Artushof
englisch: Artushof; französisch: Cour du Roi Arthur (société et cercle de marchands hanséatiques); italienisch: Corte di re Artù.
Erich Keyser (1936)
RDK I, 1132–1134
Artushof, auch König Artushof oder Junkerhof, werden ursprünglich die Vereinigungen genannt, die seit dem 14. Jh. zu Ehren des König Artus (s. Sp. 1127ff.) von den Angehörigen ritterlicher und patrizischer Geschlechter in einigen Städten Nieder- und Nordostdeutschlands unterhalten wurden. Sie pflegten Geselligkeit und ritterliche Spiele und übten nicht selten bedeutenden politischen Einfluß aus, da ihre Mitglieder zu den ältesten und vornehmsten Familien der Städte gehörten und meist auch im Rate saßen. Mehrere dieser Brüderschaften gehen nachweisbar auf ältere Georgenbrüderschaften zurück. Sie nahmen im Deutsch-Ordenslande wahrscheinlich unter dem Einflusse Englands und Flanderns, wohin enge Handelsbeziehungen bestanden, den Namen A. an. Später wurden mit dem gleichen Namen auch die Gebäude bezeichnet, die von den Vereinigungen für ihre Geselligkeiten errichtet wurden. Doch dienten sie auch weiteren Kreisen der Kaufmannschaft als Börse und Versammlungsraum. Handwerker und dienende Leute waren dagegen stets vom Besuch der A. ausgeschlossen, Fremde bedurften der Einführung durch Mitglieder. Mitgliedschaft, Geselligkeit und Verwaltung wurden durch ausführliche Satzungen geregelt. Sie gewährten dem Rat die Oberaufsicht. Seit E. 15. Jh. gliederten sich die A. in mehrere „Banken“. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Städte verloren sie auch ihre Bedeutung. Die Vereinigungen lösten sich auf oder lebten in völliger Zurückgezogenheit; die Gebäude verfielen. Nur in Danzig, Elbing, Riga und Reval haben sich Reste dieser Vereinigungen und ihrer Gebäude, wenn auch zum Teil stark verändert, bis zur Gegenwart erhalten.
A. begegnen in Thorn 1310, Elbing 1319, Riga 1329, Danzig 1350, in Kulm, Braunsberg, Königsberg, Marienburg und Reval und außerhalb des Preußenlandes und Livlandes nur noch in Stralsund 1316 [1]. Der größte und vornehmste aller A. war der in Danzig ([2]; Sp. 917, Abb. 8). Er dürfte um 1320-30 begründet sein. Die „curia regis Arthus“ wird 1350 zum ersten Male am Langenmarkt genannt. Ein Neubau erfolgte wahrscheinlich zwischen 1370 und 1387; er wies im Erdgeschoß eine große Halle auf. Nach einem Brande 1476 wurde durch Hinzunahme eines Nachbarhauses das Grundstück vergrößert und der Neubau 1481 eingeweiht. Er hat einen rechteckigen Grundriß; die Deckengewölbe ruhen auf 4 Granitpfeilern. Die dreischiffige Halle ist einer der schönsten Räume der norddeutschen Spätgotik. Während die Rückseite des Gebäudes nach der Brotbänkengasse bis auf einige Instandsetzungen im Jahre 1840 unverändert erhalten geblieben ist, wurde die Vorderseite nach dem Langenmarkte mehrfach umgestaltet. Der Giebel wurde 1552 im Renaissancestil umgebaut. Giebel und Fassade wurden 1610 barock verändert und mit zahlreichen Figuren und Medaillons geschmückt.
In Thorn [3] bestand zunächst ein Kumpenhaus für die Kaufleute in der Seglerstraße und der A. für die Georgenbrüder am Markt. Nach seinem Neubau 1385 wurden beide Vereinigungen zusammengelegt. Das Gebäude war 13,5 m breit, 25 m tief und 25,5 m hoch. Der große Saal war 6,3 m hoch. Die Fassade wurde 1625 im italienischen Stil erneuert. Der Giebel wurde umgebaut und erhielt zu beiden Seiten 2 Türmchen. Die Fassade wurde mit Wappen und Bildnissen bemalt, das Portal mit Marmorsäulen geschmückt. Der A. diente von 1724-56 als evangelische Kirche und wurde 1802 abgebrochen. Ein Neubau (1804-29) des Stadtbaumeisters Herkert wurde als Ressource und Stadttheater benutzt und wich einem weiteren geschmacklosen Neubau des Stadtbaurates Schmidt in den Jahren 1889–91.
In Elbing [4] geht der A. auf die Georgenbrüderschaft zurück. Das älteste Gebäude in der Fischerstraße wurde durch ein Gebäude am Alten Markt ersetzt. Dieses wurde 1878 abgebrochen. Das an seiner Stelle neu errichtete Geschäfts- und Wohnhaus führt den alten Namen zu Unrecht weiter.
In Königsberg [5] gab es einen „Junker-Hof“ auf dem Kneiphof, dessen Satzungen aus dem Jahre 1436 noch erhalten sind, und den „König Artushof“ auf der Altstadt, der um 1400 vorhanden war.
In Reval [6] spaltete sich die Schwarzhäuptergilde von der Großen Gilde der Kaufleute E. 14. Jh. ab. Nachdem sie zunächst zur Miete gewohnt hatte, baute sie auf einem 1517 von der Olaigilde gekauften Grundstück 1532 ein eigenes Haus mit einem großen, von drei Säulen getragenen Saal. Es erhielt 1597 eine Renaissancefassade und wurde 1783 durch das Nachbarhaus vergrößert, das 1790-93, 1834 und 1907-08 umgebaut wurde.
In Riga [7] wurde der A. vor 1334 für die Gilde erbaut. Er war seit 1477 Sitz der Schwarzhäupter, die seit 1413 bekannt sind. Der gotische Giebel wurde 1619-25 umgebaut (Sp. 277/78 Abb. 5).
Literatur
1. Theodor Hirsch, Über den Ursprung d. preuß. Artushöfe, Zs. f. preuß. Gesch. u. Landeskunde 1, 1864, S. 3ff. 2. Paul Simson, Der Artushof in Danzig und seine Brüderschaften, die Banken, Danzig 1900. Ders., Führer durch den Danziger Artushof, Danzig 1902. Erich Keyser, Die Entstehung des Danziger Artushofes, Mitt. d. Westpreuß. Geschichtsvereins, Jg. 25, 1926, S. 77ff. Ders., Der Artushof und der „gemeine Kaufmann“ in Danzig, ebd., Jg. 31, 1932, S. 37ff. – „Der Artushof“, Ostdeutsche Monatshefte, Jg. 7, 1926, H. 6, mit Beiträgen von E. Keyser, K. Gruber, W. Mannowsky, P. Abramowski u. a. über das Gebäude und seine Kunstwerke. Bruno Meyer, Der Artushof in Danzig, Führer des Staatl. Landesmus. f. Danziger Gesch. 3, Danzig 1929. 3. Reinhold Heuer, Die drei Artushöfe und der Junkerhof in Thorn, Mitt. d. Coppernicus-Vereins, H. 25, Thorn 1917. – Arthur Semrau, Thorn im 13. Jh., Mitt. d. Coppernicus-Vereins, H. 38, 1931, S. 24ff. 4. Eduard Stach, Die St.-Georgen-Brüderschaft, in dem Sammelwerk „Elbing“, hrsg. v. Curt Uffhausen, Berlin 19292. 5. Max Perlbach, Quellenbeiträge zur Gesch. der Stadt Königsberg im Mittelalter, Göttingen 1878, S. 21 u. 30f. 6. Carl Stempel, Das Schwarzhäupterhaus in Reval (ungedruckter Vortrag, Reval 1930). – Eugen v. Nottbeck u. Wilhelm Neumann, Gesch. u. Kunstdenkmäler der Stadt Reval, Reval 1904. F. Amelung u. G. Wrangell, Die Gesch. der Revaler Schwarzenhäupter, Reval 1930. 7. Wilhelm Neumann, Das mittelalterliche Riga, Berlin 1892. Ders., Riga und Reval, Berühmte Kunststätten 42, Leipzig 1908. Herbert Spliet, Geschichte des rigischen Neuen Hauses, des später sogen. König Artus Hofes, Riga 1934.
Empfohlene Zitierweise: Keyser, Erich , Artushof, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1936), Sp. 1132–1134; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89336> [05.04.2022]
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