Kolophon

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englisch: colophon; französisch: colophon; italienisch: colofone

Isolde Mozer (2023)

Bibel, Tordómar, Kloster Valeránica (Kastilien), um 960.
Papst Clemens V., Constitutiones mit Glossen, 1471.
Desiderius Erasmus, Collectanea Adagiorum, 1509.
Magdalius Jacobus, Euagatoriu[m], 1516.
Jacob Arcadelt, Il primo libro di madrigali, 1539.
Caspar Huberinus, Vom christlichen Ritter, 1545.
Fior Angelico di Musica, 1547.
Gesangbüchlein [...] Bonn, 1582.
Herzog August von Braunschweig-Lüneburg, Das Schach- oder König-Spiel, 1617.


I. Definition

Der Kolophon ist eine Textkategorie in Handschriften und Drucken bis zum 17. Jh., die das En­de des Textes expliziert.[1] Er kann Angaben zum Schrei­ber oder Drucker, zum Titel, zum Autor, dem Druckort und -jahr, dem Korrektor, Illustrator, Verleger, Auftraggeber, ggf. dem Über­setzer und dem er­teil­ten Druck­pri­vileg enthalten[2]; manchmal präsentiert der Kolophon eine kurze In­­haltsangabe, Wün­sche an den Leser, Äußerungen zum Schreiben und Verwün­schungen ge­genüber Bücherdieben oder -zer­stö­rern; fast nie fehlen religiöse Passagen (Anrufungen an Gott und Heilige, Bitten um das Gebet der Leser, Lob und Dank für das vollendete Werk).

Aufgrund seiner textstrukturierenden, kommentierenden und dokumentarischen Bedeutung wurde der Kolophon häufig typographisch ausgezeichnet durch eine veränderte Farb- und Typenwahl, einen spezifischen Satzspiegel und eine geänderte Zeilenführung. In Inku­nabeln wurde dem Ko­lo­phon oft ein graphisch gestaltetes Drucker­­signet bei­gefügt.

II. Etymologie und Synonyme

Der Begriff Kolophon, von griechisch коλоφώυ, bedeutet Kulmi­na­tion, Zielpunkt, ein Ende, auf das der Text zuläuft. Der Begriff ist seit dem 18. Jh. als wissen­schaftliche Bezeichnung für Schluss­­schriften im deutschen Sprachgebiet nachweisbar.[3] Synonyme für den Kolophon sind die deut­schen Begriffe Schlussschrift, -formel oder -vermerk[4] und die lateinischen Begriffe Sub­scrip­tio, Explizit oder Impressum, wobei letztere inhaltlich nicht ganz überein­stim­men. „Subscriptio“ wur­de insbesondere in der Spätantike (vom 4. bis 6. Jh.) verwendet[5] und weist Schrift­­spe­zifika wie die Verwendung zweier unterschiedlicher Schriften im Fließtext und in der Sub­scriptio sowie die Ver­wen­dung von Großbuchstaben in der Schlussschrift auf[6]. Im Gegensatz zum Impressum enthält der mittelalterliche Kolophon weniger Stan­dard­informationen und ist an­ders, nämlich immer am En­de platziert.[7] – Das „Explizit“, eine „sprachlich inkorrekte Wort­form“[8], das als Gegenstück zu der Einleitungsformel „In­cipit“[9] diesem mor­­phologisch nachge­bil­det wurde, steht an beliebiger Stel­­le im Kolophon und vertritt zugleich, Pars pro toto, die Schluss­for­­mel insgesamt.[10]

III. Geschichte

Die Schlussschrift wurde aus der antiken Schreib­tra­di­­tion überliefert: In größeren, schwer über­schau- und hand­habbaren Werken se­quen­tieller Tontafelserien dräng­te sich die pragmatische Not­wen­digkeit einer schriftlich fixierten An­zeige des Textendes auf. Dass aber auch bei der letzten Sei­te einer ge­bun­de­nen Schrift eine Schluss­explikation dennoch nicht überflüssig war, lässt sich auf das Theologu­me­non vom Anfang und Ende zurückführen. Die Metapher vom „Alpha und Ome­ga“ (vgl. Abb.) ver­körpert eine Selbst­attri­buie­rung sowohl des alttestamentlichen Gottes (vgl. Is 44,6 und 48,12) wie auch Jesu Chri­sti (vgl. Apc 21,6 und 22,13). Die Distinktion zwischen Anfang und Ende begegnet in ver­schie­denen skrip­tu­ra­len Phä­no­me­nen des Mittelalters wie der Markierung, Auszeichnung und Illumination von Satzanfängen (vgl. Abb.)[11], der Einführung von Kleinbuchstaben und von Worttrennungen und damit einer op­tisch leicht erfassbaren Segmentierung einzelner Wörter und deren Anfang und Ende.[12] Eine weitere End­mar­kie­rung bezieht sich auf die Schreibung der römischen Zahl 1.[13]

Die explikatorische Emphase in den mittel­alterlichen Kolo­phonen bezog sich aber nicht nur auf die Dignität liminaler Phänomene, sondern auf die Wortproduktion insgesamt. Nach christlichem Verständnis schuf Gott die Welt durch sein Wort (Gn 1,3-27), und Christus verkörpert das fleischgewordene Wort (Logos). Für den frommen Men­schen des Mittelalters stellte die technische Erfindung des Buch­drucks deshalb nicht nur die Opti­mie­­rung pragmatischer, manufaktureller Möglichkeiten dar, son­dern eine neue, womöglich heils­ge­schichtlich bedeutsame Steigerung des gottähnlichen Han­delns des Men­schen. Die in den Kolophonen enthaltenen hymnischen Äu­ßerungen über die neue, vielfältig beschworene „ars impressoria“ (Druck­­kunst) wa­ren deshalb mehr als nur eine rhe­to­rische Figur; sie waren religiös grundierte und mo­­ti­vierte Elogen auf die zukünftige Entfaltung des Menschen. Die große Sorgfalt, mit der beim Schreiben und Drucken gearbeitet wurde, und die in vielen Kolophonen zur Sprache kommt, war deshalb kein ar­­beits­ethisches Gütesiegel, sondern eine fromme Tugendhaltung. Das Qualitätskriterium einer voll­ständig emen­dier­ten Druckvorlage verlang­te kompetente Korrektoren; sie rekrutierten sich aus exponierten Kreisen der Geistlichkeit[14] und Wissenschaft, manchmal korrigierten auch Autoren selbst.

Die Erfindung des Buchdrucks führte offenbar schon in der frühen Inkunabelzeit zu Selbst­pro­fi­lie­rungs- und Verdrän­gungs­­ten­den­zen. Viele Drucker nutzen den Kolophon deshalb für die Wer­bung oder wenigstens als Iden­ti­­fi­ka­tions­­instrument. Ein besonders markantes Beispiel begegnet bei der Drucker­marke des sehr pro­duk­ti­ven Druckers Erhard Ratdolt[15], die ganzseitig auf der Fol­geseite nach dem Kolophon ge­druckt ist. Als Überschrift über dem ikonischen Schild stehen zwei epi­grammatisch anmutende Zeilen: „Er­har­di Ratdolt felicia co[n]spice signa. Testata arti­fic[al]e qua valet ipse manum.“[16] (Schau dir das von Erfolg gekrönte Signet Erhard Ratdolts an. Ganz offen­sichtlich verfügt er über eine kunst­fer­tige Hand.) Wie zur Bestätigung hält der dargestellte urwüch­sige, nackte Mann in seiner Rech­ten zwei Schlan­gen (zur Immunität gegen Schlangen und damit der Herrschaft über das Böse siehe Mc 16,18)[17].

Wenn Heinrich Wirczburg, der Drucker einer der Auflagen des Geschichts­werkes „Fasciculus tem­po­­rum“, in seinem Kolophon von einer kürzlich überstandenen Natur­katastrophe berichtete[18], tat er dies nicht im Hinblick auf eine historisch-chronikalische Intention, sondern um die Konti­nui­tät der Straf­gerichte Gottes aufzurufen.[19] Auch der Scriptor, der mit unermüdlichem Fleiß die müh­­sa­me Arbeit des Abschreibens bewältigte, hatte nicht seinen Nachruhm im Sinn, sondern brachte in der imitatio Christi ein „Schreib­opfer“[20]. Er schrieb, damit sein Name im Buch des Le­­bens ver­zeich­net werde. Von seiner steinigen Arbeit „im Weinberg [vgl. Mt 20, 1−16] des Textes“[21] er­hoffte er sich himm­li­schen Lohn. Der Drucker[22] setzte die Arbeit des Schreibers fort, und auch er hoffte auf die Memoria, das für­bittende Gebet um sein Seelenheil nach seinem Tod.

Im Laufe der Entwicklung verlor die Gattung des Kolophons seine Bedeutung als Zwischen­stufe zwischen dem antiken Schluss­vermerk und dem modernen Impressum. In der Post­inkunabelzeit (von 1501 bis etwa 1535/40) und später wurde das abge­schlossene Werk überhaupt nicht mehr de­signiert, dort findet sich dann oft nur noch das Wort „Impressum“ (oder ein Synonym), manch­mal mit Jahreszahl und gelegentlich mit Schlussvignette. In dieser Zeit des bereits entstehenden Titelblatts rückten die reinen Informationen im Buch physisch nach vorne. Die Multi­pli­ka­tion des modernen Bu­ches verlangt nach prag­ma­tischen, schnell abrufbaren In­for­ma­tio­nen. Diese sollen dem potentiellen Käufer auf den ersten Blick sichtbar sein. Das ent­ste­hende Titelblatt und erst recht die For­ma­li­sie­rungen des Titelblatts und des Im­pres­sums halten dann zwar lückenlos alle für ein Buch re­levanten In­for­mationen bereit; die va­rianten Ele­men­te eines Ko­lo­phons, die Le­ser­­an­sprache und ins­be­­son­dere seine religiösen Di­men­sionen wurden dafür aufgegeben; der Kolophon diente nurmehr als historisches Archiv.


IV. Gestaltung

A. Text

Obwohl nur von geringem Umfang, sind Kolophone höchst variant; es gibt keine stets wieder­keh­ren­den Bestandteile. Ohnehin nimmt man in der Inkunabelforschung an, dass „nur etwa zwei Drit­tel der Inkunabeln“ einen Kolophon enthalten;[23] Kolophone in Manuskripten wurden bislang zwar ge­sammelt und heraus­ge­geben[24], quan­ti­tativ aber nicht ausgewertet.

Die durchaus he­te­ro­genen Elemente eines Kolophons – Produkt­informa­tio­nen, topische Wen­dun­gen, zeitgeschichtliche und berufsständische Mitteilungen, liturgi­sche For­meln und re­li­giöse Pas­sa­gen – liegen vollständig nur in sel­tenen Fäl­len vor. Ein idealtypisches Beispiel ist der erste ge­­druckte Kolophon im sog. Main­zer Psal­ter von Fust und Schöffer aus dem Jahre 1457[25]. Es ent­­hält den Na­men des Werks („psalmorum codex“, Buch der Psalmen), die Namen der beiden Drucker (Johann Fust, Main­zer Bür­ger[26], und Peter Schöffer aus Gerns­heim) und das Erschei­nungsdatum (1457 „in vigilia Assump­tio­nis“, d. h. am Vortag zum Fest der Auf­nahme Marias in den Himmel, also am 14. Au­gust). Dar­über hinaus informiert der Kolophon über die kunstvolle Erfindung des Buch­drucks („Ad­­in­ven­tione artificiosa impremendi et cha­rac­te­ri­zan­di“), die auch ohne Gebrauch einer Rohr­fe­der („abs­que calami exaratione“)[27] Schönheit und Ak­kuratesse der Großbuchstabenverzierung her­vor­ge­bracht habe[28]. Nach dem Lob auf das In­stru­men­ta­rium wird es auf die Druckertätigkeit aus­­ge­weitet („in­dustria, mit hohem Ein­satz) und schließ­lich transzendental über­höht: „ad eusebiam dei […] consummatus (aus Ehrfurcht vor Gott ist das Werk vollendet wor­den).

Der Abschluss der Schrift- bzw. des Buchs wurde meist explizit for­mu­liert[29], wobei der lateinische Sy­no­nymthesaurus einen erstaunlichen Umfang hat: „finitum“ (beendet), „ab­so­lu­tum“ (fer­tig­ge­stellt), „com­ple­tum“ (vollendet), „confectum“ (vollendet), „consummatum“[30] (vollbracht), „ex­cu­sum“[31] (gestaltet), „explicit“[32] (aufgerollt), „expletum“ (vollendet), „impetratum est“ (gedruckt), „ef­fi­giatur“ (hervorgebracht), „edidit“ (es edierte), „ist zu Ende“, „ist vol­l(en)­bracht“, „hie endet sich das buch“. Häufig wurde der vor­ausgehende Produk­tionsakt be­nannt: „scrip­tum est“, „scripsit“, „impressum“, „ausgedrucket“; Hu­ma­ni­sten verwandten für die Schluss­ex­plikation oft das griechische Äquivalent „Telos“[33] für „Finis“[34]. Aus die­sem Substantiv besteht in besonders lapidaren Fällen der komplette Kolophon, besonders in sei­ner ausklingenden Ära.[35] Auffällig redundant ist das Adverb „feliciter“ (glücklich), mit dem das En­de verbunden wird: „Finit feliciter.“ Dabei hatte dieses Wort nicht den Bedeutungshof eines sub­jektiv empfundenen Glücks im Sinne eines gesteigerten Wohlbefindens oder als Stoßseufzer am Ende einer anstrengenden oder gefährlichen Unternehmung; vielmehr besaß das Wort „felix“ einen hohen heils­ge­schichtlichen Stellenwert;[36] als glücklich gilt der Zustand, in dem das Unheil in Heil gewendet wird.[37] Das Bücher­schreiben und -drucken als soteriologisch bedeutende Tat barg die Vor­sorge für die Me­moria, die fürbittende Erinnerung an einen Verstorbenen. Deshalb ist am Ende von Kolo­pho­nen nicht nur häufig von der Sorgfalt und dem Fleiß zu lesen, mit denen eine Schrift oder ein Druck er­stellt wurden, sondern auch die Bitte um den himmlischen Lohn[38] und um das Gebet des Lesers für den Scriptor oder Impressor.[39] Umgekehrt wurde derjenige verflucht, der das Buch seiner Be­stimmung beraubte, es dem Eigentümer entwendete oder es zerstörte.[40]

Wenn sich Schreiber von Manuskripten nannten, dann meist mit ihrem Vornamen[41], oft mit ihrem So­zialstatus[42] und ihrem geographischen oder monastischen Herkunftsort: „Florentius confessor [...] Sanctius presbiter [...]“ (Abb.), „Arbedoc clericus“; „scrip­tus per fratrum Bern­hardum de Sagano“ (von Bruder Bernhard aus Sagan [Żagań] geschrieben); „Explicit finitum vero per fratrum Maurum Fran­co­nia monachum Sacri Spe­cus“[43] (Fürwahr zu Ende gebracht von Bruder Maurus, einem Mönch [des Klosters] der Heiligen Grotte in Franken). Oft fehlt der Name des Schreibers – wie auch sonst in der mittelalterlichen (Kunst-)Produktion als Akt der De­mut[44], manch­­mal verbunden mit Selbst­prä­di­kativen wie „indignus monachus“ (unwürdiger Mönch) oder „ego, peccator“ (ich Sün­der).[45] Drucker, Inhaber von Offizinen und Initiatoren der Kolophone, be­zeichneten sich oft als „im­pressor“, Drucker allgemein redeten gelegentlich von sich als „cal­cho­graph“[46]. Von einem rein hand­werk­li­chen Be­rufsstand kann bei den Druckern aber dennoch nicht aus­gegangen werden; wahr­scheinlich war die (Bildungs-)Elite der damaligen Zeit an den Druck­le­gun­gen beteiligt. Von „ge­lehr­ten“ und „gebil­de­ten“ Männern ist in den Kolophonen häufig die Re­de[47] – ein bildungs­so­zio­lo­gischer Tatbestand, der von der Forschung geteilt wird.[48] Viele Schrei­ber und Drucker be­to­nten, wieviel Mü­he und Sorg­falt sie auf die Her­stellung ihres Werkes ver­wandten[49], auch der Fleiß und der Ein­satz der Korrektoren wurde oft eingeschlossen[50]. Der De­muts­gestus der Schreiber resp. Drucker kor­res­pon­dierte mit der Hochachtung vor (lebenden oder tra­dier­ten) Autoritäten; in den Fällen, in denen aus­nahmsweise der Autor eines Textes bekannt ist, er­hielt er die höchsten Lobpreisungen[51]; das­sel­be galt für die (meist geistlichen) Auftraggeber. Eine sin­guläre Hommage ist die an den Papst Pius II. im Kolophon zu seinen „Epi­stolae fami­lia­res“, der dessen Kurzvita prä­sen­tiert.[52]

Der Schreiber oder Drucker, der in der Hoch-Zeit des Kolophons (von ca. 1450 bis 1530) keinen Titel für sein zu Ende gebrachtes Werk zur Ver­fügung hatte, benutzte entweder eine neutrale Be­zeich­nung[53], eine Etikettierung des ma­teriellen Cha­rakters der Schrift[54] oder den Gattungsbegriff für das Werk, das er vollendet hat[55]; darunter nahmen bis zum Ende des Spätmittelalters die Litur­gi­ca[56] einen hohen Stellenwert ein.

Zeitangaben in Kolo­pho­nen bezogen sich meist auf die Beendigung des Schreibens bzw. Druckens, selten auf die Zeitspanne der Herstellung ins­gesamt. Nahezu obligatorisch ist das A.D. (Anno Domini) vor der meist in römischen Zahlen notierten Jahresangabe.[57] Die Identi­fizierung des in den Kolo­pho­nen angegebenen Druckjahres wirft gelegentlich Schwie­rig­kei­ten auf, weil der Jahresanfang im 15./16. Jahrhundert in den Ländern differierte. Angaben wie „anno incarnationis“ (im Jahr der Fleisch­wer­dung [Got­tes]), deu­ten auf den „Stilus curiae Romanae“ hin, nach dem der Jahres­beginn am 25. De­zem­ber lag.[58] Er wurde in den meisten europäischen Ländern praktiziert, während in weiten Teilen Frankreichs das neue Jahr mit dem Osterfest begann.

Die häufig in römischen Ziffern angegebenen Jahreszahlen unterliegen – oft auch wegen ihrer Feh­­ler­haftigkeit – Zweifeln; da viele Kolophone aber auch die Regierungszeit aktuell regierender Päp­ste, Kaiser, Könige oder der venezianischen Dogen angeben, können zweifelhafte Passagen meist emen­diert werden. Ein weiteres Korrektivpotential enthalten die sog. Indikationen: eine aus der Spätantike stammende Methode der Jahreszahlbestimmung mit nur 15 Jahre umfassenden Jah­reszyklen. – Auch die Tagesangaben für den Abschluss eines Textes können römischen Ur­sprungs sein, wenn sie mit den Vermerken ‚Kalendas‘, ‚Nonae‘ oder ‚Idus‘ operieren. Häufig wurden die Tage wie in heutiger Manier durchgezählt; sehr oft aber sind Tagesdaten identisch mit den je­wei­li­gen Her­ren- oder Heiligenfesten, die auf diesen Tag fallen.[59] – Darüber hinaus sind Angaben von Druckern über den Standort ihrer Offizin[60] in Kolophonen enthalten.

Am Ende des Kolophons finden sich oft zwei Anreden: zwei Formen direkter horizontaler und trans­zendentaler Kommunikation. Bei der Anrede an den Leser handelt es sich um eine Vale­dik­tion, einen Gruß zum Abschied (von vale, pl. valete = sei(d) zum Abschied gegrüßt). Ursächlich lässt sich dieser Gruß aus der antiken und früh­­mit­tel­­al­ter­lichen laut oder vorgelesenen Lesesituation herleiten. Im Kolophon wird die Lek­türe dia­­logisch verstanden, indem der Textverfasser – in eigener Person durch seinen Text oder mittels des Vorlesers – den Re­zipienten unmittelbar anspricht; die Textvermittlung geht demnach in einem ima­ginierten Text-Raum vor sich, der mit dem Ende der Lektüre geschlossen wird und aus dem sich der Leser ent­fernt.[61] – Während das „vale“ profanen Charakter hat, stammt das „Deo gratias“ aus der Liturgie, als kollektiver Antwortruf des klösterlichen Konvents nach den Lesungen des Stun­dengebets oder von der Gemeinde in der Messfeier.[62] Im nichtliturgischen Kontext bekommt dieser eine pararituelle Aura zuge­spro­chen.[63]

B. Form

Im Gegensatz zu Manuskripten, in denen der Kolophon oft gar nicht oder nur durch Rotschrift her­vorgehoben wurde, erfuhr der Kolophon in Frühdrucken eine deutliche Exposition. Wie Scrip­to­ren ließen Drucker den Kolophon in der Regel nach einem Absatz beginnen und wählten häufig den Rotdruck ((Abb.). Zu diesen skriptographisch analogen Methoden traten spezifisch ty­po­gra­phi­sche Techniken: Es wurden größere Typen verwendet oder der gesamte Kolophon stand in Ma­jus­keln; der Durchschuss wurde gegenüber dem Fließtext verändert, meist vergrößert; das Schrift­bild des Kolophons war vom Grundtext abgehoben: durch Blocksatz, wenn der Fließtext Ein­zü­ge hatte, durch eine Verschlankung des Blocksatzes, durch das Setzen von Flattersatz ge­genüber Block­­satz im Fließtext, durch Spatium übergreifenden Blocksatz, wenn der Fließtext in zwei Ko­lum­­nen gesetzt war. Auch der Weißraum wurde genutzt, so besonders bei juristischen Texten, de­ren Grund­text von Glossen flankiert wird.

Im Laufe der Entwicklung, nachdem schon die ersten Ti­tel­blätter aufgekommen waren und die ersten bibliographischen Informationen aufgenommen ha­tten, eman­zipierten sich die Drucker von ihrer rein mechanischen Aufgabe, dem Transport von Se­man­tiken, und experimentierten mit dem freien Raum. Sie arrangierten Zeilenlängen in ver­schie­de­nen Ab­messungen und ordneten sie figural so an, dass Schriftbilder von spitzen Dreiecken, von Kel­­chen, Trichtern oder Sanduhren (Abb.) entstanden. Gelegentlich wurden graphische Elemente wie klei­ne Ster­­ne hinzugefügt, die die spitze Form vollenden, manchmal wurden Dreiecke übereinander ge­türmt. Die Inkunabelforschung hat die Frage nach den Ursachen für diese Layout-Bizzarerien mit der ästhetischen Behandlung des horror vacui beantwortet.[64] Zur Vermeidung leerer Räume ha­be man auf Langzeilen verzichtet und mit gekürzten, zentrierten Zeilen Schriftflächen geo­met­risch ge­füllt. Für diese Theorie gibt es allerdings zahlreiche Gegen­bei­spiele: In vielen Drucken blei­ben Schriftflächen vakant.[65] – Der durch schräge Linien generierte Fi­gu­rensatz zeigt eine gestal­te­ri­sche Befreiung des Druckers von der im Buchdruck vorherrschenden Rechtwinkligkeit durch Pa­pier­for­mat, Ko­lumnen, Spal­­­ten und Zeilen.[66] Übrigens beschränken sich diese geometrischen Schriftflächen kei­neswegs auf Kolophone, sondern sind auch – ohne räum­lichen Überschuss, also ohne die Not­wen­­digkeit, lee­ren Raum zu füllen – innerhalb von Texten zu finden. So setzten die Drucker im ersten Buch der „Hy­p­ne­rotomachia poliphili“, das 375 Blätter umfasst, fast fünf Dut­zend Kelch-, Trichter- und Spitz­ko­lum­nen. – Mit zunehmender Bedeutung des Titelblatts blieb für den Ko­lo­phon dann nur noch wenig Text, z. B. bloß das Wort „Finis“ (oder ein Syno­nym) und eine zent­rierte Schluss­vig­nette, eine horizontale Zierleiste, oder, wie bei Sibylla Merian, ein Blu­men­körb­chen.[67]

Eine Aufwertung erfuhr der Kolophon durch die Ausstattung mit Druckermarken (Abb.; Abb.; Abb.; Abb.; Abb., Abb.), die erst in der In­kunabelzeit, also ab Mitte des 15. Jhs. aufkam, auch wenn sie ursprünglich wahrscheinlich nicht als graphisch-de­koratives Element kon­zipiert war. Gestalterisch handelt es sich um meist hochrechteckige, manch­mal rot- oder schwarzgrundige Gra­phiken – meist Holzschnitte –, die von mehreren Zentimetern Größe bis zur ganz­seitigen Fläche dimensioniert sind. Die Druckermarken verweisen auf den Drucker[68], sind somit „Urheber­nach­weis und Quali­täts­kenn­zeichen“[69]; man wird sich Druckerzeichen funktional wie die Zeichen von Pa­pier­mühlen oder Stein­met­zen vorzustellen haben denn als Pendant zu Hausmarken, wie die frühe In­kunabelforschung an­­nahm. Gegen diese Hypothese spricht die Vielzahl von Druckerzeichen bei ei­nigen Druc­kern[70], dann die Tatsache, dass manche Drucker überhaupt keine Signets verwandten[71] und dass vie­le Drucker zu arm waren, um ein Haus und damit ein Hauszeichen zu besitzen.

Bedeutende Künstler haben an der Gestaltung von Druckermarken mitgewirkt, oder es wurden ihre Stiche als Vorlagen genutzt; ein Beispiel ist das Wappen mit dem knienden Mann bei Konrad Ka­chelofen, das auf einem Stich Martin Schongauers basiert.[72] Erhard Reuwich, der be­deu­ten­de Xylograph und Drucker von Bernhard von Breydenbachs „Peregrinatio in terram sanctam“ (GW 5075, 5077 etc.) schuf sicherlich sein eigenes Signet. Von Hans Baldung Grien stammt das Sig­net mit dem fiedelnden Schwan, den er für den Straßburger Drucker Jacob Frölich schnitt.[73] Jost Am­man schuf 34 Signete nur für Sigmund Feyerabend.[74]

Der Kanon der Motive, In­hal­te und Formen der Druckermarken ist sehr reichhaltig; er reicht von ikonischen Darstellungen mit sprechendem Charakter bis zu abstrakten Darstellungen. Unter die­sen ist in erster Linie ein ve­ne­zia­ni­sches Zeichen zu subsumieren. Sein vielfach von italienischen Druckern übernommenes und modifiziertes, um graphisches Beiwerk erweitertes Signet zeigt in der Grundgestalt eine geteilte Weltkugel mit einem Punkt in der Mitte (Jerusalem), aus der ein Kreuz mit zwei Querbalken ragt. Dieses Signet bildet die Grundlage für viele, insbesondere ita­lie­ni­­sche Im­pressoren seit dem ausgehenden 15. Jh. (Abb.).[75]

Besonders in Deutschland waren Druckermarken verbreitet, die eine Astgabel und daran mit „schiltvezzeln“ angehängt zwei Schil­der (Abb.)[76] zeigen, und die auf das erste Ko­lo­phon von Fust/Schöffer mit der Druckermarke zurück­gehen.[77] Bei vielen Paarschilden ent­hält ein Signet das Wappen der Stadt, in der der Drucker ar­bei­tete.[78] Sehr viele Druckermarken tra­gen die Initialen der Drucker[79], manchmal auch ihr Motto[80]. Iko­no­graphische Motive für die Drucker­marken werden oft den Na­men der Drucker entnommen; ein berühmtes Beispiel ist Peter Drach mit verschiedenen Varianten des Fabeltiers, Johann Sen­sen­schmid zeigt zwei Sensen, Lien­hard Ysen­hut wählt einen Hut als Mar­ke, Christoph Froschauer prä­sentiert verschiedene „Idyllen“ mit Froschgesellschaften, Johann Scheffler ein Schaff (Gefäß), Mathias Apiarius, dessen Name „Im­ker“ bedeutet, zeigt in seiner Druckermarke einen Bären, der Honigwaben aus einem Baum­stamm schleckt. Johannes Bap­tista de Sessa fügt sei­nem Namen die Präposition „ob“ hinzu und kon­struiert damit die Se­man­tik „obsessa“ (gefangen), was ihm das Motiv für die Darstellung „Raub­tier mit Beute im Maul“ er­laubt. – Andere Inhalte von Druckermarken zeigen christliche Ikonographie (Ma­rien- und Kreuzes­dar­stel­lun­gen, Heilige, Evangelisten, biblische Szenen etc.), Wilde Leute (z. B. Johann von Winterburg, Günther Zainer), Tiere oder Pflan­zen. – Im Laufe der Ent­wicklung wurden die Druckermarken auf dem Titelblatt platziert, manch­mal wurden sie zweimal gedruckt und er­scheinen sowohl am Anfang als auch am Ende eines Buchs. – Drucker­marken stehen oft frei­gestellt ganz am Ende des Buches nach dem Kolophon. Es gibt Fälle, in de­­nen Druckermarken aus Layout-Gründen erst auf der Folgeseite, nach dem Explicit, zu finden sind.

In Kolophonen der Endphase gestaltet sich das Verhältnis von Text und Drucker­mar­ke oft integriert: Dann läuft der Kolophontext (meist in Trichterform) auf das Signet zu, das Sig­net wirkt dann wie der ästhe­ti­sche Gipfelpunkt des Kolophons.

Anmerkungen

  1. Im weiteren Sinn bezieht sich der Begriff Kolophon auch auf den Schlussvermerk in archaischen orientalischen Keil­schrift- und Papyrusrollensystemen sowie auf rezente Schreibkulturen im mediterranen und asiatischen Raum.
  2. Ein konstantes Vorkommen dieser Elemente in jedem Kolophon liegt nicht vor, wie diverse Lexikonartikel insi­nuie­ren: Birgit Althaus, Das Buch-Wörterbuch. Nachschlagewerk für Büchermacher und Buchliebhaber, Erftstadt 2004, S. 157f. – Helmut Hiller und Stephan Füssel, Wörterbuch des Buches, 6. Aufl., Frankfurt am Main 2002, S. 178. – Ursula Rautenberg (Hg.), Reclams Sachlexikon des Buches. Von der Handschrift zum E-Book, 3. Aufl., Stuttgart 2015, S. 232. – Joachim Elias Zender, Lexikon Buch Druck Papier, Bern u. a. 2008, S. 153.
  3. Stephan Füssel, Kolophon, in: Lexikon des gesamten Buchwesens 4, 2. Aufl., Stuttgart 1995, S. 284.
  4. Ein sehr wichtiger antiker Schlussvermerk steht am Ende des Buches Numeri: „Das sind die Gebote und Rechte, die der Herr den Israeliten in den Steppen von Moab, am Jordan bei Jericho, durch Mose gegeben hat.“ Num 36,13. Zit. nach Einheitsübersetzung der Hl. Schrift, Stuttgart 1980, S. 175.
  5. Wolfgang Milde, Subscriptio, in: Lexikon des gesamten Buchwesen 7, 2. Aufl., Stuttgart 2007, S. 297f., hier S. 297.
  6. Ernst Gamillscheg, Subscriptio. Definition. Griechische Handschriften, in: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike 11, Stuttgart/Weimar 2001, Sp. 1068f., hier Sp. 1069.
  7. Im neuzeitlichen Buch steht das Impressum meist auf der Rückseite des Titelblatts, nur gelegentlich am Ende des Buchs. Es enthält Informationen zum Verlag, zu den Urheberrechten (Copyright), manchmal zur Aufla­gen­hö­he, Pa­piersorte und Typographie. Andere Informationen, die im Kolophon enthalten sind, sind nun auf die Ti­tel­sei­te ge­rückt: Name des Autors, Titel, ggf. Übersetzer.
  8. Elisabeth Alföldi-Rosenbaum, Explicit, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 6, München 1973, Sp. 712−714, hier Sp. 712.
  9. Als „Haupteingang“ bezeichnete Illich das Incipit (Ivan Illich, Im Weinberg des Textes. Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos „Didascalion“. Aus dem Englischen von Ylva Eriksson-Ku­chenbuch, Darmstadt 1991, S. 101).
  10. Die grammatisch adäquate (passivische) Form müsste „explicitus est“ lauten und rekurriert historisch auf die finale Lesesituation am Ende einer Textrolle (Übersetzung: Sie [die Textrolle] ist [bis zum Ende] aufgerollt). – Zu anderen Sprachrelikten: Hans Widmann, Die Übernahme antiker Fachausdrücke in die Sprache des Frühdrucks, in: Ulrich Fleischer (Hg.), Antike und Abend­land 20,2, Berlin/New York 1974, S. 179−190.
  11. Christoph Winterer, Versuch einer kunsthistorischen Biographie Peter Ugelheimers, in: Hinter dem Per­ga­ment: die Welt. Der Frankfurter Kaufmann Peter Ugelheimer und die Kunst der Buchmalerei im Venedig der Re­­naissance, Ausstellungskatalog Frankfurt a. M., München 2018, S. 70−125, hier S. 110.
  12. Otto Ludwig, Geschichte des Schreibens, Bd. 1, Berlin/New York 2005, S. 22. – Kapitelweise markierten die Drucker der Gutenbergbibel Anfang und Ende; in der dazu gehörenden, instruierenden „Tabula rubricarum“ wechseln im Zeilenabstand „Incipit“ und „Explicit“ (GW 4201 [GW = Gesamtkatalog der Wiegendrucke: www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de (14.6.2023)], B 42). – Nicht alle Rubrikatoren der B 42 haben diese Anweisungen erfüllt. Vorbildlich sind die Incipit-Explicit-Vermerke im Berliner Exemplar der B 42: Sie erreichen die hohe Zahl von jeweils 83 Einträgen.
  13. Mit dem Kleinbuchstaben i; bei einer Häufung der Zahl 1 wird die letzte Eins nicht als i, sondern als j dargestellt. Das­selbe gilt für das doppelte i am Ende eines Wortes (das im Lateinischen häufig vorkommt).
  14. Beispielsweise hat der Abt von Sponheim, Jo­hannes Trithemius, das „Missale Bene­dic­tinum Burs­fel­den­se“ kor­ri­giert (Speyer: Peter Drach, 1498; GW M24127).
  15. Christoph Reske, Die Buch­drucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, 2. Aufl., Wiesbaden 2015 (Beiträge zum Buch- und Bi­blio­theks­wesen, 51), S. 29f.
  16. Diurnale Au­gu­stanum, Augsburg: Erhard Ratdolt 1494 (GW 8527). – Ratdolts Signet hat mit ihrer zwei­tei­ligen Text-Bild-Korrespondenz geradezu den Charakter einer Imprese.
  17. „wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden“; zit. nach Einheitsübersetzung der Hl. Schrift, Stuttgart 1980, S. 1140.
  18. Im Jahr 1480 habe es im Kanton Waadt eine Naturkatastrophe mit Hochwasser und gewaltigem Sturm gege­ben, bei dem viele Gebäude eingestürzt seien („Et anno precedenti fuerunt aquarum inundantiones maximae. Ventumque hor­ri­bi­les. Multa edificia subverentes.“ Werner Rolevinck, Fasciculus temporum, Rougemont: Heinrich Wirczburg, 1481 [GW M38708]) – Der Leipziger Drucker Konrad Kachelofen berichtet im Kolophon seines Meißner „Missale“, auch dieses Buch habe er in Leipzig be­­gonnen, „in oppido eodem inchoari, grassante pestifero morbo in oppido Freiberg per­fici“, wegen der gras­sie­ren­den Pest Leipzig jedoch verlassen und das Messbuch in der Stadt Freiberg beenden müs­sen. „Missale Misnense“, Freiberg: Konrad Kachelofen, 1495 (GW 24538).
  19. Wirczburg stellt die Naturkatastrophe von 1480 in der Schweiz in die Reihe der Schicksale von Babylon, Troja und Sodom und Gomorra. Die jeweiligen Katastrophenberichte werden im Buch mit beinahe expressionistisch an­mutenden Holzschnitten illustriert.
  20. Friedrich Ohly, Bemerkungen eines Philologen zur Memoria, in: Karl Schmid und Joachim Wollasch (Hg.), Memoria, der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter, München 1984 (Münstersche Mittelalter-Schriften, 48), S. 9−68, hier S. 66.
  21. Ivan Illich, Im Weinberg des Textes. Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos „Didascalion“. Aus dem Englischen von Ylva Eriksson-Ku­chenbuch, Darmstadt 1991.
  22. Dessen Selbstzeichnung „calcograph“ enthält außer der Bedeutung „treten“ auch die Bedeutung „(die Kelter/Trauben) treten, keltern“ (Der neue Georges. Ausführliches Handwörterbuch Latein-Deutsch, 8. Aufl., Darmstadt 2013, Sp. 712). Aber bei einem Drucker, der an einer Maschine arbeitet, die einer veritablen Weinpresse nachempfunden ist, kann jede Metaphorologie enden.
  23. Ferdinand Geldner, Inkunabelkunde. Eine Einführung in die Welt des Buchdrucks, Wiesbaden 1978 (Elemente des Buch- und Bi­bliothekswesens, 5), S. 93. – Welt der Wie­gen­drucke. Die ersten gedruckten Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Ausstellungskatalog Weimar, Leipzig 2007, S. 30. – Geldner stellt darüber hinaus fest: „Den allerältesten Drucken fehlte die Schlußschrift ([…]; die bei­den Psalterien von 1457 und 1459 sind rühmliche Ausnahme)“. Ferdinand Geldner, Inkunabelkunde. Eine Einführung in die Welt des Buchdrucks, Wiesbaden 1978 (Elemente des Buch- und Bi­bliothekswesens, 5), S. 3. – Für wie relevant der Kolophon gehalten wird, lässt sich an folgenden positiven Beispielen ab­lesen: Im „Judäischen Krieg“ von Flavius Josephus bekommt der Ko­lo­­phon eine eigene Kapitelnummerierung: Flavius Josephus, Opera. De bello Judaico, Lübeck: Lukas Bran­­dis, nicht nach 1476 (GW 15150). – Auffäl­lig ist auch ein diglottes Phänomen, das sonst nur in Grammatiken vorkommt. Doch in einigen volks­sprach­­lichen Werken wird im Kolophon wieder auf die lingua franca der damaligen Zeit zurückgegriffen. Beispiel: „Die Goldene Bulle“, die auf Deutsch abgefasst ist (Karl IV., Bulla aurea, Venedig: Nicolas Jenson, vor 1477 [GW 16098], oder das Buch „Luctus Christianorum ov­vero Pianto di cristiani per passione di Cristi“ (Venedig: Nicolas Jenson, 1471 [GW 19148]), das einen ita­lienischen Fließtext hat.
  24. Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1−6, Fribourg, Suisse 1965−1979 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 2–7).
  25. Psalterium cum canticis (Psalterium Moguntinum), Mainz: Johann Fust und Peter Schöffer d. Ä., 1457 (GW 36179).
  26. Diese Herkunftsangabe schließt gleichzeitig den Druckort ein. In den überwiegenden Fällen wird der Druckort ex­plizit genannt, meist verbunden mit einer Art Städtelob: „Insculpta Nueremberge oppido Germaniae cele­bra­tis­simo.“ (Gedruckt in Nürnberg, der überaus gefeierten Stadt Deutschlands.); „gedruckt und vollendet in der hochwirdigen vnnd keiserlichen stat Augspurg“; „in der furstlichen stat Leyptzk“; „in opulentissime civitate Londoniarum“ (in der sehr reichen Stadt London); „in inclita civitate Moguntina“ (in der berühmten Stadt Mainz).
  27. Die Ablösung alter Schreibtechniken wird im – unfirmierten – „Catholicon“ von 1460 weiter dif­fe­renziert: „Non calami, stili aut penne suffragio“ (ohne Verwendung einer Rohrfeder, eines Stiftes oder einer Vo­gel­feder) sei das Werk entstanden (Johannes Balbus, Catholicon, Mainz 1460 [GW 3182]).
  28. Auch das graphemische Ergebnis der neuen Wundertechnik (mira) wird im „Catholicon“ gesteigert: „sed mira pa­­t­­ronarum for­ma­rum atque concordia proportione et modulo impressus […] est“.
  29. Die „conclusio“ (Schluss) – ein der scholastischen Argumentation entnommener Begriff – ist dem Kolophon vor­geschaltet.
  30. „Es ist vollbracht.“ (Io 19,30; zit. nach Einheitsübersetzung der Hl. Schrift, Stuttgart 1980, S. 1209) bzw. „Es ist zu Ende.“ (zit. nach Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord, 5. Aufl. Frankfurt a. M./Leipzig 2001, S. 355), so lauten die letzten Worte Jesu am Kreuz. – Die Existenz einer Vielzahl theologischer Idi­ome, Begriffe und Formeln in Kolophonen erklärt sich aus der Tatsache, „dass eine nicht geringe Zahl der Inku­na­beldrucker über akademische Grade verfügt oder Kleriker ist“ (Ursula Rautenberg, Von Mainz in die Welt. Buchdruck und Buch­handel in der Inkunabelzeit, in: Gutenberg – aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Me­dien­revolution, Ausstellungskatalog Mainz 2000, S. 236−247, hier S. 240).
  31. Neben dem deutschen Begriff „verfertigen“ eignet diesem Wort auch die Bedeutung „herausschlagen, schmie­den, meißeln, prägen“, in der möglicherweise Bedeutungen aus historischen Vervielfältigungspraxen vor dem Buch­druck mitschwingen. Vgl. dazu die Technik des Holzschneiders, der seine Arbeit „mit vielen verschiedenen Stech­eisen ausführt“ (Fried Lübbecke, Fünfhundert Jahre Buch und Druck in Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1948, S. 255).
  32. Sicher nicht tautologisch, sondern selbstreferentiell gemeint: „Explicit expliceat.“ (Mit dem Explicit möge nun die Arbeit an ihrem Ende angelangt sein.); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 2, Fribourg, Suisse 1967 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 3), S. 217, Nr. 5354.
  33. Dazu die nahezu umfassende Sammlung von Belegstellen: Dieter Wuttke, Telos als explicit, in: Fritz Kraft und Dieter Wuttke (Hg.), Das Verhältnis der Humanisten zum Buch, Boppard 1977 (Deutsche Forschungsgemeinschaft / Kommission für Humanismusforschung, Mitteilung, 4), S. 47−62.
  34. Einen Spaß erlaubte sich der Drucker Johann Froben mit seinem Kolophon: „Aberat finis huius operis, quod ex­­­trema paginae fere soleant, uel elabi, uel exscindi.“ (Das war jetzt noch nicht das Ende des Buches, denn die au­­ßerordentlich hohe Seitenzahl [fast 900 Seiten] pflegt sowohl sorgfältig bearbeitet wie auch vernichtet zu wer­den.) Hilarius Pictaviensis, Episcopi lucubrationes per Erasmum Roterdamum etc., Basel 1523 (VD16 H 3618; VD 16 = Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des 16. Jahrhunderts. www.vd16.de [14.06.2023]).
  35. Eine Steigerung dieser Reduktion begegnet bei dem Werk Catharina Senensis, Epistole, hg. von Bartolommeo da Alzano, Venedig: Aldus Manutius, 1550 (GW 6222), S. 845, in dem der Kolophon nur noch aus „Fi.“ besteht.
  36. So heißt es im Exsultet der Osternacht: „O felix culpa, quae talum ac tantum meruit habere Redemptorem.“ (O glückliche Schuld, welch Ehrfurcht gebietenden und erhabenen Erlöser hast du gefunden.); Anselm Schott u. a. (Hg.), Das vollständige Römische Meßbuch lateinisch und deutsch mit allgemeinen und besonderen Einführungen im Anschluß an das Meßbuch, Freiburg 1961, S. 410.
  37. In dieser Hinsicht ließe sich das „Glück“ am Ende eines Wortvervielfältigungswerks als ein Opfer betrachten, das zum Heil der Welt dargebracht wird. Vgl. dazu den finalen Ausruf „Consummatum est!“ (‚Es ist vollbracht.‘), Jesu letztes Wort am Kreuz (Io 19,28).
  38. „Sed deum quaeso ut pro huius modi labore meo aliquam rebrituat in posterum gratiam.“ (So bitte ich Gott darum, mir später für meine Mühe mit seiner Gnade zu vergelten.) – „Frater Antonius scripsit corde bono/Iungat eum Dominus ellectorum choro.“ (Bruder Antonius hat dies in herzlicher Güte geschrieben. Möge Gott ihn in den Chor der Erwählten einreihen.); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1, Fribourg 1965 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 2), S. 120, Nr. 931.) – „Ich hoff auf genade.“
  39. „Ora pro scriptore.“ – „Pie lector ora deum pro eo.“ (Frommer Leser, bitte Gott für ihn [, den Schreiber].“ – „bide om gods will voer mijn siele“ (Bitte um Gottes willen für meine Seele.); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 2, Fribourg, Suisse 1967 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 3), S. 217, Nr. 4355. – Ein Scriptor vom Kloster Bebenhausen: „Bedenckent öch sin ond bittent all hailgen für In durch Gottes willen Amen.“ (Gedenket seiner und bittet alle Heiligen für ihn um Gottes Willen: Passionale, 1439: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cgm 257). − „Vnd wem gott der herr etwas gutts auß leßung diß buechs verleiht ze gedenckenn oder zethun. Der gedenck auch gen got des. der das zusamen gelesen hat. Vmb des heyligen leydens cristi willen.“ (Schatzbehalter, Nürnberg: Anton Koberger, Stephan Fridolin, 1491 [GW 10392], S. 705). „Hec igitur sunt viri medicinalia que inter alia electissima pro servanda memoria & ita finem facio.“ (Es gibt viele heilkundige Männer, die aus der Menge der anderen auser­wählt wurden, um der Memoria zu dienen. Und damit ende ich.)
  40. „Sit anathema dei quisquis sibi dempserit illum.“ (Der Fluch Gottes komme über den, der das Buch für sich wegnimmt [= raubt].); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1, Fribourg, Suisse 1965 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 2), S. 266, Nr. 2124. – Wie Crüwell gezeigt hat, bezieht sich der mittelalterliche Bü­cherfluch vor allem auf die Verhinderung materiellen Schadens, da sich Vorstellungen vom Ur­he­berrecht und dem geistigen Diebstahl in dieser Zeit noch nicht durchgesetzt hatten. G. A. Crüwell, Die Ver­fluchung der Bü­cher­die­be, in: Georg Steinhausen (Hg.), Archiv für Kultur-Geschichte Bd. 4, Berlin 1906, S. 197−223, hier S. 202f.
  41. „Que me scribebat Gerd­rudis nomen habebat.“ (Diejenige, die mich schrieb, trug den Namen Gertrud.); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 2, Fribourg, Suisse 1965 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 3), S. 217, Nr. 5354. – „Hec sunt nomina illarum que scripserunt librum istum: Gertrud, Sibilia,Vier­wic, Walderat, Hadewic, Lugart, Ota, Cunigunt.“ (Das sind die Namen derer, die dieses Buch schrieben: Gertrut, etc.); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 2, Fribourg, Suisse 1967 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 3), S. 217, Nr. 5353.
  42. So z. B. ein Mönch in Bebenhausen, Bruder Johannes ex „Tuwingen Sartoris filium“, Sohn eines Tübinger Flick­schneiders; Bénédictins du Bouveret, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 3, Fribourg, Suisse 1974 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 4), S. 529 und 11721.
  43. Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 4, Fribourg, Suisse 1976 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 5), S. 193, Nr. 13614. – „consummatum reverentissimo domino Men­­deno abbate prudenti monasterii sancti Isi­dori“ (vollendet durch den sehr berühmten Abt Mendenus vom stol­zen Kloster des hl. Isidor); „Mengor […] sacerdos Ordinis invicti monachus sancti Benedicti“ (Mengor, Mönch des standhaften Ordens des hl. Bernhard); „Gallicus“ (als solcher bezeichnete sich der in Venedig tätige Nicolas Jen­­son, der aus Troyes stammte; ausgestattet mit „cognomina teutona“ die in Italien im Team arbeitenden Deut­schen Konrad Sweynheym und Arnold Pannatz.
  44. Christine Jacobi-Mirwald, Das mittelalterliche Buch. Funktion und Ausstattung, Stuttgart 2004, S. 151−153.
  45. Demutstopoi gibt es zahlreich auch mit Namensnennungen: „conscriptum ultima servorum Bernfert persone tuorum“ (geschrieben von Bernfert, Eurem dienstfertigsten aller Diener); Bénédictins du Bouvert, Colophons de manuscrits occidentaux des origines au XVIe siècle, Bd. 1, Fribourg,, Suisse 1965 (Spicilegium Friburgense, Subsidia, 3), S. 265, Nr. 2122.
  46. Siehe Anm. 21.
  47. Gesteigert durch ihre Anzahl (Gemeinschaftswerk) und ihr Alter: „haec compluribus eruditis uiris nix ae­sti­man­dis sudoribus constitisse“ (dass dieses (Werk) vom ‚Schnee‘ zahlreicher gelehrter Männer mit an­zu­er­ken­nen­dem, schweißtreibendem Einsatz fertiggestellt worden sei); Hieronymus, Lucubrationes, Basel: Johann Froben, 1526 (VD16 H 3483).
  48. Konrad Haebler, Handbuch der Inkunabelkunde, Leipzig 1925, Ndr. Stuttgart 1979, S. 118.
  49. „Breuiarium … exactissima diligentia cura et studio impressum“ (Dieses Brevier wurde mit äußerster Umsicht, Sorgfalt und mit höchstem Eifer gedruckt.); Breviarium Coloniensis, Köln: Hermann Bungart, 1500 (GW 5313). Das hohe Berufsethos wird nicht nur den Druckern, sondern auch den Kollektoren – den Manuskripterstellern – so­wie den Verlegern zugesprochen: „Quem … librum omni diligentia collectum et elaboratum intelligibili ca­rac­te­re prop­­rijs impensis Jacobus meydenbach civis Moguntinus luculentissime impressit.“ (Jakob Meydenbach, Bür­ger der überaus bedeutenden Stadt Mainz, hat dieses Buch mit ganzer Umsicht zusammen- und in präzisem Druck­bild hergestellt sowie mit eigenen Mitteln finanziert.); Hortus sanita­tis, Mainz: Jakob Meydenbach 1491 (GW 13548).
  50. „Emendatum et summa diligentia correctum per venerabilem virum magistrum P.“ (Von dem ehrwürdigen Herrn, Magister P., mit höchster Sorgfalt verbessert und korrigiert). – Eine elegante Wendung nahm die Be­schreibung der nächtlichen Druck- und Korrekturarbeit des „Catholicon“ für Peter Liechtenstein: „Dictionarius seu vocabularius […] vigilanti studio reuisus emendatusque felicibus astris explicitus est“ (Das Lexikon … ist in eif­ri­gen Nachtwachen durchgesehen, verbessert und unter glücklichen Sternen vollendet worden, Venedig 1497/98 (GW 3203). – Von einer offenbar ungewohnten, äußerst anstrengenden Tätigkeit zeugt der Stoßseufzer „immense re­­pa­rationis“, von der Intensität und Genauigkeit des Korrektorats der Passus „cum textu ela­bo­ra­tis­si­me cor­rec­te“ (mit äußerst penibel ausgeführter Korrektur).
  51. „Explicit comentum super libros phisicorum editum ab eruditissimo ac subtilissimo sacre theologie magistro ac domino thoma de aquino sacri predicatorum ordinis.“ (Hier endet der Kommentar über die Physik-Bücher, der von dem sehr berühmten und außerordentlich scharfsinnigen Magister der heiligen Theologie und dem Herrn [=Mönchsanrede] Thomas von Aquin vom hl. Predigerorden [Dominikanerorden] herausgegeben wurde.) Thomas von Aquin, In Aristotelis Physica, Venedig: Nicolas Jenson, 1480 (GW 46276).
  52. „Pij secundi pontificis maximi cui ante summum episcopatum primum quidem imperiali secretaario mox episcopo deinde etiam cardinali senensi enee siluio nomen erat/familiares epistole date ad amicos […]“ ([…] des Pius II., des Pontifex maximus, der vor seinem höchsten, dem ersten Bischofsamt der Sekretär des Kaisers war, her­nach Kardinalbischof von Siena. Er trug den Namen Eneas Silvio und widmete die „Vertraulichen Briefe“ sei­nen Freunden […]); Pius II., Epistolae familiares, Löwen: Jan Veldener, 1477 (GW 33703).
  53. Opus, opusculum, pars. Ganz wörtlich sind die Bezeichnungen nicht immer zu nehmen; so wird auch die „Biblia“ von Fust/Schöffer, die fast tausend Seiten umfasst, im Kolophon als „opusculum“ (kleines Werk) eingeordnet. Biblia, Mainz: Johannes Fust/Peter Schöffer, 1462 (GW 4204).
  54. Scriptum, bůch, bok, puch, codex, fasciculus (Bändchen), libellus (Büchlein), liber (Buch).
  55. Apologia, aventure, chronica, compendium, disputationes (Streitgespräche), epistolae, ephemerides (aktuelle Betrachtungen), fabula, grammatica, historia, lied, sententiae, repertorium, satyrae, vita, weyssagung.
  56. Biblia, missale (Meßbuch), breviarium (Stundengebete), breviloquium (kleiner Katechismus), decretales und decisiones rotae Romae (päpstliche Entscheidungen), doctrinale, graduale (monastische Stundengebete), ho­mi­liarius (Auslegungen des Evangeliums), horae (Stundengebete), hymnarium, nocturnale (Gebetbuch für die Nachtgebete), orationes (Gebete), quadragesimale (liturgisches Buch für die 40-tägige Fastenzeit), obsequiale (li­turgisches Buch für die Totenmessen), passionale, plenarium (Sammlung der in der Messe gelesenen Epistel und Evangeliumstexte), psalterium, rationale divinorum officiorum (liturgisches Handbuch).
  57. Zahlreich sind die Paraphrasierungen des A. D.: „anno Christi“, „anno immense reparationis“ (im Jahr der uner­mess­lichen Wiederherstellung [der Schuld­lo­sig­keit]), „anno ab orbe redemptio“ (im Jahr der Erlösung der Welt), „anno salutis“ (im Jahr des Heils), „anno reparatae salutis“ (in dem Jahr, in dem unser Heil wiederhergestellt wurde), „anno siderum conditoris“ (im Jahr des Schöpfers des Himmels), „im jar nach Christi vnsers her­ren ge­burt“.
  58. Deshalb auch „Nativitätsstil“ genannt. Daneben gab es den „Stilus Circumcisionis“, nach dem Tag der Be­schnei­dung des Herrn, dem 1.1., genannt. In diversen italienischen Städten respektive Stadtrepubliken regierte der „Stilus Florentinus“ oder „Annunziationsstil“, benannt nach dem Tag Mariä Verkündigung, dem 25. März.
  59. Zur Frage der Datierung von Kolophonen: Ferdinand Geldner, Inkunabelkunde. Eine Einführung in die Welt des Buchdrucks, Wiesbaden 1978 (Elemente des Buch- und Bi­bliothekswesens, 5), S. 99−106. – Zur Berechnung konkreter Daten: Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 14. Aufl., Hannover 2007. – Eine besonders ausgeprägte Verantwortung für die ihm anvertraute Zeit zeigt der Vermerk des Andreas Torre­sa­nus, der neben Jahr und Tag sogar die Stunde der Fertigstellung angibt: „hora ves­pertina“ (zur Vesperstunde); Robertus Caracciolus, Sermones quadragesimales de peccatis [...], Venedig: Andreas Torresanus 1488 (GW 6080).
  60. „Excusum per Renatum Beck in edibus Zum Thiergarten.“ ([…] in den Häusern zum Tiergarten). Pius II., Ger­ma­nia, Straßburg: Reinhard Beck 1515 (VD16 3125). – „gedruckt zu Erffort durch Johanesen spoerer tzu den weissen lilgen ber­ge bey sant pauls pfar“: Historia sigenot, Erfurt: Hans Sporer 1499 (GW 12798). – „Impressum … Hermann[i] Bungart de ketwych ciuis felicis ciuitatis Coloniensis. In antiquo foro de gentis in domo nuncupata vulgariter Two dem wyldemanne. In oppositu sancti martini maioris.“ (Gedruckt […] von Hermann Bungart […] In einem Haus beim antiken Fo­­rum des (römischen) Volkes, das auf Deutsch Zum Wilden Mann genannt wird. Ge­genüber von Groß-St.-Martin.) Missale Coloniense, Köln: Hermann Bungart, 1498 (GW 24324).
  61. „Vale.“ – „Lector beniuole vale perpetua.“ (Mit guten Wünschen für immer möge der Leser verabschiedet sein.) – „Vale studiose puer […] vale.“ (Sei zum Abschied gegrüßt, emsiger Junge […] sei gegrüßt.) – „Valete valeant qui nos male vivere optant.“ (Es seien verabschiedet diejenigen, die sich mit dem Wunsch entfernen, wir mö­gen ein schlechtes Leben haben.) – Gelegentlich wird auch der Autor verabschiedet oder der Auftraggeber. So ver­ab­schiedet der Drucker Cornelius von Zierikzee in Ulricus Molitoris‘ „De lamiis et phitonicis“ (Von Unholden und He­­xen), Köln, um 1500 (GW 25160), dessen Auftraggeber Siegmund von Dietrichstein von Kärnten: „Vale igitur felix eternum patrie decus.“ (Sei zum Abschied gegrüßt, Du Glücklicher, Du immerwährende Zierde unseres Vaterlandes.)
  62. Nach der Epistellesung, nach dem Sendungsbefehl („Ite, missa est“) und nach dem Verlesen des Johan­nes­pro­logs, hier ganz am Ende der Messe. Zu Beginn der Osternacht respondiert die Gemeinde dreimal nach dem Ruf „Lumen Christi“ (Licht Christi) ebenfalls mit „Deo gratias“.
  63. Nach seinen Heldenlied-Studien vermutete Friedrich Ohly, die – aus dem monastischen Kontext stammende – Schlussformel „Tu autem domine, miserere“ werde sich noch „im Explicit lateinischer Texte“ nachweisen lassen, über die wenigen von Jacob Grimm aufgefundenen Stellen hinaus (Friedrich Ohly, Zum Dichtungsschluss „Tu autem, domine, miserere nobis“, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 47, 1973, S. 26−68, hier S. 45). Meines Wissens ist dies nicht der Fall.
  64. Paul Lehmann, Figurale Schriftflächen, in: ders., Die Erforschung des Mittelalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze, Stuttgart 1960, S. 60−65, hier S. 60.
  65. Ein eklatantes Beispiel ist der Druck eines Werkes von Hrabanus Maurus, also eines Autors, der selbst Figu­rengedichte geschrieben hat. In der fraglichen Schrift (De institutione clericorum opusculum aureum, Pforz­heim: Thomas Anselm 1504; VD16 H 5270), bleibt nach einem kompakten Kolophon eine halbe Seite unbedruckt.
  66. Das besonders in juristischen Texten begegnende Schriftbild von Grundtextblock mit kartuschenähnlich fun­gie­­renden Kommentaren ist im Grunde genommen auch eine graphisch gestaltete Schriftfläche, in der aller­dings der rechte Winkel dominiert.
  67. Sibylla Merian, Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung, Frankfurt a. M./Nürnberg 1684 (VD17 12:651546Q).
  68. Sabine Gross, Lesezeichen. Kognition, Medium und Materialität im Leseprozeß, Darmstadt 1994, S. 47f. – Zuweilen wurde das Signet auch falsch gedeutet und in eine falsche Kategorie eingeordnet: Die Inkunabel Bernhards von Breydenbach „Peregrinatio in ter­ram sanctam“, der erste Reisebericht mit gedruckten Illustrationen – sie stammen wie der gesamte Druck von Er­hard Reu­wich (GW 5075, 5077 etc.) –, zeigt als Druckersignet das Brust­bild einer jungen, ein Wap­pen hal­ten­den Frau. Sie trägt eine mit langen, in der Horizontale schwebenden Bän­dern verzierte Kopf­be­deckung. Im Frank­furter Exemplar der „Peregrinatio“ vom 21. Juni 1486 (GW 5077) ist die Druckermarke zugeklebt; am Rand steht folgende, das Signet fehl­deu­tende Scholie: „Ein Jungfrau auß der Dürrkeӱ / Quomodo turci veniunt / Ergo fuit igitur.“ (Eine Jungfrau aus der Türkei. Wenn die Türken kommen, wird es [auch bei uns] so sein.“ (Isolde Mozer [Hg.], Bern­hard von Breydenbach. Peregrinatio in terram sanctam. Frühneuhochdt. Text und Übersetzung, Berlin/New York 2013, S. XXXVII.) Der Inkunabelforscher Ernst Weil wies die Druckermarke dem Mainzer Erzbischof Ber­thold („Berchthold“) von Henneberg zu, dem Breydenbach sein Werk dediziert hatte (Ernst Weil, Die deutschen Druckerzeichen des XV. Jahrhunderts, München 1924 [Die deutschen Drucker- und Buchhändlermarken, 1], S. 22f.), Hen­neberg führte jedoch ein Wappen mit Hügel- und Hühner-Icones.
  69. Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 9. Das laut Wendland drit­te Kennzeichen von Druckermarken, das „Rechtssymbol“ (ebd.), erscheint mir wegen der spät­mit­tel­al­terlich-frühneuzeitlichen völlig anders gearteten Rechtssituation nicht plausibel.
  70. Zahlreiche Beispiele im 22-bändigen Corpus von Albert Schramm, Der Bilderschmuck der Frühdrucke. Leipzig 1920−1937. – Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, passim. – Ernst Weil, Die deutschen Druckerzeichen des XV. Jahrhunderts. München 1924, passim. – Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing. 2 Aufl., Wiesbaden 2015 (Beiträge zum Buch- und Bi­blio­theks­wesen, 51), passim. – Heinrich Grimm, Deutsche Buchdruckersignete des 16. Jahr­hun­derts, Wiesbaden 1965, passim.
  71. Auch der bedeutende, produktive Anton Sorg hat kein Druckersignet verwendet.
  72. Michael Lochmayr, Parochiale curatorum, Leipzig: Konrad Kachelofen 1497 (GW 18662).
  73. Jacob Frölich (1532−1557), erster datierter Druck 1533. Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 255.
  74. Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 131.
  75. Abgewandelt erscheint die Form auch in Deutschland: Bei dem Nürnberger Drucker Hans Weißenburger (1501−1536) hat das Kreuz einen Querbalken und eine abgeknickte Spitze (Heinrich Grimm, Deutsche Buchdruckersignete des 16. Jahr­hun­derts, Wiesbaden 1965, S. 60f.). – Der Rostocker Drucker Ludwig Dietz (1509−1559), der zwischen fünf Signeten variierte, inkorporierte in die Erdkugel die Worte ROSTOK, darunter ein Schriftband mit der griechisch-lateinischen Inschrift „Τελοσ id est FINIS“ (Ende. Das ist der Schluss.) Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 243.
  76. Wendland nannte für Deutschland sechzehn, für die Niederlande acht Drucker, die dieses Signet als Vorbilder nahmen (Henning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 13).
  77. Die alte Frage, ob es sich dabei um ein Allianzwappen handelt, ist auch in neuerer Zeit wieder bejaht worden (Hen­ning Wendland, Signete. Deutsche Drucker- und Verlegerzeichen 1457−1600, Hannover 1984, S. 13); anders Grimm, der das Wappen als alleine Schöffer zugehöriges Signet deutete und die angeblichen Wolfszacken und Spar­renwinkel als Symbollettern für Christus [X, Chi] und den Logos [Λ, Lambda, das Wort]: Heinrich Grimm, Das ver­meintliche Allianzsignet Fust-Schöffer und seine Schildinhalte, in: Gutenberg-Jahrbuch 37, 1932, S. 446−455). – Isolde Mozer, Schöffer, Peter, in: Frankfurter Personenlexikon (Online-Ausgabe), April 2020: https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4311 (07.06.2023).
  78. So Hans Sporer in Bamberg (Ritter in silberner Rüstung); in Basel (Hirtenstab) Lienhard Ysenhut, Jakob Wolf von Pforzheim und Michael Furter; in Köln (hl. drei Könige) Heinrich Quentell, Ulrich Zell, Johann Koelhoff d. Ä. und d. J. sowie Ludwig von Rechen; in Leipzig (Löwe mit Streifenfeld) Konrad Kachelofen, Gregor Boettiger und Wolfgang Stoeckel; in Lübeck (Reichsadler und lübischer Schild) Lucas und Matthäus Brandis sowie Stephan Arndes; in Mainz (Mainzer Rad) Heidericus und Marcus Ayrer etc.
  79. Konrad Kachelofen, Marcus Reinhard, Bernhard Richel, Matthaeus Roritzer, Johann Schaeffler, Martin und Jo­hann Schott, Johannes Baptista de Sessa, Arnold Terhoernen, Jacob Thanner, Johann von Winterburg etc.
  80. So Aldus Manutius, dessen Motiv Anker und Delphin sind und sein Motto „festina lente“ (eilend verweilend) bebildern, z. B. Philostrate. De Vita Apollinii Tyanei [...], Venedig: Aldus Manutius, 1501/1502. – Oder Johann Bergmann von Olpe: „Nůt on vrsach.“ (Nichts ohne Ursache.); z. B. Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Johann Bergmann: Basel 1494, GW 5041 (S. 316) – Ein Signet Johann Schotts trägt ein Seneca-Zitat: „Necesse forte ferre – docet consuetudo facile.“ (Not mit Stärke zu ertragen, das er­­leich­tert bekanntlich die Gewohnheit.); z. B. Gregor Reisch, Margarita philosophica, Straßburg: Johann Schott, 1504 (VD16 R 1035).

Verweise

Nachträge

Ana de Oliveira Dias, Resonet Vox Fidelis: Scribal Colophons and Ecclesiastical Reform in Medieval Iberia, in: Journal of Medieval History 2004, 50, H. 3, S. 312–332: https://doi.org/10.1080/03044181.2024.2343719

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