine von korinthischen Säulen getragene Galerie lag. Im angrenzenden Saal Kaiser Rudolfs von Habsburg, der als Durchgangsraum von den davor liegenden Sälen zum Thronsaal diente, setzte sich dieses System der Säulenstellung fort. Am Außenbau gegen den Hofgarten ist diesen beiden Sälen ein Loggienbau vorgelegt, dessen Statuenschmuck aus Personifikationen der acht bayerischen Kreise in der Einteilung von 1837 besteht (Allg. Bauztg. 7, 1842, S. 260-267, Atlas Taf. 470f.; Residenz M., Mchn. 1937 [Amtl. Führer], Nr. 35-40, Abb. 21).
2. F. im Stadtpalast und repräsentativen Landhaus
Der Stadtpalast in kleineren Abmessungen und das repräsentative Landhaus des Klassizismus besitzt in der Regel keinen Raum, der durch seine Größe gegenüber den anderen Wohnräumen eindeutig als F. hervorgehoben ist.
In einigen Landhäusern namentlich des Berliner Frühklassizismus begegnet man einem als „Salon“ bezeichneten Raum in der Mittelachse, oft über ellipsenförmigem Grundriß; häufig stellt eine Gartenterrasse eine Verbindung mit der Natur her. Man darf diesen Raum sicherlich als eine Modifikation des herkömmlichen F. für die Bedürfnisse des Großbürgertums ansehen (z. B. ehem. Möltersches Landhaus in Berlin, Entw. von Friedrich Gilly dat. 1799: H. Schmitz a. a. O. [Sp. 299] Abb. S. 245; Alste Oncken, F. G. 1772-1800, Bln. 1935 [Forschgn. zur Dt. Kg., 5], S. 83, Taf. 62 c).
In Landhäusern, denen ein F. fehlt (z. B. von Chrn. Frederik Hansen in Hamburg-Altona und von Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe), wurde aus der „sala grande“ des palladianischen Villenschemas ein zentraler Durchgangsraum (Werner Jakstein, Landbaumeister Ch. F. H., Neumünster i. H. 1937 [Stud. zur schleswig-holst. Kg., 2], S. 41, Abb. 38: Landhaus Böhl, um 1797/98; vgl. ebd. Abb. 43; A. Valdenaire a. a. O. [Sp. 300] Abb. 131).
3. F. in Kurhäusern
Ausdruck einer neuen Gesellschaftsordnung, die geprägt war vom „Aufstieg des Bürgertums“, sind die seit dem späten 18. Jh. in den großen Badeorten errichteten Kurhäuser mit Gesellschaftsräumen, Speisesälen und zuweilen mit Spielkasinos sowie die *Redouten, bevorzugt rechteckige Säle (Abb. 14).
Als frühes Beispiel sei der Ballsaal in dem 1782-1786 von Jakob Couven erbauten Alten Kurhaus zu Aachen genannt, ein Rechtecksaal im Maßverhältnis von etwa 1:2, der beide Obergeschosse einnahm und mit einem flachen Spiegelgewölbe mit Stichkappen eingedeckt war (Kdm. Rheinprov. 10,3 S. 187-192, Fig. 89, Taf. VI).-Im Mitteltrakt der weitläufigen Kurhausanlage von Baden-Baden, die F. Weinbrenner 1821-1824 erbaute, befindet sich hinter einer achtsäuligen Portikus ebenerdig ein eineinhalb Geschosse hoher, querrechteckiger Kursaal. An drei Seiten schließen kleinere rechteckige Speise- und Spielsäle an (ein weiterer großer Speisesaal liegt in einem der Seitentrakte: A. Valdenaire a. a. O. S. 187ff., Abb. 175; Kdm. Baden 11,1 S. 331ff., Abb. 260f.). – Der heutige Kursaal in Bad Kissingen (Entw. 1845 von Friedrich von Gärtner), ein dreischiffiger, basilikaler Längsrechteckraum mit Halbkreisapsis nach dem Vorbild des Münchner Odeons von Leo von Klenze, steht in der Mittelachse der U-förmig angelegten Wandelhalle. Fünf Pfeilerarkaden der Wandelhalle haben zugleich die Funktion der Vorhalle des F. und sind in einer zweiten Reihe darüber zur Gliederung der Stirnseite des Kursaales wiederholt (Oswald Hederer, F. v. G. 1792-1847 ..., Mchn. 1976 [Stud. zur K. des 19. Jh., 30], S. 189ff., Abb. 128-131).
Zu den Abbildungen
1. Egidius II Sadeler, Innenansicht des Wladislawsaales der Prager Burg (erb. um 1493-1502) mit den Ladeneinbauten unter Kaiser Rudolf II. Radierung, 56,3X61,4 cm. Dat. 1607. Foto M. Prause, Bln., Nr. 07701.
2. Spittal a. d. Drau, Schloß Porcia, Grundriß des 1. Obergeschosses. Beg. nach 1533. Umzchg. nach R. Wagner-Rieger a. a. O. (Sp. 285) Fig. 3.
3. Landshut, Stadtresidenz, Italienischer Saal. 1541 bis 1542. Foto Bayer. LA für Dpfl., Mchn.
4. Schloß Heiligenberg, Baden, Rittersaal. Um 1575-1584. Foto Schneiders, Lindau, Nr. 9897.
5. Jakob Wolff d. Ä. (um 1546-vor 1612), Das Große Lusthaus in Stuttgart (erb. ab 1583), Schnitt. Lavierte Federzchg. (72,5 × 41 cm) im sog. Stromerschen Baumeisterbuch, fol. 180. Altdorf bei Nürnberg, Freiherrlich von Stromersche Familie. Nach Fleischhauer, Renss., Abb. 30.
6. Andrea Spezza und Giov. Pieroni, Waldstein-Palais in Prag, F. 1623-1630. Nach J. Neumann a. a. O. (Sp. 290) Abb. 4.
7. Coburg, sog. Riesensaal in Schloß Ehrenburg. Ab 1690 erb. Foto Coburger L.stiftung, Coburg.
8. Pieter Schenk, Schloß Salzdahlum (erb. 1688-1698), Gartenfront mit F.risalit. Radierung (Ausschnitt), Ges.maße 49 × 60 cm. 1706. Foto StMPK, K.bibl., Bln.
9. Ebrach, ehem. Zisterzienserabtei, Kaisersaal (jetzt Anstaltskirche). Ab 1715 erb. Foto Gundermann, Würzburg, Nr. 7848.
10a und b. Salomon Kleiner (Entw.), Joh. Aug. Corvinus (a) und Joh. Jacob Graeßmann (b; Ausf.), Oberes Belvedere in Wien (erb. 1721-1722 von J. L. von Hildebrandt), Grundriß des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses (a) und Schnitt durch die Mittelachse des Corps de Logis (b). Kupferstiche (Ausschnitte, Ges.maße ca. 30 × 40 cm) aus: Residences Memorabiles ... oder Eigentliche Vor- und Abbildungen der Hoff- Lust- und Garten Gebäude... Eugenii Francisci Hertzogen von Savoyen..., Augsb. 1731-1740. Foto Österr. Nat.bibl., Wien, Nr. 214 966, 214 971.
11 a. Balthasar Neumann, Residenz in Würzburg, Grundriß des Corps de Logis im 1. Obergeschoß. 1720-1744. Nach R. Sedlmaier und R. Pfister a. a. O. (Sp. 295) Textbd. Abb. 60 (Ausschnitt).
11b. B. Neumann, Residenz in Würzburg, Querschnitt durch den Mittelpavillon des Corps de Logis. Grau lavierte Federzchg., 41,9 × 41,6 cm. Berlin, StMPK, K.bibl., Hdz. 4690. Sign. und dat. 1730. Foto Ges. für wiss. Lichtbild, Mchn.
12. Philippe de la Guêpière, Lustschloß Solitude bei Stuttgart. 1763-1767. Foto L. Schaller, Stg.
13. Louis Montoyer, Pal. Rasumofsky in Wien, F. 1803-1807. Nach Alte und moderne K. 16, 1971, H. 117, S. 19 Abb. 1.
14. Josef Thürmer, Entwurf I für das Kurhaus von Bad Brückenau, Längs- und Querschnitt. Feder über Bleistift, braun laviert, 43,5X59,5 cm. München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Planslg., Plan 15974. Signiert und dat. „J. Thürmer Comp. u. gez. Rom 1826“. Foto Archiv.
15. C. F. Langhans nach Plänen von K. F. Schinkel, Prinz Wilhelm-Palais in Berlin (kriegszerst.), Tanzsaal. 1834-1836. Foto DKV.
16. Ludwig Persius (Entw.) und Heinr. Strack (Bauleitung), Schloß Babelsberg in Potsdam, F. 1844-1849. Foto DKV.
Literatur
Quellen: 1. Jacques Androuet du Cerceau, Les trois Livres d’archit., Paris 1559-1582 (Ndr. Ridgewood, N. J., 1965). – 2. Andrea Palladio, I quattro libri dell’archit., Ven. 1570 (Ndr. Mail. 1945). – 3. Vincenzo Scamozzi, L’idea archit. universale, Ven. 1615, Teil 1.– 4. Furttenbach, Archit. civ. – 5. Goldmann-Sturm. – 6. Leonbard Chr. Sturm, Erste Ausübung der Vortreflichen und Vollständigen Anweisung zu der Civil-Bau-K. Nicolai Goldmanns..., hg. von L. Ch. St., Braunschweig 1699. – 7. Decker. – 8. Jacques François Blondel, De la Distribution des Maisons de Plaisance, 2 Bde., Paris 1737. – 9. Germain Boffrand, Livre d’archit. ..., Paris 1745. – 10. Blondel d. J., Cours. – 11. Blondel d. J., Archit. – 12. Friedr. Chrn. Schmidt, Der bürgerl. Baumeister, 1. T., Gotha 1760.
13. Martin Wackernagel, Hdb. d. Kw., S. 172f. – 14. Hans Rose, Spätbarock, Mchn. 1922, S. 168ff. – 15. Klaus Heinhold, Der F. der Renss. und des Frühbarock in S-Dtld., Diss. Breslau 1937. – 16. Heinr. Karl Liechtenstein, Die Dekoration des F. im Wiener Hochbarock 1650-1730, Diss. Wien 1948. – 17. Walter-Gerd Fleck, Schloß Weikersheim und die Hohenlohischen Schlösser der Renss., Tüb. 1954 (Tüb. Forschgn. zur Kg., H. 8). – 18. August Gebeßler, Der profane Saal des 16. Jh. in S-Dtld. und den Alpenländern..., Diss. Mchn. 1957. – 19. Leonie von Wilckens, Alte dt. Innenräume vom MA bis zum 17. Jh., Königstein i. T. 1959. – 20. Dies., Fest- und Wohnräume vom Barock bis zum Klassizismus, Königstein i. T. 1963. – 21. Helga Wagner, Barocke F. in süddt. Klosterbauten, Diss. FU Bln. 1965. – 22. Harald Zielske, in: Ausst.kat. „Das barocke Fest“, Bln. 1966, Einleitung. – 23. Arnulf Herbst, Zur Ikonologie des barocken Kaisersaals, 106. Ber. des hist. Ver. ... Bamberg 1970, S. 207-344 (Diss. Ffm. 1970). – 24. Walter Hotz, Kleine Kg. der dt. Schlösser, Darmstadt 21974. – 25. H. Wagner und Ursula Pfistermeister, Barocke F. in bayerischen Schlössern und Klöstern, Mchn. 1974.
Verweise
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