Aquatinta

Aus RDK Labor
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englisch: Aquatint; französisch: Aquatinte; italienisch: Acquatinta.


Hans Wolfgang Singer (1935)

RDK I, 892–895


Aquatinta (manchmal ungenau Lavismanier, Tuschmanier, gravure en lavis genannt), zeitlich und an Wichtigkeit die zweite Art des graphischen Flächendrucks, wobei die erste von der Schabkunst eingenommen wird. Die A. wird selten für sich allein angewandt, sondern nachträglich auf bereits in Linien geätzten Platten angebracht, um diesen Radierungen malerische Eigenschaften zu verleihen. Auf die blankgeputzte Platte wird feiner Asphalt, Kolophonium oder Harz-Pulver gestreut. Es geschieht mittels Sieb oder auch mit Hilfe des geschlossenen A.-Kastens, indem der Staub durch ein Flügelrad oder durch einen Blasebalg zur Wolke aufgewühlt wird. Wenn diese sich zu senken beginnt, wird die Platte unten in den Kasten geschoben, so daß die Stäubchen gleichmäßig auf die Oberfläche der Platte fallen.

Durch leichtes Erwärmen der Platte wird die unterste Schicht an die Platte geschmolzen, aber nur so weit, daß die Stäubchen an der Platte haften und nicht etwa zusammenlaufen. Da ein Zwischenraum zwischen je vier aneinanderstoßenden Stäubchen bleibt, ist somit die Platte von einem überaus engmaschigen Netz aus säurebeständigem Material bedeckt, einem Grund also, durch den geätzt werden kann. Da das Netz so fein ist, ergibt sich beim Ätzen ein Ton, eine Fläche.

Soll etwas auf der Platte ganz weiß bleiben, so muß es vor der ersten Ätzung mit Decklack geschützt werden. Nach jedmaligem Ätzen können Teile der Platte wieder gedeckt werden, so daß man leicht zwei, drei, auch mehr immer dunkler werdende Töne erzielt. Über 5 oder 6 kann man aber schwerlich hinausgehen, da der A.-Ätzgrund von ziemlich schwacher Beschaffenheit ist und einer wirklich tiefen Ätzung nicht standhalten würde.

Der A.-Ton bleibt immer mehr oder minder schal und ist gegenüber dem satten, samtenen Ton der Schabkunst durchsichtig und zart. Auch hebt sich jeder A.-Ton von dem zunächst schwächeren und zunächst stärkeren scharf ab und läßt die unendlich feinen Übergänge, die die Schabkunst auszeichnen, nicht zu. So eignet sich das Verfahren auch nicht zur Wiedergabe von Ölgemälden, vielmehr zu jener von flotten, durch ein paar Töne in Wirkung gesetzten Sepiazeichnungen. – Leprince (1734-81), Haldenwang (1770-1831), Kobell (1766-1855) und vor allem Goya (1746-1828), in neuerer Zeit Klinger (1857-1920) sind Hauptvertreter des A.-Verfahrens.

Das geschilderte ist sozusagen das „klassische“ A.-Verfahren, das Jean Bapt. Leprince angeblich um 1765 erfunden oder jedenfalls dermaßen der Öffentlichkeit übergeben hat, daß man ihm die Erfindung zuschreiben zu können glaubt. Robert Stapart erfand ein anderes. Er hielt gewöhnlichen Ätzgrund durch Erhitzen der Platte auf dieser flüssig und siebte dann feingemahlenes Seesalz darauf. Die Teilchen sanken dank ihres Gewichtes durch den Grund bis auf die Platte. Nachdem der Grund kalt und hart geworden, legte Stapart die Platte ins Wasser, wodurch das Salz aufgelöst und ausgewaschen und so ein durchlöcherter, netzartiger Grund erzielt wurde.

Aus späterer Zeit entstammt der heutzutage gebräuchliche flüssige A.-Grund. Pulverisiertes Harz wird in Weingeist getan und damit die Platte übergossen. Wenn dieser „Grund“ getrocknet ist, zeigen sich lauter Sprünge, größer und kleiner, je nach der Stärke der Harzzutat. Die erzeugte „craquelure“ ähnelt einigermaßen den Sprüngen der Glasur bei der Keramik und erreicht nie die ebenmäßige Dichte, wie sie mit dem Staubkasten zu erzielen ist.

Künstlerisch reizvoll und neuerdings vielleicht am häufigsten verwendet ist die Sandpapier-A. Ein gewöhnlicher Ätzgrund wird auf die Platte gelegt, hierauf Sandpapier (das man nach Wunsch grob- oder feinkörnig nehmen kann) gelegt und das Ganze mehrmals durch die Walzenpresse gezogen, wodurch der Grund auch durchlöchert wird. Hierdurch kann man Töne ätzen, die nicht so gleichmäßig, wenn man will langweilig, wie die des Staubkasten-A. sind, und vor allem kann man hierbei viel kräftiger, tiefer ätzen, so daß eine Vertiefung erzielt wird, die sich nachträglich einigermaßen mit dem Polierstahl – ähnlich wie bei der Schabkunst – behandeln läßt. Auf diese Technik scheinen verschiedene Künstler in London ziemlich gleichzeitig verfallen zu sein. Whistler (1834-1903) und Strang (1859-1921) lieferten schon Arbeiten darin; zur höchsten Vollendung brachte sie vielleicht Pennell (1860 bis 1926).

Es gibt auch verschiedene Arten, aquatintaähnliche Töne auf Kupferplatten auf trockenem Weg zu erzeugen, die aber unter gegenwärtigem Titel, da eben die Ätzung wegfällt, nicht berücksichtigt werden. Für die verschiedenen Möglichkeiten, aquatintaähnliche Töne auf trockenem Wege der Platte einzuprägen, vgl. Radierung.

Quellen: Schon D. J. Bijlaert gibt in seinem „Nieuwe Manier...“, Leiden, 8°, 1772 (deutsch, Arnd. u. Leipzig, kl.-8°, 1773), eine Art an, einen A.-Ton zu erzeugen, nämlich das unmittelbare Bepinseln des blanken Kupfers mit der Säure. Rob. van Stapart’s Anweisungen erschienen als „L’Art de graver au pinceau ...“, Paris, 12°, 1773 (deutsch, Nürnberg, 8°, 1780). Von J. B. Leprince, „Découverte d’un procédé de gravure en lavis“, Paris, 4°, 1780, ist nur ein Prospectus, oder vielleicht, wie Meynier meint, nur das Titelblatt erschienen; jedenfalls ist kein Exemplar eines vollständigen Buches bislang aufgefunden worden. In der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (Leipzig 1780. Dykische Buchhandlg., Bd. XXV S. 149) wird dieser Prospekt verdeutscht und besprochen. Die Subskription auf das Buch, das mit 30 bis 40 Tafeln ausgestattet werden sollte, war zum Preis von 120 Lires eröffnet. Tischbein gibt an, daß Msr. Ducros 1785 ein Buch ähnlich dem Stapart habe erscheinen lassen – es wird sonst nirgends erwähnt. J. H. Tischbein in seiner „kurzgefaßten Abhandlung über die Ätzkunst ...“ Kassel, 2°, 1790, beschreibt die Demarteausche A., die darin besteht, Sand mit einem stumpfen Stift durch den Ätzgrund zu drücken. Das, was sich hier aber als A.-Manier ausgibt, ist vielmehr die Crayonmanier. 1794 erschien von F. B. Spilsbury „The Art of etching and aquatinting“, London, 8°, 1794. Ein anonymes Buch, ausschließlich der A. gewidmet, „The complete Aquatinter ...“, erschien in London, 8°, 1801. J. H. Meynier, „Anleitung zur Ätzkunst ...“, erschien mit ausführlichen, auf eigener Erfahrung beruhenden Angaben zur A. in Hof, 8°, 1804. P. W. Schwarz, „Neue und gründliche Art, die Aquatinta ... zu erlernen ...“, Nürnberg und Sulzbach, 8°, 1805, enthält sehr eingehende Anweisung für die Staubkasten-A. H. Schwegman, „Verhandelingen Over het Graveeren in de Manier van Gewassen Tekeningen ...“, Haerlem, 8°, 1806, erklärt alte und eigene neue Manieren. J. Hassell ließ „Improvements in the Aquatinta process“, London, 4°, 1811, erscheinen. Dann folgt E. M. J. Bagelaer mit seiner „Verhandlung over eene nieuwe manier ... de gewassche Tinten ...“, Haerlem, 8°, 1817. Von da ab verbreitet sich mehr oder minder ausführlich ein jedes der zahllosen Hand- und Lehrbücher der graphischen Techniken über die A., ohne daß nennenswerte Monographien über das Thema erschienen wären, bis 1909 das ausführliche Werk von S. T. Prideaux, Aquatint engraving, a chapter in the history of book illustration, zu London herauskam.

Verweise