Beffchen (Bäffchen)
englisch: Band, clerical, clerical band, slobbering-bib; französisch: Bavette, rabat; italienisch: Rabàt, facciole, bavaglino.
Hertha Simon (1938)
RDK II, 174–176
B. (franz. rabat, ndt. beffe, mittellat. biffa), vielleicht derselbe Wortstamm wie befze, im bayrischen beffel (vorstehende Lippe); bef bezeichnet Kragen überhaupt.
B. („Mosestäfelchen“) heißt das aus zwei rechteckigen, etwa 10–15 cm langen, weißleinenen Lappen bestehende Gewandstück, das der evang. Geistliche vorne am Halsausschnitt auf die Brust herabhängend zum Talar trägt. Das B. ist aus dem im 17. Jh. üblichen großen, weißleinenen Laschenkragen (s. Kragen) entstanden, der anfänglich unter dem Mühlsteinkragen getragen, dann verselbständigt als weicher Kragen diesen ablöst. Dieser Kragen, der erst breit die Schulter bedeckt, vorne von Schnüren mit Quästchen zusammengehalten, wird im Laufe des Jahrhunderts immer mehr von der Schulter weg nach vorne gedrängt, um schließlich zum B. zu verkümmern.
Das B. ist um 1680 ein Bestandteil der allgemeinen bürgerlichen Tracht und geht dann in die Amtstracht geistlicher und weltlicher Würdenträger über. Analog dem weichen Laschenkragen zuerst breit (Abb. 1), wird es im Laufe des 18. Jh. schmäler, um bereits gegen Ende des Jh. die heute noch bei den prot. Geistlichen übliche Form anzunehmen (Abb. 2). Um die Wende zum 19. Jh. wird das B. in der bürgerlichen Tracht vom Jabot und von der Kravatte abgelöst. Die prot. Geistlichen (außer in Hamburg, Leipzig, Lübeck, Rostock und Stralsund, die noch am altertümlichen Mühlsteinkragen festhalten) tragen das B. seitdem aus weißem gesteiftem Leinen über dem Talar.
Für die höhere kath. Geistlichkeit ist das B. im 18. und beginnenden 19. Jh. ein Bestandteil der klerikalen Tracht (Abb. 3), meist aus schwarzer oder violetter Seide, gelegentlich mit weißem Rand gefertigt (vgl. J. S. Negges, Imagines Cardinalium ..., Augsburg 1760). Heute ist das B. bei kath. Geistlichen nur mehr in Frankreich und Belgien üblich, in Deutschland etwa bei den „Brüdern der christlichen Schulen“ (E. 17. Jh. in Frankreich gegründet; Buchberger 9, Sp. 339), hier aus weißem Leinen.
Verschiedene weltliche Orden tragen das B. zum Ordenskleid, so der Maltheser- und Kreuzherrenorden (Wietz, Abb. sämtlicher Ritter- und Damenmoden, Prag 1821, Taf. III und Taf. XXVII, Fig. 1; vgl. auch Hippolyt Helyot’s ausführliche Gesch. d. geistl. und weltl. Kloster- und Ritterorden, Leipzig 1753).
Von der allgemeinen bürgerlichen Tracht geht das B. im ausgehenden 17. Jh. in die Standestracht der Zünfte über und hält sich als solche bis in das frühe 18. Jh. (z. B. Zunftschreine in Ulm; A. Häberle, Die Zunftaltertümer des Mus. d. Stadt Ulm, 1929, Abb. 2, 15, 17, 25). Ferner begegnet es etwa bei den Ältesten der Bergleute (vgl. „Abbildung und Beschreibung derer sämtlicher Bergwerksbeamten und Bedienten“, Nürnberg 1721, und „Musterbilder und Regulativ der Bergmännischen Paradeuniform in der Grafschaft Mansfeld“, 1769; hier der Knappschaftsälteste mit weißen, goldgeränderten B. zu schwarzem Rock). Noch heute tragen die Brauerknechte zu Stade (Hannover) gleichzeitig in ihrer Eigenschaft als Totengräber weißes B. zu schwarzem Umhang und Dreispitz.
Ebenso wurde das B. zu E. 17. Jh. und im 18. Jh. von den Beamten der Reichsstädte getragen. Zur bürgerlichen Amtstracht gehört das B. während des 18. Jh. bis in das beginnende 19. Jh. bei Gelehrten, vorwiegend bei Theologen und Juristen, aber auch in den anderen Fakultäten (vgl. R. Scholl, Die Bildnisslg. d. Univ. Tübingen 1477–1927, Stuttgart 1927, und Festschrift der Univ. Gießen, Gießen 1907).
In der bürgerlichen Tracht um 1800 nannte man die hohen Stehkragen, die „Vatermörder“, auch B., was literarisch durch Voß’ Luise II, 9 (1795) bezeugt wird.
Zu den Abbildungen
1. Elias Heinzelmann (1640–93), Bildnis des Augsburger Duumvirn Leopold Weiß. Kupferstich 1679 nach einem Gemälde von Joseph Werner. Nach „Cunterfeit d. Hl. Röm. Reichs Statt Augspurg .. Häupter und Pflegern...“, Augsburg 1657. Phot. KK. Berlin.
2. Joh. Jac. Haid (1704–67), Bildnis des Augsburger Predigers Jacob Brucker, Kupferstich um 1740. Nach „Bildnisse von Augsburger Predigern vom Beginne des 16. bis zur Mitte des 18. Jh.“. Phot. KK. Berlin.
3. Mainz, Dom, Grabdenkmal des Dompropstes Karl Emmerich Franz v. Breidbach-Bürresheim, † 1743. Nach R. Kautzsch, Der Mainzer Dom, Frankfurt a. M. 1925.
Literatur
1. Du Cange I, S. 617. 2. Grimm, Deutsches Wörterbuch I, Sp. 1250. 3. Fr. Kluge, Etymolog. Wörterbuch, Berlin 193411, S. 45. 4. J. Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch I, 1872, Sp. 212f. 5. Jos. Braun, Liturg. Handlexikon, S. 43. 6. Herzog-Hauck 10, S. 535. 7. Jos. Clauß, Rabat und Chorrock, Straßburg 1904. 8. Georg Stuhlfauth, Das Beffchen des evang. Geistlichen, Monatsschrift f. Gottesdienst u. kirchl. K. 42, 1937, S. 71ff. (hier ausführl. Literaturangaben).
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Simon, Hertha , Beffchen (Bäffchen), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1938), Sp. 174–176; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=90009> [04.04.2022]
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