Freuden und Schmerzen Marias
englisch: The joys and sorrows of Mary; französisch: Joies et douleurs de Marie; italienisch: Gioie e dolori di Maria.
Klaus Niehr (2021)
RDK X, 1413–1461
F. M. = Freuden Marias; S. M. = Schmerzen Marias
I. Terminologie
F. M. und S. M. sind Ereignisse aus dem Leben Marias, die in engem Zusammenhang mit Kindheit und Passion Jesu stehen wie die Verkündigung an Maria, Heimsuchung Marias, Geburt Jesu, Anbetung der Drei Könige, Beschneidung Jesu, der Zwölfjährige Jesus im Tempel, Kreuztragung, Kreuzigung und Beweinung Christi, Himmelfahrt Marias oder Krönung Marias (vgl. Hannelore Sachs, Art. „F. M.“, in: LCI 2, 1970, Sp. 62; Ekkart Sauser, Art. „S. M.“, in: LCI 4, 1972, Sp. 85–87; Art. „S. M.“, in: Lex. der K. 6, 1994, S. 496f.; [21]; [7]; Elke Bayer, Wilhelm Breuer, Art. „Sieben S. M.“, in: Marienlex. 6, 1994, S. 157f.).
II. Quellen
Aus biblischen oder apokryphen Texten stammend, lässt sich die Beschäftigung mit den F. und S. M. bis in altchristliche Zeit zurückverfolgen, wobei die Schmerzen von Beginn an ungleich höhere Aufmerksamkeit genießen als die Freuden. Außerdem sind erhebliche Unterschiede bei der Auswahl der zu den F. M. oder S. M. gezählten Ereignisse zu beobachten (s. Sp. 1426–1429).
A. Patristik
Die Kirchenväter beschäftigten sich vor allem mit den S. M. und stellten das Leiden Marias in engen Bezug zur Passion Christi. Dabei erfährt das von Simeon angekündigte Leidensschwert (Lc 2,35) eine ambivalente Ausdeutung.
War es für Origenes (In Lucam homiliae 17: P. G. 13, Sp. 1845; FC 4,1, S. 195–197) und Basilius (Epistulae 260: P. G. 32, Sp. 968A) Zeichen des Unglaubens und des Zweifels der Gottesmutter angesichts ihres erniedrigten Sohnes, markierte die Waffe bei Augustinus (Epistulae 149: P. L. 33, Sp. 644) und bei Cassiodor (Expositio in psalmum CIV: CCSL 98, S. 948) das (Mit-)Gefühl, welches die Seele Marias während der Passion befiel. Diese Interpretation bildete die Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Thema im MA, etwa schon bei Beda Venerabilis (In Lucae Evangelium expositio: CCSL 120, S. 68) und Petrus Damiani (Sermones: P. L. 144, Sp. 748) ([19] S. 108f.). Anselm von Canterbury erweiterte diese Überlegungen, indem er sich selbst in die Leiden einbezog (Oratio XX; P. L. 158, Sp. 903).
B. Liturgische Texte
Ausgehend von der Übertragung des byzantinischen Akathistos-Hymnus ins Lateinische gab es seit dem 11. Jh. im Abendland marianische Hymnen, die nach Lc 1,28 mit „Gaude“ oder „Laetare“ beginnen und dem Gläubigen Ereignisse aus dem Leben der Gottesmutter vor Augen führten: Verkündigung, Geburt, Auferstehung, Himmelfahrt Christi und Marias (Gilles Gerard Meersseman, Von den Freuden Mariens, in: Lebendiges MA. Fs. Wolfgang Stammler, Frbg. [Schw.] 1958, S. 79–100; ders., Der Hymnos-Akathistos im Abendland, Bd. 1–2, Frbg. [Schw.] 1958–1960 [Spicilegium Friburgense, Bd. 2–3]).
Anhand der Antiphonen zu den fünf F. M. kompilierte Petrus Damiani eine Andacht, deren Teile auf die Gebetszeiten ausgerichtet sind und zugleich auf die Wunden Christi verweisen („Ad honorem Sanctae Mariae Virginis“: P. L. 145, Sp. 935–937). Daneben wird die „compassio“ Mariens memoriert („Sermo in nativitate beatissimae virginis Mariae“: P. L. 144, Sp. 740–748; vgl. die zum Teil aus der 2. H. 11. Jh. stammenden „Miracula B. Mariae Virginis“, [32] S. 331f., und die vor 1267 verfaßte „Legenda aurea“ zum Fest Mariae Himmelfahrt: Jacobus de Voragine, Legenda aurea, cap. 119, hg. von Bruno Häuptli, Frbg.-Basel-Wien 2014 [FC, Sonderband, T. 2], S. 1533).
Die auf diese Weise zusammengeführte Marien- und Passionsfrömmigkeit bildete eine wichtige Voraussetzung für die Vorstellung der leidenden Gottesmutter im 12. und frühen 13. Jh. Mit Übernahme in Gebetsformulare bezog man sieben Ereignisse auf die Tagzeiten des Offiziums.
Dies geschah in der „Sequentia de compassione Beatae Mariae“ (Anal. hymn. VIII, Nr. 55), dann in Bonaventuras „Officium de Passione Domini“ ([1] Bd. 14, S. 152–161) und, erstmals speziell den Schmerzen gewidmet, in Ps.-Bonaventuras kleinem Offizium aus dem frühen 14. Jh. („Officium de compassione Beatae Mariae Virginis“: ebd., S. 226–231). Nach Bonaventura sei der Schmerz der Gottesmutter über den Tod ihres Sohnes aufgewogen worden durch die Freude über die aus diesem Tod resultierende Erlösung der Menschheit (De Assumptione Beatae Virginis Mariae, Sermo VI: ebd., Bd. 9, S. 705a).
Unabhängig davon erscheinen in Meßformularen und Offizien des 14. bis 16. Jh. F. M. und S. M. in unterschiedlicher Zahl (Beisp.: Leroquais, Sacramentaires et missels, Bd. 2, S. 77, Nr. 256, S. 148f., Nr. 329; Bd. 3, S. 219f., Nr. 797, S. 233f., Nr. 814, S. 273, Nr. 864; [19] S. 33f.; [11] Bd. 2, S. 199, 208f. und 225–234); vgl. auch die Meßformulare von Bisch. Johann von Neumarkt (vor 1380), Papst Sixtus IV. (1482) und Pierre de Manse ([8] Sp. 1694), was auf eine noch wenig geregelte Organisation der Verehrung hinweist.
C. Geistliche Literatur
Die Bedeutung der Prophezeiung Simeons wurde auch in den Marienklagen wachgehalten: In dem gegen E. des 12. Jh. entstandenen „Planctus ante nescia“ des Gottfried von St. Viktor, Vorlage für zahlreiche volkssprachige Texte dieser Art ([33] S. 99–101; Ursula Hennig, Die lat. Sequenz Planctus ante nescia und die dt. Marienklage, in: Nikolaus Henkel und Nigel F. Palmer, Latein und Volkssprache im dt. MA 1100–1500, Tüb. 1992, S. 164–177), erinnert sich Maria an die Voraussage des greisen Mannes und stellt so die Beziehung zwischen dem Schwert des Leidens und der Passion Christi her. Ausgehend von den Marienklagen nahmen der als bernhardinisch geltende, von Oglerius von Trino verfaßte „Tractatus in laudibus sanctae Dei genetricis“, der „Liber de passione Christi et doloribus et planctibus matris eius“ (P. L. 182, Sp. 1133–1142) und der „Dialogus Beatae Mariae et Anselmi de Passione Domini“ (ebd., Bd. 159, Sp. 271–290) das Thema auf, wobei im „Dialogus“ das siebenmalige Durchbohren von Herz und Seele Marias mit Stationen des Leidensweges Christi in Zusammenhang gebracht und der Lanzenstich in das Herz Jesu als Erfüllung der Weissagung Simeons interpretiert wurden ([17] S. 126–129).
Mechthild von Magdeburg parallelisierte in ihren seit etwa 1250 aufgezeichneten Offenbarungen den vom Schwert in Marias Seite hervorgerufenen physischen mit dem seelischen Schmerz der Gottesmutter (Das fließende Licht der Gottheit, zweisprachige Ausg., hg. und übers. von Gisela Vollmann-Profe, Bln. 2010, S. 43 [I, T. 22] und 120 [II, T. 24]). Gertrud von Helfta bezog das Marienlob während der kanonischen Gebetszeiten explizit auf die schmerzhaften Ereignisse der Passion im zweiten Buch ihres Werks „Legatus divinae pietatis“, das sie 1289 noch selbst redigierte. Dabei fühlte sie sich selbst durch einen Lichtstrahl im Herzen verletzt, der von einer gemalten Darst. des Gekreuzigten ausging (Buch 2, Kap. 5: SC 139, S. 248–251).
Für die Geschichte der Verehrung wie für die Ikonographie besonders wichtig waren das 42. und 44. Kapitel des „Speculum humanae salvationis“, da das gegen E. 13. Jh. in Italien (Bologna?) entstandene Werk in ganz Europa rasche Verbreitung fand.
In einem Gebet begleitet der Gläubige die Gottesmutter zu den Stationen ihres Lebens: Unter der Überschrift „De Septem tristiis Beatae Virginis Mariae“ (Abb. 1) werden u. a. Flucht nach Ägypten, der zwölfjährige Jesus im Tempel, Gefangennahme, Kreuzigung, Kreuzabnahme und das Erdenleben der Jungfrau nach der Himmelfahrt Christi memoriert. „De Septem Gaudiis Beatae Virginis Mariae“ erinnert an Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Anbetung der Könige, Darstellung im Tempel, Auffindung des Jesuskindes im Tempel und die Aufnahme Marias in den Himmel ([20] S. 92–99; [26] S. 304–324).
Im Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen (gest. nach 1397) ist unter Bezugnahme auf Ps.-Bernhard die Leidensankündigung Jesu zum ersten Schwert, das Maria durch die Seele dringt, beschrieben (Kurt Ruh [Hg.], Der Passionstraktat des Heinrich von St. Gallen, Thayngen 1940, S. 16f.). Damit wurde die Mutter Christi zu einer Märtyrerin, die mehr als nur physischen Schmerz erlitt; ähnlich bei Ps.-Richard von St. Viktor: „Ipsius enim animam pertransivit gladius, non materialis, sed doloris“ (Explicatio in cantica canticorum, P. L. 196, Sp. 483D).
Zur weiteren Verbreitung dieser Marienfrömmigkeit trug die „Vita Jesu Christi“ des Ludolf von Sachsen bei, in der unter Bezug auf Kirchenväter und Theologen des hohen MA zentrale Stationen des Lebens Christi (Darbringung im Tempel, Passion) mit S. M. parallelisiert sind (Vita Jesu Christi …, ed. Louis Marie Rigollot, Paris 1872, Bd. 4, S. 54–165).
D. Gebetbücher
Gebetbücher enthalten bis ins späte MA ein breites Spektrum hinsichtlich Anzahl und Auswahl der memorierten Begebenheiten. In Stundenbüchern finden sich zudem irdische und himmlische F. M. getrennt: [18].
Gleichermaßen an F. M. und S. M. erinnern die volkssprachigen Gebete und Benediktionen von Muri, E. 12. Jh. oder um 1200 (Benediktinerstift Muri-Gries bei Bozen, cod. 69: Friedrich Wilhelm, Denkmäler dt. Prosa des 11. und 12. Jh., Mchn. 1960, S. 78f.).
Einer akzentuierten Betrachtung der S. M. dienten spezifische Gebete zu den sieben Schwertern (z. B. Paris, BNF, Ms. lat. 10527, Stundenbuch, Avignon, nach M. 14. Jh.: s. Sp. 1420).
Darüber hinaus ist in Gebetbüchern des 14. Jh. das „Stabat mater“ mit dem Andenken an die sieben S. M. zusammen überliefert, wobei in einigen Fällen die Sequenz auf sieben Strophen wohl zum Zweck der Parallelisierung verkürzt wurde ([32] S. 522–536; [17] S. 153f.). Dies fand Eingang in volkssprachige Texte, z. B. bei Heinrich von Meißen, bei Frauenlob oder Regenbogen ([33] S. 89–92), auch in engl., niederl. und franz. Sequenzen und Gebete (Rosemary Woolf, The Engl. Religious Lyric in the MA, Oxf. 1968, S. 114–158, 239–273, 274–308; [18]).
Die für Mechthild von Hackeborn (gest. 1298) zentralen fünf Freuden wurden als Offenbarung bis ins frühe 16. Jh. memoriert (z. B. im sog. Sigmaringer Gebetbuch, Brügge oder Antwerpen, um 1515, fol. 5r: [3] S. 414).
Die Fünf-Gaude-Antiphonen wurden in Liedern häufig auf 12, 14 oder 15 Strophen erweitert, deren jede eine Begebenheit aus der Vita der Jungfrau zum Inhalt hat.
III. Geschichte
Die später übliche Zahl von jeweils sieben F. und S. M. wurde erst im Laufe der Zeit festgelegt.
Waren es zunächst in Parallele zu den Wunden Christi nur fünf nicht immer genau bestimmte freudenreiche und schmerzhafte Lebensstationen der Gottesmutter (meistens Verkündigung, Heimsuchung, Geburt Jesu, Anbetung der Könige, Aufnahme Marias in den Himmel oder ihre Krönung bzw. Beschneidung, zwölfjähriger Jesus im Tempel, Kreuztragung, Kreuzigung, Beweinung: [7] S. 154), so ist die Erweiterung um jeweils zwei Ereignisse (meist Begegnung des Auferstandenen mit Maria und Tod Marias bzw. Flucht nach Ägypten und Grabtragung Christi, Grablegung Christi) schon im 13. Jh. nachzuweisen. Die in der theol. Lit. sowie in Litaneien, Hymnen und Gebeten wie in den seit dem 14. Jh. häufigen Aufzählungen oftmals anzutreffende Erweiterung der F. M. auf 8, 15, 23 oder 27, sogar auf 50 oder 150 spielte für die Ikonographie so gut wie keine Rolle. Auch die seit dem späten 12. Jh. auftretende Differenzierung in irdische und himmlische Freuden ([8] Sp. 1693; [7] S. 154f.) blieb wirkungslos für die visuelle Umsetzung des Themas ([2] Nr. 11, 15, 18, 22, 23, 26, 80).
Schon aus dem 11. und 12. Jh. sind Reihen mit wechselnden Szenen bekannt. Ein nach M. 14. Jh. wohl in Avignon entstandenes Stundenbuch (Paris, BNF, Ms. lat. 10527) demonstriert unterschiedliche Varianten der Auswahl. Das Manuskript enthält nach dem „Officium Beatae Mariae super planctu de penis et doloribus Iesu Christi filii sui“ sieben Gebetsformulare im Andenken an die während der Passion erlittenen S. M. sowie Gebete, die den sieben, auf das gesamte Leben Christi verteilten leidbringenden Stationen, angefangen von der Darst. im Tempel bis zur Grablegung, gewidmet sind ([32] S. 514–516; [19] S. 32f.). Entsprechend den seit 1241 im Servitenorden memorierten sieben F. M. hatte Bonaventura die Reihe der Freuden reduziert und zunächst Verkündigung, Geburt, Auferstehung, Himmelfahrt und Aufnahme Marias in den Himmel zu diesen Ereignissen gezählt. Bald kamen Epiphanie und Pfingsten hinzu. Auch für die Schmerzen gab es eine feste Reihenfolge, in der wichtige Episoden der Vita Jesu seit der Beschneidung aufgelistet waren. Diese Ereignisse blieben fortan ein wichtiger Grundbestand.
Neben den literarischen, den liturgischen und paraliturgischen Formen entwickelte sich seit dem 13. Jh. eine Institutionalisierung der Verehrung der S. M. Besonders der im frühen 13. Jh., angeblich 1233, in Florenz gegründete Servitenorden spielte dafür eine entscheidende Rolle. Entsprechend motivierte Andachten wurden im Orden spätestens mit der Einrichtung des Samstagsoffiziums 1241 etabliert. Eine vermutlich seit 1255 oder 1273 existierende Bruderschaft der S. M. diente der weiteren Propagierung des Kults. Daran waren auch die Bettelorden, besonders die Dominikaner, beteiligt.
Deutliche Anzeichen für die verstärkte Marienverehrung nördlich der Alpen sind die überall entstehenden Schmerzensbruderschaften, so etwa 1380 in Utrecht, 1411 in Haarlem und die 1448/1450 von Johannes Golderer gestiftete Vereinigung am deutschen Friedhof (Campo Santo) zu Rom, die 1579 zur Erzbruderschaft erhoben wurde (Franz Beringer, Die Ablässe, ihr Wesen und Gebrauch, Paderborn 151922, Bd. 2, S. 205f.). Bereits 1407 gründete der Hzg. von Berg eine Bruderschaft der F. M. in Düsseldorf. Zwischen 1441 und 1556 wurden in einem siebenjährigen Zyklus geistliche Spiele zu den F. M. („bliscappen van Maria“) durch die Zunft der Bogenschützen in Brüssel aufgeführt; ein Spiel über die Schmerzen ist für Antwerpen belegt ([27] S. 36f.). Bildzeugnisse aus diesem Umfeld unterstreichen diese Kultur der Erinnerung (Dagmar Eichberger, Visualizing the Seven Sorrows of the Virgin …, in: [30] S. 113–143).
In Köln gab es neben weiteren, teilweise älteren Marienbruderschaften jeweils eine Bruderschaft der F. M. und der S. M. an St. Georg, weitere der Freuden an der Herrenleichnamskirche und an Klein St. Martin sowie eine der Schmerzen an St. Maria im Kapitol und bei den Kartäusern (Klaus Militzer [Bearb.], Quellen zur Gesch. der Kölner Laienbruderschaften, Ddf. 1997, Bd. 1–4; Rebekka von Mallinckrodt, Struktur und kollektiver Eigensinn. Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung, Gött. 2005, S. 104, 109, 481f.).
Erzbischof Dietrich von Moers richtete am 22. April 1423 auf der Kölner Provinzialsynode ein Fest zur Erinnerung an die Leiden Marias ein („festum commemorationis angustiae et doloris beatae Mariae virginis“), das jeweils am Freitag nach Jubilate begangen werden sollte.
Seit etwa M. 15. Jh. waren hierzu Gebete und Offizien, aber auch einzelne Bilder, in gedruckter Form zugänglich. Das von 1486 bis gegen Ende des Jh. in verschiedenen Ausgaben edierte „Bok der medelydinghe Marien“ und das „Boek der bedroffenisse und hertelyde Marien“ wie auch der seit 1498 in mehr als hundert Auflagen verbreitete „Hortulus animae“ hatten wesentlichen Anteil an der Ausbreitung und Popularisierung gerade von Marienthemen.
Anlaß zu einer besonderen Förderung der Verehrung der marianischen Leiden durch das Haus Habsburg gab der Tod Marias von Burgund 1482 (Susie Speakman Sutch und Anne-Laure Van Bruaene, The Seven Sorrows of the Virgin Mary. Devotional Communication and Politics in the Burgundian-Habsburg Low Countries, ca. 1490–1520, The Journ. of Ecclesiastical Hist. 61, 2010, S. 252–278; Emily S. Thelen, The Feast of the Seven sorrows of the Virgin: Piety, politics and the plainchant at the Burgundian-Habsburg Court, Early music hist. 35, 2016, S. 261–307). Den entstehenden Bruderschaften traten zahlreiche Angehörige des Hochadels bei, so u. a. in Brüssel (Pérégrin-Marie Soulier, La Confrérie de N.-D. des Sept Douleurs dans les Flandres 1491–1519, Brüssel o. J. [1912], S. 64f.; Charles Pergameni, Les archives hist. de la ville de Bruxelles, Brüssel 1943, S. 207; [30]).
Mindestens ebenso entscheidend war die Ausbreitung in weiten Schichten der niederl. Bevölkerung. Jan van Coudenberghe, seit 1487 Sekretär Philipps des Schönen, später auch Karls V., hatte in den Kirchen von Abbenbroek, Reimerswael und Brügge, St. Salvator, 1491/1492 Schmerzensbruderschaften eingerichtet, die durch den Bischof von Utrecht 1494 und den Papst 1495 approbiert wurden. Damit entwickelte sich die Schmerzensverehrung zu einem Massenphänomen. Als wichtiges Zentrum kam Delft hinzu: Dies belegen Wunderberichte, eine seit 1503 nachweisbare Gebetsbruderschaft und das 1510 entstandene Stundenbuch zu den „Seuen weden onser Vrouwen“ (Gerrit Verhoeven, Devotie en negotie. Delft als beedevaartplaats in de laat middeleeuwen, Amst. 1992, S. 225–307). Ergänzt wurde das durch eine Bildproduktion, die für breite Schichten der Bevölkerung den Wunsch nach visueller Anteilnahme am Leiden Marias befriedigen sollte. Zwischen 1507 und 1514 sind kleine Andachtsbilder in drei Typen nachweisbar (Abb. 8; [13] Bd. 13, S. 65 und 158).
Für Antwerpen ist darüber hinaus eine enge Verbindung zwischen Schmerzensverehrung und Aufträgen für die Malergilde überliefert (vgl. [27]). Zudem bezeugen Wunderberichte von zahlreichen Orten den Aufschwung der auf die Leiden der Gottesmutter konzentrierten Frömmigkeit (Miracula confraternitatis septem dolorum sacratissime virginis Marie …, Antw. 1510; Miracvla CCX confraternitatis VII dolorvm sanctissimae virginis Mariae …, Antw. 1619).
Gespiegelt wird die intensive Verehrung in immer neuen Offizien und Meßformularen, deren Wirkung bis weit nach Osten reichte. Vor allem an den von Friedrich dem Weisen für seine Wittenberger Schloßkirche in den Niederlanden bestellten und an den in Nürnberg neu angefertigten illuminierten Hss. läßt sich exemplarisch die Ausbreitung der Schmerzensverehrung in der bildenden Kunst demonstrieren. Unterstützt wurde diese Tendenz der Internationalisierung durch kirchliche Maßnahmen, so etwa durch den 1520 propagierten Ablaß für den Besuch der Stationen der Sieben Schmerzen auf dem Friedhof der Franziskaner in Antwerpen.
Während der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges erhielten solche Aktionen zusätzlichen Schub durch die Gründung weiterer Bruderschaften. Dies wurde durch Andachtsbilder, vor allem aus fläm. Werkstätten, begleitet (Spamer, Andachtsbild, S. 126–141). Sogar der sonst kritische Johannes Molanus verurteilte die Verehrung und Verbildlichung der F. M. und S. M. trotz ihrer teilweise apokryphen Ursprünge nicht. In seinem Werk „De historia sanctarum imaginum et picturarum“ begnügte er sich mit dem allgemeinen Konsens in dieser Angelegenheit und verwies auf die Tradition: „quae communi quodam consensu receptae sunt“ (1570 u. ö., S. 90 und 93; vgl. David Freedberg, The Hidden God. Image and Interdiction in the Netherlands in the Sixteenth Century, Art Hist. 5, 1982, S. 133–153, hier S. 136).
Seit dem späten 15. Jh. wurde die Verehrung der F. M. und S. M. mit der Rosenkranzfrömmigkeit verbunden (s. Sp. 1454–1456). Die Struktur des Gebets mit dreimal fünf „Geheimnissen“, aber auch ein Rosenkranz der Sieben Schmerzen legten derartige Übertragungen nahe (Henri Gaidoz, La Vierge aux sept glaives, Mélusine 6, 1892/1893, Sp. 126–138 und 266–275, hier Sp. 135).
1628 verfügte Papst Urban VIII. die Umbenennung der 1598 zuerst in Bologna etablierten „Societates Habitus“ in „Bruderschaft von den Sieben S. M.“, von der auch außerhalb Italiens Niederlassungen gegründet wurden. 1633 geschah dies durch maßgebliche Förderung Kf. Ferdinands von Köln auf dem Kreuzberg bei Bonn. Die Verehrung breitete sich von dort ins Rheinland und nach Westfalen aus. Auch in Süddeutschland wurden neue Bruderschaften gegründet, z. B. in Mariawald vor 1636 oder in Maria Birnbaum 1685, und alte Vereinigungen dem Servitenorden inkorporiert, so 1688 die Bruderschaft in Elchingen. Die neu entstandenen Wallfahrten gaben Anlaß zu populärer Literatur- und Bildproduktion. Erhalten sind das Klausener Pilgerbuch (Außerlesenes Bett- Betracht- vnd Gesang Buchlein von den sieben farnembsten Schmertzen Mariae …, Trier 1653) oder das Gebetbuch mit Bitten zu Ehren der F. M. (Brevier eines guten Christen oder vollständiges Gebett-Buch …, Augsb. 1780, S. 555–557).
Die Verehrung der S. M. und F. M. wurde seit dem späten 17. Jh. durch Einführung entsprechender Feste belebt.
Das liturgische Gedächtnis der Sieben S. M. ist erstmals 1423 in Köln bezeugt, wo man es am Freitag der vierten Osterwoche beging ([16] S. 430), in Erfurt am Freitag der zweiten Osterwoche (ebd.). 1672 hatte man für das Hl. Röm. Reich Dt. Nation, 1727 für die gesamte Kirche ein verbindliches Fest der „Commemoratio septem dolorum B. M. V.“ für den Freitag nach dem Passionssonntag eingerichtet. Es wurde 1960 zurückgestuft, da es als Doppelung des Festes im September galt, und im Zuge der kirchlichen Kalenderreform 1969 abgeschafft. Das Fest am 15. September erhielt einen neuen Namen: „B. M. V. Perdolentis“ ([21] S. 24).
Ein Fest zu Ehren der S. M. gab es als Eigenfest des Servitenordens seit 1668 am dritten Sonntag im September ([8] Sp. 1694). 1814 wurde dieses Fest für die ganze kath. Kirche verpflichtend und mit dem Dank für die Heimkehr Papst Pius’ VII. nach Rom verbunden, 1908 als Fest zweiter Klasse bestimmt und 1913 dann auf den Oktavtag des Festes Mariä Geburt verlegt, den 15. September ([19] S. 45–47; [16] S. 430).
IV. Ikonographie
F. M. und S. M. waren vor allem während des 15. und 16. Jh. in der niederländischen und von dort ausgehend in der niederrhein. und westfäl. Kunst in allen Bildtechniken und Funktionsbereichen von Bedeutung. Weit verbreitet waren druckgraphische Wiedergaben seit der Gegenreformation, besonders seit dem späten 16. Jh. die Erzeugnisse der Wierix-Werkstatt in Antwerpen.
Da es – wie in der Literatur und populären Frömmigkeit – vielfältige Bildkombinationen gibt, ist die Abgrenzung zu anderen marianischen Themen oft schwierig.
Darstellungen der F. M. oder S. M. können um Inhalte des Rosenkranzes oder Kreuzwegs erweitert sein; die einzelnen Bilder sind in der Regel um eine Darstellung Marias gruppiert, die in besonderer Weise deren Freude oder Trauer veranschaulicht. Bei den F. M. kann dies z. B. die thronende Maria oder die Geburt Jesu sein; bei den S. M. zeigte man häufig die Schmerzensmutter (Abb. 2, 5, 6, 7, 8, 9, 16), Maria unter dem Kreuz (Abb. 2, 8, 15, 21), die Ohnmacht Marias oder die Pietà (Abb. 11, 21). Eine wichtige Rolle spielten die S. M. auch in Darstellungen, die der Verehrung des Herzens Mariens gewidmet waren.
Bekannt sind umfangreiche Folgen, die zwar Elemente aus dem Themenkreis der F. M. oder S. M. enthalten, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber keinen der beiden Zyklen zeigen sollten (als Beispiel: Friedhelm Häring, Der Schottener Altar, Gießen 1977). Solche Bildreihen bieten unterschiedliche Auszüge aus der Vita Mariens (zu marianischen Retabelprogrammen des frühen 15. Jh.: Sigrun Jantzen, Der Marienaltar im Germ. Nat.mus. Nürnberg im Kontext der zeitgenössischen Altaraufbauten, FfM. usw. 1997 [Europ. Hochschulschrn., R. 28, 289], S. 65–91 und 187–330). Auch bei der sog. Glatzer Madonna (Berlin, Gem.gal.), die nach einer Beschreibung des 17. Jh. von kleinen Tafeln umgeben war, die Geburt, Beschneidung, Flucht, den 12jährigen Jesus im Tempel und andere Ereignisse zeigten, handelte es sich wohl um eine derartige Folge. Gleiches gilt für den immer wieder als Sieben-Freuden-Altar bezeichneten, von Ludwig Juppe zw. 1507 und 1509 gearbeiteten Schrein in Kalkar mit zehn Szenen, die von der Kindheitsgeschichte Mariens bis zu ihrer Himmelfahrt reichen (zur Benennung kritisch: Friedrich Gorissen, Ludwig Jupan von Marburg, Ddf. 1969 [Kdm. Rheinl., Beih. 13], S. 90). Auch Hans Memlings große Tafel in München (Alte Pinakothek, Inv.nr. WAF 668), die seit dem 19. Jh. fälschlich als „F. M.“ bezeichnet wird, zeigt eine Landschaft mit 25 Ereignissen aus den Viten Mariens und Christi ohne programmatische Akzentuierung. Wie schwierig eine sichere Entscheidung ist, zeigt das um 1430 entstandene Hochaltarretabel der Johanniskirche in Werben: Die Predella enthält fünf Reliefs (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Anbetung, Darstellung), die durch Tod, Himmelfahrt und Krönung Mariens im Schrein ergänzt werden (Monika Böning, Die ma. Glasmalereien in der Werbener Johanniskirche, Bln. 2007, S. 53f.). Gegen einen Freuden-Zyklus spricht bereits die Szene der Darstellung im Tempel, die als Schlüsselepisode der Schmerzen zu gelten hat.
Da die Zusammenstellung von freudenreichen Ereignissen aus dem Leben Mariens sich nicht aus den Büchern des NT ableiten läßt, sind alle diesbezüglichen Festlegungen wie auch die Aufteilung in irdische und himmlische Freuden theologische Spekulation, die allerdings in der Frömmigkeit keine Rolle spielt. Unter anderem folgte daraus die immer wieder geänderte Zusammenstellung der freudenreichen Lebensstationen Mariens. Angesichts ihrer schwankenden Zahl ist oft nur schwer zu entscheiden, ob es sich bei gemalten oder geschnitzten Szenen um F. M. handelt. Das gilt schon für die fünf Episoden aus dem Leben Mariens auf der Altarwand der mittleren Kapelle am nördl. Seitenschiff von St. Andreas in Köln, um 1340 (Kdm. Rheinprov. VI, Bd. 4,1, S. 77, Taf. VIII) oder noch beim Retabel aus dem Zisterzienserinnenkloster Heggbach von ca. 1510 mit Verkündigung, Anbetung, Erscheinung Jesu vor Maria und deren Tod zu Seiten der Geburt (Stuttgart, L.mus.: The Woodcut in Fifteenth-Century Europe, New Haven-Ld. 2009, S. 178f.). Auch der Krakauer Marienaltar des Veit Stoß, beg. 1477, ließe sich in dieser Weise als Zusammenstellung der F. M. verstehen: Tod, Himmelfahrt und Krönung Mariens sind durch Verkündigung, Geburt, Anbetung, Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten auf den Flügeln komplettiert. Das gilt u. a. ebenfalls für den Englischen Gruß in St. Lorenz zu Nürnberg, 1517/1518, bei dem Stoß um eine zentrale Verkündigung die gleichen Szenen anordnet und damit auf insgesamt acht Ereignisse kommt.
Näher an eine präzise visuelle Darlegung der F. M. und damit an eine im engeren Sinn ausformulierte Ikonographie dieser Mysterien reichen bereits die Tafeln des Altenberger Altars aus der Zeit um 1330 heran (Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Inv.nr. SG 358–361), bei dem sechs Szenen auf den Innenseiten der Flügel (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Anbetung, Tod und Krönung) höchstwahrscheinlich als eine Visualisierung der freudenreichen Ereignisse zu lesen sind (Bodo Brinkmann und Stephan Kemperdick, Dt. Gem. im Städel 1300–1500, Mainz 2002, S. 3–33). Auch die sechs gemalten Szenen (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Anbetung, Tod und Krönung Mariens) des Altarretabels von Schloß Tirol (1370/1372) im Prämonstratenserstift Wilten hat man „freudenreiche Stationen aus der marianischen Vita“ genannt (Norbert Wolf, Dt. Schnitzretabel des 14. Jh., Bln. 2002, S. 158f.). Beim sog. Fünf-Freuden-Fenster der Münchner Frauenkirche wurde der Zyklus von Verkündigung, Geburt, Anbetung, Darstellung im Tempel und Tod aus der Zeit um 1425/1430 wenige Jahre später um zwei Episoden (Heimsuchung, Aufnahme Marias in den Himmel) und damit zu einem Sieben-Freuden-Fenster ergänzt. Riemenschneiders Volkacher Madonna von 1521, deren Rosenkranzgloriole mit fünf Tondi derselben Szenen wie in Schloß Tirol versehen ist, zeigt die Krönung im mittleren Bild. Auch beim geöffneten Zustand des von Christoph Walther I. 1522 geschnitzten Münzeraltars in Annaberg könnte man an eine intendierte Memorierung der F. M. denken: Reliefs der Verkündigung, Heimsuchung, Geburt und Anbetung auf den Flügeln sind in der Mittelachse Tod, Aufnahme in den Himmel als zentrale Figurengruppe sowie Krönung im Auszug beigegeben. Da der Tod der Jungfrau als Pforte zur himmlischen Seligkeit und damit als freudenreiches Ereignis gilt, läge in diesen Denkmälern eine Folge von F. M. vor. Möglich ist das auch bei Adam Elsheimers Hausaltärchen von 1578/98 in Berlin (StMPK, Gem.gal., Inv.nr. 664), wo das zentrale Bild der Krönung durch den Marientod in der Predella sowie durch Verkündigung, Heimsuchung, Geburt und Anbetung an den Seiten flankiert wird (Keith Andrews, Adam Elsheimer, Oxf. 1977, S. 15, 139, Nr. 2 mit Abb. 12–18).
A. Freuden Marias
1. Vorkommen
Die F. M. wurden im Gegensatz zu den S. M. nur im szenischen Zusammenhang als Folge von Ereignissen aus der Vita Marias dargestellt.
Damit ist die Ikonographie gegenüber der Verbildlichung der S. M. deutlich eingeschränkt. Eine Stilisierung zu einem im Personal reduzierten Andachtsbild für die persönliche Versenkung in das Geschehen ist deswegen selten. Ebenso vereinzelt blieben Umschreibungen des Themas mit Hilfe von legendarisch überlieferten Szenen, z. B. dem Erscheinen der Gottesmutter am Bett eines kranken Klerikers nach dem Text im 45. Kapitel des Heilspiegels ([20] Bd. 1, S. 96, 163, 243; [26] S. 320). Die Darst. ist nicht vor dem 15. Jh. belegt (z. B. im Spec. hum. salv., Frankr. oder Flandern, um 1430–1450, Einsiedeln, Stiftsbibl., Cod. 206 (49), pag. 90; Pariser Heilsspiegel von ca. 1450 in Köln, Slg. Renate König, fol. 92r: [3] Abb. S. 545, und in der 1450 entstandenen ebenfalls franz. oder niederl. Speculum-Hs. nach dem Vorbild von Cod. 206 (49) der Stiftsbibl. Einsiedeln, Los Angeles, The J. Paul Getty Mus., Ms. Ludwig XI 9: [11] Bd. 3, S. 89–94). Einzelne Druckausg. des späten 15. Jh. tradieren diese Ikon. bis in die Frühe Neuzeit ([28] Bd. 21, S. 35; Bd. 16, S. 57). Da allerdings die Schlußkapitel häufig fehlen, bricht hier die ikonographische Tradition teilweise ab. Das gleiche gilt auch für die unterschiedlichen Formen der Präsentation (s. Sp. 1430–1434, 1438–1444).
Eine ähnlich wie bei den Darstellungen der Schmerzen ausgeprägte, strenge formale und ikonographische Systematik existiert für die Freuden höchstens in Ansätzen und ist angesichts der vergleichsweise geringen Zahl erhaltener Werke deutlich weniger ausgeprägt.
Denkmäler und Quellen vor allem des 14. und 15. Jh. belegen zweifelsfrei Zyklen der F. M.
Für Herzog Philipp den Kühnen (1363–1404) wurde eine nicht erhaltene Tapisserie zum Thema angefertigt („drap de 5 joyes de Nostre Dame“: Georg Troescher, Burgundische Mal., Bln. 1966, S. 237). Aus Rechnungen in Kalkar sind zwischen 1483 und 1493 Zahlungen für „onser lieuer vrouwen altair ter blydtschap“ belegt (nicht zu verwechseln mit dem fragmentarisch erhaltenen Marienaltar vor Ort). Dennoch muß man – wie auch für die S. M. (s. Sp. 1434–1450) – konstatieren, daß Texte und Bilder nicht immer übereinstimmen: In dem wohl für Margarete von Burgund um 1425 angefertigten sog. Sobieski-Stundenbuch (Windsor Castle, Roy. Coll.) sind 15 Freuden genannt (fol. 104v–108v), so auch im Bedford-Stundenbuch: Das Stundenbuch des Herzogs von Bedford. MS Add. 18850. The B. L., London, Luzern 2006; Eberhard König, Die Bedford Hours …, Stg. 2007. Das zugehörige Bild zeigt lediglich sechs Freuden (London, BL, Add. Ms. 18850, fol. 32r: Eleanor P. Spencer, The Sobieski Hours, Ld.-N. Y. 1977, S. 29 und Pl. 41).
2. Bildformen
Die erhaltenen Denkmäler bieten die Szenen der F. M. in unterschiedlicher Anordnung: als Kolumnen, Register, als Kranz aus Medaillons oder in rechteckigen Feldern, die zumeist um ein Hauptbild gruppiert sind. Mehrfach wurden die Darstellungen von F. M. und S. M. als Gegenstücke konzipiert (s. Sp. 1444).
a. Kolumnen und Register
Die Darstellung der F. M. in Kolumnen wurde zuerst nachweisbar für Glasfenster gewählt; so sind z. B. die Fünf Freuden (Geburt, Anbetung, Darstellung im Tempel, Tod, Krönung) im Fenster aus dem Chor des Ulmer Münsters, um 1415, übereinander angeordnet. Die einzelnen Szenen erstrecken sich dabei über zwei Fensterachsen (Hartmut Scholz, Die ma. Glasmal. in Ulm, Bln. 1994 [CVMA Dtld., 1,3], S. 22, 64–74).
Diese Darstellungsform gibt es auch bei Retabeln.
Auf dem steinernen Altarretabel der Äbtissin Wandula von Schaumberg aus dem Obermünster zu Regensburg, 1534–1540, nach Kupferstichen Albrecht Altdorfers angefertigt, ist das Pfingstereignis in der Mitte gerahmt von zwei Kolumnen mit je drei halbrund abschließenden Szenen. Die Komposition wird oben durch die Krönung abgeschlossen (Abb. 17; Kdm. Bayern, Oberpfalz, Bd. 22, 2, S. 260, Taf. XXIVf.; [15] S. 75–78 mit Abb. 15–23).
Die Anordnung der Ereignisse in Reihen ist häufiger auf Tafelbildern zu finden. Zu den frühesten Beispielen zählt Rogier van der Weydens Tafel mit der Maria lactans (Abb. 4), zwischen 1430 und 1435: Diese sitzt in einer Architekturnische, darüber sind sieben kleine Grisaillen als illusionistische Reliefs mit Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Epiphanie, Auferstehung, Pfingsten und Krönung dargestellt (José Manuel Pita Andrade, María del Mar Borobia Guerrero, Maestros Antiguos del Mus. Thyssen-Bornemisza, Madrid 1992, S. 116f.).
b. Rahmende Felder
Rahmende Felder, die wie in einem Retabel um ein Mittelbild angeordnet sind, bot höchstwahrscheinlich ein 1496 im Auftrag Friedrichs des Weisen für die Wittenberger Schloßkirche gemaltes Retabel von Albrecht Dürer, das nach dessen Schmerzensbild gestaltet war, jedoch nur aus den Quellen zu rekonstruieren ist (vgl. Abb. 5; Gisela Goldberg, Albrecht Dürers Wittenberger Marienaltar und die Erlanger Cranach-Zchgn., in: Andreas Tacke [Hg.], Cranach. Meisterwerke auf Vorrat, Mchn. 1994 [Schrn. der Univ.bibl. Erlangen-Nürnberg, Bd. 25], S. 67–80; Andreas Burmester und Martin Schawe, Drunter und drüber. Altdorfer, Cranach und Dürer auf der Spur …, Mchn. 2011, S. 66–70).
Giorgio Ghisi wählte für seinen Stich aus dem Jahr 1575 dieselbe strenge Komposition wohl nach niederl. Vorbild (Abb. 19a).
c. Kranz aus Medaillons
Es handelt sich um die häufigste Darstellungsform der F. M.; sie ist seit dem 1. Drittel des 15. Jh. nachweisbar (Abb. 3, 10, 12, 18, 20a).
In einem gegen 1430 geschaffenen Fenster im Stendaler Dom sind sieben Ereignisse in Medaillons zu sehen; weitere müssen nach Ausweis erneuerter Teile dazugehört haben; die ursprüngliche Zahl und die Kriterien der Auswahl sind nicht mehr zu bestimmen (Karl-Joachim Maercker, Die ma. Glasmal. im Stendaler Dom, Bln. 1988 [CVMA Dt. Demokratische Republik, 5,1], S. 103–109, Abb. 176–207).
Ein verlorener Einblattholzschnitt, wohl um 1430/1440, zeigte die Sieben Freuden auf Sternengrund mit dem Sinnspruch „Wer min siben freud alle tag eret / der wirt alle zu von mir geweret / was er göttlich hie begeret / das wirt imdort aih nit verkehret“ (Abb. 3).
Ein Holzschnitt Cranachs von 1513 (Abb. 10; [14] Bd. 6, S. 50) präsentiert die lesende Maria, umgeben von sieben Tondi mit den freudenreichen Szenen im Wolkenkranz. Die Bildidee dürfte wiederum auf Anregungen aus den Niederlanden zurückgehen, wo auch das Lesen als Akt bewußter Vergegenwärtigung der F. M. und S. M. häufiger dargestellt wurde. Die gleiche Anlage wie das Blatt Cranachs zeigt die Mitteltafel des im Umkreis des Simon Bening 1515–1519 gemalten Triptychons der Freuden (Priv.bes.): Die von Engeln gekrönte Gottesmutter mit Kind ist von sieben kleinen Rundbildern umgeben, in denen Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Anbetung, Erscheinung Christi vor Maria, Pfingsten und Aufnahme in den Himmel dargestellt sind ([6] Nr. 69). Ähnlich angelegt ist das 1536 geschnitzte Retabel aus Brügge (Kath. St. Salvator), dessen von Engeln gestütztes Alabasterrelief der Maria mit Kind im Halbkreis angeordnete Rundfelder mit Wiedergaben der F. M. begleiten. Dabei hat man die chronologische Reihenfolge unterbrochen, um die vierte Freude – Marias Himmelfahrt – oben in der Mitte plazieren zu können (ebd., Nr. 234). In ein monumentales Format übertragen wurde diese Komposition dann von Pieter Aertsen, der bei seiner Tafel in St. Leonhard zu Zoutleeuw die Marienkrönung als Höhepunkt der Freuden ins Zentrum stellte und mit sechs Ereignissen in kleinen Tondi rahmte, entsprechend dem Schmerzensbild am gleichen Ort und anderen ähnlich konzipierten Werken (s. Sp. 1453).
Auf Retabeln hat man die genannten Schemata mit Feldern und Medaillons kombiniert und variiert.
Im Auftrag der Margarete von Österreich wurden für die Klosterkirche Brou in Bourg-en-Bresse ein Freuden- und ein Schmerzensaltar angefertigt, von denen nur noch das den Freuden gewidmete Retabel, voll. 1522, erhalten ist: Die Konstruktion aus Stein nimmt in drei Achsen Reliefbilder auf, wobei das zentrale Feld mit der Himmelfahrt Marias von jeweils zwei Szenen rechts und links sowie in der Predellenzone gerahmt wird. Grundlage der Komposition dürften die mittlerweile stark typisierten Retabelschreine aus Antwerpener Werkstätten gewesen sein (Abb. 14; Ria De Bodt, Befunde zu den Antwerpener Retabelschreinen der Spätgotik aus der ersten Hälfte des 16. Jh., in: Der Niederrhein und die Alten Niederlande, hg. von Barbara Rommé, Bielefeld 1999, S. 207–220, hier S. 216).
Ein Augsburger Hausaltar enthält acht Steinreliefs der Zeit um 1520 mit freudenreichen Szenen von der Verkündigung bis zum Marientod zu beiden Seiten eines großen Reliefs der Madonna (Augsburg, Städt. K.slgn.: Bernhard Decker, Das Ende des ma. Kultbildes, Bamberg 1980, S. 157–159 und Abb. 40). An dem auf 1704 datierten Hochaltarretabel der Kirche von Bellwald/Schweiz sind die geschnitzten Medaillons um eine stehende Maria angeordnet (Kdm. Schweiz, Wallis 2, S. 296f.).
Auch in der Druckgraphik wurden die F. M. in der Regel konzentrisch angeordnet und in einen architektonisch gestalteten Rahmen eingefügt.
Ein Einblattholzschnitt des späten 15. Jh. zeigt sechs F. M. um das zentrale Bildfeld mit dem Tod Marias (Mainz, Gutenberg-Mus., Inv.nr. 18:40/500, Nr. 27: Ausst.kat. „Blockbücher des MA“, Mainz 1991, S. 56 und 187). Das Gebet darunter läßt am Inhalt keinen Zweifel. So auch in einer heute verlorenen Xylographie der gleichen Zeit, die in den Einband einer Hs. aus St. Peter im Schwarzwald geklebt war (Karlsruhe, Bad. L.bibl., Hs. St. Peter 5 perg: [29] Bd. 2, Nr. 1016m). Die Übernahme dieses Bildkonzepts in die frühneuzeitliche Produktion von Andachtsbildern belegt schon ein Stich des Monogrammisten S, vielleicht Sanders (Alexander) van Brugsal, aus dem frühen 16. Jh., der eine Ranke mit sieben Medaillons der Freuden zeigt ([13] Bd. 13, S. 135, Nr. 148; S. 164, Nr. 236); erweitert um die Evangelisten (ebd., S. 174, Nr. 269). Dabei griff der Künstler auf eine architektonische Gestaltung zurück, wie sie in fläm. Bildern des 16. Jh. immer wieder zu finden ist (Abb. 13). In einer ähnlichen Komposition stellte der gleiche Stecher die Anbetung der Könige in den Mittelpunkt und umgab sie mit Rundfeldern (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Auferstehung, Pfingsten und Himmelfahrt Marias; ebd., S. 139, Nr. 167). Das Blatt des Hieronymus Wierix von 1581 mit der Inschrift „Letamini cum Maria et exultate omnes qui diligitis illam“ folgt wieder dem verbreiteten Schema mit der Gottesmutter in der Mitte (Abb. 20a; [23] T. 1, Nr. 773); vgl. den Stich in: Officium Beatae Mariae Virginis, Antw. 1609, S. 186.
Neben derartigen Bildkonzepten sind Zyklen in der Buchillustration überliefert.
Sechs F. M. (Verkündigung, Geburt, Auffindung Jesu im Tempel, Begegnung mit dem Auferstandenen, Pfingsten, Marientod) zeigt eine Seite aus dem Sobieski-Stundenbuch, fol. 104v (s. Sp. 1430). Acht vielleicht rhein. Metallschnitte begleiten den Text in dem Werk „Sieben Freuden Mariae“, nach 1460 (Ferdinand Geldner, Die dt. Inkunabeldrucker, Stg. 1968, Bd. 1, S. 292f.).
B. Schmerzen Marias
1. Entstehung
Der Ursprung einer ausführlichen Schilderung der einzelnen S. M. in einem spezifischen Bildformular ist schwer zu fassen. Die Anfänge dieser Überlieferung liegen wahrscheinlich in einem Schema, das bereits Handschriften des Heilsspiegels überliefern.
Möglicherweise griff man dabei auf ein Muster zurück, das schon für frühe Bilder des Franziskus zur kanonischen Formulierung geworden und danach auch für andere Heilige, z. B. Klara (Retabel in Assisi, Santa Chiara: RDK X, Sp. 479, Abb. 3) oder Maria Magdalena (Florenz, Retabel aus SS Annunziata: Gal. Accademia, Nr. 8466), benutzt worden war. Die ältesten Zeugen für das wohl in Italien (Bologna?) im 2. Viertel 14. Jh. konzipierte Bildprogramm des „Speculum humanae salvationis“ bieten das vorbildhafte Schema der Komposition (Abb. 1; München, Bayer. St.bibl., cod. lat. mon. 146, fol. 49r: [20] Bd. 1, Taf. 92): Die stehende Gottesmutter ist umgeben von Bildfeldern mit Einzelmotiven, die abbreviierend auf Szenen der Vita Christi von der Verkündigung bis zur Himmelfahrt verweisen. Dieses Konzept wurde schon im Laufe des 14. Jh. reduziert (Kremsmünster, Stiftsbibl., Cod. 243, fol. 40v und 52r: [26] S. 283 und 319) oder aufgegeben.
Das Bild der schmerzhaften Gottesmutter ist wohl wegen des mit dieser Thematik verbundenen Angebots zu frommer Anteilnahme bis zur Einladung zum Nachvollzug in der formalen Gestaltung und hinsichtlich der ikonographischen Ausgestaltung vielfältiger als das Bild der freudenreichen Maria.
Die Memorierung der S. M. kann jedoch auch ohne besondere ikon. Zeichen geschehen. Für Zentren der neuen Marienverehrung um 1500 wie die Kirchen in Abbenbroek und Reimerswael hatte Jan van Coudenberghe Gem. der Jungfrau nach dem Vorbild röm. Ikonen anfertigen lassen, ohne daß Hinweise auf die Befindlichkeit Mariens zu erkennen waren. Allein die überlieferten ausführlichen Inschriften wiesen auf die Leiden der Mutter Christi hin und konfrontierten die Gläubigen mit deren Gemütsverfassung („Dat is een devote salige enn profitelicke ghedenkenisse“). Doch solche gestalterisch unspezifischen Formulierungen des Themas blieben die Ausnahme. Das gleiche gilt für eine Variante, welche in der franz. Glasmalerei des späten Mittelalters zu finden ist und die einer Pietà die Figur des Simeon mit einem Schriftband beigesellt ([22] S. 122). Entscheidend für die Entwicklung der Ikonographie wurden Bildtypen, die mit Szenen oder Symbolen die Aussage verdeutlichen.
Zwei Varianten der Wiedergabe schmerzhafter Erlebnisse im Leben Mariens blieben bis ins 19. Jh. gültig. Die eine zeigt Maria als Einzelfigur, welcher zum Zeichen ihres Leids und Mitleidens ein Schwert oder mehrere Schwerter die Brust durchdringen (Schmerzensmutter); dabei gilt die Aufmerksamkeit der Person und ihren Gefühlen, ohne dass Gründe für die Befindlichkeiten angegeben werden müssen. Daneben gibt es eine ausführlicher erzählende Variante, bei welcher Maria Szenen aus ihrer Biographie und aus dem Leben Jesu zugeordnet sind, die ihr Schmerz verursachten (s. Sp. 1417). Abwandlungen oder Kombinationen vervollständigen die aufgrund vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten breite ikonographische Überlieferung.
Seit der Patristik war die Ankündigung des Simeon (s. Sp. 1414f.) Gegenstand theologischer Betrachtung und Ausdeutung. Die im Umfeld Bernhards von Clairvaux entwickelte und von den Bettelorden im 13. Jh. weitergeführte Marienfrömmigkeit stellte die „compassio“ der Gottesmutter besonders heraus (vgl. Dialogus Beatae Mariae et Anselmi de Passione Domini, in: P. L. 159, Sp. 271–290; Rupert von Deutz, Commentum in Evangelium sancti Iohannis, ed. Rhabanus Haacke, Turnhout 1969 [CCCM IX], S. 743f.). Bonaventura nannte ausdrücklich den „gladius compassionis“ und rückte so das Leiden Mariens in Parallele zur Passion Christi (Commentarium in Joannem 19, 25, in: [1] Bd. 6, S. 497; ders., Commentarium in Lucam 2, 35, in: ebd., Bd. 7, S. 61). Albertus Magnus hob eine weitere Qualität dieses Leidens hervor, als er von Maria als „adiutrix redemptionis per compassionem“ sprach (Quaestiones super Missus est, in: Albertus Magnus, Opera omnia, Bd. 37, Paris 1898, S. 219) und auf diese Weise die Mitwirkung Mariens an der Erlösung beschrieb [17].
Seit dem frühen 14. Jh. zeigte sich eine solche Betrachtung intensiviert und auf ein körperliches Nachempfinden des Betrachters bezogen. Passionstraktate forcierten die Annäherung auch an die Schmerzen Mariens. In geistlichen Spielen wurden die Geschehnisse dramatisiert; Simeon trat als handelnde Person auf, die das Leidensschwert handhabt. Parallel dazu suchte man die „compassio“ im Gebet zu erreichen: In den sieben Anrufungen Mariens eines Stunden- und Gebetbuchs aus Avignon, 2. H. 14. Jh. wird, wie auch in vielen anderen Hss. der Zeit, jedes schmerzhafte Ereignis mit einem Schwert verglichen (Paris, BNF, ms. lat. 10527, fol. 157r–163v; Leroquais, Livres d’heures, Bd. 1, S. 316–322, Nr. 150; [32] S. 516). Das Mitleiden war bereits in einer Szene präsent, die zahlreichen Hss. des „Speculum humanae salvationis“ vor dem Schlußkapitel hinzugefügt wurde: Einem Dominikaner, der Christus und Maria um Zeichen des Schmerzes und um die Fähigkeit gebeten habe, diesen Schmerz spüren zu können, seien Nägel und Schwert in den Körper gedrungen. Bilder dazu sind in Drucken des späten 15. Jh. zu finden ([20] Bd. 1, S. 92; [26] S. 314f.; Bert Cardon, Mss. of the Spec. Hum. Salv. in the Southern Netherlands [ca. 1410–1470], Löwen 1996 [Corp. of Illum. Mss., Bd. 9], S. 132–141 und Abb. 80; [28] Bd. 2, Taf. 65, Nr. 520). Auf diese Weise mündet die „compassio“ in unmittelbare Nachfolge. Zugleich wird damit die besondere Marienfrömmigkeit innerhalb der Bettelorden unterstrichen.
Vom 17. bis 19. Jh. findet sich das von einem Schwert durchbohrte Herz Mariens neben dem Herzen Jesu und seinen Wundmalen häufig in der populären Bildproduktion (Spamer, Andachtsbild; Kurt Müller-Veltin, Mrh. Steinkreuze aus Basaltlava, Neuss 1980, Abb. 273, 412). Als eindrückliches Zeichen für die leidende Gottesmutter wurde ihr Herz auch isoliert dargestellt: Herz Mariä; als Fond einzelner Szenen der Passion Christi in einer achtteiligen Kupferstichserie 1763: Rudolf Wildmoser, Gottfried Bernhard Göz (1708–1774) als ausführender Kupferstecher, Jb. des Ver. für Augsburger Bistumsgesch. 19, 1985, S. 140–296, bes. S. 232–235; häufig in Andachtsbildern und Devotionalien bis um 1900.
2. Bildformen
Für die Wiedergabe der S. M. wurden in der Folgezeit dieselben Varianten der Anordnung verwendet, die auch zur Darstellung der F. M. (s. Sp. 1429–1434) üblich waren.
a. Kolumnen und Register
Die Darstellung in Kolumnen tritt früh in der Druckgraphik auf (Abb. 2). Register sind vor allem in der Tafelmalerei zu finden.
Auf Jan Baegerts Tafel, um 1528/30, die er wohl für das Zisterzienserinnenkloster Marienborn (Hürth-Burbach) im Rhein-Erftkr. anfertigte, sind die Szenen registerartig angeordnet. Die Mittelfelder der unteren beiden Reihen wurden ausgespart für die stehende Muttergottes (Abb. 16).
b. Kranz aus Medaillons
In franz. Stundenbüchern um 1470 sind die S. M. als kleine Medaillons über der stehenden oder sitzenden Maria angebracht ([11] Bd. 2, S. 309f.). Das Motiv ist bis in die Neuzeit häufig in der Tafel- und Buchmalerei sowie in der flämischen Graphik, von dort ausgehend auch im deutschsprachigen Bereich (Carol M. Schuler, The Seven Sorrows of the Virgin, Simiolus 21, 1992, S. 5–28).
Hans Burgkmair d. Ä. stellte 1524 die Schmerzensmutter mit sechs Schmerzen auf einem großformatigen Holzschnitt dar, der auch den Text eines Gebetes wiedergibt ([24] S. 106 mit Abb. 57). Ein Triptychon Bernard van Orleys, zw. 1520 und 1535?, zeigt die zusammengesunkene Maria unter dem Kreuz, das rechts und links von jeweils drei vor dem Himmel sich abhebenden Rundfeldern mit den übrigen Szenen der Schmerzen begleitet wird (Matthieu Pinette u. a., Le Mus. des B.-A. et d’Arch. de Besançon, Besançon 1994, S. 42, mit Abb.; s. Sp. 1450). Ein Nachfolger des Quinten Massys positionierte die Pietà in der Mitte (Brüssel, Mus. roy. des B.-A., Inv.nr. 335: Kon. Musea voor Schone Kunsten van België. Inventariscatalogus van de oude schilderkunst, Brüssel 1984, S. 128; s. Sp. 1441 und 1450).
Häufig sind die Tondi als Grisaillen ausgeführt (s. Sp. 1443f.).
Beisp.: Adriaen Isenbrant (Ausst.kat. „Spiegel der Seligkeit …“, Nürnberg 2000, S. 63); Glockendon-Werkstatt, Dt. Gebetbuch, um 1532–1534 (Pommersfelden, Schloßbibl., Hs. 345, fol. 88v; [2] S. 234–236). Ähnlich wie Isenbrant blendete Pieter Pourbus im Mittelteil seines Triptychons für Joos van Belle 1556 die Medaillons in kunstvoll gestalteten Rahmen einer Bogenarchitektur vor (Brügge, Sint-Jakobskerk: Abb. 18; [6] S. 197).
Ein auf 1518 datiertes, nur fragmentarisch erhaltenes Retabel in Schwerte zeigte durch Rankenwerk verbundene fünf Rundfelder mit Szenen in einem vegetabil ornamentierten Bogen, unter dem wahrscheinlich die Skulptur einer trauernden Maria eingefügt war ([10] Abb. 80 und 91). Ähnliche Beispiele gibt es aus Stein (Wien, St. Stephan, Epitaph der Familie Straub, um 1520, mit dem Abschied Jesu von Maria im Zentrum: Kdm. Österreich 23, S. 357–360, Abb. 389–297), aus Holz (Fragment eines Retabels, Bremen [?], um 1500–1520: Gert von der Osten, Kat. der Bildwerke in der Nieders. L.gal. Hannover, Mchn. 1957, S. 151f., Abb. 165), in Ton (Niederl. Relief, ehem. Berlin, Kgwb.mus.: [10] Abb. 84), als Majolika oder in der Graphik. Sie belegen die große Beliebtheit dieses Konzepts in Europa um 1500 wie auch seine Übertragung in unterschiedliche Gattungen (Otto von Falke, Eine Majolika-Mal. des Quattrocento, Jb. preuß. K.-slgn. 15, 1894, S. 40–47; [10] Abb. 83).
In einen architektonischen Aufbau eingefügt ist die Darstellung auf einem Kupferstich des Meisters S nach 1500 ([13] Bd. 13, S. 173, Nr. 266); ebenfalls auf zwei großen Stichen des Hieronymus Wierix von 1581 bzw. 1601 ([23] T. 1, Nr. 774f.). Die Bildformel der Schmerzensmutter mit den S. M. wurde bis ins 17. Jh. immer wieder verwendet, z. B. auf einer Votivtafel in der Wallf.k. von Bruchhausen bei Unkel, 1636 (Werner Schönhofen, Bruchhausen, Köln 1994 [Rh. K.stätten, H. 406], S. 7, Abb. 10).
Erzählende Bilder der Passion sind häufig mit Medaillons der S. M. kombiniert, z. B. auf der Tafel aus der Werkstatt in der Nachfolge des Quinten Massys mit der Pietà im Zentrum (Brüssel, Mus. roy. des B.-A., Mus. de l’Art Ancien, Inv.nr. 335), aber auch noch auf dem Epitaph der Familie Brüning in der Hamburger K.halle (Abb. 15), wo die Rundbilder im Himmel über der Szene verteilt sind. Im Kontext eines Grabmonumentes sind Medaillons mit S. M. nicht selten Teil des Bildprogramms (z. B. Breda, Groote Kerk, Grabmal für Friedrich van Renesse, um 1550: Jan Kalf, De Monumenten van Geschiedenis en K. in de Prov. Noordbrabant, T. 1, Utrecht 1912, S. 110–112, mit Abb. 80).
Ausnahme blieb die Darstellung auf liturgischen Geräten, wie sie zum Beispiel ein Augsburger Entwurf für eine Monstranz, um 1700, vorsieht: Die Lunula ist umgeben von einem Dornenkranz und sieben Feldern für Darst. der Sieben Schmerzen, während unten die Gottesmutter mit sieben Schwertern das Andenken an die Geschehnisse noch einmal auf andere Weise präsentiert (Ausst.kat. „Barock in Baden-Württemberg“, Karlsruhe 1981, Bd. 1, S. 274).
c. Rahmende Felder
Rahmende Felder mit szenischen Darstellungen folgten bis ins 15. Jh. dem Schema der Speculum-Miniatur (Spec. hum. salv. des Johann von Stavelot, Brüssel, BR, Ms. 9332–46, fol. 156v: [9] S. 111, mit Abb. 118), das in Tafel- und Buchmalerei, außerdem in der Graphik wiederholt wurde. Stärker als bei den Medaillons war dabei das Schema selbst Gegenstand kunstvoller Gestaltung, mit deren Hilfe die verschiedenen Bildebenen als unterschiedliche Realitätssphären gekennzeichnet und in Beziehung zueinander gesetzt wurden.
Das Formular mit nur jeweils zwei ergänzenden Szenen zu beiden Seiten der unter dem Kreuz sitzenden Madonna ist schon bei einem Holzschnitt um 1430 genutzt (Abb. 2; [29] Bd. 2, Nr. 1013). Nach vereinzelten Darst. um M. 15. Jh. in Buchmalerei und Holzschnitt ist Dürers Wittenberger Tafel die früheste großformatige Version (Abb. 5; Dresden, Gem.gal. Alte Meister, Inv.nr. 1875–1881; München, Alte Pin., Inv.nr. 709; [25]).
Ähnlich ausführlich wie bei Dürer dürfte auch das mehrteilige Werk ausgefallen sein, das Quentin Massys für die Klosterkirche Xabregas bei Lissabon vor 1513 anfertigte (Lissabon, Mus. Nac. de Arte antiga, Inv.nr. 1275, 1692, 1702, 1821, 1830; Worcester, Mass., Art Mus., Inv.nr. 1937.4; Rio de Janeiro, Escola Nac. de Belas Artes: [12] Bd. 7, S. 29f., 60 mit Taf. 9–11; Larry Silver, The Paintings of Quinten Massys with Cat. Raisonné, Montclair, N. J. 1984, S. 205–207, mit Taf. 24–28, 30f.).
Vergleichbar ist die ganzseitige Min. des sog. Meisters der Heiligensuffragien, 2. Jz. 16. Jh., in der die einzelnen Bildmotive um die Schmerzensmutter angeordnet sind und wie auf einem Tafelbild halbrund oben abschließen (New York, PML, M. 71, fol. 12v: Abb. 9; [4] S. 108, Nr. XII). Die Vita Marias setzt unten links neben dem Hauptbild ein und endet unten rechts. Dieselbe Anlage findet sich bei dem 1505 gestifteten Retabel am Lettner der Kath. von Palencia, das ausweislich der Quellen von einem Juan de Hollanda im Auftrag des Bisch. Juan de Fonseca gemalt wurde. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Brüsseler Bruderschaft der Sieben Schmerzen lag die Auswahl des Bildthemas nahe (Lioba Schollmeyer, Jan Joest. Ein Beitr. zur Kg. des Rheinl. um 1500, Bielefeld 2004 [Schrn. der Heresbach-Stift. Kalkar, 11], S. 295–342). Die Komposition in einer fläm. Min. des Chorbuchs für Kaiser Maximilian, 1513/1514 (Jena, Thüringer Univ.- und L.bibl., Chorbuch Nr. 4, fol. 42v: Irmgard Kratzsch, Schätze der Buchmal., Jena 2001, Abb. 41) zeigt dagegen das größere Bild der Trauernden von quadratischen bzw. hochrechteckigen Nebenbildern gesäumt. Dieses Schema wird variiert in einer Tafel aus der Nachfolge desselben Malers (Brüssel, Mus. des B.-A., Inv.nr. 300: [12] Bd. 7, S. 63, mit Taf. 60). In einer Simon Bening zugeschriebenen Miniatur (London, Sam Fogg) sind einige wesentliche Änderungen eingeführt: Das ebenfalls halbrund schließende Motiv zeigt wiederum Maria in beherrschender Position. Die sitzende Gottesmutter in der Glorie begleiten seitlich je zwei hochrechteckige darunter drei querformatige Bilder. Retabelartig ist die Folge der einzelnen Bilder ausgebreitet und in ein System gebracht, das Über- und Unterordnung anzeigt. Benings Blatt wird vom selben Künstler variiert im Gebetbuch vom Leiden Christi (Los Angeles, The John P. Getty Mus., Ms. Ludwig IX 19, fol. 251v, Brügge, um 1525–1530: [11] Bd. 2, S. 286–313, Abb. auf S. 307), das die Randszenen als Rahmen ganz um die sitzende Maria herumführt und dabei jeweils unterschiedliche Formate wählt. Ähnlich gestaltete auch Nikolaus oder Gabriel Glockendon die vor 1534 bzw. 1537 angefertigten Kopien dieser Hs. (Modena, Bibl. Estense, Ms. Est. 136, fol. 94r; Wien, Österr. Nat.bibl., Cod. 1847, fol. 74r: Ulrich Merkl, Buchmal. in Bayern in der 1. H. des 16. Jh., Rgbg. 1999, S. 478 und 488).
Im Tafelbild des Lancelot Blondeel wird dieses Schema in eine Archit. versetzt, die geschnitzte Retabel imitiert und so den engen inhaltlichen Konnex zwischen Skulptur und Mal. zum Ausdruck bringt (Schweizer Priv.slg.: Ausst.kat. „Annual Spring Exhibition of Old Master Paintings, Alfred Brod Gal., London“, Ld. 1964, Nr. 9, mit Abb.).
Für die Einbettung der Schilderung in ein konstruktives Gerüst sind Gemälde Adriaen Isenbrants typisch. Er gestaltete das Thema der Sieben F. M. wie das der Sieben S. M. (Abb. 13) und nutzte dabei die verschiedenen Formate und Typen. Sein großes, für eine Anbringung an der Wand konzipiertes Stifterdiptychon des Joris van de Velde aus dem Jahr 1521 zeigte im geöffneten wie geschlossenen Zustand eine Maria der Schmerzen. Dabei wird innen die vor einer mit aufwendigem architektonischen Zierrat gestalteten Nische sitzende große Madonna von sieben kleineren Tafelbildern hinterfangen, die wie Wandgemälde dem gebauten Ambiente eingefügt sind (Brügge, Liebfrauenkirche). Außen ist das Thema in Grisaille mit Medaillons gestaltet (Brüssel, Mus. roy. des B.-A., Inv.nr. 2593; vgl. Sp. 1440).
Importe von illuminierten Gebet- oder Chorbüchern an deutsche Höfe, etwa für Kardinal Albrecht von Brandenburg oder Kf. Friedrich den Weisen von Sachsen, wie auch ganzer Retabel bzw. ihre Anfertigung nach flämischen Mustern führten zur Ausbreitung ikonographischer Formulierungen und Darstellungsvarianten der leidenden Gottesmutter: So steht das vielleicht aus St. Georg in Köln stammende Triptychon Anton Woensams in Homberg ganz unter südniederländischem Einfluß (Hans Kisky, Zum Werk des Anton Wonsam …, Wallr.-Rich.-Jb. 17, 1955, S. 226–229). Ebenfalls stark geprägt durch derartige Arbeiten ist die Nürnberger Buchmalerei in der ersten Hälfte des 16. Jh.
Dabei kamen teilweise Variationen bekannter Motive zum Einsatz: Nikolaus Glockendon stellte 1530 in seinen „Horae Beatae Mariae Virginis“ für Kardinal Albrecht von Brandenburg 1530 die Gottesmutter in eine manieristisch ausgeformte Bogenarchitektur, welcher die sieben Bilder der Schmerzen eingefügt sind. Von dort ausgehende, auf die Brust Marias zielende Schwerter versinnbildlichen ihr Leid (Aschaffenburg, Hofbibl., Ms. 9, fol. 24v: Alfons W. Biermann, Die Min.hss. des Kard. Albrecht von Brandenburg [1514–1545], Aachener K.bll. 46, 1975, S. 15–310, S. 190, Abb. 263).
Für geschnitzte Altaraufsätze griff man diese Ikonographie auf. Heinrich Douvermanns Siebenschmerzenaltar in Kalkar, zwischen 1519 und 1522, zeigt das vertraute System: Ein breiter Rahmen, dem querrechteckige Reliefs eingefügt sind, umgibt die zentrale Nische, in der ursprünglich eine Pietà aufgestellt war (Abb. 11). Der Schnitzer des Retabels der Dortmunder Petrikirche, Antwerpen 1521, schuf die Figur der sitzenden Maria im Zentrum und gab die Sieben S. M. in den Archivolten der Nische wieder (Rainer Kahsnitz, Die großen Schnitzaltäre, Mchn. 2005, S. 39, Abb. 44).
d. Zyklen
Die Bedeutung der S. M. belegt das Vorkommen in Bildzyklen der Tafelmalerei, Buchillustration und Druckgraphik, vor allem in Flandern während des 16. Jh.
Die Integration von Schmerzensbildern in eine größere Serie etwa der Passion steht zunächst in unmittelbarem Zusammenhang mit der nach der Einrichtung der Bruderschaften in Flandern entstandenen Holzschnittfolge des 1492 in Antwerpen erschienenen Gebetbuchs „Dit is een devote salige enn profitelicke ghedenckenisse van den VII weeden of droefheyden onser liever vrouwen“. Die S. M. sind mit den Szenen der Passion in Beziehung gesetzt und den Tagzeiten zugeordnet (s. Sp. 1416), z. B. in der Serie von sieben Blättern aus der Werkst. des Jacob Cornelisz. van Oostsanen, wahrscheinlich 1513, als vollständige Reihe einzelner Episoden ([24] S. 102–107).
Parallele Zyklen der Schmerzen sind selten.
Auf einheitlicher Planung beruht die Verdoppelung der Darst. in Adriaen Isenbrants Diptychon für Joris van de Velde, bei dem das Thema auf der Außenseite als Grisaille in gleicher Ordnung, aber nach anderen Vorbildern wiederholt wird (s. Sp. 1441 und 1443). Die 1547 Douvermanns Kalkarer Retabel hinzugefügten Flügel erhielten 1636 auf den Innenseiten eine Folge der S. M. nach Vorbildern aus Graphiken von Hendrick Goltzius (Barbara Rommé, Henrick Douwermann …, Bielefeld 1997 [Schrn. der Heresbach-Stiftung Kalkar, 6], S. 123).
Neben solchen in ein festes Schema eingebundenen Folgen existieren vor allem im 17. und 18. Jh. zahlreiche eigenständige Bildreihen, welche die schmerzhaften Episoden der Jungfrau in Einzeldarstellungen nacherzählen.
Bei den Malereien von Joseph Esperlin in der Pfarrk. zu Steinhausen an der Rottum von 1742 handelt es sich um ursprüngliche Fahnen, die später gerahmt wurden (Angela Pudelko, Joseph Esperlin. Ein Maler des Spätbarock 1707–1775, Bln. 1938, S. 16f.).
Das Gebetbuch der Schmerzensbruderschaft in Elchingen ist mit einer Stichfolge eines unbekannten Künstlers illustriert (Wohlriechendes Mürrhen-Büschlein …, Ulm 1751; Daniel Drašček, „Homo peregrinus“ …, Mchn. 1987 [Kulturgesch. Forschgn., 7], S. 51–55, mit Abb. 7–13). Am gleichen Ort malte Januarius Zick 1782/1783 Fresken mit Szenen aus der Passion Christi, die auf das Gnadenbild der schmerzhaften Maria bezogen sind. Gleichzeitig ist die Gründung des Servitenordens, dem die Wallfahrtsbruderschaft 1688 inkorporiert wurde, in einem Deckenbild festgehalten (Ausst.kat. „Januarius Zick und sein Wirken in Oberschwaben“, Ulm 1993, Mchn. 1993, S. 47–63).
In Matthäus Günthers Deckenfresko der Kapelle zu Druisheim rahmen die Pietà sechs Kartuschen, die monochrome Darstellungen von Beschneidung, Flucht, zwölfjährigem Jesus im Tempel, Kreuztragung, Kreuzigung und Grablegung enthalten. Das gleiche Thema gestaltete der Maler in Aldersbach 1767 neu: Während fünf Szenen das Zentrum mit der Pietà umgeben, wurde der siebte Schmerz durch die große plastische Figurengruppe des Gekreuzigten mit der trauernden Maria von Ignaz Günther dargestellt (Ausst.kat. „Matthäus Günther 1705–1788 …“, Augsburg 1988, Mchn. 1988, S. 50f., 361, 363; [31] S. 206). Eine vergleichbare Gruppe zeigt der Entw. für die Bekrönung des Valeriusschreins in der Augustinerchorherren-Stiftskirche Weyarn 1763/1764; die Ausführung nutzt ältere Figuren (Gerhard P. Woeckel, Ignaz Günther. Handzeichnungen, Weißenhorn 1975, S. 181–186). Vergleichbar sind das Ensemble in der Jakobskapelle zu Weyarn, um 1765, wo das ehem. vorhandene Schwert fehlt, und in der Pfarrk. von Vierkirchen, Obb., 1765/1770 ([31] S. 142f., 212f.). Eine Federzeichnung Giovanni Battista Lenardis zeigt ein anderes Konzept: Die zu Boden gesunkene Gottesmutter mit ihrem vom Kreuz abgenommenen Sohn ist von sechs Engeln umgeben, die Tafeln mit den übrigen S. M. in Händen halten (Düsseldorf, K.mus., Inv.nr. FP 2844).
Eine Sonderform derartiger Reihen existiert in Bildstöcken. Anzunehmen ist eine Parallelisierung zu Andachten, die Ereignissen der Passion gewidmet sind, z. B. Fälle Christi, sieben (RDK VI, Sp. 1366–1374).
Besonders deutlich ist die Verbindung von Leidensgeschichte Jesu und S. M. bei den bis in die frühen 1490er Jahre in Nürnberg errichteten Stationen mit Reliefs von Adam Krafft, die die „compassio“ der Gottesmutter integrieren (Reiner Zittlau, Heiliggrabkap. und Kreuzweg. Eine Bauaufgabe in Nürnberg um 1500, Nbg. 1992). Solche Stationen gab es im 16. Jh. auf dem Friedhof der Franziskaner zu Antwerpen; aus dieser Zeit könnten auch die Stationen in Ahrweiler datieren, die 1622 erneuert wurden. Für 1616 werden Bildstöcke der Sieben S. M. für den Weg zum Bonner Kreuzberg genannt; eine zweite Folge stammte von 1664 (Walter Schulten, Die Heilige Stiege auf dem Kreuzberg zu Bonn, Ddf. 1964 [Bonner Beitr. zur Kw., 8]). Im Rheinl. scheinen solche Wegmarken häufig gewesen zu sein; sie wurden bis ins 20. Jh. gebaut. Die 1999 durch Christoph Anders errichteten Bildstöcke zu den Sieben S. M. an der Schwanenkirche bei Roes/Eifel folgen der Anlage eines Kreuzweges (Reinhold Schommers, Der „Sieben-Schmerzen-Wallfahrtsweg“ an der Schwanenkirche/Eifel, Rhein. Heimatpflege 38, 2001, S. 41–45).
Andernorts sind die Stationen in einen Garten verlegt, z. B. im sog. Mariengarten der Wallfahrtsanlage in Koblenz-Arenberg, 1845–1860. Stelen tragen Tonreliefs nach Vorlagen von Joseph von Führich (Ulrike Weber, Stadt Koblenz. Stadtteile, Worms 2013 [Dkm.topographie der Bundesrepublik Deutschland. Kulturdkm. in Rheinland-Pfalz, Bd. 3.3], S. 34).
C. Besonderheiten
Eine präzise Abgrenzung der einzelnen ikonographischen Ausprägungen voneinander ist nur selten möglich. Die durch das Schwert oder durch Schwerter gekennzeichnete, stehende oder sitzende Schmerzensmutter bildet häufig den Mittelpunkt einer größeren Darstellung, in der die ikonographischen Varianten kombiniert sein können.
Zahlreiche Beispiele dafür gibt es in der Tafelmalerei, wobei Maria mit sieben Schwertern (Woensam: Altar in Homberg; s. Sp. 1443) oder mit einem Schwert dargestellt ist (Albrecht Dürer, Wittenberger Tafel: s. Sp. 1426, 1431, 1442, 1448 und 1453; Zülpich, Hochaltarretabel, Außenseite des oberen linken Flügels, Antwerpen, A. 16. Jh.: Die Schreinaltäre in der Peterskirche zu Zülpich, Zülpich 1938, S. 5–16).
Ähnlich kommt dies in der Buchmalerei vor, so bei Simon Bening, der um die sitzende Schmerzensmutter Medaillons als Grisaillen ausführte (Wien, Österr. Nat.bibl., Cod. 2706, Hortulus animae, S. 390, nach 1510: Seelengärtlein … Cod. Bibl. Pal. Vindob. 2706, hg. von Friedrich Dörnhöffer, Bd. 1, FfM. 1907, S. 390), oder in der Graphik (Jost de Negker, Einblattholzschnitt, vielleicht vor 1503: Abb. 6; [14] Bd. 29, S. 248). Daneben existieren nach diesem Muster angelegte graphische Blätter, bei denen die radial gesetzten Schwerter wie große Strukturlinien den Bildaufbau bestimmen; Medaillons mit szenischen Darstellungen sitzen an deren Griffenden oder in den Zwischenräumen ([22] S. 121; [10] Abb. 81–83). Ähnliche Bildkompositionen gibt es noch in der populären Graphik des 16. und 17. Jh., so bei Hieronymus Wierix’ Stich von 1581, den Theodoor Galle 1601 mit einer ausführlichen Inschrift neu edierte (Abb. 20b).
Einzigartig war Hans Burgkmairs großer Holzschnitt von 1524 mit zwei Reihen von Medaillons über der trauernden Maria mit Schwert. Eine Inschrift nennt Christi Leiden als Ursprung der Schmerzen seiner Mutter ([14] Bd. 5, S. 66, Nr. 79).
Auch das isolierte Andachtsbild der leidenden, durch ein Schwert verwundeten und/oder von Ereignissen ihres Lebens umgebenen Maria kann in szenische Kontexte eingebettet bzw. mit einer bestimmten Ikonographie kombiniert sein. Die häufigste Szene zeigt die Gottesmutter mit dem Leidensschwert unter bzw. vor dem Kreuz: Schmerzensmutter.
Bereits in der Frühzeit der Sieben-Schmerzen-Ikonographie vor 1500 kam es auch zu Mischformen, die sich aus der Zusammenstellung mit etablierten Bildformeln ergaben. Im Kontext der Passion Christi sind dabei erzählende Bilder und die einzelnen Stationen aus der Vita Mariens miteinander kombiniert. Es bot sich an, die Vergegenwärtigung Mariens als Trauernde unter dem Kreuz, als Pietà oder bei der Beweinung zu wählen, um das Leiden der Gottesmutter zu präsentieren. Wird ein solches Bildthema als herausgehobenes Ereignis zentrale Darstellung, so umgeben sechs kleinere Bilder die Hauptszene.
Bereits ein Memminger Holzschnitt des frühen 15. Jh. ist diesem Prinzip verpflichtet, da dort die fünf Schmerzen in ein größeres Mittelbild und vier begleitende Satellitenbilder aufgeteilt sind (Abb. 2). Die meisten Beispiele für die Ausformulierung derartiger Muster stammen aus dem 16. Jh. und sind in den Niederlanden entstanden: Bernard van Orley lenkt den Blick auf die ohnmächtige Maria unter dem Kreuz (Besançon, Mus. des B.-A.: s. Sp. 1439f.). Ein Nachfolger des Quinten Massys stellte die Pietà in den Mittelpunkt (Brüssel, Mus. roy. des B.-A., Inv.nr. 335; s. Sp. 1440).
Pieter Aertsen machte hingegen die Beweinung Christi (RDK II, Sp. 457–475) zum Hauptbild. Die Folge der Medaillons überfängt bogenförmig die Szene; das Rankenwerk in den Zwickeln verweist möglicherweise auf das Vorbild geschnitzter Retabel. Das gleiche Thema wählte C. Engelbrechtsz. für das Zentrum seiner Tafel von 1508 in Leiden, wobei die sechs kleinen, dunkel gehaltenen Szenen in der seitlichen, filigran gemalten Scheinarchitektur fast verschwinden (Leiden, Stedelijk Museum De Lakenhal: Yvette Bruijnen [Hg.], Cornelis Engelbrechtsz., Turnhout 2014, S. 4, Abb. 1 und S. 205, Nr. 34). Eine niederländische Tafel in der Hamburger Kunsthalle zeigt die gleiche Szene mit sieben Medaillons darüber, wobei statt der Beweinung die Gefangennahme aufgenommen wurde ([5] S. 258f.). Ein Holzrelief aus der Mitte des 16. Jh. im Franziskanerkonvent von Sint-Truiden veranschaulicht den direkten Zusammenhang des Leidens Christi und der „compassio“ Mariens: Von dem am Boden liegenden Christus geht ein Schwert aus, das Maria verletzt. Aus ihrem Nimbus brechen Strahlen hervor, die sechs Tondi mit kleinen Szenen aufnehmen (Marguerite Devigne, La sculpture mosane, Paris-Brüssel 1932, Tafel XLVI, Abb. 217).
Am bekanntesten ist die Bildkomposition mit der Pietà im Zentrum.
Durch die Graphik wurde dieses Schema verbreitet (s. Sp. 1426f.; z. B. Stiche des Meisters S: [13] Bd. 13, S. 136, Nr. 154). Nach diesem oder einem ähnlichen Muster ist auch die Miniatur angelegt, die um 1510 einer älteren Utrechter Handschrift hinzugefügt wurde (Amsterdam, Bibl. Phil. Hermetica, cod. 151, fol. 96v: Helen C. Wüstefeld und Anne S. Korteweg, Sleutel tot licht, Amsterdam 2009, S. 74, 77f., 101). Die zentrale Szene ist von dichtem Rankenwerk mit Palmetten umschlossen, welche die jeweils drei kanonischen schmerzhaften Ereignisse aus Kindheit und Passion Jesu enthalten. Weitere graph. Beisp.: [13] Bd. 13, S. 158, Nr. 217; S. 174, Nr. 269; S. 181, Nr. 289.
D. Kombinationen von Freuden- und Schmerzensdarstellungen
Bonaventura folgend (s. Sp. 1416) lag es nahe, Darstellungen von Freuden und Schmerzen als sich ergänzende Gegenstücke zu konzipieren und so beide Bildthemen miteinander zu verknüpfen.
Ein frühes Beisp. dafür bietet eine gegen E. 14. Jh. illum. franz. Bilderbibel, die neben anderen Reihen zwei aufeinander bezogene Marienzyklen zeigt: Sieben S. M. und zehn F. M. (Paris, BNF, ms. fr. 400, fol. 41r–44r und fol. 44v–48v; vgl. [22] S. 119). Ein Gebetbuch mit teilweise gereimten Texten aus dem 15. Jh. enthält zwei aus einzelnen Min. bestehende Bildfolgen zu den sieben F. M. und S. M. (München, Bayer. St.bibl., cod. germ. mon. 117, fol. 7r–15v und 23v–29v: Erich Petzet, Die dt. Pergamenthss. Nr. 1–200 der St.bibl. München, Mchn. 1920, S. 213–216). Ein südniederl. Stundenbuch von 1526 enthält Texte zu den fünf S. M. und sieben F. M.; die Min. zeigt die Gottesmutter vor dem leeren Kreuz mit Medaillons von sieben leidbringenden Szenen (Cambridge, Fitzwilliam Mus., Ms. McClean 99, fol. 84v–86v: ebd., S. 244–246).
Aufeinander bezogen sind auch die Darst. der freuden- bzw. schmerzensreichen Marien mit umgebenden Medaillons in einem von verschiedenen Buchmalern, u. a. Simon Bening, illustrierten Stundenbuch, wahrscheinlich Gent, um 1520 (Darmstadt, Hess. L.- und Hochschulbibl., Hs. 69, fol. 183r und 183v: Die lat. Gebetbuchhss. der Hess. L.- und Hochschulbibl. Darmstadt, bearb. von Gerhard Achten, Leo Eizenhöfer und Hermann Knaus, Wiesb. 1972 [Die Hss. der Hess. L.- und Hochschulbibl. Darmstadt, Bd. 3], S. 139–144).
Auf Retabeln existieren ebenfalls solche Kombinationen.
Ein schwäbisches Triptychon zeigt auf den Außenflügeln fünf S. M., dazu eine von fünf Schwertern verletzte Maria unter dem Kreuz. Die Innenseite präsentiert die Marienkrönung mit sechs teilweise ungewöhnlichen Szenen der F. M. (Stuttgart, L.mus. Württ., Altar aus Lichtenstern, um 1465). Bernard van Orley umgab die Kreuzigung auf der Mitteltafel des Triptychons in Twenthe mit den Bildfolgen der F. M. rechts und S. M. links (Twenthe, Rijksmus.). Die Frankfurter Rosenkranztafel ist mit beiden Zyklen aus jeweils sieben Szenen ausgestattet (s. Sp. 1455), ebenso der Marienaltar des Xantener Doms. Im Schrein sind Ereignisse der Marienvita von Arnt von Tricht und Henrik van Holt um eine große Figur der Gottesmutter gesetzt (Opfer Joachims, Geburt, Tempelgang, Verlobung, Heimsuchung, Verkündigung, Tod und Krönung). Das um 1535 entstandene Werk ergänzte 1553 Rudolph Loesen in Antwerpen um die Gem. der Flügel: innen die F. M., außen die S. M., die so in wörtlichem Sinne als zwei Seiten eines Lebens erscheinen (Hans Peter Hilger, Der Dom zu Xanten und seine Kunstschätze, Königstein i. T. 32007, S. 87).
Daneben kommen paarweise konzipierte Einzelmonumente vor.
Nach Beschreibungen des 17. Jh. gehörte zu A. Dürers Schmerzensmutter in der Schloßkirche zu Wittenberg (Abb. 5) ein ähnlich gestaltetes Bild der F. M. ([25]; vgl. Sp. 1431).
In Kalkar waren um 1500 wenigstens zwei geschnitzte Altäre mit den F. M. und S. M. vorhanden: Das aus Quellen erschließbare Retabel des 15. Jh. im Südschiff der Kirche dürfte einzelnen Freuden gewidmet gewesen sein; hinzu kam im gleichen Raum Douvermanns Schmerzensaltar von 1522 (Abb. 11; vgl. Sp. 1443f.). Auch in der Klosterkirche Brou gab es eine solche Gesamtkomposition aus zwei Retabeln, vollendet 1522 (vgl. Sp. 1433).
Die beiden heute in Rom aufbewahrten Tafeln des Bernard van Orley sind ebenfalls als Gegenstücke konzipiert worden (Gal. Colonna: [12] Bd. 8, Nr. 94). Nachweisbar ist dies auch für Pieter Aertsens Triptychen in St. Léonard in Zoutleeuw, wo sich die Ereignisse in Medaillons auf den Mitteltafeln finden (ebd., Bd. 13, Nr. 295). Die formale Angleichung in beiden Werken belegt die gemeinsame Konzeption. Das ist auch für die 14 kleinen Tafeln mit F. M. und S. M. aus der ersten Hälfte des 18. Jh. anzunehmen, die sich in der Pfarr- und Wallf.k. Mariathann erhalten haben und auf korrespondierende Altäre verweisen (Kdm. Bayern, Schwaben IV, S. 378f.).
In dieser Tradition stehen noch die beiden um 1760 als Gegenstücke konzipierten Reliquiare aus dem Servitenkloster zu Innsbruck, welche von Lilien bzw. von Schwertern umgebene Figuren der sitzenden Gottesmutter im Hochrelief mit jeweils sieben szenischen Rundbildern aufweisen (Ausst.kat. „Gold und Silber. Sakrale Kostbarkeiten aus Tirol – Stiftungen und Stiftsbesitz“, Stams 2004, Brixen 2004, S. 72–74).
Auch in der Graphik wurden Folgen mit F. M. und S. M. als Pendants entworfen (Abb. 19a und 19b, 20a und 20b) oder miteinander verschränkt.
Einer um 1530/40 entstandenen niederl. Holzschnittserie mit den sieben S. M. sind kleine Rundfelder der F. M. integriert (Wouter Nijhoff, L’art typographique dans les Pays-Bas pendant les années 1500 à 1540, Bd. 2,2, Den Haag 1931–1939, Taf. 380).
Zwei in den 1670er Jahren aus der Kölner Werkstatt des Johann Soentgens hervorgegangene, als Gegenstücke konzipierte Kupferstiche präsentieren die von sieben durch Rankenwerk gebildeten Medaillons umgebene sitzende Gottesmutter. Anrufungen auf den schmalen Rahmen der Tondi machen eine Verwendung als Gebets- oder Meditationshilfe wahrscheinlich. Das Blatt mit den F. M. wurde 1763 ein zweites Mal gedruckt ([14] Bd. 71, S. 4–7).
E. Kombinationen mit anderen Bildthemen
Aufgrund der Parallelen von F. M. und S. M. mit den Mysterien des Rosenkranzes und der Passion Christi lagen Kombinationen mit Bildern nahe, welche die Inhalte der seit dem späten 15. Jh. überaus populären Gebetsform bzw. des Kreuzwegs Jesu wiedergeben. Die direkte Abhängigkeit von zeitgenössischen Texten ist dabei nicht sicher nachzuweisen, inhaltliche Parallelen sind jedoch deutlich zu erkennen.
Während „Unser Jungfrauwen Mariae Rosen Gertlein“ des Adolf von Essen, um 1400, und seine Zwanzig-Exempel-Schrift von etwa 1420/30 noch wenig konkret für Freuden und Schmerzen bleiben, ändert sich dies mit den „Clausulae vitae Christi“ des Dominikus von Preußen, fünfzig kurzen Sentenzen zum Leben Jesu aus dem Jahr 1409 (Karl Joseph Klinkhammer, Adolf von Essen und seine Werke, FfM. 1972). Aus diesen entwickelt sich der Rosenkranz mit 15 Gesätzen. Wie in der Ikonographie gibt es zahlreiche Sonderformen. Zu nennen sind vor allem die „Corona“ des Servitenordens, der sog. Rosenkranz der Sieben Schmerzen, bestehend aus sieben Gesätzen, für den es spezielle Gebetsschnüre mit Medaillons gab, die Bilder dieser Ereignisse trugen. Auch das „Rosenkränzlein von den fünf Leiden Marias“, an der Wende zum 16. Jh. entstanden (Hardo Hilg, Das ,Marienleben‘ des Heinrich von St. Gallen. Text und Untersuchung. Mit einem Verzeichnis deutschsprachiger Prosamarienleben bis etwa 1520 [Münchener Texte und Untersuchungen zur dt. Lit. des MA, Bd. 75], Mchn.-Zh. 1981, S. 430f., Nr. 79), verband die entsprechenden Szenen zu einem Gebet, wobei die Darstellung im Tempel und der zwölfjährige Jesus unter den Schriftgelehrten, die Gefangennahme, die Mißhandlung sowie die Kreuzigung, die Kreuzabnahme und die Grablegung Berücksichtigung fanden. Schnitzwerke, Tafelbilder und Graphiken aus dieser Zeit setzen solche Memorialsysteme in einfache, bekannte Schemata um. In der Volkacher Rosenkranzmadonna aus der Werkstatt Riemenschneiders rahmt ein Blütenkranz mit fünf Medaillons die von Engeln gekrönte Maria mit Kind. Fünf freudige Ereignisse sind darin enthalten. Zusammen mit der zentralen Szene ergibt sich so ein sechsteiliges Ensemble von Ereignissen (s. Sp. 1428).
In der Basler Ausgabe von Sebastian Brants „Carmina in laudem B. M. V.“ von 1498 wird Maria in einem ovalen Dornenkranz gegeben. Dieser ist von fünf Rosenblüten durchsetzt, von dem Schwerter ausgehen (Schramm, Frühdrucke 22, Taf. 177, Nr. 1233). Das wohl 1546 entstandene Epitaphgemälde der Familie Wins aus der Marienkirche in Frankfurt/Oder zeigt im oberen Teil eine jeweils individuell ausgewählte Folge der sieben F. M. (Verkündigung, Heimsuchung, Geburt Christi, Anbetung, Rückkehr aus Ägypten, Noli me tangere [?], Tod Marias) und S. M. (Flucht nach Ägypten, Jesus im Tempel, Abschied Jesu von Maria, Verhör Jesu vor Pilatus, Kreuztragung, Kreuzigung, Grablegung) in Medaillons, die kreisförmig um eine Marienkrönung angeordnet sind. Ergänzt werden diese Zyklen um einen Rosenkranz, der ebenfalls in Medaillons sieben Szenen aus Kindheit und Passion Christi enthält (Darstellung im Tempel, Gebet am Ölberg, Geißelung, Dornenkrönung, Christus in der Rast, Annagelung, Lanzenstich): Die memorierten Ereignisse sind so in drei konzentrischen Kreisen um die Hauptszene angeordnet; strahlenförmig gehen die Tondi nach außen ab (Hans Georg Gmelin, Spätgot. Tafelmal. in Nieders. und Bremen, Mchn. 1974, S. 360–362, Nr. 109). Die Kompositionen sind unmittelbar auf die Darstellung des Rosenkranzes zu beziehen, wie sie etwa 1510 in einem Holzschnitt von Hans Traut vorliegt (Monika Heffels, Meister um Dürer. Nürnberger Holzschnitte aus der Zeit um 1500–1540, Ramerding 1981, Nr. 51) und in monumentaler Form ein Fresko aus der Stadtkirche zu Weilheim an der Teck aus der gleichen Zeit zeigt (Augusta van Oertzen, Maria, die Königin des Rosenkranzes, Augsb. 1925, S. 55f., mit Abb. 19). Bereits das Ulmer Ablaßblatt von 1485 zeigte die Madonna in einem Kranz von zehn Medaillons mit Geschehnissen von Verkündigung bis Kreuzigung ([29] Bd. 1, Nr. 1129).
Im Rosenkranzaltar des Überlinger Münsters St. Nikolaus ordneten Martin und David Zürn 1631 fünfzehn Medaillons in einem großen Oval um das Mittelbild der Maria mit Kind an (Claus Zoege von Manteuffel, Die Bildhauerfamilie Zürn 1606–1666, Weißenhorn 1969, Bd. 2, S. 329–335, Abb. 37–53). Ähnlich zeigt dies ein Tafelbild des 17. Jh. im Kölner Dominikanerkonvent (Ausst.kat. „Der heilige Rosenkranz“, Köln 2003, S. 52).
Bei der Wiedergabe der F. M. oder S. M. bleibt normalerweise die Rolle des Beters oder Betrachters untergeordnet. Ungewöhnlich ist deshalb der Fall, wo genau dieser in die Komposition einbezogen wird: Die sechs F. M. im sog. Sobieski-Stundenbuch werden jeweils von einer vornehmen Dame begleitet, die die fromme Vergegenwärtigung repräsentiert (Windsor Castle, Roy. Libr., fol. 104v: [9] S. 65). Eine um 1500 entstandene franz. Handschrift mit der Übers. des Speculum durch Jean Miélot enthält die durch Beischriften ergänzten Serien der F. M., der S. M. und der Passion. Während die erste Reihe aus Einzelbildern besteht, treten die schmerzhaften Ereignisse sowie die Passion in erzählerischem Kontext als kleine, von einem Mann verehrte Szenen auf, die einem Wolkensegment eingefügt sind (Paris, BNF, ms. fr. 6275: [20] Bd. 1, S. 161–164; Bd. 2, Taf. 136).
Zu den Abbildungen
1. S. M., Federzeichnung, Spec. hum. salv., Bologna (?), um 1320. Ehem. Toledo, Archivo y Bibl. Capitulares, ms. 10.8 (verschollen), fol. 45r (Ausschnitt). Foto MAS, Barcelona, Nr. C 78657.
2. S. M., Einblattholzschnitt, Memmingen (?), um 1430. 27 x 19,10 cm, München, Staatl. Graph. Slg. Nach: B. ill. 164 (Suppl.), S. 23, Nr. 1013.
3. F. M., Einblattholzschnitt, deutsch, um 1430. 21,5 x 15 (?) cm, ehem. Karlsruhe, Bad. L.bibl. (Kriegsverlust). Nach: B. ill. 164 (Suppl.), S. 28, Nr. 1016–3.
4. Rogier van der Weyden, Maria lactans, zw. 1430 und 1435. 14,2 x 10,2 cm, Madrid, Mus. Thyssen-Bornemisza, Inv.nr. 1930.25. Nach: Teresa Pérez-Jofre, Highlights of Art. Thyssen-Bornemisza Mus., Madrid, Köln 2001, S. 65.
5. Albrecht Dürer, Sieben S. M., 1496–1498. Öl auf Holz, ca. 190 x 135 cm, Rekonstruktion, Dresden, Staatl. K.slgn., München, Bayer. St.gem.slgn. Nach: Doris Kutschbach, Albrecht Dürer. Die Altäre, Stg.-Zh. 1995, S. 88, Abb. 70.
6. Jost de Negker, Holzschnitt, um 1500. Nach: [10] Abb. 82.
7. Terrakottarelief, Niederl., um 1500. Ehem. Berlin, Kgwb.mus. Nach: ebd., Abb. 84.
8. Monogrammist II, Sieben S. M., 1507. Kupferstich, 12,7 x 9,4 cm. Nach: [13] Bd. 13, S. 65.
9. S. M., Meister der Heiligensuffragien, 2. Jahrzehnt des 16. Jh. New York, PML, M. 71, fol. 12v: Nach: [4] S. 108, Nr. XII.
10. Lucas Cranach d. Ä., F. M., 1513. Nach: [14] Bd. 6, S. 50.
11. Heinrich Douvermann, Altarretabel der Sieben S. M., 1518–1522. Kath. Pfarrkirche St. Nikolai, Kalkar, Kleve. Nach: Rainer Kahsnitz, Die großen Schnitzaltäre …, Mchn. 2005, S. 36.
12. Bernard van Orley, Taf. vom Diptychon mit F. M. und S. M., um 1520. Öl auf Holz, 34 cm x 26,5 cm. Rom, Slg. Colonna. Nach: Douglas Cooper, Great Family Coll., Ld. 1965, S. 39.
13. Adriaen Isenbrant, Taf. vom Diptychon des Joris van de Velde, 1521. Öl auf Eichenholz, 138 x 138 cm. Brüssel, Onze-Lieve-Vrouwekerk. Nach: Ausst.kat. „Memling und seine Zeit, Brügge und die Renss.“, Brügge, Memlingmuseum – Oud-Sint-Janshospitaal, 1998, Stg. 1998, Abb. 40B.
14. Bourg-en-Bresse, ehem. Klosterkirche Brou, Retabel, voll. 1522. Nach: Marie-Françoise Poiret, La monastère royal de Brou, Paris 2000, S. 39.
15. Niederl. Meister, S. M., um 1520. Tafelbild, 196,5 x 129 cm, Hamburger Kunsthalle, Inv.nr. 463. Nach: [5] S. 259.
16. Jan Baegert, S. M., 1528/1530. Öl auf Eichenholz, 126 x 70 cm, Köln, Kolumba – K.mus. des Erzbistums Köln, Inv.nr. M 1004–107. Nach: Ausst.kat. „Kostbarkeiten in Köln“, Köln 1978, S. 25, Kat.nr. 44, Abb. S. 25.
17. Marienaltar der Äbtissin Wandula von Schaumburg, nach Entwürfen Albrecht Altdorfers, 1534–1540. Kalkstein (Reliefs), Rotmarmor. Regensburg, Domschatzmus. Nach [15] Abb. 15.
18. Pieter Pourbus, F. M., 1556. Brügge, Sint-Jakobskerk. Nach [6] S. 196f., Kat.nr. 99.
19a. Giorgio Ghisi, F. M., 1575. Kupferstich 2. Zustand. Plattenrand: 31,7 x 22,5 cm. Nach: Ausst.kat. „The Engravings of Giorgio Ghisi“, New York 1985, Abb. 53.
19b. Giorgio Ghisi, S. M., 1575. Kupferstich, Plattenrand: 32 x 22,8 cm. Nach: ebd., Abb. 54.
20a. Hieronymus Wierix, F. M., 1581. Kupferstich, 26 x 20,2 cm. Nach: [13] Bd. 62, S. 212, Abb. 892.
20b. Hieronymus Wierix, S. M., 1581. Kupferstich, 26 x 20,3 cm. Nach: ebd., S. 213, Abb. 893.
21. Matthäus Günther, S. M., 1767. Deckengem. Aldersbach (Ldkr. Passau), ehem. Zisterzienserabtei, Portenkapelle. Foto: ZI.
Literatur
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Für die Bearbeitung des Artikels wurde von Heinz Peters (†) gesammeltes Material verwendet.
Verweise
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