Auditorium

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englisch: Auditorium; französisch: Auditorium, salle de cours; italienisch: Auditorium.


Adolf Mettler (1937)

RDK I, 1227–1230


I. Begriff und Name

A. sind Bestandteile des mittelalterlichen Klosters, die nicht wie die A. der klassisch römischenn Zeit als Lehrsäle – die Novizen wurden in der cella noviciorum, die Klosterknaben in der schola unterrichtet –, sondern als Empfangs- und Sprechzimmer dienten. Auf ehrerbietige und würdige Begrüßung der Ankömmlinge, bevor sie in die Gasträume geführt wurden, legte das Mönchtum von jeher großen Wert; andererseits machte die Aufrechterhaltung der klösterlichen Stille besondere Räume nötig, darin der Mönch ohne Störung der anderen ein Anliegen äußern und eine Weisung entgegennehmen konnte. Von der letzteren Bestimmung rührt der Name A. her: A. eo censetur nomine, quod ibi audiendum sit, quid a praeceptore iubeatur (Dunstan im 10. Jh. in der Regul. Concord. bei Migne, P. L. 137 Sp. 497). Andere Benennungen sind Locutorium (s. Du Cange4 s. v.), Parlatorium (in Cluny), Spraechus (Glossar. Saxon. Aelfrici). Übrigens darf das Sprechen im A. nicht verwechselt werden mit der den Mönchen zu gewissen Tageszeiten gestatteten allgemeinen Unterhaltung (locutio), die im Kreuzgang stattfand.

II. A. hospitum

Von den dreierlei A., die wir kennen, tritt in der Überlieferung das Auditorium hospitum, das Empfangszimmer, am frühesten auf und zwar als Salutatorium, das auch an Bischofskirchen üblich war. Cäsarius von Arles (1. H. 6. Jh.) ordnet in seiner Regel für die Nonnen an, daß die Äbtissin den Besuchern würdig in Begleitung von 2 bis 3 Schwestern im Salutatorium begegne und daß hier auch den Novizen die Regel vorgelesen werde [1, I S. 359 u. 361]. In ähnlichem Sinn erwähnen das Salutatorium die Regeln des Aurelianus (M. 6. Jh.) und des Donatus um 600 [1, I S. 149f., 371, 388]. Für das Wort A. finde ich den ältesten Beleg in den mit der Reform Benedikts von Aniane unter Ludwig d. Frommen zusammenhängenden, wahrscheinlich 816 anzusetzenden sog. Murbacher Statuten Nr. 22 [2, III S. 89]: „Den Brauch, daß der Abt im A., wo er zu lesen und mit den Brüdern und den Gästen abwechselnd oder gemeinsam ein Gespräch zu führen pflegt, mit den Gästen speise, haben wir nur selten geübt. Dieser Ort liegt an der Grenze der Klausur und des Klostereingangs (in confinio claustri et ianuae monasterii), so daß er die Brüder und Gäste ohne gegenseitige Behinderung zu einer Unterredung empfangen kann.“ Diese Angabe illustriert der um wenige Jahre jüngere, derselben Reform entstammende Bauriß von St. Gallen um 820 [3]. Er zeigt zwischen Kirche und Keller in der Nordwestecke der Klausur einen länglichen Raum mit einer ringsumlaufenden Bank und je einer Türe in den äußeren Hof und in den Kreuzgang. Die Beischrift exitus et introitus ante claustrum ad conloquendum cum hospitibus et ad mandatum faciendum kennzeichnet ihn als Klaufureingang, Empfangsraum und Ort der nach cap. 53 der Benediktinerregel an den Gästen vorzunehmenden Fußwaschung. Die auf dem Plan fehlende Bezeichnung A. holt der um 1050 schreibende St. Galler Mönch Ekkehard nach [4, S. 336 u. 436].

Der volle Ausdruck A. hospitum begegnet bei den Cluniazenser in Hirsau E. 11. Jh. [5, S. 378, 500, 534]. Die Lage ist in Cluny und seinen Abkömmlingen dieselbe wie in St. Gallen (s. Klosterschema in dem Artikel Cluniazenser und für Cluny [5, S. 141], für Hirsau [5, S. 500] für Fructuaria [2, IV S. 145]). Auch die Verwendung bleibt gleich: der Gast wartet hier auf Einlaß in die Klausur und wird hier verabschiedet [5, S. 154 und 541]; der Ankömmling, der Mönch werden will, wird hier belehrt, wie er seine Bewerbung im Konvent vorzutragen habe [5, S. 378], und in Fructuaria findet hier die Fußwaschung der Armen statt [2, IV S. 173]; in Hirsau werden gelegentlich auch hauswirtschaftliche Arbeiten hierher verlegt [5, S. 534].

Die Zisterzienser geben dieses A. auf, in ihrer grundlegenden Satzung, dem Usus ord. Cisterc. [6] vor 1134, wird es nicht erwähnt. Die in manchen Zisterzienserklöstern (z. B. Bronnbach, Mariental, Riddagshausen) zwischen der Kirche und dem Westflügel des Klosters erhaltenen Räume, die nach Lage und Form an die A. von St. Gallen und Cluni erinnern, haben mit dem Empfang von Gästen schwerlich etwas zu tun.

In den Nonnenklöstern unterlag der Verkehr mit Gästen besonders strengen Bestimmungen. So besagen die 1289 ausgegebenen Vorschriften für die Zisterzienserinnen [6, S. 579]: Keine Nonne spreche mit jemand anders als durch ein dicht mit Eisenstäben vergittertes Fenster. Ein hochgotisches Sprechfensterpaar unter einer Doppelblendarkade aus dem Klarissenkloster zu Pfullingen abgebildet bei Otto Linck, Vom mittelalterlichen Mönchtum und seinen Bauten in Württemberg, Augsburg 1931, Taf. 84.

III. A. fratrum

Das Auditorium fratrum. Vom A. hospitum ist, wie Hager [7 S. 174] nachgewiesen hat, das ausschließlich den Mönchen vorbehaltene A. innerhalb der Klausur zu unterscheiden. Auf dem Riß von St. Gallen fehlt es, ist aber älter. Schon M. 8. Jh. fanden Abgesandte von Fulda im Stammkloster Monte Cassino 2 Räume, in die der Mönch in dringlichen Fällen den Abt oder irgendeinen Bruder zu kurzem Gespräch herbeiwinken durfte [2, III S. 17 nr. X], und E. 8. Jh. fordert Paulus Diakonus in seinem Regelkommentar (Ausg. von Monte Cassino 1880 S. 135) im Kloster einen Ort, an dem der Abt oder ein Senior einen nachlässigen Mönch zurechtweisen kann, ohne die anderen beim Lesen oder Psallieren zu stören. Aus den cluniazensischen Vorschriften erfahren wir dann auch den Namen und die Lage des Raumes: in Farfa(1. H. 11. Jh.) heißt er Auditorium schlechtweg [5, S. 87], in Hirsau (E. 11. Jh.) A. fratrum [5, S. 382 u. 494] oder A., quod est in claustro [5, S. 484], in Cluny selbst (3. V. 11. Jh.) Parlatorium [5, S. 143 u. a.]. Die Verwendung zu Sondergesprächen erhellt aus der Hirsauer Bestimmung: in A. non licet monacho loqui nisi cum Domno Abbate vel Priore [5, S. 385f.] und besonders deutlich aus dem Statut von St. Viktor in Paris über das Locutorium interius oder regulare bei Du Cange Bd. V S. 135 Sp. 2/3, abgedruckt auch in [8, S. 31 Anm. 1]. Das A. fratrum liegt bei den Cluniazenser im Erdgeschoß des Ostflügels zwischen dem Kapitelsaal und der Camera und hat nach der Bauordnung von Farfa annähernd quadratische Form (30 × 34; s. Schema im Artikel Cluniazenser). Der in Cluny erwähnte Arcus Parlatorii [5, S. 187f.] ist als offene Bogenstellung gegen den Kreuzgang zu verstehen wie beim Kapitelsaal. Gegen Osten stellt eine Tür die Verbindung mit dem dahinterliegenden Krankenhaus her [5, S. 187 u. 557]. Die Hirsauer verlegten in einen westlichen Winkel dieses A. die Strafzelle zur Abbüßung der „schweren Schuld“; es war eine verschließbare mansiuncula, die für einen Menschen ausreicht, aber vom eigentlichen Carcer zu unterscheiden ist [5, S. 480]. In Kloster Ilsenburg a. Harz (um 1160) war die Scheidewand zwischen dem A. und dem Kapitelsaal durch offene Arkaden ersetzt.

Die Zisterzienser, die ihren Klostergrundriß von dem der Cluniazenser ableiteten, behielten den Raum unter dem Namen A. iuxta Capitulum (Usus cap. 113) oder A. monachorum (Collectio Reinardi cap. 80) bei. Da sie in ihren Anfangszeiten mit der altbenediktinischen Forderung täglicher Handarbeit der Mönche wieder Ernst machten, verwendeten sie das erheblich vergrößerte Gelaß zugleich als Saal für die häusliche Handarbeit (Usus cap. 75). Doch finden wir bei ihnen häufig schon seit dem 12. Jh. außerdem noch ein besonderes Parlatorium (vgl. [9, S. 39ff.]. Ferner F. Ostendorf, Die Zisterzienserklöster Deutschlands in Zs. f. Bauwesen 64, 1914, S. 675ff.; Inv. Hessen, Kr. Gießen, Bd. II, Arnsburg S. 112ff.). Erhalten haben sich ziemlich viele zisterziensische A., zum Teil allerdings in baulicher Veränderung; ein klares Beispiel eines Arbeitssaals ohne besonderes Sprechzimmer liefert Arnsburg (a. a. O. Abb. 8); Arbeitssaal und Sprechraum getrennt zeigt Bebenhausen [8, S. 119 u. 122ff. mit Abb. 78 u. 83], beide aus 1. H. 13. Jh. Die großen Säle sind 2-3 schiffig und kreuzgewölbt. Später dienten sie auch als Studien- und Rekreationsräume.

IV. A. iuxta coquinam

Nur in den Usus der Zisterzienser ist bezeugt das Auditorium iuxta coquinam. Seine Lage ergibt sich aus dem Namen. Über seine Benützung sagt cap. 117, daß darin der Unterkellermeister und die Konversen (Laienbrüder), doch höchstens 2 zugleich, mit dem Kellermeister reden dürfen. Wir haben hier deutlich das Gegenstück zum A. monachorum (III), entsprechend der Gliederung der zisterziensischen Klostergemeinde in Mönche und Laienbrüder. Für die Ortswahl war ohne Zweifel maßgebend, daß der Kellermeister und seine Konversen hauptsächlich in Küche und Keller zu tun hatten. Auch konnte man an den Vorgang der Cluniazenser anknüpfen, deren Klosterschema zwischen Küche und Keller das Vestibulum Cellarii (auch ante Cellarium genannt) als Dienst- und Sprechzimmer des Kellermeisters einschob. Das A. iuxta coquinam ist aber als eigenes Gelaß in den Denkmälern nicht nachweisbar; es scheint bald in dem nahen Gang zwischen dem Keller und dem Speisesaal der Laienbrüder aufgegangen zu sein.

Literatur

1. L. Holstenius, Codex Regularum monastic. et canonic., 6 Bde, Augsburg 1759ff. 2. Bruno Albers, Consuetudines monasticae, 5 Bde, Stuttgart 1890ff. 3. Ferd. Keller, Der Bauriß von St. Gallen, Zürich 1844. 4. Mitt. z. vaterl. Gesch., hrsg. v. hist. Verein in St. Gallen, N. F. 5 u. 6, (Der ganzen Folge XV und XVI): St. Gallische Geschichtsquellen. III Ekkeharti Casus S. Galli, St. Gallen 1877. 5. (M. Herrgott), Vetus disciplina monastica, Paris 1726. 6. Julianus Paris, Nomasticon Cisterciense, Paris 1664. 7. Georg Hager, Zur Gesch. der abendländ. Klosteranlage, Zs. für christl. K. 14, 1901. 8. Adolf Mettler, Mittelalterl. Klosterkirchen und Klöster der Hirsauer und Zisterzienser in Württemberg, Stuttgart 1927. 9. Ders., Zur Klosteranlage der Zisterzienser und zur Baugeschichte Maulbronns, Württ. Vierteljahrshefte f. Landesgesch. N. F. 18, 1909, 1ff.

Verweise