Bastion

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englisch: Bastion, fortification; französisch: Bastion, bastide, bastille, bastillon; italienisch: Bastione.


Karl Heinz Clasen (1937)

RDK I, 1508–1512


RDK I, 1509, Abb. 1. Albrecht Dürer, 1527.
RDK I, 1511, Abb. 2. M. Merian, 1. H. 17. Jh.

Bastion (Bastei; franz. bastide, bastille, bastillon; auch ganz allgemein Bollwerk genannt) hängt sprachlich zusammen mit einer Bezeichnung für Holz und Holzwerk, die mundartlich in dem Worte Bast = Holz, Flechtwerk weiterlebt und im Französischen in bâton (bastone) = Stock und bâtir (bastire) = bauen erhalten blieb. Schon aus dieser sprachlichen Herleitung geht hervor, daß die ersten als B. zu bezeichnenden Anlagen nur aus Holz und primitivem Baumaterial bestanden, also mehr behelfsmäßigen Charakter besaßen. Im älteren Sprachgebrauch wechselt die Sachbedeutung von B., und es läßt sich nicht immer mit Sicherheit feststellen, was darunter fortifikatorisch verstanden wird. Im allgemeinen bezeichnet man damit eine aus der Hauptbefestigung herausgezogene, für sich bestehende Verteidigungsanlage. Heute kann man, zurückblickend auf den historischen Ablauf, in der Hauptsache zwei Auffassungen unterscheiden, die sich in wechselnde Formen kleideten. Eine mittelalterliche Art der B. (I) findet ihre letzte Vollendung in der Renaissance, während die neuzeitliche B. (II) im Zusammenhang mit der Bastionärbefestigung schon durch ihre konsequentere Gestaltung des Flankierungsprinzips etwas grundsätzlich Neues bedeutet.

I. Zum besseren Schutz einer Mauerstrecke oder einer Tordurchbrechung schob schon das mittelalterliche Befestigungssytem einzelne Stützpunkte vor die Hauptverteidigungslinie. Von Mauern begrenzte Gänge stellten die Verbindung her, und die Stützpunkte selbst waren zunächst nichts anderes als von Wehrmauern umschlossene Plätze. Flankierend beherrschten sie das Vorgelände und erschwerten dem Angreifer die Annäherung an die Stadt- oder Burgmauer. Viollet-le-Duc (Architecture I S. 332/33) rekonstruiert ein solches Bollwerk aus dem 13. Jh. für die Befestigung der Stadt Carcassonne. Diesen frühen isolierten Bollwerken im Prinzip verwandt sind die abgetrennten sogenannten Zwingerhöfe (Zingel, Parcham, vgl. Zwinger) vor den Toren deutscher Stadtbefestigungen. Sie bilden mauergeschützte Waffenplätze, rundlich oder eckig angelegt, vor den Stadtgräben. Durch solche Vortore, auch Barbakane genannt, führte der Weg in die Stadt. Kölner Stadttore, wie das Weyer Tor, besaßen diese Vorbefestigung (15. Jh.). Sie hat sich bis heute erhalten bei dem Frauentor in Nürnberg (15. Jh.), dem Marientor in Naumburg (1446) und dem Florianitor in Krakau (E. 15. Jh.).

Eine andere Entwicklungslinie führt vom mittelalterlichen Turme her zur Bastion. Die zerstörende Wirkung der Feuergeschütze mit ihrem horizontalen Schuß und ihrer starken Durchschlagskraft verursachte eine Reduktion der Turmhöhe und eine Vergrößerung des Durchmessers. Zudem brauchte man große gewölbte Räume und eine Plattform zur Aufstellung der Verteidigungsgeschütze. Diese neue Form der niedrigen, mit gewölbten Innenräumen versehenen B. kommt ebenfalls schon im 15. Jh. bei den führenden abendländischen Nationen auf. Sie springen meist rund an den Ecken der Befestigungsanlagen vor oder sind isoliert vorgeschoben. Die turmartigen B. der Burg Montclair im Saartal lassen sich auf das Jahr 1436 datieren. 1446 entstanden in Köln vor dem Hahnentor, 1469 vor dem Severinstor solche auch Kavalier oder Hameide genannten B. In den Burggraben vorgeschoben, treten sie 1501–07 bei der Burg Breuberg im Odenwald auf. Schließlich konnten die B. des 15. und beginnenden 16. Jh. auch halbrund aus der Stadtmauer herausspringen, was in konsequenter Anwendung jedoch weniger in Deutschland als in Italien vorkam (Stadtmauer von Verona). Verzichtete man auf die Innenräume, dann füllte man den Mauermantel der B. mit Erdmassen aus und schuf so eine Plattform zur Aufstellung der Geschütze (Marienburg i. Pr., sog. Plauen-Bollwerk, 1448).

Aus dieser allgemeinen Lage der Wehrarchitektur am A. 16. Jh. wuchs Albrecht Dürers Schrift „Etliche underricht zu befestigung der Stett Schloß und flecken“ heraus, die 1527 in Nürnberg erschien. Dürer kennt die mit gewölbten Innenräumen versehene Rundbastion in komplizierter Durchbildung, aber auch die einfache, durch Mauern abgesteifte Erdschüttung (Abb. 1). Er schlägt sie vor im Zusammenhang mit Stadtmauern, aber auch als selbständiges isoliertes Verteidigungswerk. Wichtig wird für ihn das Prinzip der Grabenbestreichung, das schon im 15. Jh. auftritt, und die ebenfalls bereits allgemein angewandte Flankierung der geraden Mauerstrecken.

II. Auch die B. im neuzeitlichen Sinne konnte gewölbte Kasematten enthalten oder auch nur aus geschütteten, durch Mauern abgesteiften Erdmassen bestehen. Immer war ihre Höhe zur Aufstellung von Geschützen bestimmt und überragte nicht mehr die der anschließenden Mauer- und Wallstrecken. Doch ging man nun fast allgemein zu einer nach bestimmten Flankierungsgesetzen konstruierten regelmäßigen Geradlinigkeit über. Gewöhnlich setzt Sich die B. fünfeckig, mit einer feindwärts vorgetriebenen Spitze an die durchlaufende Festungsmauer. Bei solchen Spitzbastionen wurde im Gegensatz zu den Rundbastionen der sogenannte tote Winkel an der Ansatzstelle geringer, so daß die Verteidigungsfähigkeit der Gesamtanlage sich steigerte (Abb. 2). Die frühesten B. dieser Art lassen sich in Italien nachweisen (Francesco di Giorgio Martini, Trattato di architettura civile e militare, hrsg. Turin 1841; San Michele, Befestigung von Verona seit 1525). Diese italienische Befestigungsweise fand schon früh in Deutschland und in den Niederlanden Eingang. 1540 legte ein Meister Franz für Karl V. eine neue Verteidigungslinie nach italienischer Manier um die Stadt Antwerpen. Küstrin wurde 1537–58 vom Markgrafen Johann von Brandenburg neu befestigt, und in die Frühzeit gehören auch die Befestigungen von Spandau und Wien. Ein Meister Johann wandte das neue System 1567 in Düsseldorf an und schuf die Zitadelle von Jülich. Auch Danzig erhielt einen Verteidigungsring mit Spitzbastionen seit den sechziger Jahren des 16. Jh. Ein führender Festungsbaumeister wurde Daniel Speckle (Specklin, 1536–89). In seiner Schrift „Architectura. Von Festungen. Straßburg 1589“ setzt er sich mit den Mängeln der italienischen Befestigungsweise auseinander und gibt Verbesserungen an. Als Festungsbaumeister wirkte er in Ingolstadt, Schlettstadt, Hagenau, Ulm, Kolmar, Basel und Straßburg. Zu vorbildlich klassischer Größe wurde die Bastionärbefestigung in den letzten Jahrzehnten des 17. Jh. in Frankreich durch Sebastian le Prestre de Vauban (1633–1707) entwickelt. So sehr auch die Systeme in der Neuzeit durch eine Reihe von bedeutenden Festungsbaumeistern abgewandelt wurden, das Prinzip der Spitzbastion erfuhr keine wesentliche Veränderung. Es hielt sich neben gelegentlichen rundlichen oder in anderer Weise eckig geführten Anlagen bis in das 19. Jh.

Zu den Abbildungen

1. Albrecht Dürer, „Belagerung einer Festung“, Holzschnitt B. 137, 1527.

2. Die preußische Festung Driesen, Kupferstich 1. H. 17. Jh. Nach Merian.

Literatur

1. A. v. Zastrow, Handbuch der vorzüglichsten Systeme und Manieren der Befestigungskunst, Berlin 1828. 2. Ders., Geschichte der beständigen Befestigungskunst, Berlin 1839. 3. Max Jähns, Handbuch einer Geschichte des Kriegswesens, Leipzig 1880. 4. August v. Cohausen, Die Befestigungsweisen der Vorzeit und des Mittelalters, Wiesbaden 1898. 5. Wilhelm Waetzoldt, Dürers Befestigungslehre, Berlin o. J. 6. Viollet-le-Duc II, S. 166ff. (Bailide, Bastion) u. 392ff. (Cavalier), 219ff. (boulevard).

Verweise