Bauhütte (Steinhütte)

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englisch: Mason's lodge, stone-yard, stone-cutter's yard; französisch: Chantier (de construction); italienisch: Cantiere.


Eberhard Hempel (1938)

RDK II, 23–33


RDK II, 25, Abb. 1. Grabstein des Admonter Hüttenmeisters Wolfgang Denk († 1513) in Steyr.
RDK II, 29, Abb. 2. Admonter Hüttenbuch (1480-1523). Graz.

(A. O. = Admonter Hüttenbuch; K. O. = Klagenfurter Ordnung; R. O. = Rochlitzer Ordnung; S. O. = Straßburger Ordnung; T. O. = Tiroler Ordnung.)

I. Geschichte

Die B. im mittelalterlichen Sinn stellen Werkstattverbände der an größeren Kirchenbauten beschäftigten Steinmetzen dar, die den Zünften nicht angehörten und sich auf eigene, untereinander ähnliche Ordnungen gründeten. Die deutschen Hütten wurden in der Mitte des 15. Jh. in eine allgemeine Steinmetzbruderschaft vereinigt, die Deutschland, die Schweiz, die österreichischen Länder, Ungarn und große Teile des slawischen Ostens umfaßte. Im Gegensatz zu den städtischen Zünften, wo Meister und Gesellen Bürger der Stadt sein mußten (Regensburger Ordnung von 1514) und weiterreichende Verbindungen nicht leicht eingehen durften, bewahrten sich die Hütten ihre Freiheit, eigene Gerichtsbarkeit und größere Freizügigkeit. Als „aller bürgerlichen Beschwerden frei“ bezeichnete 1538 der Rat von Freiburg i. B. „die steinmetze, welche auf unser frauen hütten und am bu werken, denn sie habent soliche Freiheit von der hütten wie denn an anderen freien hütten als Wien, Cöln, Strassburg und Bamberg“ [28, S. 75]. Sie waren weniger an den Ort, als an den Bau gebunden. Im hohen Mittelalter erlangen die B. als Pflegstätten der Baukunst größere Bedeutung als die Zünfte. Gegenüber der Willkür erscheinen sie als die Vertreter eines geregelten Baubetriebes, was sich künstlerisch im Festhalten an bestimmten Maßverhältnissen äußert, die dem Quadrat und dem gleichseitigen Dreieck entnommen wurden [30. 33. 34]. Vorläufer der Hütten sind die klösterlichen Verbände baukundiger Laienbrüder des 11. und 12. Jh. wie sie in St. Gallen und Hirsau bestanden (Baubetrieb, RDK I, Sp. 1520). Den eigentlichen Charakter der B. bestimmte die Gotik, mit der sie sich zugleich im 14. Jh. zur Blüte entwickelten. Wenn auch von dem klösterlichen Baubetrieb des frühen Mittelalters losgelöst, wurde doch ihr Charakter durchaus noch von der kirchlichen und kosmopolitischen Einstellung des hohen Mittelalters bestimmt. Ihr alle deutschen Stämme umfassender Verband entsprach der Machtfülle des Reiches in dieser Zeit. In Böhmen, Polen und Ungarn wurden die B. Träger des Deutschtums. An der Prager Dombauhütte überwogen weitaus die deutschen Steinmetzen. Die 1367 in Krakau approbierte Bauordnung war deutsch abgefaßt. Mit dem Emporblühen einer veränderten städtisch-bürgerlichen Kultur mußten die B. gegenüber den Zünften zurücktreten. Die Hüttenmeister gingen seit 1420 immer häufiger zu diesen über. In der Mitte des 15. Jh. setzten die Reformbestrebungen ein. Die Regensburger Steinmetzordnung von 1459 spricht davon, daß die gute Gewohnheit und das alte Herkommen gelitten habe und daß es deshalb hiermit erneuert und geläutert würde. Der damaligen Festlegung der alten Bräuche verdanken wir zahlreiche Quellennachrichten. Das 16. Jh. brachte mit der Reformation eine Spaltung. Bei dem Rückgang der kirchlichen Bauaufgaben und der Konkurrenz der welschen Steinmetzen konnten sich die B. nur schwer behaupten. Doch noch Ferdinand I. billigte ihnen zu, daß sie „sich auf die Kirchengepeu und monier beser als die Welschen versteen“. In Wien bestanden nebeneinander eine deutsche und eine welsche Zeche, die sich durch die Tracht unterschieden, 1627 einen Vergleich schlossen und 1643 vereinigt wurden. Im Laufe des 17. und 18. Jh. machte die Verschmelzung mit den zünftigen Steinmetzen und der Verfall der Hütte rasche Fortschritte. Im 19. Jh. wurde die B. als privilegierte Korporation endgültig aufgehoben. Doch haben damit zusammenhängende Vorstellungen sich teilweise, so im Freimaurerorden, zäh erhalten.

Schon äußerlich unterschieden sich die Hüttenleute von den gewöhnlichen Steinmetzen durch Tracht (Abb. 1), Haltung und Gruß (R. O.), die ein bestimmtes Rituale regelte. Ihr Können und ihre Bräuche hüteten sie als Handwerksgeheimnisse, deren Verrat verboten war. Als Patrone galten die sog. vier Gekrönten: die Heiligen Castor, Sempronianus (Symphorianus), Nicostratus und Claudius, zu denen noch der von ihnen bekehrte Simplicius gehört, Steinmetzen und frühchristliche Märtyrer, die in SS. Quattro Coronati in Rom begraben liegen. Während die Bauhütten (R. O.) die Erinnerung an sie getreu bewahrten (Abb. 1), verwechselte die kirchliche Überlieferung sie vielfach mit den ebenfalls in obiger Kirche beigesetzten Heiligen Severus, Severianus, Carpophorus und Victorinus [24].

II. Ordnungen

Die Ordnungen sind aus dem Hüttenbrauch hervorgegangen. Sie regelten insofern die Pflichten des Meisters, des Parliers, der Gesellen und der Lehrlinge, die Lehrzeit, das Verhältnis der Hütten zueinander, das Gerichtsverfahren, die Gebühren und die Löhne, als sie einige Richtlinien angaben. Das meiste aber blieb auch noch im 15. Jh. dem vielfach verschiedenen Brauch und den individuellen Entscheidungen überlassen. Ferner war die Durchführung von der Zustimmung der jeweiligen Obrigkeit abhängig.

Die erhaltenen Hüttenordnungen gehören durchweg der Spätzeit an. Die Trierer Steinmetzordnung von 1397 und die Erfurter von 1423 sind Zunft-, keine Hüttenordnungen, wie behauptet wurde [16]. Der „Text des alden Haubtenrechtes“, auf den sich 1462 die Torgauer Ordnung beruft, wie die in den späteren Ordnungen erwähnten Beschlüsse früherer Tagungen von Straßburg und Speyer haben sich nicht erhalten. Auch die in Regensburg 1459 beschlossene Ordnung ist in keiner direkten Abschrift vorhanden. Doch sind die damals von den versammelten Hüttenmeistern und Gesellen gefaßten Beschlüsse aus der erhaltenen Straßburger Fassung von 1464 (S. O.) zu entnehmen. Bei der Regensburger Tagung war der Straßburger Hüttenbrauch maßgebend gewesen. Der Anstoß, ihn für eine allgemein gültige Ordnung zu übernehmen, ging wohl von dem dortigen Hüttenmeister Jobst Dotzinger aus. Sichtlich standen die Hütten von Mitteldeutschland, wie auch die von Regensburg, in Opposition, was aus ihrem Fernbleiben und späteren Streitigkeiten wegen der verlangten, angeblich zu langen Lehrzeit von 5 Jahren zu erkennen ist. Trotzdem setzten sich die Regensburger Beschlüsse durch, wie folgende auf sie zurückgehende Ordnungen zeigen: die Rochlitzer oder Torgauer Ordnung von 1462 (R. O.), die Tiroler von 1480 (T. O.), das von 1480-1523 geführte Admonter Hüttenbuch (A. O.), die kaiserliche Bestätigung von 1498, das Straßburger Brüderbuch von 1563, die Wiener Ordnung von 1564 und die Klagenfurter Steinmetz- und Maurerordnung von 1628 (K. O.).

Als oberste Haupthütte war die von Straßburg anerkannt, der unmittelbar Süd- und Westdeutschland bis zur Mosel sowie Mitteldeutschland unterstellt war. Köln galt als Haupthütte für Norddeutschland; Wien für die habsburgischen Länder und Ungarn; Bern, später Zürich als Haupthütte der Eidgenossen. Im übrigen unterschied man zwischen den Hütten, wo die Bücher (die Ordnungen) lagen, und den gewöhnlichen Hütten. Das Buch der Ordnungen durfte nicht ausgeliehen oder abgeschrieben werden. Dagegen hatte es der Meister jährlich vorlesen zu lassen. Ferner gab es Ordnungen der Dombauämter, die von Geistlichen, den magistri fabricae, verwaltet wurden. Eine solche „Ordenung des werkmeisters mit sinen gesellen“ ist 1496 im Auftrag des Domkapitels von Basel für die dortige B. niedergeschrieben worden [13].

III. Hüttenmeister

Der Hüttenmeister (in der S.O. Werkmann und Meister genannt), stand der B. vor. An kleineren Bauten konnten auch zwei Baumeister nebeneinander tätig sein. Im übrigen hatte bei den großen Domen nur ein einziger die Leitung der B. in der Hand. Unter den Gesellen waren häufig auch solche mit dem Rang eines Meisters vorhanden, die aber deshalb keine besondere Stellung einnahmen (R. O.). Der Werkmeister arbeitete selbst in der Hütte an seiner im Osten stehenden Bank mit (Basler Ordnung), im übrigen aber übte er alle Funktionen eines Architekten vom Entwurf des Ganzen bis zur Ausführung im einzelnen aus. Im besonderen war es seine Sache, die Formen (Schablonen) anzufertigen, nach denen die Steinmetzen die Werkstücke in ihren Profilen ausmeißelten.

In den Ordnungen finden wir über den Meister und die übrigen Hüttenmitglieder folgende Bestimmungen: Den Bau erhielt der Meister auf Grund schon vollbrachter Werke übertragen. Nach S.O. (Artikel 12) mußte er aus einer Hütte hervorgegangen sein. Dagegen bringen T. O., A. O. und K. O. die Milderung, daß neue Meister, die der Bruderschaft nicht angehören, zum Eintritt in diese einzuladen sind. Erst nach ihrer Weigerung soll kein Hüttenmann ihnen helfen. Kam ein Steinmetz zum ersten Male zur selbständigen Leitung, so mußte er zwei Bürgen stellen (R. O.). Von der Lieferung eines Meisterstückes ist keine Rede; er scheint zur damaligen Zeit im Gegensatz zu den zünftigen Meistern davon befreit gewesen zu sein. Bei Übernahme eines schon angefangenen Baues war es dem Werkmeister verboten, ohne Zustimmung des Bauherrn den Bauplan des Vorgängers abzuändern; auch sollte er kein Steinwerk wieder abbrechen oder unversetzte Stücke verwerfen, noch überhaupt die Arbeit des verstorbenen Meisters schmähen. Wer einen Werkmeister von seinem Werk trennte, mit dem durfte keiner Gemeinschaft bis zur Wiedergutmachung haben (S. O.). Die Hüttenordnung schützte auch den Bauherrn vor Eigenmächtigkeiten und Fehlern des Werkmeisters. An der dem Bau zugrunde gelegten Visierung durfte er nichts abbrechen; trat ein Schaden ein, so hatte er ihn nicht nur zu ersetzen, sondern mußte auch an die Hütte eine Strafe erlegen. Ferner war er verpflichtet, jährlich zum heiligen Sakrament zu gehen, die christliche Ordnung einzuhalten und das Seine nicht zu verspielen (S. O.). Die laufenden Abgaben und Strafgelder, die vom Meister und den Gesellen in eine Büchse entrichtet und für die Abhaltung der Gottesdienste und notwendige Ausgaben verwendet wurden, mußten, falls sich kein Ordnungsbuch bei der Hütte befand, an eine solche abgeliefert werden, wo die Ordnung aufbewahrt wurde (S. O.). Dort fanden auch die Gottesdienste statt. Einen Erkrankten sollte der Meister aus der Büchse unterstützen. Wurde ersterer gesund, so hatte er die Beiträge zurückzuentrichten. Für Unterweisung im Steinwerk und Beförderung durfte der Meister vom Gesellen kein Geld annehmen. Bei Streitigkeiten und Verstößen gegen die Ordnung war, unbeschadet der Rechte der Herren und Städte, der nächste Hüttenmeister zuständig, der eine der Ordnungen innehatte. Kam ein Ausschluß aus der Hütte in Frage, sollte der Meister des Gebietes die nächsten zwei Meister, die im Besitze von Ordnungen waren, und die Gesellen zu sich berufen, die auf der Hütte arbeiteten, wo sich die Klage erhoben hatte. Die R. O. erwähnt die Einrichtung des Jahresgerichts, wozu die Meister zusammenkamen, um insbesondere über Verleumdungen der Meister untereinander, über Beschwerden und Klagen auch von seiten der Bauherrn wider die Meister zu verhandeln. Als oberster Richter wurde der Werkmeister von Straßburg, Jobst Dotzinger, anerkannt, die von Köln und Wien für die dortigen Länder. Tatsächlich aber waren dieser Gerichtsbarkeit durch die Regierungsgewalten überall Schranken gesetzt, was auch in den Ordnungen anerkannt wurde. Siehe im übrigen den Artikel Baumeister.

IV. Parlier

Der Parlier war der Vertreter des leitenden Werkmeisters. Er mußte die fünfjährige Lehrzeit und die einjährige Wanderschaft durchgemacht haben (S. O.). Häufig hatte er sich auch den Meistertitel erworben. Zahlreichere Vorschriften bringt die R. O. Wenn der Meister den Parlier eingesetzt hatte, so mußten die Gesellen ihm Gehorsam geloben wie dem Meister. In seiner Abwesenheit fiel ihm die ganze Vollmacht zu. Er hatte die Hütte zu bewahren und die Gebäude gut zu halten. Zu seinen Obliegenheiten gehörte es, Winkelmaß, Richtscheit und Kehlmaß anzufertigen, daß nichts Falsches daran sei, die Steine den Gesellen vorzulegen, abzureißen und dann nachzusehen, ob sie recht gearbeitet waren. Wenn der Parlier selbst einen Stein verschlug, daß er nicht zu brauchen war, so verlor er den daran sonst verdienten Lohn und mußte den Stein bezahlen. Er sollte früh der erste und abends der letzte auf der Hütte sein. Mit einem Schlag auf dem in der Hütte aufgehängten Brett gab er Anfang und Schluß der Arbeit an. Mit zwei Schlägen rief er die Gesellen zusammen, während drei Schläge anzeigten, daß der Meister rief. Denen, die nicht zur Zeit kamen, hatte der Parlier die Steine anzumalen und die Buße abzunehmen.

V. Gesellen

Die Gesellen durften erst nach einjähriger Wanderschaft vom Meister in die Hütte aufgenommen werden. Vorbedingungen waren ehrbares Leben, Empfang der Sakramente und Enthaltung vom Spiel (S. O.). Bei der Aufnahme wurden sie auf die Ordnung vereidigt. Vor allem wurde auf Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit, Eintracht, Vermeiden übler Nachrede gesehen. Bei einem Meister, der den Vorschriften nicht folgte und die Strafen nicht annahm, sollte kein Geselle bleiben (Straßburger Brüderbuch von 1563). Dagegen war es ihm nicht verwehrt, bei einem städtischen (zünftigen) Meister zu arbeiten (S. O.). Die Gesellen waren möglichst an Lohnabenden zu entlassen. Wer mutwillig Urlaub nahm, wurde ein Jahr lang nicht aufgenommen. Nach dem Tode eines Werkmeisters stand dem fachtüchtigen Gesellen die Bewerbung um den erledigten Bau frei. Weitere Vorschriften für das Verhalten der Gesellen bringt auch hier die R. O. Welcher Geselle das Maßbrett (die Schablone) unrichtig auflegt oder abnimmt, ehe der Meister oder Parlier die Arbeit angesehen hatte, wer das Winkelmaß am Stein hängen läßt, oder die Richtscheiter, die Löcher haben, liegen läßt und nicht aufhängt, oder den Stein von der Bank fallen läßt oder die Fenster bei seiner Bank nicht zutut, hat Buße zu zahlen. Die R. O. bringt auch bereits ein Verbot des Streikens, des „rottiren oder verbinden, sammthafft aus einer Fürderung zu ziehen vnd ein baw hinderstellig machen“. Bezüglich der Ausbildung des Gesellen zum Künstler und Baumeister siehe den Artikel Baumeister.

VI. Lehrlinge

Die Lehrlinge sollten 5 Jahre lernen (S. O.). Die kaiserliche Bestätigung von 1498 brachte die Milderung, daß das fünfte Jahr durch zwei Gulden abgelöst werden konnte. Die Meißner, böhmischen und schlesischen Hütten beriefen sich 1518 darauf, daß die vierjährige Lehrzeit bei ihnen seit Jahrhunderten der Brauch sei, was auch am Rhein im Mittelalter der Fall gewesen war. Aber die Forderung der fünfjährigen Lehrzeit drang doch durch. Die K. O. verlangte sogar 6 Jahre. Bei einem Lehrling, der bei einem Maurer ausgedient hatte, durfte die Lehrzeit auf drei Jahre gekürzt werden (S. O.). Vorbedingung der Aufnahme war eheliche Geburt. Die Anzahl der Lehrlinge an einem Bau war eingeschränkt. Die Basler Ordnung gestattet nicht mehr als einen, die S. O. drei an einem Bau, bei mehreren Werken eines Meisters nicht mehr als fünf zusammen.

VII. Maurer

Maurer durften zur Hüttenarbeit herangezogen werden. Für sie galt die Hüttenordnung nur, soweit sie sich freiwillig unterordneten.

VIII. Hüttenknechte

In den Regensburger Dombaurechnungen wird der Hüttenknecht erwähnt, der wohl dem custos rerum (custos hutte, famulus hutte) in Prag entsprach; er verwaltete Material und Geräte und gab sie aus.

IX. Bauhütte

Die Bauhütte lag in unmittelbarer Nähe der Kirche und wurde als Holz-, manchmal als Steinbau errichtet. Sie war heizbar, da die Steinmetzen in ihr die Werksteine im Winter ausmeißelten, während sie im Sommer zumeist mit dem Versetzen zu tun hatten. Als eine Gerichtsstätte hatte sie der Meister frei von Zwietracht, Zecherei und Unzucht zu halten. Niemand durfte etwas aus ihr zum Schaden des Baues wegnehmen (R. O.). Siehe auch Baubetrieb, RDK I, Sp. 1520.

X. Steinmetzzeichen

Die Steinmetzzeichen sind im allgemeinen als Urhebermarken aufzufassen. Der Steinmetz legte durch das Einhauen des Zeichens in den bearbeiteten Stein vor dem Versetzen seinen Anteil fest. Teilweise werden die Zeichen auch zur Lohnberechnung gedient haben. So hat in Seefeld in Tirol der Bauschreiber sie als Lohnzeichen bei der Zusammenstellung der Rechnungen in die Baurisse eingetragen (vgl. Nr. 5 der Lit. zu Baumeister, S. 188f.). Häufig will das Zeichen nur besagen, daß der betreffende Steinmetz dadurch seine Anwesenheit oder Mitwirkung bezeugt. Nach Ržiha [12] gehen alle Steinmetzzeichen auf vier Mutterfiguren: Quadratur, Triangulatur, Vierpaß und Dreipaß zurück, die aus dem Quadrat, dem gleichseitigen Dreieck und dem Kreis entwickelt sind. So müßte das einzelne Steinmetzzeichen, auf die Mutterfiguren aufgelegt, sich mit den Linienzügen einer von diesen decken. Da nun jede der Haupthütten nach Ržiha eine eigene Mutterfigur besaß, so könne die Zugehörigkeit der Steinmetzen aus seinem Zeichen herausgelesen werden. Demgegenüber legt Pfau [18] dar, daß die Abweichungen, die das gleiche Steinmetzzeichen bei Wiederholungen aufweist, darauf schließen lassen, daß nicht auf die geometrischen Verhältnisse geachtet wurde, die erst das Passen in ein geometrisches Netz ermöglichen. Ferner weist Friederich (vgl. Nr. 10 der Literatur zu Baubetrieb) darauf hin, daß Ržiha’s Schlüssel so kompliziert seien, daß sich bei einiger Bemühung auch die schwierigsten Fälle in ein Schema einzwängen lassen.

Die Zeichen werden zuerst 1462 in der R. O. erwähnt. Nach ihr erhielt der auslernende Lehrling, auf Wunsch auch ein fremder Meister oder Geselle, vom Werkmeister sein Steinmetzzeichen. Die Verleihung des Zeichens wurde mit einem Mahl gefeiert; der Lehrling „verschenkte sein Zeichen“. Auch der Zeitpunkt des Einhauens wird festgelegt; der Geselle soll sein Zeichen vor der Besichtigung und vor dem Versetzen des Steines einmeißeln. Allem Anschein nach bestand auch die Sitte, daß der Meister bei dem Vergeben der neuen Zeichen sie in der Bildung von dem seinigen ableitete [18, S. 57 f]. Wie die A. O. zeigt, wurden die Zeichen mit den Namen der Steinmetzen in das Hüttenbuch eingetragen (Abb. 2).

Zu den Abbildungen

1. Steyr (Österreich), Pfarrkirche. Grabstein des Admonter Hüttenmeisters Wolfgang Denk († 1513). Phot. Ernst Fürböck, Linz.

2. Graz, Landesarchiv, Admonter Hüttenbuch, geführt von 1480 bis 1523. Nach Mitt. Z. K. N. F. 20, 1894.

Literatur

1. Ferdinand Janner, Die Bauhütte des deutschen MA., Leipzig 1876 (noch immer das beste zusammenfassende Werk). 2. Matthes Roriczer, Von der Fialen Gerechtigkeit, 1486 (Facsimile-Druck von J. Habbel, Regensburg 1923). 3. C. L. Stieglitz, Über die Kirche der hl. Kunigunde zu Rochlitz und die Steinmetzhütte daselbst, Leipzig 1829. 4. C. Heideloff, Die Bauhütte des MA. in Deutschland, Nürnberg 1844. 5. G. Kloß, Die Freimaurerei in ihrer wahren Bedeutung, Leipzig 5846 (1846). 6. August Reichensperger, Die Bauhütten des MA., 1850. 7. Jos. Rud. Schuegraf, Die Regensburger Dombaurechnung von dem Jahre 1459 mit Anmerkungen und angehängter Steinmetzordnung von dem Jahre 1514. Verhandl. des hist. Ver. von Oberpfalz und Regensburg 16, 1855, 1ff. 8. Ders., Drei Rechnungen über den Regensburger Dombau aus den Jahren 1487, 1488 und 1489. Verhandl. der hist. Ver. von Oberpfalz und Regensburg 18, 1858, 135ff. 9. Joseph Feil, Stainmetzen in der Grafschaft Tyrol. Pruderschaft der Stainmetzen 1480. Bericht des Wiener Altertumsvereines 3, 1859, 301ff. 10. Aug. Reichensperger, Die Bauhütten des MA., Köln 1879. 11. Corn. Gurlitt, Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Steinmetzhütten, Archiv für sächs. Gesch. N. F. 5, 1879, S. 262ff. 12. Franz Ržiha, Studien über Steinmetzzeichen, Mitt. 2. K. N. F. 7, 1881, 26ff., 105ff.; N. F. 9, 1883, 25ff. 13. E. La Roche, Lauhütte und Bauverwaltung des Basler Münsters im MA.. Beitr. zur vaterländ. Gesch. N. F. 2, 1888, S. 79ff. 14. Joseph Neuwirth, Die Satzungen des Regensburger Steinmetzentages im Jahre 1459 auf Grund der Klagenfurter Steinmetzen- und Maurerordnung von 1628, Wien 1888. 15. Ders., Die Wochenrechnungen und der Baubetrieb des Prager Dombaues, Prag 1890. 16. Corn. Gurlitt, Erfurter Steinmetzordnungen des 15. und 16. Jh., Rep. f. Kw. 15, 1892, 332ff. 17. Arnold Luschin von Ebengreuth, Das Admonter Hüttenbuch und die Regensburger Steinmetzordnung vom Jahre 1459, Mitt. Z. K. N. F. 20, 1894, 168ff. 18. Clemens Pfau, Das gotische Steinmetzzeichen, Beitr. zur Kg. N. F. 22, Leipzig 1895. 19. Ders., Die Rochlitzer Steinmetzen, Rep. f. Kw. 18, 1895, 161ff. 20. Jos. Neuwirth, Das Tiroler Hüttenbuch von 1480, Leipzig 1896. 21. C. A. von Drach, Das Hüttengeheimnis vom gerechten Steinmetzgrund, Marburg 1897. 22. Hermann Giesau, Eine deutsche Bauhütte aus dem Anfang des 13. Jh., Stud. zur thüring.-sächs. Kg. Bd. 1, Halle 1912. 23. Max Hasak, Der Kirchenbau des MA (Hdb. d. Arch. II, Bd. IV, 3. Heft), Leipzig 19132. 24. J. P. Kirsch, Die Passio der hl. „Vier Gekrönten“ in Rom, Hist. Jb. d. Görres-Ges. 1917, S. 72ff. 25. W. M. Schmid, Die Dombauhütte, Niederbayrische Monatsschrift 1920, Heft 6 bis 12. 26. Hans Voltelini, Die Ordnungen der Wiener Bauhütte, Monatsbl. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien 2, 1925, 60ff. 27. L. Schwarz, Die deutsche Bauhütte des MA. und die Erklärung der Steinmetzzeichen, Berlin 1926. 28. Friedrich Kempf, Das Freiburger Münster, Karlsruhe 1926. 29. Rudolf Wissell, Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 2 Bde., Berlin 1929. 30. Felix Durach, Mittelalterliche Bauhütten und Geometrie, Stuttgart 1929. 31. Hans Tietze, Aus der Bauhütte von St. Stephan, Jb. der kunsthist. Slg. in Wien, N. F. 4, 1930, 1ff.; 5, 1931, 161ff. 32. V. C. Habicht, Aufgaben der Forschung über die deutschen Bauhütten, Architectura I, 1933, 81ff. 33. Walter Thomae, Das Proportionenwesen in der Geschichte der gotischen Baukunst und die Frage der Triangulation, Heidelberg 1933. 34. H. R. Hahnloser, Villard de Honnecourt, Krit. Gesamtausg. des Bauhüttenbuches, Wien 1935. 35. Walter Überwasser, Nach rechtem Maß, Aussagen über den Begriff des Maßes in der Kunst des 13.-16. Jh., Jb. d. Preuß. Kunstslg. 56, 1935, 255ff. 36. Otto Kloeppel, Die Marienkirche in Danzig und das Hüttengeheimnis vom Gerechten Steinmetzengrund, Danzig 1935.

Verweise