Altarhaus
englisch: Sanctuary, presbyterium; französisch: Choeur, chœur; italienisch: Presbiterio, santuario.
Joseph Braun, S.J. (1934)
RDK I, 495–499
I. Begriff
Unter A. (Sanctuarium, Presbyterium) versteht man jenes Teilglied eines kath. Kirchengebäudes, in dem der Hauptaltar (Hochaltar) errichtet ist. Am Hochaltar werden in Pfarr- und anderen öffentlichen Kirchen, im Gegensatz zu den sonstigen Altären, den Nebenaltären, die der Feier der Privatmessen dienen, die sonn- und festtäglichen Messen, die Exequialmessen und andere Messen nicht rein privaten Charakters, in Stifts- und Klosterkirchen die Konventualmessen gefeiert. Unter den Begriff A. fällt nicht ein dieses umziehender Umgang, selbst wenn der Hochaltarraum, wie das meist der Fall ist, durch Arkaden nach ihm zu sich öffnet, noch auch die etwa ihn begleitenden Räumlichkeiten mit Nebenaltären. Sie sind lediglich äußeres Anhängsel des A. Noch weniger läßt sich in den Begriff A. ein etwa vorhandenes Querschiff einbeziehen, wenn in seinen beiden Armen Altäre aufgestellt sind, die wie die Altäre des Umgangs den Charakter von Nebenaltären haben. Sonderräume für Nebenaltäre, die der Kirche äußerlich angebaut sind, die Fortsetzung der Seitenschiffe darstellen oder organisch den Langseiten des Schiffes zwischen den eingezogenen Streben eingegliedert sind, werden im Gegensatz zum A. als Kapellen bezeichnet.
II. Formale Beschaffenheit
Das A. bildet in längsgerichteten Kirchen entweder die Fortsetzung des Schiffes bzw. des Mittelschiffes, mit dem es in diesem Falle die gleiche Breite hat, oder aber einen in der gleichen Richtung wie diese verlaufenden, jedoch gegen sie einspringenden selbständigen Bauteil. In längsgerichteten Kirchen mit Querhaus, aber ohne Chorquadrat, wie namentlich in den altchristlichen römischen Basiliken, trat das A. als Einbau in das Querhaus hinein. In kreuzförmigen Zentralbauten dient einer der Arme als A., in runden und mehrseitigen legt sich an den Mittelraum als A. ein An- oder Ausbau an, der einen den Mittelraum etwa umziehenden Umgang durchquert. Im Zentrum des Mittelraums einen Raum für den Hochaltar als Ersatz eines A. abzusondern, hat sich nicht einbürgern können. Es ist nur in einigen ganz vereinzelten Fällen geschehen.
Im Grundriß rechteckig oder quadratisch, schließt das A. entweder mit halbrunder Apsis, wie zumeist bei altchristlichen Basiliken, bei romanischen und frühestgotischen Kirchen sowie später wieder bei Renaissance- und Barockkirchen, oder mehrseitig, wie in der Zeit der Gotik, oder endlich mit gerader Wand, wie besonders bei den älteren Zisterzienserkirchen oder in der englischen Gotik. War der apsidale Schluß geräumig genug, so bildet er schon in altchristlicher Zeit nicht selten allein das A., doch stand der Altar dann damals nicht wie später nahe dem Scheitel der Apsis, sondern vorn in derselben. Immer war es Brauch, das A., gleichviel, ob es die Fortsetzung des Schiffes oder einen selbständigen Anbau darstellte, um einige Stufen über das Schiff der Kirche zu erhöhen, sowohl um es als den vornehmsten Raum der Kirche auszuzeichnen, als auch, um die in ihm sich vollziehende hl. Handlung für die ihr im Schiff anwohnenden Gläubigen sichtbarer zu machen. War unter dem A. eine Krypta angebracht, bedurfte es natürlich keiner weiteren Erhöhung mehr, da diese schon durch die Krypta gegeben war.
III. Einrichtungsgegenstände
Der vornehmste, schlechthin unentbehrliche Einrichtungsgegenstand des A. ist der Altar, ohne den es seinem Zweck nicht dienen könnte und von dem es darum seinen Namen hat. Als Hochaltar ist er vor den Nebenaltären dadurch ausgezeichnet, daß er größere Ausmaße hat als diese und daß er, seitdem sich Stufen bei den Altären einbürgerten, mit einer größeren Zahl von Stufen als sie versehen zu werden pflegt. Dient der Altar, wie es das Gewöhnliche ist, zur Aufbewahrung der zur Kommunion der Gläubigen bestimmten konsekrierten Hostien, so ist er mit einem Tabernakel ausgestattet und muß in seiner Nähe eine Lampe mit dem Ewigen Licht sich finden. Zur Aufstellung der bei der Messe benötigten Gegenstände, soweit diese nicht auf dem Altar ihren Platz haben, ist als Ergänzung desselben ein sog. Kredenztisch angebracht. Zum Gebrauch bei feierlichen Messen sind für den Zelebrant und seine Ministri Sitze (sedilia) an der Epistelseite des Altars vorzusehen, nicht ganz zutreffend Levitensitze genannt, für am Altar stattfindende pontifikale Funktionen ein Thron an der Evangelien- oder der Rückseite desselben, bzw. ein Faldistorium an der Epistelseite. Schmückendes Zubehör des Altars des A., das freilich nicht ihm allein vorbehalten ist, aber bei ihm eine besonders reiche Ausgestaltung erhält, sind Ziborium, Baldachin und Retabel. Chorgestühl gehört nicht in das A., sondern in den Chorraum.
IV. A. und Schiff
Das A. ist seit alters ausschließlich der Raum für den am Altar amtierenden Priester und seine Ministri, daher es auch Presbyterium, Priesterhaus, genannt wird. Das Schiff der Kirche dient zum Aufenthalt der der Messe anwohnenden Gläubigen, daher es als Laienraum, Gemeindehaus, bezeichnet wird. Zum sinnfälligen Ausdruck kommt die Scheidung von A. und Schiff durch die zugleich als Kommunionbank für die Kommunion der Gläubigen dienenden Altarschranken (cancelli), die im Osten schon 314 von Eusebius, im Westen um 370 von Zeno von Verona ausdrücklich erwähnt werden und nicht nur das A. als das Allerheiligste kennzeichnen, eine geziemende, gegen Störungen durch Unberufene gesicherte Feier der hl. Geheimnisse ermöglichen, sondern namentlich auch Priester und Laien beim Gottesdienst voneinander scheiden und letzteren verwehren sollten, sich bei diesem dem Klerus zuzugesellen. Ein Zweck, der schon von Eusebius hervorgehoben und seitdem von zahlreichen Synodalbestimmungen im Osten und Westen, hier bis in die nachmittelalterliche Zeit hinein, betont wird.
V. A. und Chorraum
Vom A. unterscheidet sich das Chor, genauer der Chorraum, sachlich dadurch, daß er den Raum für die das Offizium, das kanonische Stundengebet, haltenden und bei der feierlichen Messe die liturgischen Chorgesänge ausführende Geistlichkeit bildet. Er befand sich in altchristlicher Zeit – zu Rom schola cantorum genannt – hart vor dem A., von dem er jedoch durch Schranken getrennt war, in dem jenem zunächst gelegenen Ende des Schiffes, also zwischen dem Presbyterium und dem den Gläubigen zugewiesenen Teil des Schiffes, und so verhielt es sich auch noch in der karolingischen Zeit – man vergleiche den Plan zum Neubau des Klosters St. Gallen von 820 –, ja bis in die romanische Zeit hinein. Dann aber begann man, vor allem infolge Einführung des sog. Chorquadrates, A. und Chorraum in einem Bauteil, dem Chorbau (cancelli), zu verbinden, in dessen vorderem Teil die das Offizium haltenden und die liturgischen Meßgesänge ausführenden Geistlichen ihren Platz hatten, während der hintere das A. bildete. Für die Altarschranken hatte das zur Folge, daß sie entbehrlich wurden, indem die den Chor nach dem Schiff zu abschließenden Schranken zugleich als Altarschranken dienten. Um aber das A. als solches im Gesamtchorbau zu kennzeichnen, legte man es um eine oder mehrere Stufen höher als den vorderen Chorraum. In der Gotik gewann diese Verbindung von Altar und Chorraum zu einem baulichen Ganzen fast allgemeine Verbreitung. Eine Ausnahme machte nur Spanien, wo sich der ursprüngliche Brauch vielfach bis heute erhielt und der Chorraum als selbständiger Raum, getrennt vom Altarraum (capilla maior) durch die Vierung oder das letzte Schiffsjoch, dem Schiff eingebaut ist. In Italien aber, wo A. und Chorraum zwar auch zu einem Bauteil verschmolzen, bürgerte sich der Brauch ein, den letzteren nicht vor, sondern hinter dem Altar in der Apsis anzubringen..
VI. Das A. in der protestantischen Kirche
Im protestantischen Kultus, der weder ein eucharistisches Opfer, noch ein Chorgebet, noch eine hierarchische Unterscheidung zwischen Klerus und Laien kennt, hatte das A. in seinem bisherigen Sinne weder Bedeutung noch Zweck mehr. Nichtsdestoweniger wurde es in den Kirchen des lutherischen Bekenntnisses (im Gegensatz zu denen des reformierten, in denen es aufgegeben und der Tisch, dessen man zur Abendmahlsfeier bedurfte, im Schiff aufgestellt und oft der Kanzel zugesellt wurde) nicht ebenfalls verlassen, sondern aus traditionellen, künstlerischen sowie namentlich praktischen Erwägungen neben dem Schiff, der Stätte des regelmäßigen, aus Gebet, Gesang und Predigt bestehenden Gemeindegottesdienstes, auch weiterhin als bald halbrund, bald mehrseitig abschließender Sonderbauteil für die Feier des Abendmahles, für die Spendung der Taufen, für Ordinationen, Konfirmationen und Trauungen im Organismus ihres Baukörpers beibehalten, und zwar nicht bloß bei Kirchen, die aus dem katholischen Kultus übernommen worden waren. Es geschah das vielmehr gewöhnlich, und zwar bis in die jüngere Zeit, auch bei Neubauten, selbst bei ovalen, runden und kreuzförmigen; nur erhielt es bei ihnen infolge Wegfallens des ehemaligen Chores und größerer Einfachheit der gottesdienstlichen Verrichtungen eine entsprechend geringere Tiefe. An die Stelle des Altares trat ein formal einem Block- oder Tischaltar gleichender, nach dem Vorbild katholischer Altäre meist mit einem Retabel ausgestatteter Abendmahlstisch mit Schranken vorn und an den Seiten oder doch wenigstens an den letzteren, die jedoch nicht mehr den Zweck hatten, den amtierenden Geistlichen und die Gläubigen zu scheiden, sondern lediglich Kommunionschranken waren, oder besonders im 18. Jh., mit 2 sog. Abendmahlsengeln auf der untersten Stufe des Abendmahlstisches, die das Kommuniontuch hielten, als Ersatz für Schranken. Vor dem Abendmahlstisch aber brachte man in genügender Entfernung von ihm für die Vornahme der Taufe ein auf einem Ständer sitzendes Taufbecken oder, besonders im 18. Jh., einen von oben herabhängenden, eine Taufschale haltenden sog. Taufengel an. Die Eigenschaft eines Sondergliedes im Baukörper der Kirche verlor das Abendmahlshaus – denn so wird man es nach seinem vornehmsten Zweck und seinem vornehmsten Ausstattungsgegenstand am besten nennen (nicht Chor, eine durchaus unzutreffende Bezeichnung) –, wenn man zum Ausdruck der Zusammengehörigkeit von Wort und Sakrament, doch auch aus praktischen Gründen, seit dem 18. Jh. in kleineren Kirchen des öfteren auch die Kanzel in ihm anbrachte, indem man sie mit dem Abendmahlstisch zu einem Ganzen, dem sog. Kanzelaltar, verband. Nur in den anglikanischen Kirchen, in denen sich bis jetzt das Chorgebet in Gestalt der matins (Matutin des Offiziums) und des evensong (Vespern) erhalten hat, unterscheidet man nach wie vor im Chorbau zwischen choir, dem vorderen Teil desselben, und dem presbytery, dem hinteren Teil desselben mit dem zur Abendmahlsfeier dienenden Altar.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Braun, Joseph , Altarhaus, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1934), Sp. 495–499; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=94483> [04.04.2022]
Dieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/.