Autorenbild
englisch: Author's portrait; französisch: Image d'auteur, miniature de l'auteur; italienisch: Ritratto dell'autore.
Dorothee Klein (1937)
RDK I, 1309–1314
Autorenbild nennt man das Bildnis eines Verfassers, das einer geschriebenen oder gedruckten Ausgabe seines Werkes vorangestellt ist. A. im eigentlichen Sinne sind nicht Textillustrationen, in welchen der Verfasser mit agiert, auch nicht Devotions- oder Dedikationsbilder, in welchen er auftritt, sondern ausschließlich solche Darstellungen, die beabsichtigen, dem Leier eine Anschauung von der Persönlichkeit des Verfassers zu vermitteln. Häufig sind daher A. begleitet von kurzen biographischen Angaben. – Die Einrichtung des A. ist seit der früh-hellenistischen Zeit nachweisbar.
Es ist als solches die älteste bekannte Form der Buchillustration überhaupt [3 u. 4]. Seine Verbreitung und Entwicklung ist mit der ihren auf das engste verknüpft: aus der Illustration der spätantiken Rollen wird das A. in den Schmuck der christlichen Codices hinübergenommen und von dort aus durch die gesamte mittelalterliche Buchmalerei fortgeleitet bis zu den Holzschnittillustrationen der Inkunabeldrucke und den gestochenen Buchbildern des 18. Jh. Im modernen Buch nimmt die mechanische Reproduktion die alte Institution des A. wieder auf.
Bestimmend für die Kontinuierlichkeit dieser Entwicklung war vor allem, daß seit der frühchristlichen Zeit A. auch vor die Evangelientexte gesetzt wurden (ältestes erhaltenes Beispiel im Cod. Rossanensis, 6. Jh., [5]). In der Gestalt dieser Evangelistenbilder überdauerte das A. die sonst an Individualdarstellungen arme mittelalterliche Buchmalerei.
Die Form des A. hat im Laufe der Zeiten folgende wichtigste Abwandlungen erfahren:
I. Das spätantike A., heute nur noch aus Kopien des 6.–11. Jh. erschließbar, tritt auf als Brustbild im kreisrunden Medaillon (Abb. 1), ursprünglich wohl mit der Absicht der Porträtähnlichkeit, vielleicht in Anlehnung an Münzporträts (Terenz in Cod. Vaticanus 3868 [6 Taf. 17] und Ms. lat. 7899, Paris, Bibl. Nat., 9.–10. Jh.). Daneben gibt es das Bild des Autors in ganzer Figur, sitzend, mit Attributen des Gelehrten (Vergil im Cod. Vaticanus 3867, 6. Jh. [7 Taf. IIb]) und schließlich das A. in der Form der allegorischen Szene, in welcher der Autor in Beziehung gesetzt wird zu personifizierten Begriffen, wie etwa der Philosophia oder der Heuresis (Dioscurides in Ms. med. Gr. I, Wien, Nat.-Bibl., 6. Jh., [8]; David im Psalter Ms. Gr. 139, Paris, Bibl. Nat., 9. Jh.).
II. Die Evangelistenbilder des frühen Mittelalters gehen typengeschichtlich auf antike Figurenschemata zurück [9]. Ihre Formen sind auch maßgebend für die selteneren A. zeitgenössischer Schriftsteller des Mittelalters (Abb. 2, [11]). Ebenso sind die Darstellungen des David, des hl. Gregor und Hieronymus in Psaltern, Sakramentaren und Bibelübersetzungen formal wie inhaltlich als Analogiebildungen zu den Evangelistenbildern anzusprechen [10]. Sie alle geben die Gestalt des Verfassers in ganzer Figur mit einem Buch als Attribut, stehend (sog. repräsentativer Typus, besonders im östlichen Kunstgebiet) oder sitzend (meditierend, diktierend, lesend oder schreibend an einem Pult, maßgebend für den Westen). Unter diesen Typen ist das Bild des schreibenden Evangelisten für die abendländische Entwicklung das wichtigste geworden. (Ältestes bekanntes Vorkommen des Typus im Abendland: Cassiodor im Cod. Amiatinus, Florenz, Laurentiana, süditalienisch, 7. Jh.; von dort aus Übernahme in die englische Buchmalerei: Lindisfarne-Evangeliar, London, Brit. Mus. Ms. Cotton Nero D IV, 8. Jh., [12 Abb. 24, Taf. 223] und weiter nach Deutschland: Cod. Milenarius, Kremsmünster Stiftsbibl. Cim. I, salzburgisch(?), ca. 800. Seit Anf. 9. Jh. in den verschiedenen karolingischen Schulen auch auf deutschem Boden allgemein. Vgl. Schatzkammerevangeliar, Wien, und Ada-Hs., Trier [6 Taf. 2, 21, 29]). Das „Schreiberbild“ wurde gegen Beginn des 15. Jh. unter den einsetzenden naturalistischen Strömungen ausgestaltet mit Einzelheiten der Raumschilderung und Tracht, und so präzisiert zum Bilde des gelehrten Autors an der Arbeit (Abb. 3). In dieser Form wird das A. noch übernommen in die Holzschnittillustrationen der frühen Inkunabeldrucke (Abb. 4 [13–15]).
III. In den Klassikerausgaben des frühen deutschen Humanismus tritt das A. wieder auf in der antiken Form der allegorischen Szene (Sp. 1143 Abb. 1).
IV. Mit dem Wiedererstehen des individuellen, naturähnlichen Porträts, seit der Wende zum 16. Jh. etwa, ist die selbständige Entwicklung des A. in der Buchkunst beendet, es wird von da ab zu einem Zweige der allgemeinen Porträtgraphik. Die Humanistenporträts der großen deutschen Graphiker etwa werden in den Editionen ihrer Schriften als A. verwendet (Abb. 5; vgl. auch Dürer: Willibald Pirkheimer in „Theatrum virtutis“, Nürnberg 1506; L. Cranach d. Ä.: Luther in „Opera“, Augsburg 1520; Hans Holbein d. J.: Erasmus von Rotterdam in „Stultitiae Laus“, Basel 1676 [1 u. 2]).
V. Mit dem Verfall der deutschen Buchkunst im 17. Jh. wird auch die Fortbildung des A. unterbrochen. Es ersteht dann wieder im Zusammenhang mit der neuen Blüte der Kupferstichillustration seit dem 18. Jh. [1. 2. 16. 17]. Allerdings wird es jetzt zugunsten des beliebteren Titelkupfers etwas vernachlässigt. Wo immer es aber auftritt, steht es in engem Zusammenhang mit der zeitgenössischen Porträtgraphik. Das Brustbild des Autors im breiten, mehr oder minder verzierten Rahmen mit Unterschrift des Namens, häufig auch eines Lobverfes, ist seit dem 18. Jh. die geläufige Form (Abb. 6).
Zu den Abbildungen
1. Paris, Bibl. Nat. Terenz, Komödien, Ms. lat. 7899 fol. 1, Federzeichnung, 9. Jh. Nach Reproductions de Mss. de la Bibl. Nat.
2. Wolfenbüttel, Landesbibl., Cod. Gudino 334, fol. 4. Guido von Arezzo „Mikrologus“. Augsburger Miniatur ca. 1050. Nach Prochno [11].
3. Paris, Bibl. Nat. Ms. fr. 9199, fol. 5. Miracles de Notre Dame, Miniatur des Übersetzers Jean Mielot in seinem Schreibkabinett. Niederländisch 1456. Nach Reproductions de Mss. de la Bibl. Nat., Bd. 3.
4. Petrarca, Von der Artzney beyder Glueck, Holzschnitt von Hans Weiditz, Augsburg 1532. Nach dem Exemplar des Kupferstichkabinetts Berlin.
5. Ulrich von Hutten (1488–1523), Holzschnitt von Erhard Schön. Berlin, Kk.
6. Samuel Lentz, Historisch genealogische Fuerstellung des hochfuerstlichen Hauses Anhalt, Dessau 1757. Stich von J. M. Bernigeroth, 1757. Phot. Verf.
Literatur
1. Karl Schottenloher, Das alte Buch, Berlin 1919. 2. Henri Bouchot, Le Livre Ancien, Paris 1886. 3. Theodor Birt, Die Buchrolle in der K., Leipzig 1907. 4. Hans Gerstinger, Griechische Buchmalerei, Wien 1926. 5. Arthur Haseloff, Codex purpureus Rossanensis, Berlin und Leipzig 1898. 6. Adolph Goldschmidt, Die deutsche Buchmalerei, Florenz und München 1928. 7. Stephan Beissel, Vaticanische Miniaturen, Freiburg i. Br. 1893. 8. Anton v. Premerstein und Jos. v. Karabacek, Dioscurides, Lugdunum Bataviensis (Leiden) 1906. 9. E. F. Friend, The Portraits of the Evangelists (Art Studies V 1927, S. 115ff., und VII 1929, S. 3ff.). 10. Adalbert Ebner, Quellen zur Geschichte des Missale Romanum, Freiburg i. Br. 1896. 11. Joachim Prochno, Das Schreiber- und Dedikationsbild in der deutschen Buchmalerei, Leipzig 1929. 12. E. Heinrich Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen, Berlin 1916. 13. Heinrich Schramm, Der Bilderschmuck der Frühdrucke, Leipzig 1928ff. 14. Wilh. Ludw. Schreiber, Manuel de l’amateur de la gravure sur bois et sur métal, Leipzig 1911. 15. Richard Muther, Die deutsche Bücherillustration der Gotik und Frührenaissance, Leipzig u. München 1884. 16. Maria Lanckoronska und Rich. Oehler, Die Buchillustration des 18. Jh. in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Leipzig 1932, Bd. 1: Die deutsche Buchillustration des Spätbarock und Rokoko. 17. Arthur Rümann, Die deutsche Buchillustration des 18. Jh., Straßburg 1931.
Empfohlene Zitierweise: Klein, Dorothee , Autorenbild, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1937), Sp. 1309–1314; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=110679> [01.02.2023]
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