Filz
englisch: Felt; französisch: Feutre; italienisch: Feltro.
Ulrike Zang (1986)
RDK VIII, 1185–1196
I. Definition, Abgrenzung
F. ist ein dichter und zäher Stoff aus unversponnenen Tierhaaren. Er wird hergestellt durch das Einwirkenlassen von feuchter Wärme, von Druck und von Bewegung auf ein Gemenge („Vlies“) wirr übereinanderliegender Haare, die sich dabei verschlingen („verfilzen“; [18] Bd. 1 S. 428f. mit Darlegung der F.theorien), und das Vlies kann anschließend je nach Bedarf durch Walken weiter verdichtet werden. Der F. stößt Wasser ab (was durch Imprägnieren verstärkt werden kann), ist einerseits gut formbar, andererseits formbeständig, und isoliert gegen Kälte und Wärme.
Um diese Eigenschaften auch gewebten und gestrickten Wollstoffen zu verleihen, werden diese gewalkt und erhalten dadurch eine verfilzte Oberfläche (z. B. der Loden). Über solche Stoffe, die in moderner Literatur manchmal als „gewebter F.“ bezeichnet werden, wird hier nicht gehandelt (vgl. allgemein Lisa Adebahr-Dörel, Von der Faser zum Stoff, Hbg. 1982, S. 121; [18] Bd. 1 S. 435, Bd. 2 S. 95).
Ist in Schriftquellen F. genannt, kann sowohl dieser als auch ein Stoff mit filziger Oberfläche gemeint sein. So werden die dick gewalkten wollenen Tücher, die der Papiermacher zwischen die frisch geschöpften Bogen einlegt, in dessen Sprache als F. bezeichnet ([5] S. 354; s. auch Lenormand’s Hdb. der gesammten Papierfabrikation, 3. Aufl., bearb. von Bernh. Dropisch, Weimar 1881 [Neuer Schauplatz, Bd. 73], S. 262f.).
II. Wort
Die Herkunft des Wortes F. ist umstritten. Im Deutschen kann es über mhd. vilz bis zu ahd. filz, vilz, uilz zurückverfolgt werden (vgl. [16] Sp. 848). In welcher Relation das Wort zu mlat. Bezeichnungen für F. steht, wird unterschiedlich beurteilt (dazu unten). Letztere sind außerordentlich variabel: neben dem für das 8. Jh. belegten feltrum, filtrum auch piltrus, philtrus, viltrus, feltrus, feutras, fautrus, filtrinus ([15] S. 427; [10] S. 428; vgl. auch R. E. Latham, Revised Medieval Latin wordlist from British and Irish sources, Ld. 1965, S. 191, Belege seit 11. Jh.).
Die Benennung leitete man vom Material (Haar) oder von der Tätigkeit bei der Herstellung ab (stampfen, verdichten).
Ob und wann das ahd./mhd. Wort durch Lautverschiebung aus lat. „pilus“, „pileus“ (griech. πῖλώς) gebildet wurde, läßt Grimm offen (Bd. 3 Sp. 1632). A. Götze führte es - gleich angelsächs./engl. „felt“ – auf germ. „*-felti“ zurück, dessen Grundbedeutung „stoßen“ sei: Germanen hätten den F. als „gestampfte Masse aus Tierhaaren“ erfunden und wie die Sache, so das Wort den Romanen weitergegeben, wie dies auch bei anderen Termini des Textilhandwerks der Fall gewesen wäre (Rocken, Haspel; [13] S. 346). Dieser Ableitung widersprach Jos. Brüch: sie lasse das „r“ im mlat. „filtrum“ unerklärt, außerdem vermenge der Hinweis auf Rocken und Haspel „das Filzen mit dem Weben“. Bruch möchte deswegen ein erschlossenes westgerm. „*felt“ (Plural *filtir) zugrundelegen (Die Sippe des franz. feutre „F.“, Österr. Akad. der Wiss., philos.-hist. Kl., Sb., Bd. 235, 5. Abh., Wien 1960, S. 9ff.; Walther von Wartburg, Franz. etymolog. Wb., 3. Bd., Lpz. und Paris 1934 [Ndr. Tüb. 1949], S. 525f. s. v. *filtir; vgl. auch [10] S. 428f. s. v. „Feltrum“ und Kluge-Mitzka S. 197).
Das mlat. „filtrum“, Seihtuch aus F., leitete der italienische Dominikaner Giov. Balbi († 1298) von „filum“ ab, weil es „ex filis, id est pilis animalium“ gemacht werde (Catholicon, ed. princ. Mainz 1460 [Ndr. Meisenheim 1971], s. v. „filtrum“).
Zum Gebrauch des Wortes Filz in der Mundart (für Moorgrund) und im übertragenen Sinn („grober, ungeschliffener Mensch“, „Geizhals“, „Rüge“) vgl. [8] Sp. 1632ff.; Joh. Andr. Schmeller, Bayer. Wb., Bd. 1, Mchn. 1872 [Ndr. Mchn. 1983], Sp. 717; [13] S. 346; auch Moritz Heyne, Dt. Wb., Bd. 1, Lpz. 21905, Sp. 912.
III. Material, Herstellung
Man unterscheidet nach dem hauptsächlich verarbeiteten Material zwischen Woll-F. aus Schafwolle und Haar-F. aus dem Haar anderer Tiere. Mischungen unterschiedlicher Woll- und Haarsorten sind häufig [18, Bd. 1 S. 427].
Als Ausgangsmaterial kann das Haar aller Tierarten dienen. Schlecht filzendes, z. B. das der Katze, benutzte man kaum, das von Roß, Kalb und Kuh nur für sehr groben F.; auch mit dem Haar vom Hunde, besonders vom Pudel, und mit Wolle bestimmter Schafrassen und -zuchtgebiete erreichte man nur mindere F.qualität. Gut filzt sehr kurze, feine Schaf- und Lammwolle sowie Haar von Kamel, Ziege und Alpaka. Sehr feinen F. ergibt das zuvor gebeizte Haar von Hase und Kaninchen sowie vom Biber, welch letzteres allerdings nur selten unvermischt verarbeitet wurde (z. B. zu „viertel“ oder „halben Castorhüten“ – die Bezeichnungen geben kein Mischungsverhältnis an). Kostengründe schlossen die Verwendung vom Haar des Fischotters und des Zobels sowie anderen edlen Pelzwerks weithin aus (vgl. [4] S. 51-60; [5] S. 349f.; [6] S. 6-16 und 27f.; [7] S. 584ff.; [18] Bd. 1 S. 427). Über Mischungen aus Wolle und Seide oder Baumwolle zur Hutfertigung s. [4] S. 59f., [6] S. 220.
Die Art der Herstellung hängt von der dem fertigen Produkt zugedachten Verwendung ab, auch davon, welches Ausgangsmaterial man wählte (was wiederum das Verfahren der F.herstellung präjudizieren konnte).
Bei der primitiven Herstellung glatter F.stücke wurde auf eine Matte, die so groß war wie das gewünschte Produkt, ein dicker „Pelz“ aus gereinigtem, möglichst kurzfasrigen Tierhaar gestreut, dieses angefeuchtet und zusammen mit der Unterlage eingerollt. Nachdem die Rolle eine Zeitlang mit den Unterarmen, Knien oder Füßen geschlagen worden war, wurde sie entrollt, in anderer Richtung wieder eingerollt und erneut geschlagen. Dieses Tun wurde mehrfach wiederholt und konnte sich über Stunden hinziehen.
Farbig gemusterter F. konnte durch Auflegen oder Einsetzen andersfarbiger F.stücke oder von Wollfäden gewonnen werden (Berthold Laufer, The early hist. of felt, Amer. Anthropologist N.S. 32, 1930, S. 3; lt. Krünitz wandten die Kalmücken solche Verfahren an: [5] S. 351).
Komplizierter war die Herstellung von Hüten und anderer nahtlos schlauchförmiger Ware (z. B. Socken und Pantoffel). In diesen Fällen formte man den Gegenstand während des Filzens.
Nach Vorbereitung der Haare (Beizen, Abschneiden, Krempeln) wurden diese mit Hilfe des „Fachbogens“, einer an einem Holz befestigten Darmsaite (vgl. Abb. 1), geschlagen („gefacht“) und so entstaubt, aufgelockert und vermischt (Abb. 2 a). Sodann formte man auf der „F.tafel“, einem (erwärmten) Kupferblech, je nach Bedarf Teilstücke: die losen Haare wurden in eine bestimmte Form zusammengeschoben, mit einem Sieb überdeckt und mit den Händen ineinander gearbeitet; das dadurch entstandene „Fach“ wurde auf das „F.tuch“, ein angefeuchtetes Stück Leinwand, gelegt, mit diesem bedeckt und wiederum mit den Fingern gedrückt und gerieben (Abb. 2 b). Mehrere gleichgeformte, durch „F.kerne“ (Stücke Papiers oder Leinwands) voneinander getrennte „Fache“ konnten gleichzeitig bearbeitet werden. Die einzelnen Teilstücke wurden an den Kanten miteinander verfilzt, zusammengefaltet und dann gewalkt. Nach dem Walken (Abb. 2 c) war der F. so dicht und fest, daß er kaum mehr zerrissen werden konnte. Hüte wurden anschließend auf Formen aufgezogen und noch weiter bearbeitet. Ein sehr kompliziertes Herstellungsverfahren von F. für einen Hut aus Hasenhaar beschrieb 1836 G. Altmütter [7] S. 586ff.; vgl. auch [3] S. 722f., [4] S. 64ff. und [6] S. 10ff., 28ff., 43ff., 53ff., 67ff., 106ff., 141ff., 161ff., 175ff. und 189ff.
IV. Geschichte, Hersteller
Die Geschichte der F.herstellung und -Verwendung reicht weit in die Vorzeit zurück, zählt doch das Verfertigen von F. zu den wohl ältesten textilen Techniken (so jedenfalls B. Laufer a. a. O. S. 1).
Die frühesten in Mitteleuropa erhaltenen gefilzten Textilien stammen aus der Bronzezeit (Mütze aus mehreren, durch Walken miteinander verbundenen Lagen im Nat.mus. Kopenhagen: Kat. 1957, S. 46; [17] S. 22ff.; F.reste fand man in Hessen und Niedersachsen in Gräbern der jüngeren Bronzezeit: ebd.).
Griechische Quellen bezeugen die Verwendung von F. bei den Skythen (Herodot, Hist. IV, 23, 73, 75) und Persern (Plutarch, Artaxerxes 11), auch in Griechenland selbst (vgl. die Belege in der griech. Literatur bei Henry George Liddell und Rob. Scott, A Greek-English Lex., Oxf. 1968, S. 1404; RE Bd. 20 Sp. 1330-1333). - In Italien gibt es aus dem 1. Jh. nach Chr. Darstellungen von Arbeitern, die F. herstellen (Gerh. Zimmer, Röm. Berufsdarstellungen, Bln. 1982 [Arch. Forschgn., Bd. 12], S. 27f., Kat.nr. 42 und 44f.; vgl. auch Walter O. Moeller, The wool trade of ancient Pompeii, Leiden 1976 [Stud. of the Dutch Arch. and Hist. Soc., Bd. 3], S. 51ff., Abb. IV und IXf.). Zum Pilleus des Römers vgl. RE Bd. 20 Sp. 1328-1330 (weitere Belege im Thes. ling. lat., Bd. 3 Sp. 1368f. s. v. „coactilis“ und „coactor“). - Plinius d. Ä. erwähnt Polster aus ausgekochter Wolle als Erfindung der gallischen Länder (Nat. hist. VIII, 73,192: ed. König, S. 140).
Daß F. in spätantiken Schriftquellen kaum erwähnt wird, muß nicht bedeuten, seine Verwendung sei ungebräuchlich geworden.
Seit dem 8. Jh. ist in den Quellen wieder von F., häufiger von aus ihm gefertigten Gegenständen die Rede (s. auch V).
Der F. konnte sowohl vom Wollproduzenten als auch von eigenen Handwerkszweigen hergestellt und verarbeitet werden.
Herstellung zur Deckung des Eigenbedarfs ist, wenn auch kaum nachweisbar, im MA vor allem bei den Bauern zu vermuten; sie führten F. und F.produkte als Teil der dem Grundherrn geschuldeten Abgaben an diesen ab (Erich Kober, Die Anfänge des dt. Wollgewerbes, Bln. und Lpz. 1908 [Abhn. zur mittl. und neueren Gesch., H. 8], S. 17). In den Städten ist eher mit spezialisierten Handwerkern zu rechnen, F.werkstätten sind dort seit dem 12. Jh. belegt; die von da an vorkommenden Bezeichnungen bezeugen einen eigenständigen Beruf („feltrerius“: [10] Bd. 3 S. 428; „felter“, „vertere“: [14] S. 480; „fautrier“, „feutrier“: [12] Sp. 1666 und 1798; „vilzer“: [9] Sp. 352; „filzer“: [8] Sp. 1635).
Zusammenschlüsse der F.hersteller (oder -verarbeiter) gab es in Deutschland seit dem 13. Jh.
Den „operariis pilleorum, qui vulgo dicuntur vilcinhůde“, wurde in Köln 1225 eine Bruderschaft zugestanden (Friedr. Keutgen, Ämter und Zünfte, Jena 1903, S. 177). In Halberstadt wurden die Filzer 1230 der Innung der Schuhmacher angegliedert (ebd. S. 209), die Hutmacher dort erlangten 1284 ein erweitertes Innungsprivileg (ebd. S. 226). 1310 waren in Hildesheim Hut- und F.macher in einer Innung (ebd. S. 249). In Krakau hatten die Hutmacher im frühen 16. Jh. ein Wappen, dessen Bild als Produkte dieser Zunft F.hut und -stiefel zeigte, getrennt von zwei gekreuzten Fachbogen, Werkzeugen, die bei der F.herstellung benutzt wurden (s. Sp. 1187; Abb. 1). In Lübeck bestanden 1585 nebeneinander die Ämter der Hutfilter, der F.macher und der Hutmacher (Johs. Warncke, Handwerk und Zünfte in L., Lübeck 1937, S. 32); Hans Sachs’ „Huter“ preist auch F.socken an (Amman-Sachs, Ständebuch, S. 57). Eine klare Trennung der Tätigkeit von Filzer und Hutmacher scheint auch im 18. Jh. nicht die Regel gewesen zu sein; sie hängt von örtlichen Gegebenheiten ab, und lokale Zustände lassen sich nicht generalisieren. Zu den Meisterstücken des Hutmachers gehörte nach J. Hübner in „Teutschland“ auch die Fertigung von F.stiefeln ohne Naht [2, Sp. 1004]. Laut Krünitz fertigten die Hutmacher „Husaren- und Heiducken-Mützen, F.stiefeln und F.schuhe ohne Naht, falsche Waden, Filtrirhüte, graue und grüne Jagdhüte, und andere Sachen von F.“ [4, S. 169]. Danziger F.macher stellten aus schlechter Wolle, Kuh- und Kälberhaar „gantze 1½ Ellen lange und 1 Elle breite F.flecke“ her, Kürschner und Schuster kauften sie und arbeiteten daraus „Müffe, Mützen, Mäntel, Matrazen, Sohlen, Schuhe, Stiefeln etc.“ [5, S. 355f.]; vgl. auch [3] S. 722f.
Neben dem zünftigen Hutmacherhandwerk bestanden im 18. Jh. auch Manufakturen: im 3. Dr. dieses Jh. zählte man in Berlin 55 Meister und 2 Manufakturen, in Potsdam 18 Meister, 15 Gesellen und eine Manufaktur [4, S. 179]. Maschinen zur Herstellung von F.hüten nennt 1836 G. Altmütter [7, S. 601ff.]; industrielle Fertigung von F. und Produkten daraus setzte M. 19. Jh. ein.
V. Verwendung
1. Auf Grund seiner Eigenschaften lag es nahe, F. für Wind und Wetter ausgesetzte Bekleidung zu verwenden.
Aus F. fertigte man Kopfbedeckungen (s. Sp. 1187; Abb. 4; Hut) und Schuhwerk für den Winter (s. Sp. 1191). In ma. Quellen ist von „calcei filtrati“ häufig die Rede ([10] S. 429; [15] S. 427; [9] Sp. 351f.; [8] Sp. 1637f.). Abt Wilhelm von Hirsau beschrieb im Rahmen der klösterlichen Gebärdesprache während der Schweigezeit ein besonderes Zeichen für F.schuhe (Constitutiones Hirsaugenses, verfaßt 1075, lib. I cap. 16: Migne, P.L., Bd. 150 Sp. 247). Von bayerischen Klöstern wurden F.schuhe als Abgabe eingefordert (Elisabethzell a. d. Donau, 1347; Mon. Boica, Bd. 12, Mchn. 1775 [Ndr. 1964], S. 316; eine Weihenstephaner Urkunde von „1146“ gilt z.T. als Fälschung, ist aber inhaltlich unbestritten: ebd. Bd. 9, Mchn. 1767 [Ndr. 1964], S. 503). Noch 1537 berichtete der Abt von Kloster Heilsbronn über F.stiefel, die „bis daher ... vor alters und noch“ der Stadt Nürnberg als Gegenleistung für Zollfreiheit zustanden (Johs. Ferd. Roth, Gesch. des Nürnbergischen Handels, 4. T., Lpz. 1802, S. 26; s. auch ebd. S. 15, 33 und 35). Krünitz schrieb, F.stiefel wären ehedem häufiger getragen worden, ja sogar an einigen Höfen sei es erlaubt gewesen, in F.stiefeln zu erscheinen [5, S. 350]. F.mäntel dienten als Regenschutz (Woordenboek der Nederlandsche Taal, 21. T., hg. von C. H. A. Kruyskamp, s’ Gravenhage und Leiden 1971, Sp. 688); Hans Sachs ließ 1579 in einem Faßnachtsspiel einen Reiter „in einem Filtzmantel herreiten“ (Werke hg. von Adelbert von Keller und Edmund Goetze, Bd. 21, Tüb. 1892 [Bibl. Lit. Ver., Bd. 195], S. 11. 24, zit. bei [8] Sp. 1637, dort weitere Belege; s. auch [16] Sp. 849), und auch Pilger trugen F.mäntel (Abb. 3; Ausst.kat. „Wallfahrt kennt keine Grenzen“, Mchn. 1984, Kat.nr. 83, Mantel des Ritters Jakob Trapp von seiner Reise nach Jerusalem, 1560; es handelt sich um Umhänge aus einzelnen, an den Kanten zusammengenähten F.stücken). Andere Kleidungsstücke, z. B. Westen, aus F. herzustellen, erwies sich als unzweckmäßig, da die Nähte nicht hielten und durch Abrieb rasch Verschleiß eintrat ([5] S. 350; [7] S. 626).
Daß der Judenfleck ein Rad aus F. oder Tuch sei, schrieb Papst Gregor IX. 1234 (Felix Singermann, Die Kennzeichnung der Juden im MA, Bln. 1915, S. 26; s. auch Juden). Safrangelbe Farbe des aus F. gefertigten Rades wurde 1269 in Frankreich den Juden vorgeschrieben (ebd. S. 20), dieselbe Farbe und die Form als zwei Tafeln aus F. seit 1275 denen in England (ebd. S. 17f.).
Mehrfach ist in ma. Quellen der Gebrauch von F. für Teile der Rüstung erwähnt; daß mit Essig behandelter F. dem Schwert und auch dem Feuer widerstehen könne, behauptete schon Plinius (a. a. O. [Sp. 1188]).
Abt Engelbert von St. Gallen ließ für den Kampf gegen die Ungarn Panzer aus F. herstellen (Ekkehard IV, Casus sancti Galli, cap. 3: hg. und übers. von Hans F. Haefele, Darmstadt 1980 [Ausgewählte Quellen zur dt. Gesch. des MA, Bd. 10], S. 114). Von Helmen aus F. ist im „Carmen de bello Saxonico“, verfaßt 1075/1076, V. 106 die Rede (hg. und übers. von Franz-Jos. Schmale und Irene Schmale-Ott, Bln. bzw. Darmstadt 1963 [Ausgewählte Quellen zur dt. Gesch. des MA, Bd. 12], S. 178f.). – Stücke der Rüstung mit F. zu füttern, war wohl üblicher, als es nach den Schriftquellen den Anschein hat (vgl. Alwin Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesänger, 2. Bd., Lpz. 1879, S. 28, 32 und 46). Am Topfhelm des Albert von Prankh (Österr., M. 14. Jh.) ist eine Verstärkungsplatte vor der rechten Gesichtshälfte mit F. unterlegt (Kh. Mus. Wien, Waffenslg., Kat. der Leibrüstkammer, 1. T., Wien 1976 [Führer durch das Kh. Mus., Nr. 13], S. 37f.). Kg. Karl VIII. von Frankreich ließ 1488 seinen Küraß mit weißem Hut-F. füttern [11, S. 709]. Die zum Halbharnisch gehörenden Tartschen für das „Festanzogenrennen“ hatten in der Zeit um 1480/1515 eine mit Leder überzogene Innenpolsterung aus Haar-F. (so Kh. Mus. Wien, Waffenslg. a. a. O. S. 159).
Bei der Ausrüstung von Pferden verwendete man F. vor allem für Satteldecken.
Sowohl die Lex Baiwariorum, 1. H. 8. Jh. (ed. Ernst von Schwind: MG Legum Sectio 1, Bd. 5, 2 S. 299), als auch einer der kurz vor 1270 verfaßten Zusätze zum Sachsenspiegel (ed. Karl Aug. Eckhardt: MG Fontes iuris Germ. antiqui N.S. 1, 1 S. 268) bedrohen den Diebstahl von filzenen Satteldecken mit Strafe. Zwei Stücke F. für Sattelschabracken wurden 1421/1422 für Hzg. Philipp den Guten von Burgund gekauft ([11] S. 709; vgl. auch A. Schultz a. a. O. Bd. 1 S. 386f., Bd. 2 S. 248f.; [12] Sp. 1664f.). Eine Anleitung für Hutmacher, wie F.schabracken herzustellen seien, gab noch 1828 C. Pilzecker [6, S. 218].
Daß Zelte aus F. im Orient gebräuchlich waren, erfuhr man im MA aus Texten ganz verschiedener Art, z. B. aus Willirams „Expositio in Canticum Canticorum“, 9, 5 (Erminnie Hollis Bartelmez, The „Expositio in Cant. Cant.“ of Williram Abbot of Ebersberg 1048-1085. A Critical Ed., Philadelphia 1967 [Mem. of the Amer. Philos. Soc, Bd. 69], S. 547: die Ismaeliten hatten keine Häuser, sie wohnten in „hospicia“ „de filtris“; in mhd. Übersetzungen in „ókkeret uílz hûs“: ebd. S. 2 und 50). Marco Polo berichtete von mit F. bedeckten Zelten der Mongolen (Il Milione, LVII [LXIX]: ed. Dante Olivieri, Bari 21928, S. 61).
F. wurde im Wohnbereich u.a. für Polster, Kissen und Matratzen gebraucht.
Häufig kommt in Schriftquellen die Materialbezeichnung F. statt der des gemeinten Gegenstandes vor, was für die Verbreitung von F. spricht, eine eindeutige Bestimmung des Gegenstandes aber nicht zuläßt (vgl. die bei W. v. Wartburg a. a. O. [Sp. 1186] S. 525 genannten Textstellen; s. auch [10] Bd. 3 S. 429, Bd. 5 S. 306, Bd. 7 S. 608; [15] S. 427). So sind im Testament Karls des Großen in der Schatz- und in der Kleiderkammer aufbewahrte F.sachen ohne nähere Spezifizierung erwähnt (Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 33: ed. Oswald Holder-Egger, MGSS rer. Germ., [Bd. 25], S. 39). Den Kartäusern waren F.matratzen vorgeschrieben [10, S. 429]; so zu schlafen wird auch als Ruhm asketischer Heiliger erwähnt (vgl. ebd.). Dagegen heißt es in einer 1264 dat. Handschrift der Statuten des Deutschen Ordens: „Dikein brûder, der gesunt ist, sal ligen uffe vederbetten, materazen oder vilzen ...“ (Max Perlbach, Die Statuten des D. O., Halle a. d. S. 1890, S. 59).
In einer deutschen Glosse erklärte Herrad von Hohenburg die „saga cilicina“ der Stiftshütte (Ex 26, 7) als aus F. hergestellt („vilze vel tepit“: Herrad, Hortus, Rekonstruktion S. 75).
Ob es sich bei den „8 pièces de feutre blanc et pers pour feustrer l’étude du roy“ (1365: [11] S. 709) um Kissen, Bezugsstoff oder Teppiche handelte, kann nicht entschieden werden.
Ein um 1765 entstandenes Spieltischchen von Abraham Roentgen weist eine doppelt ausklappbare, im Inneren mit F. bespannte Platte auf (Karlsruhe, Bad. L.mus., Inv.nr. G. 731: Gg. Himmelheber, Jb. Baden-Württ. 1,1964, S. 221; die Beschreibung, die sog. Verwandlungs-Spieltischen von David Roentgen mitgegeben war, nennt „grün Tuch“: Josef Maria Greber, Abraham und David R., Möbel für Europa, Starnberg 1980, Bd. 1 S. 140).
Die Hammerköpfe des Pianofortes an Stelle von Leder mit F. zu überziehen, erprobte 1826 in Paris Henry Pape; nach Verbesserung der F.qualität kam es zu allgemeiner Einführung (Julius Blüthner und Heinr. Gretschel, Lehrbuch des Pianofortebaues in seiner Gesch., Theorie und Technik, Weimar 1872 [Neuer Schauplatz, Bd. 89], S. 102f.).
Als Werkzeug oder als wesentlicher Teil eines solchen wurde F. beim Drucken und Polieren benutzt, vor allem aber immer dann, wenn man filtrieren mußte.
Der Buchdrucker gebrauchte F.platten als Papierunterlage [5, S. 350]. Der Kupferstecher rieb beim Stechen mit Hilfe eines „F.bällchens“ („Ölbällchen“, „Schwärz-F.“), einem schmalen, in Schneckenlinie aufgerollten Streifen F., öligen Schlamm vom Handschleifstein in die Vertiefungen, um die Linien prüfen zu können ([3] S. 722; [4] S. 351). Der Zeugdrucker reinigte mit einem angesengten Stück „von einem alten Hut“, also mit F., die Druckplatte von überschüssiger Farbe, die er zuvor mit einem vom Hutmacher bereiteten Lumpen - F.? - aufgetragen und eingerieben hatte (Roland de la Platiere, K. die Wollenzeuge zuzurichten und zu drucken ..., Nbg. und Lpz. 1783 [Schauplatz, Bd. 15, 2], S. 27f., Taf. 3, D). Der Kartenmaler gebrauchte einen walzenförmigen filzenen „Haar-Reiber“ zum „Abdrucken“ der in Holz geschnittenen Formen [7, S. 286].
Die beim Zeichnen mit Stift, Kohle etc. als Wischer benutzte Estompe (RDK VI 104-106) bestand bisweilen aus einem an den Enden zugespitzten Streifen feinen, steifen Hut-F., der in ein Holz gesteckt wurde.
Mit F. polierte man Metalle und Legierungen, z. B. bei der Spiegelherstellung [1, S. 1027], ferner Bilderrahmen [5, S. 351] sowie Kämme aus Horn, Schildpatt und Elfenbein; das vom Kammacher dazu verwendete Gerät hieß „F.geige“ (ebd. S. 355 und Bd. 33 S. 174f., 177; zum Polieren von Elfenbein s. auch Chrn. Friedr. Gottl. Thon, Vollst. Anleitung zur Lackierk. ..., Weimar 61855 [Neuer Schauplatz, 14], S. 501). Zum Polieren feiner Steine, Gläser usw. wurde mit Eisenvitriol schwarz gefärbter Hut-F. bis zum Farbumschlag nach Rot in sehr verdünnte Schwefelsäure gelegt, dann ausgewaschen und mit Öl getränkt (Journ. für Fabrik ... 1803, S. 154-156, abgedruckt in: Gabriel Christ. Benj. Busch, Hdb. der Erfindungen, T. 10, 2. Abt. S. 394; Chr. F. G. Thon a. a. O. S. 462-476). Auch diente F. zum Schleifen und Polieren von Lackarbeiten (ebd.).
„Ein Stück F. ist der wesentliche Bestandteil jedes alten Seihgeräts“ [13, S. 346], des Filters. Joh. Coler beschrieb, „wie man durch einen Filtz distilliren sol“ (Oeconomiae oder Haußbuchs Erste[r] Theil, Witt. 1623, S. 743; vgl. auch [3] S. 722). Seb. Serlio riet, gefärbte Flüssigkeiten, die in gläserne Ampeln gefüllt auf der Bühne als „Kunstliechter“ dienen, vor Gebrauch durch ein „filtzenthuch“ zu seihen (Archit., lib. 2, Ven. 1560, Bl. 27v; Übers.: ders., Von der Architectur, Basel 1608, Buch 2 Bl. 27v).
F. wurde auch als Dichtungs- und Dämpfungsmaterial gebraucht, für Feuerspritzen [5, S. 29] und für Fenster (Kg. Karl V. von Frankreich ließ 1365 F. „pour les fenêtres de sa chambre“ einkaufen: [11] S. 709; s. auch [4] S. 169).
Spinnerinnen ließen „ihre Spindeln in Flügeln von F. gehen“, um deren vorzeitige Abnützung und das Erhitzen der Räder zu vermeiden: Krünitz [4] S. 169.
Der Sticker gebrauchte den „F.teller“ ein rundes Stück Hut-F., das in Streifen abgeteilt sein konnte, um Flitter, Chagrin, Cantille bei der Hand zu haben; „dieser [Teller] stellet einigermaßen das Farbenbrett ... des Stickers vor“ (Joh. Samuel Halle [Hg. und Übers.], Die Stickereik. L’art du brodeur von Herrn von [Charles Germain de] Saint-Aubin, Bln. 1790 [Schauplatz, Bd. 18], S. 66).
Zu den Abbildungen
1. Balthasar Behaim, Wappen der Krakauer Hutmacher. Deckfarbenmal. auf Perg. Krakau, Bibl. Jagiellońska, Rps 16, fol. 263r. Um 1505. Nach Friedr. Winkler, Der Krakauer Behaim-Codex, Bln. 1941, Taf. 24b.
2a–c Herstellung von F.: Fachen (a), Formen (b) und Walken. Kupferstiche aus [4] Taf. 3 Fig. 1519 (a; 13 × 19,9 cm), Taf. 4 Fig. 1520 und 1524 (b; 9,9 × 15,9 cm), Taf. 5 Fig. 1528 und 1531 (c; 8,5 × 14,3 cm). 1827. Fotos Dt. Mus., Mchn.
3. Nürnberg, Germ. Nat.mus., Inv.nr. T 551 (Leihgabe der Friedr. von Praunschen Familienstiftung), Reisemantel des Stephan III Praun. Ungefärbter Woll-F., bestickt mit geflochtenen Bändchen aus blauer Seide (ausgeblichen), L. vorn 64 cm, hinten 78 cm, Kragenhöhe 9 cm. Spanien, um 1570/71. Foto Mus.
4. Altötting, Inst. der Englischen Fräulein, Reisehut der Mary Ward (1585-1645). Schwarzer F., 14 × 41,5 cm. 1621 (?). Foto Werner Neumeister, Mchn.
Literatur
Quellen, Wörterbücher: 1. Thomas Garzoni, Piazza Universale. Das ist: Allg. Schauplatz, Markt und Zusammenkunfft aller Professionen, Künsten, Geschäfften, Händeln und Handtwerckern ..., Ffm. 1659. - 2. Joh. Hübner, Curieuses und Reales Natur- K.- Berg Gewerck und Handlungs-Lex., Lpz. 1762. - 3. Joh. Karl Gottfried Jacobsson, Technolog. Wb., T. 1, Bln. und Stettin 1781. - 4. Krünitz Bd. 27 (1783), S. 43ff. („Hut“). - 5. Ders. Bd. 13 (21786), S. 348ff. („Filz“). - 6. Carl Pilzecker, Die Hutmacherk. ..., Ilmenau 1828 (Neuer Schauplatz, Bd. 38). - 7. G. Altmütter, Art. Hutmacherk., in: Joh. Jos. Prechtl (Hg.), Technolog. Enc. ..., Bd. 7, Stg. 1836, S. 582-627. - 8. Grimm Bd. 3 Sp. 1631ff. („Filz“). - 9. Lexer Bd. 3 Sp. 351f. - 10. Du Cange Bd. 3 S. 428ff. - 11. Gay Bd. 1 S. 709 („Feutre“). - 12. Alfons Tobler und Erh. Lommatzsch, Altfranz. Wb., Bd. 3, Bln. 1938. - 13. Alfr. Götze (Hg.), Trübners Dt. Wb., Bd. 2, Bln. 1940, S. 346 („Filz“)- 14. Hans Kurath (Hg.), Middle English Dict. Teil EF, Ann Arbor 1952. - 15. Jan Frederik Niermayer, Mediae latinitatis lex. minus, Leiden 1976. – 16. Rud. Grosse (Hg.), Ahd. Wb., Bd. 3, Bln. 1980.
Untersuchungen: 17. F.macherei – eine uralte K., Ciba-Rundschau 12, 1958, Nr. 139 S. 22-24. - 18. Paul Aug. Koch und Gunther Satlow, Großes Textil-Lex., Stg. 1965.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Zang, Ulrike , Filz, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. VIII (1986), Sp. 1185–1196; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88851> [29.11.2023]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.