Ähre

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englisch: Ear of corn; französisch: Epi; italienisch: Spiga.


Liselotte Stauch (1933)

RDK I, 240–243


RDK I, 17, Abb. 2. Hannover, Tragaltar, E. 12. Jh.
RDK I, 19, Abb. 3. Modena, Kathedrale, 1. V. 12. Jh.
RDK I, 127, Abb. 1. Rom, Lateran-Museum.
RDK I, 239, Abb. 1. Mainz, Sakramentshäuschen.
RDK I, 239, Abb. 2. München, Furtmeyr-Missale.
RDK I, 241, Abb. 3. Salzburg, Kasel.
RDK I, 243, Abb. 4. Kirchdorf, Grabstein.

Die Ä. kommt in der bildenden Kunst als Symbol (I) und als Attribut (II) vor; zuweilen wird sie auch auf Grund ihrer symbolischen Bedeutung als Attribut verwendet. Dabei wird zwischen Ä. und ganzem Halm, einzelnen Ä. und einer ganzen Garbe gewöhnlich nicht streng geschieden.

I. Als Sinnbild für den Sommer kommen Ä. schon in der Katakombenmalerei vor; z. B. auf einem Gemälde im Prätextatcömeterium, Rom, 2. H. 2. Jh. (Wilpert, Katakomben, Taf. 32 bis 34). Sie treten dort zusammen mit Rosen, Weinranken und Ölzweigen als die typischen Gaben der 4 Jahreszeiten auf. – Als Symbol für den Leib des Herrn im Abendmahl r= Brot des Lebens (Joh. 6, 35) findet sie sich seit dem späten Mittelalter an Geräten, die mit dem Abendmahl in Verbindung stehen, wie Kelchen, Monstranzen, Sakramentshäuschen (Abb. 1), und an Paramenten, wie Kaseln (Abb. 3), Altar- und Kommuniontüchern, oft zusammen mit *Trauben und Rebzweigen, dem Symbol für das Blut Christi (z. B. Monstranz in Aulendorf, E. 18. Jh.: Braun, Altargerät, Taf. 76, Abb. 289, mit radial gedeihen, wie ein Strahlenkranz angeordneten Ä.; als Ä.-Bündel rechts und links oberhalb des Nodus an der Monstranz in Oberndorf Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann.] 1770: Inv. Österreich 6, Fig. 88; Mainz St. Stephan, Sakramentshäuschen mit Beschlag des 18. Jh., Abb. 1; St. Peter in Salzburg, spätgot. Kasel, Abb. 3). Noch im 19. Jh. gilt diese Symbolik; der von C. D. Friedrich entworfene Rahmen des Tetschener Altars ist mit Korn-Ä. und Weinranken verziert.

Dieselbe Bedeutung haben die Ä. in einzelnen spätgotischen Schmerzensmann-Darstellungen, wo sie neben Reben aus Christi Wunden heraussprießen und Hostien tragen (Nördlingen, Stadtgal.: Epitaph des Paul Straus; München, Staatsbibl.: Furtmeyr-Missale Clm. 15 710 von 1481, Abb. 2). – Aus der gleichen Symbolik heraus sind vielleicht auch die Ä. bei der *Maria im Ä.-Kleid, d. i. Maria ohne Kind in einem mit Ä. geschmückten Kleid, zu verstehen, eine Deutung, die auch Doyé, Bd. I, S. 762, durch die Bezeichnung „Mutter der hl. Eucharistie“ vertritt; vgl. jedoch Molsdorf Nr. 880 und Künstle I, S. 629.

Im Barock und im 18. Jh. werden die Ä. auch als Sinnbild für die Auferstehung des Fleisches gebraucht, oft in Verbindung mit einem Totenschädel, aus dem sie hervorwachsen (Stralsund, St. Nikolai, Kapellenschauwand Sander, um 1730–35; entsprechende Beischrift). Wenn Grabsteine wie der in Kirchdorf (Abb. 4) eine geknickte Ä. zeigen, wird man die Ä. als Sinnbild des irdischen Lebens aufzufassen haben. – Im Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg kommt das Ä.-Bündel als Symbol der guten Werke vor (Straub-Keller, Taf. 22). – Im Traum des Pharao der Josephsgeschichte (1. Mos. 41) gilt die Ä. als Sinnbild der Ernte.

II. Die Ä. als Sinnbild des Ackerbaus wird zum Attribut des Adam auf altchristlichen Sarkophagen, wo Adam ein Ä.-Bündel neben sich hat (s. Adam und Eva, Sp. 127, Abb. 1). – In derselben Bedeutung ist die Ä. das Attribut der antiken Göttin Ceres – Demeter, der Schützerin des Ackerbaus, der Ehe und der bürgerlichen Ordnung. Auf dem eleusinischen Relief mit der Aussendung des Triptolemos hielt sie Korn-Ä. aus Bronze in der Hand. So hält es auch der Barock (Veitshöchheim; Salzburg, Schloß Mirabell). – Auch der opfernde Kain (Abel und Kain, Abb. 2ff., Sp. 27) wird mit einer Garbe im Arm dargestellt. – Als Attribut des Sommers in Darstellungen der Jahreszeiten kommt die Ä. schon in der heidnischen Antike vor, aus der sie dann in die Katakombenmalerei übergeht [4, S. 314]. Im Mittelalter und auch noch im Barock wird der Sommer mit Sichel und Ä. dargestellt (Miniatur des Stuttgarter Chronicon Zwifaltense minus, um 1162, Abb. bei Annus; Permoser). – Zur Charakterisierung des August in den Monatsdarstellungen wird eine Gestalt, die mit einer Sichel Ä. schneidet und Garben neben sich hat, gegeben. – In ihrer Eigenschaft als Frucht der Erde wird die Ä. als Attribut der E r d e im Rahmen der Darstellung der 4 Elemente verwendet (Molsdorf, Nr. 1146). Zahlreichen Heiligen wurde die Ä. als Attribut gegeben, indem man an Episoden aus ihrer Geschichte oder Legende anknüpfte. Ansovinus, Bischof von Camerino, trägt Ä. in der Hand oder hat Garben neben sich, weil auf fem Gebet hin eine Hungersnot abgewendet wurde und ganze Scheuern mit Korn gefüllt wurden; *Apollinaris, Bischof von Ravenna, aus demselben Grunde; *Brictius, Bischof von Tours, hat 3 Ä. in der Hand. *Isidor erhält Ä. als Patron des Bauernstandes; Ruth, indem man an die biblische Geschichte von der frommen Ä.-Leserin, die ihren Brotherrn Boas heiratet, anknüpfte. *Walburga hat 3 Ä. in der Hand, weil sie ein Kind vom Hungertode rettete, ebenso *Walter, der im 8. Jh. Abt von Herford war.

Die Verehrung Unsrer Lieben Frau zu den 3 Ä., die im Wallfahrtsort Drei-Ähren bei Kolmar i. E. gepflegt wird, geht nach der örtlichen Überlieferung auf ein Wunder zurück, bei dem die Muttergottes dort einem Schmied mit 3 Ä. in der Hand erschienen ist.

Zu den Abbildungen

1. Mainz, St. Stephan, Türbeschlag des 18. Jh. am spätgot. Sakramentshäuschen. Nach F. Th. Klingelschmitt, Magister Valentinus Lapicida, Wiesbaden 1918, Taf. 6.

2. München, Staatsbibl., Clm. 15 710 (Furtmeyr-Missale von 1481), fol. 76 r, Initial: Schmerzensmann, aus dessen Wunden hostientragende Ähren und Trauben sprießen. Phot. Bibl.

3. Salzburg, Stift St. Peter, Kasel, spätgotisch. Nach Inv. Österreich 12, Fig. 134.

4. Kirchdorf (Pommern, Kr. Grimmen), Grabstein, 1848. Phot. K.gesch. Seminar Greifswald.

Literatur

1. Molsdorf. 2. Künstle. 3. Doyé. 4. Van Marle, Iconographie II. 5. Oscar Doering, Christl. Symbole, Freiburg i. Br. 1933.

Verweise