Bauer

Aus RDK Labor
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englisch: Peasant, farmer; französisch: Paysan, fermier; italienisch: Contandino.


Kurt Karl Eberlein (1938)

RDK II, 1–6


RDK II, 1, Abb. 1. Trient, A. 15. Jh.
RDK II, 3, Abb. 2. Johann Liss. Nürnberg.

Als kunstsoziologische Figur ist der Bauer in der Kunst eine der wichtigsten. Die soziale Anschauung aus Burg, Schloß, Stadt (in der Dichtung so klar gespiegelt) bedingt lange seine Wertung. Dann wird er nach langer Unterschätzung eine moralisch-politische „Kunstgestalt der Sehnsucht“, die mit dem Problem der „Armeleutekunst“, mit Realismus und Heimatkunst zusammenhängt. Aus dem Hintergrund der Kleinmalerei des Buches wächst seine Gestalt immer bedeutsamer in den Mittel- und Vordergrund des Bildes.

1. Immer wird die erste irdische Arbeit der Stammeltern (Adams) entsprechend 1. Mos. 3, 23 als Bauernarbeit dargestellt (s. Adam und Eva, Bd. I Sp. 126ff.). In den Monatsbilderzyklen werden die Saat- und Erntemonate durch Landarbeit charakterisiert, der B. ist jedoch in Haltung und Kleidung nicht von den Vertretern anderer Berufe unterschieden (zahlreiche Beispiele bei Brandt [6, Bd. I S. 145ff.]. In der Buchmalerei des späteren Mittelalters erscheint der B. als Typus klein und fern als Kalenderzeichen und Monatfigur der Tätigkeit erst höfisch, dann bürgerlich gesehen (Les très riches heures du Duc de Berry, Chantilly; Das Mittelalterliche Hausbuch, Schloß Wolfegg), wird aber von dem neuen Malrealismus der Niederlande schon naturnah in Raum und Licht erfaßt. Für den burgundischen Adel wird der dem wilden Waldmenschen verwandte Holzfäller eine modische Kunstgestalt, die, der Dörperpoesie des Minnesangs entwachsen, die Armutromantik der Höfe spiegelt. So entstehen die flandrischen Holzfällerteppiche (bûcheron-Teppiche), mit denen z. B. Papst Felix II. auf dem Basler Konzil 1440 erscheint. Ihre Nachkommen sind die Bauern- und Volkslebenteppiche (Goya-Teppiche, Madrid, Prado). Auch in den Wandmalereien der Burgen und Bürgerhäuser erscheint der B. mit Anspielungen auf Dichtung und Lied wie z. B. den „Viol“ (Burg Runkelstein u. a.).

Die Holzfäller „die Toren, gebückt geboren“, werden mit dem B. zu Masken des höfischen Carnevals und der sog. Wirtschaften und treten noch im Maskenspiel des „Faust“ den höfischen Pulcinellen gegenüber. Neben dieser höfischen Kunst der Miniaturen, Teppiche, Wandbilder, lebt die gotische Graphik des nordischen Holzschnitts, der Kalender und Buchillustrationen, in denen der B. als Monatfigur und Typus mit Ernst und Daseinsrecht erscheint (Ulmer Holzschnitte, Boccaccio, Ulm, 1473).

2. Der vom Stadtbürger verachtete Bauernstand, der durch Reformation und Bauernkriege ins Geschichtlich-Tragische wächst, wird ernst (kirchlich) wie komisch (bürgerlich) gesehen. Durch die christliche Kunst wird er zum Statisten heiliger Szenen aller Art und findet als Bettler, Krüppel, Hirte, Ackermann eigene Darstellung, wobei als Standeszeichen die Häßlichkeit gilt. Mit neuer Naturnähe erscheint er als Gläubiger, Anbeter, Zuschauer in Passionsspiel, Malerei, Plastik, meist allein, selten mit Frau oder Hirtin. So zeigte Grünewalds Isenheimer Altar neben dem hl. Antonius als Votivfiguren rechts und links den B. mit dem Schwein, den B. mit dem Hahn, von Niklaus v. Hagenau. Als Standesvertreter ist er in den kirchlichen Totentänzen zu finden.

Neben der christlichen Würdigung steht die städtische Geringschätzung, die das Komische, Tölpelhafte, Erotische des B. betont und im bürgerlichen Kupferstich der Meister und Kleinmeister die Sitten oder Unsitten des Dörflers verächtlich hervorhebt. Man könnte von einer Bauernmode der Graphik sprechen. Treue Naturstudien (Dürer) schärfen den städtischen Blick für die auch im Schauspiel erwünschte Komik dieser Armen, Rohen (Beham). Sogar in der Holzplastik finden sich derbe Spottbilder.

Erst der Niederländer Pieter Breughel, der „Bauern-Breughel“, gibt dem nordischen B.bilde ernste Größe in Bildnis und Gruppenbild und zeigt eine neue Welt des Landlebens bis ins Volkstümlich-Sprüchwörtliche. Denselben Ernst atmet der Ackermann Hans Holbeins im Holzschnitt des Totentanzes. Auch kommt durch die Armeleutekunst der Italienischen Renaissance (Riccio u. a.) ein neuer Sinn für die Würde des „villano“ in die Kunst der Oberschicht, die den Reiz der Natürlichkeit in Lied und Bild sucht.

Das kaufkräftige holländische Bürgertum schätzt die Bauernbilder, die vom Stilleben zum Sittenbild wachsen, als Naturnähe in Spott und Ernst. Der aufblühende Kunsthandel, die Mode des Privatkabinets, das dadurch erforderte Kleinformat der Exportbilder bringt die niederländischen „bambochades“ in alle Länder. Der B.maler wird Spezialist (Teniers, Ostade, Brouwer, Steen u. a.). Nur drei große Niederländer sehen im Bauern die menschliche Persönlichkeit eines schweren Lebens: Rembrandt, Rubens, Jordaens. Dieser nordischen Wirklichkeitkunst entstammt auch die edle B.malerei der Brüder Le Nain.

3. Dem holländischen Geschmack des 18. Jh. und seiner moralisch-sozialen Sehnsucht entspricht die B.malerei des Rokoko, das mit dem B.panneau auch den B.tanz in den Salon brachte (allemande-Walzer). Durch englisch-schweizerische Einflüsse bestärkt, wird der B. vom Oberrhein bis zur Spree wieder betont (Seekatz, Juncker, Nothnagel u. a.), der auch in der Graphik (Schweizer Vedutenmode, Chodowiecki, Meil, Gubitz) und Buchillustration hervortritt, wenn ihn auch der akademische Klassizismus nicht kennen will. Die romantische Landschaft öffnet ihm wieder die Heimat, die er idyllisch belebt (Koch, Fohr, Kobell, Olivier, Richter, Waldmüller u. a.); die Graphik liebt ihn (Hebelillustration, Neureuther, Speckter, Klein u. a.), Trachtenblätter geben ihm Landschaftscharakter. Das durch die Romantik entdeckte Volkstum gibt ihm zeitloses Wesen, vor allem L.Richters Holzschnittwerk.

Aus der Idylle wird durch Zeitgeist und Düsseldorfer Malerschule das B.-Genre (Jordan, Heiratsantrag auf Helgoland, 1834). Die B.maler sind die große Mode (Jordan, Becker, Hübner, Schütz, Defregger, Kraus, Vautier u. a.). Der Weg führt ins Volkstümliche und in die Heimatkunst. In neuerer Zeit werden Wesen und Art des B. echt erfaßt in den Bildern von Leibl, Thoma, Herkomer. Als heroischen Typus stellen Hodler und Egger-Lienz den B. dar.

Die entscheidende Erkenntnis ist die, daß der Bauer in der Kunst des Nordens seine überragende Darstellung in Mittelalter und Neuzeit gefunden hat, und daß das schwere, ehrwürdige B.leben die große Entdeckung der Nordkultur war. Die B.gestalt in ihrer Arbeit hat der Maler van Gogh als „das Herz der modernen Kunst“ bezeichnet. Nicht mit Millet (der Kornschwinger entstand 1848), sondern lange vorher begann im niederdeutschen Nordraum diese „Moderne“ der B.kunst, und es ist kein Zufall, daß auch die großen B.maler Frankreichs (Millet und Courbet) dem Nordkreis angehörten.

Zu den Abbildungen

1. Trient, Castel Buonconsiglio, Monatsbild des Juli. Wandmalerei, A. 15. Jh. Nach Postkarte.

2. Johann Liss († 1629), Zechende und raufende Bauern, Nürnberg, G.N.M. Phot. Mus.

Literatur

1. B. Riehl, Gesch. des Sittenbildes in der dt. Kunst bis zum Tode Pieter Breughels d. Ä., Berlin u. Stuttgart 1884. 2. A. Schultz, Dt. Leben im 14. u. 15. Jh., Wien 1892. 3. A. Bartels, Der Bauer in der dt. Vergangenheit, Jena 1900. 4. A. Warburg, Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen, Zs. f. bild. K., N.F. 18, 1906, S. 41ff. 5. J. v. Schlosser, Armeleutekunst alter Zeit, Jb. f. Kunstsammler I, 1921, S. 47ff. 6. P. Brandt, Schaffende Arbeit und bild. K., Leipzig 1927, I S. 145ff., II S. 18ff. 7. K. K. Eberlein, Der Bauer in der dt. Kunst, Die Kunst 71, 1935, 298ff. 8. Otto Lauffer, Niederdeutsches Bauerntum in Glasbildern der neueren Jahrhunderte, Berlin und Leipzig 1936.