Bergfried (Berchfrit)

Aus RDK Labor
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englisch: Belfry, Keep, castle keep; französisch: Beffroi, donjon; italienisch: Battifredo.


Karl Heinz Clasen (1938)

RDK II, 269–274


RDK II, 271, Abb. 1. Marienberg bei Würzburg, um 1200.
RDK II, 271, Abb. 2. Scharfenberg im Elsaß, um 1200.
RDK II, 273, Abb. 3. Strasburg in Westpreußen, um 1330.
RDK II, 273, Abb. 4. u. 5. Steinsberg in Baden, 13. Jh.

Die Entstehung der Bezeichnung B. wird ebenso wie ihre ursprüngliche Bedeutung noch von Dunkel umhüllt. Wahrscheinlich belegte man mit dieser Bezeichnung anfänglich überhaupt kleinere Befestigungen, die nicht turmartig zu sein brauchten. Dann aber werden bis in das späte Mittelalter hinein Türme als B. bezeichnet, und zwar Türme der verschiedensten Art, Wohntürme, Stadtmauertürme und selbst Rathaus- und Glockentürme. Der Bedeutungswandel setzt sich bis in die Gegenwart fort. Man wird nach dem heutigen Gebrauch nicht einmal mehr jeden Hauptturm einer Burg, vor allem nicht den bewohnbaren, sondern nur den lediglich für Verteidigung bestimmten, als letzte Zuflucht gedachten Turm B. nennen können. Er unterscheidet sich damit von dem Donjon, dem Wohnturm, einer in Westfrankreich und England gipfelnden Burgform, und wird zu einer typisch nordischen, nirgends so sehr wie in Deutschland ausgebildeten Verteidigungseinrichtung. So gesehen, hängt die Entstehung des B. im heutigen Sinne zweifellos mit der germanischen Gewohnheit zusammen, Wehr- und Wohnzweck schärfer zu trennen, als es im südlichen Abendlande üblich war.

Der Wehrturm ist der wichtigste Ausdruck des von der Antike bis zum Mittelalter wirksamen Überhöhungsprinzips. Während des Altertums gehört er ganz allgemein zur Verteidigung eines Platzes. Im Norden Europas dagegen läßt er sich vor der Römerzeit nicht einwandfrei nachweisen; allerdings müßte er hier aus Holz bestanden haben, und seine Spuren könnten völlig verlorengegangen sein. Jedenfalls erscheinen die Burgustürme, kleine Zwischenbefestigungen des Limes, als erste Turmbauten auf deutschem Boden. Von nun an tritt der Turm als fester Bestandteil nordischer Wehranlagen auf.

Die frühen Türme, wie die der Burgi und der frühmittelalterlichen kleinen Turmburgen, waren noch zum Wohnen eingerichtet. Wann der nicht für Dauerwohnen bestimmte B. sich herausbildete, entzieht sich unserer Kenntnis. Karolingische Königshöfe (Heisterburg, Wittekindsburg) besaßen hölzerne Türme als Eckbefestigungen ähnlich römischen Anlagen. Es wäre nicht unmöglich, daß kleinere durch Ausgrabung nachgewiesene Grundrisse (Heisterburg) von hölzernen Innentürmen herrühren. Einen starken steinernen Turm aus der Karolingerzeit, den sog. Granusturm, besitzt die Pfalz zu Aachen. Er ist viereckig im Grundriß und als selbständiger Bauteil an eine der Schmalseiten der Regia angebaut. Seine Mauerdicke birgt eine Treppe. Innenräume in dem noch erhaltenen Unterbau waren wohl kaum zum Dauerwohnen bestimmt, so daß man schon an eine Vorform des späteren B. denken könnte. Vielleicht war der noch nicht ausgegrabene Rundturm, der die Vorburg der Uffoburg bei Todenman (E. 9. Jh.) schützt, bereits ein B. Sicherlich kommt dem Turme ihrer Hauptburg, schon weil er die Angriffsseite deckt, die Bedeutung eines solchen zu, obwohl er sich, noch gering an Umfang, der Ringmauer anpaßt.

Schon in der römischen Wehrarchitektur bilden quadratischer und runder Grundriß die beiden Hauptmöglichkeiten für die Turmgestaltung.

Auch die Masse mittelalterlicher B. geht auf diese Grundformen zurück (Abb. 1 und 2). Doch ergaben sich bald Bereicherungen des Grundrisses. So wird bei der Burg Bodfeld die Rundung gegen die Angriffsseite in eine Spitze umgebildet. Damit erreichte man besseren Abprall der geschleuderten Geschosse. Aus dem gleichen Grunde wurden quadratische B. übereck gegen die Angriffsseite gestellt (Ulrichsburg im Elsaß, Wertheim am Main, Wildenburg und viele andere). Oder aber man machte die viereckigen Türme zu fünfeckigen, indem man feindwärts eine Turmseite spitzwinklig vortrieb (Lahneck, Stolzenfels a. Rh., Ortenberg im Elsaß). Namentlich bei Ringburgen wurde der zentrale B. gern polygonal angelegt (Steinsberg im Odenwald, Abb. 4 u. 5). Bei der Abschnittsburg Rieneck in Unterfranken stößt der polygonale Turm gegen den Abschnittsgraben mit einer stärker herausgezogenen Kante vor. Rundtürme kennt die Ringburg, aber auch die Abschnittsburg (Horneck). Eine Sonderheit bilden die durch kurze Mauer verbundenen Doppelbergfriede (Ehrenberg, Kasselburg; vgl. Burg).

Der Aufbau der frühen B. zeigt meist senkrechte Mauerfläche, die in der klassischen Zeit um 1200 fast immer durch Buckelquaderung belebt ist. Ihre kubisch einfache Masse bleibt kurz und gedrungen, wirkt jedoch nicht schwer (Miltenberg, Wildenburg). Im 14. Jh. setzt sich eine stärkere Betonung der Aufwärtsbewegung durch (Abb. 3), so daß schließlich schlanke und oft etwas schräg ansteigende Burgtürme (Ardeck, Windeck) entliehen. Bruchsteinmauerung tritt in der Regel an die Stelle der Buckelquaderung. – Größere Auf- und Ausbauten kennt der frühe B. nicht. Gelegentlich, wie bei der Oberburg in Rüdesheim oder Burg Freudenberg am Rhein, setzt der Turmkörper in Stufen ab. Wehrerker wie in Miltenberg treten als reine Zweckformen vereinzelt auf. Das 14. Jh. dagegen liebt es, wehrhaften Aufbauten durch Vorkragung und Verzierung schmückenden Charakter zu geben (Abb. 3). Beim Turm der Martinsburg in Oberlahnstein setzt das Obergeschoß auf Bogenfries ab. In Dietz bilden Ecktürmchen schmückende Wehrformen und ähnlich in Hülchrath (Rheinprov.). In der Ausgangsstufe der deutschen Burg im 15. und 16. Jh. paßt sich der B. der Wirkungsweise der Feuergeschütze an. Er wird niedrig und sehr breit und geht damit fast ganz in die neuen Wehrformen der Bastionen über (Hartenburg; vgl. RDK I Sp. 1508ff.).

Da der B. die Aufgabe hatte, im Falle letzter Gefahr die Burgbewohner und ihre Habe aufzunehmen, mußte er ein besonders sicheres und unzugängliches Bollwerk werden. Seine Einsteigöffnung lag deshalb, nur für längste Leitern erreichbar, hoch über dem Erdboden. Die Turmhöhe mußte bis zu diesem Eingangsgeschoß gut gegen Wurfgeschosse, Untergrabung und Rammen gesichert sein. Hier waren die Mauern meist mehrere Meter dick, so daß nur ein schachtartiger Innenraum, das sog. Verließ, übrigblieb (Abb. 4 u. 5). Es diente gewöhnlich als Gefängnis und war nur durch eine Öffnung vom Einsteiggeschoß aus zugänglich. Auch der Hohlraum über dem Verließ behielt, wie in Steinsberg in Baden und Strasburg in Westpreußen, meist den schachtartigen Charakter bei. Enge Lichtscharten bewirkten eine spärliche Beleuchtung. Gewölbe oder häufiger noch Holzdecken trennten die einzelnen durch Leitern, seltener durch feste Treppen verbundenen Geschosse. Gelegentlich sorgten Kamine für die Erwärmung einzelner Räume. Eine Verteidigung war nur von der meist von einem Zinnenkranz umgebenen Plattform aus möglich. Im 14. Jh. baute man gern die oberen Räume etwas weiter. Auch wurde jetzt ein besonderes Wehrgeschoß üblich, das mitunter, wie bei südeuropäischen Burgen, durch Werfscharten verteidigungsfähig gemacht war.

Zu den Abbildungen

1. Veste Marienberg bei Würzburg, Bergfried um 1200. Phot. Verf.

2. Scharfenberg i. d. Pfalz, Bergfried um 1200. Phot. Verf.

3. Strasburg i. Westpreußen, Bergfried der Deutschordensburg, um 1330. Phot. Verf.

4. u. 5. Burg Steinsberg i. Baden, 13. Jh. Grund risse der einzelnen Geschosse und Querschnitt des Bergfrieds, 1:500. Dach und Vorbau am Eingang ergänzt. Nach Essenwein, Hdb. d. Architektur II, 4, 1.

Lit. u. weitere Abb. s. Burg.

Verweise