Beschlag (Türbeschlag)
englisch: Mount (metalwork), iron-work; französisch: Ferrure, garniture en métal; italienisch: Ferratura.
Ferdinand Stuttmann (1938)
RDK II, 316–321
Die ersten B. werden zur Verfertigung des Holzwerks und zur Sicherung gegen gewaltsame Zerstörungen etwa an Türen oder Möbeln entstanden sein. Seiner verhältnismäßig leichten Verarbeitungsmöglichkeit wegen bevorzugte man im allgemeinen das geschmiedete Eisen, das in Form von flachen Bändern auf dem Holz angebracht wurde. Diese Bänder, die dann durch die Anbringung einer Öse an einer Seite der Tür oder des Truhendeckels zur Angel wurden, bilden den Ausgangspunkt für die künstlerische Bearbeitung der B., die in Deutschland kaum vor dem Ende des 1. Jahrtausends einsetzen dürfte.
Bei den ältesten Beispielen (Türen in Beiersdorf, Sachsen; Eisdorf bei Merseburg; Streudnitz in Thüringen) treten zu den die Bohlen verbindenden Querbändern, deren Endigungen oft mit Tierköpfen verziert sind, unregelmäßig über die ganze Fläche verteilte Tiergestalten und Fabelwesen. Die Oberfläche des Eisens belebt man durch eingehauene Fischgrätenmuster. Der B. an der Tür der Stiftskirche zu Sindelfingen (Württ., um 1100, Abb. 1) gehört seinem Wesen nach noch zu dieser Gattung, ist aber insofern bedeutsam, als eine bestimmte dekorative Absicht in der Anordnung der B.-Teile festzustellen ist und vereinzelt als Schmuckform die wie ein großes lateinisches C gebogene Schiene auftritt, die dann für eine ganze Gruppe von B. des 12. und beginnenden 13. Jh. bezeichnet wird.
Allen diesen B. liegt ein einheitlicher dekorativer Gedanke zugrunde; über die meist senkrecht zusammengefügten Bohlen werden in gewissen Abständen waagerechte Eisenschienen gelegt, die neben dem praktischen Zweck auch einen wichtigen Teil des ornamentalen Schmuckes der Tür ausmachen. Um die an den Enden oft gespaltenen oder spiralig auslaufenden Querschienen legen sich mit der Öffnung zur Mittelachse der Tür oder des Türflügels Bänder in C-Form. Diese, auf die mannigfachste Weise verziert, sind ebenfalls meist gespalten und endigen in kleinen Spiralen, die die Befestigungsnägel aufnehmen. Solche B. lassen so viel Variationen zu, daß kaum jemals zwei völlig gleichartige begegnen (Klosterkirche Arnstein/Lahn; Kloster Eberbach/Rheingau; Kloster Maulbronn, Abb. 2; Kunstgewerbemuseum Köln, aus Adenau, wo die C-förmige Schmuckschiene noch im 14. Jh. begegnet).
Im 13. Jh. macht sich ein von der überlegenen französischen Schmiedekunst ausgehender Einfluß bemerkbar, der vor allem in dem B. einer Tür des Braunschweiger Domes (Abb. 3) sichtbar wird. Vorbild ist der B. an Notre-Dame in Paris; wie dort finden sich in Braunschweig die nach oben und unten von der Hauptschiene abzweigenden Spiralwindungen. Die Schiene selbst ist ebenfalls nach Pariser Vorbild aus mehreren Stäben zusammengesetzt und übernimmt die Funktion des Angelbands. Sie wird in der denkbar einfachsten Weise durch eingehauene Rillen verziert. Auf jede plastische Durchbildung durch Schmieden in Gesenken, wie es das Pariser Vorbild in reichstem Maße verwendet, wird verzichtet.
Daneben gibt es Arbeiten, die ohne westliche Vorbilder entstanden, wie der B. der Elisabethkirche in Marburg (Abb. 4). Das B.-Werk verteilt sich symmetrisch über beide Türflügel. Die zweimal auf jedem Flügel wiederkehrenden stark gebogenen und nach innen offenen Bänder könnten an die alten C-förmigen Teile erinnern, sind aber viel leichter und zierlicher, eine Beobachtung, die sich auch bei den übrigen B.-Teilen machen läßt und die für die folgende Entwicklung bezeichnend wird.
Im 14. Jh. erschließt auch für Deutschland das Schmieden in Gesenken dem B. neue künstlerische Möglichkeiten (frühes Beispiel in Erfurt, Abb. 5). Im Laufe des Jh. wird das B.-Werk im allgemeinen reicher; Ranken und Blattmuster spinnen sich mehr oder weniger regelmäßig über die Flächen. Die Einzelformen werden zierlicher und lebendiger; die Ranken sind häufig sehr dünn, und auch das Blattwerk, das man gern mit in Gelenken geschmiedeten Buckelungen versieht, wird bis zum äußersten ausgeschmiedet. Regelmäßig hält man an der breiten und starken Angelschiene fest, die, meist gespalten, sich mehrfach verästelt.
Im Laufe des 15. Jh. macht sich das Bestreben bemerkbar, das gesamte B.-Werk naturalistisch durchzubilden. Die Hauptschienen werden teils als Äste gestaltet, von denen dünne plastische Zweige mit Blättern und Blüten ausgehen. Die naturalistischen Motive finden vor allem Eingang in einzelne Teile des B., die langsam eine selbständigere künstlerische Durchbildung erfahren, wie Türring und Schloßblech (zwei Türen an der Kirche zu Kiedrich im Rheingau; Tür der Stadtkirche Markgröningen in Württ.).
Eine besondere Stellung unter den B. nimmt eine Gruppe des späten 15. Jh. ein. Im Gegensatz zu allen bisher besprochenen B.-Arten bedeckt bei ihnen das Eisen als Blech die ganze Fläche. Schräglaufende Schienen bilden Rautenfelder, die im Gegensatz zu den schmucklosen Schienen auf das reichste mit Ranken, Maßwerk oder heraldischen Motiven (aus dem Blech herausgehauen, getrieben oder in mehreren Schichten übereinander gearbeitet) geschmückt sind, Öfter war der Grund der Rautenfelder bunt gefärbt (blau oder rot), und die Schienen vergoldet (Propsteikirche Bruck a. d. Mur, Abb. 7, G.N.M. Nürnberg). Eine farbige Behandlung oder Vergoldung der B. bzw. des Grundes (z. B. Maulbronn, wo die Bohlen der Tür mit farbigem Leder überzogen waren) oder Unterlegung durchbrochener Teile wird, wenn auch nicht als Regel, so doch meist bis ins 16. Jh. hinein anzunehmen sein.
Die B. verlieren im 16. Jh. ihre Bedeutung gegenüber den Gitterwerken. Die im späten Mittelalter ausgebildeten Formen werden mancherorts noch lange mitgeschleppt, wie ein 1620 datierter B. im Ulmer Münster beweist, andererseits dringt die Formgebung der Gitterwerke in die Gestaltung der B. ein (Türen des 17. Jh. im Dome zu Schleswig, Abb. 8). Bei formalen Neuerungen spielen die zahlreich erscheinenden Stichwerke eine große Rolle. Auch nimmt man allerlei neue technische Verfahren zu Hilfe (Ätzung, Färben des aufgerauhten Eisens, Polieren, Blau-Anlaufenlassen, getriebene Ornamente), um die nunmehr auf Nahsicht berechneten B., die sich mehr und mehr auf Möbel und kleinere Gegenstände beschränken, mit dem oft kunstvoll gearbeiteten Holzwerk in Einklang zu bringen. Eine Folge davon ist die noch eingehendere Durchbildung einzelner Teile (Schloßbleche, Schlüsselschilder, Griffplatten, Türklopfer usw.). Schon im 16. Jh. ging man dazu über, die langen Angelbänder fallen zu lassen. An ihre Stelle treten kurze Horizontalbänder, von denen sich meist nach oben und unten geschweifte Schmuckteile abzweigen, die man mit eingehauenen Mustern verziert oder auch durchbrochen arbeitet. Seit dem 17. Jh. treten größere künstlerisch durchgeführte B. zurück; sie gehören im 18. Jh. zu den Seltenheiten. Der B. verliert seine funktionelle Bedeutung, er wird zur Dekoration. Hin und wieder überzieht man ganze Türen mit Eisenblech, auf dem der eigentliche B. in den Dekorationsformen der Zeit als Zierde angebracht wird (Heilbronn a. N., Archiv, Abb. 9; Königsberg i. P., Altroßgärter Kirche) oder man versah das die ganze Fläche bedeckende Blech mit getriebenem Schmuck (Tür an der Kirche am Hafnerberg bei Wien; die bereits klassizistische Tür der Reichen Kapelle der Residenz in München, Abb. 10). Das 19. Jh. bringt keine selbständigen B.-Werke mehr hervor.
Zierbeschläge an Möbeln in Silber, Messing, Bronze (bei Prunkmöbeln öfters vergoldet) treten getrieben oder gegossen und ziseliert, in Verbindung mit Email und Einlegearbeiten in den verschiedensten Werkstoffen seit dem 16. Jh. auf. Sie erreichen im 18. Jh. ihre höchste künstlerische Vollendung und erhalten sich in großer Formschönheit bis ins Biedermeier. Vgl. die einzelnen Möbelartikel.
Zu den Abbildungen
1. Sindelfingen, Stiftskirche, Westportal, um 1100. Phot. Landesbildstelle Württemberg, Stuttgart.
2. Maulbronn, Klosterkirche, mittl. Westportal, A. 13. Jh. Phot. Henseling, Maulbronn.
3. Braunschweig, Dom, frühgotische Tür, M. 13. Jh. Nach Stuttmann [3].
4. Marburg a. L., Elisabethkirche, Westportal, linker Türflügel, um 1270/80. Marburger Photo.
5. Erfurt, Dom, Nordostportal, linker Türflügel, um 1340. Marburger Photo.
6. Zülpich, Pfarrkirche, Sakristeitür, 15. Jh. Nach Stuttmann [3].
7. Bruck a. d. Mur, Pfarrkirche, Sakristeitür, 15. Jh., Phot. Österr. Lichtbildstelle Wien.
8. Schleswig, Dom, Türen der Schachtschen Gruft 1670. Phot. Staatliche Bildstelle Berlin.
9. Heilbronn a. N., Archivgebäude. Tür mit Beschlag und Oberlichtgitter M. 18. Jh. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.
10. München, Residenz, Tür der Reichen Kapelle, um 1780. Phot. Residenzmus. München.
Literatur
1. Lüer und Creutz I. 2. A. Brüning, Die Schmiedekunst bis zum Ausgang des 18. Jh., Leipzig 19222. 3. Ferd. Stuttmann, Deutsche Schmiedeeisenkunst I–IV, München 1925ff. 4. Rob. Schmidt, Möbel, Berlin 1913. 5. Herm. Schmitz, Das Möbelwerk, Berlin o. J. (1926).
Verweise
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