Beschneidung Christi

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englisch: Circumcision; französisch: Circoncision; italienisch: Circoncisione.


Christian-Adolf Isermeyer (1938)

RDK II, 327–331


RDK II, 329, Abb. 1. Sakramentar aus Weingarten, M. 13. Jh. Fulda.
RDK II, 329, Abb. 2. Niederländisch, um 1450. Straßburg.

I. Fest

Circumcisio Christi, kirchliches Fest am 1. Januar, zuerst erwähnt im can. 17 der Synode von Tours (567) und in den Regula monachorum des Isidor von Sevilla († 636); im 8. Jh. in fränkischen und byzantinischen Kalendarien; in Rom im 9. Jh. noch als Octava Domini [1.2.3].

II. Hist. Grundlagen

Nach Luk. 2, 21 wurde Christus am achten Tage nach seiner Geburt beschnitten und erhielt bei diesem Anlaß seinen Namen. Das Ereignis liegt nach der Anbetung der Könige und vor der Darbringung im Tempel.

Die Pflicht zur B., schon im alten Ägypten nachweisbar und bei den Israeliten angeblich durch Abraham eingeführt (1. Mos. 17, 10), wurde durch Christus aufgehoben und im Neuen Bund außer Kraft gesetzt (Apg. 15, 1-20, 21, 21 u. 25; Hebr. 8, 13); an ihre Stelle trat die Taufe; beide vollziehen die Reinigung und sind mit der Namengebung verbunden. – Die B. wurde im Hause oder an anderem Orte von Vater oder Mutter, Arzt oder Mochel vorgenommen [1.4]. Wo die B. Christi stattfand und wer sie ausübte, ist im Evangelium nicht angegeben.

III. Darstellungen

a) Vorkommen. Die B. begegnet selten als Einzelbild. Auf dem Altar Mantegnas in den Uffizien ist sie, verquickt mit der Darbringung (Taubenopfer), neben die Anbetung der Könige und die Himmelfahrt gesetzt. Häufig ist sie nur in zyklischen Darstellungen: Miniaturen, Holzschnitte und Stiche als Illustration zum Evangelium; Malereien und Reliefs an Altären; Stickereien, Glasgemälde, auch Portalskulpturen (Marienleben). In der Reihenfolge steht die B. willkürlich vor oder nach der Anbetung der Könige, diese vor oder nach der Darbringung im Tempel.

b) Ikonographische Entwicklung. Grundsätzlich ist die B. von der in früher Zeit oft ähnlichen Darbringung im Tempel zu unterscheiden, ebenfalls von der seltener dargestellten B. des Samson, Isaak und Johannes Bapt. (siehe auch c Typologie).

Drei Hauptphasen lassen sich in der Entwicklung des Themas bestimmen:

1. 10.–12. Jh. Nicht der Akt der B. selbst, sondern die Vorbereitung, wird dargestellt. Der Mochel naht mit erhobenem Messer Maria, die allein oder mit Joseph das Kind hält. Beschränkung auf die Hauptfiguren; Vorgang in Landschaft oder vor neutralem Grund. Früheste Beispiele im Menologium Basilius’ II, c. 1000 (Rom, Bibl. vat. gr. 1613) und im Warmund-Missale, 11. Jh. (Ivrea, Kapitelbibl. cod. 86, Abb. Jb. d. K.hist. Slg. in Wien N.F. 5, 1931, S. 134; links als symbolischer Hinweis ein Taufbecken). In Deutschland zuerst in der Salzburger Malerei des 12. Jh.: Salzburger Antiphonar, um 1150 (Wien, Nat.Bibl.) und im Perikopenbuch der Hl. Erentrud in Salzburg, M. 12. Jh.

2. 12.–15. Jh. Seit E. 12. Jh. beginnt, offensichtlich in Anlehnung an die Darbringung im Tempel, der Tempel als Stätte der B. gekennzeichnet zu werden, zunächst nur durch Altartisch, später auch durch Kircheninneres (vereinzeltes noch früheres Beispiel: Evangelienbuch der Mathilde von Toskana, c. 1100, New York, Pierpont Morgan, Abb. Warner, Gospels of Mathilda, Roxburgh Club 1917, Taf. 19). Seit der gleichen Zeit wird der Akt der B. selbst dargestellt (frühe Beispiele: Klosterneuburger Altar, 1181; Tragaltar aus Gruol, c. 1160–80, Frankfurt, K.gew.Mus.; Sakramentar aus Weingarten, 13. Jh., Fulda Landesbibl. cod. Aa 32, Abb. 1). Im 14. und vor allem im 15. Jh. Beigabe mehrerer Begleitfiguren (Gehilfe mit Schale) und psychologische Ausdeutung (ängstliches Kind, schmerzerfüllte Mutter). Aus der Vorliebe des 15. Jh. für drastisches Detail erklärt es sich, daß die B. in dieser Zeit am häufigsten begegnet; in zyklischen Reihen wird ihr zuliebe oft die Darbringung im Tempel ausgelassen (Altäre in Lübeck, Hl. Geistspital; Wismar, Marienkirche) bzw. der B. angeglichen (Wismar, Nikolaikirche; Mildstedt, Kr. Husum, Abb. Matthaei, Holzplastik in Schleswig-Holstein bis 1530, Leipzig 1901, Taf. 10).

Drei Haupttypen: A. Maria hält das Kind über dem Altar oder auf dem Schoß; Priester oder Mochel beschneidet (Meister Bertram, Buxtehuder Altar, um 1380). – B. Der Priester hält auf dem Schoß oder über einem Altar bzw. Tisch das Kind, das der Mochel beschneidet; Maria allein oder mit Joseph abseits (Thann, Westportal; Augsburg, Südportal; Kölner Meister, A. 15. Jh., Berlin K.F.M., Inv.-Nr. 1224). Die Begleitfiguren können auch zahlreicher sein (Abb. 2) oder ganz fehlen (Anklam, Nikolaikirche, Fresko, E. 15. Jh.). – C. Der Priester, das Kind im Schoß haltend, nimmt selbst die B. vor (Michael Pacher, Altar in St. Wolfgang).

3. 16.–18. Jh. Die Haupttypen bleiben die gleichen. Zunahme an Assistenzfiguren. Verbreitung durch Druckgraphik. Hauptvorbild, bis ins 17. und 18. Jh. wirkend, Dürers Holzschnitt B. 86 aus dem Marienleben. Beispiele für Typ A (selten): Flandrischer Flügelaltar von 1516 in Danzig, Marienkirche, Reinholdskapelle; Rubens, Genua, S. Ambrogio; Rembrandt, Althorp-Haus, 1661. – B. (häufig): Dürer, Holzschnitt B. 86 aus dem Marienleben; Jörg Ratgeb, Herrenberger Altar, und zahlreiche Zeitgenossen; Hendrik Goltzius, Stich B. 18 (nach Dürer); Rembrandt, Rad. B. 48. Auch in der Rad. B. 47 und in zahlreichen Handzeichnungen behandelt Rembrandt das Thema in immer neuen Variationen: Joseph hält das Kind, Maria überreicht es dem Priester, neben dem der Mochel sitzt, usw. Häufig ist die B. an protestantischen Altären, Kanzeln und Taufen der Renaissancezeit, fast ausnahmslos im Typus Dürers: Altar in Salzwedel, 1582 (RDK I, Sp. 571/2, Abb. 6); Kanzel in Tangermünde, 1619; Taufstein in Kroppenstedt (Prov. Sachsen), 1610. Die seltene Darstellung ohne Begleitfiguren zeigt ein flandrisches Relief um 1600 der Slg. Hessel in Antwerpen (M. Konrad, Meisterwerke der Skulptur in Flandern und Brabant, Berlin 1932, Taf. 56). – Der Typus C (Pacher) scheint in nachmittelalterlicher Zeit nicht mehr vorzukommen.

4. 19. Jh. Die schon im 18. Jh. seltene Darstellung wird fast ganz abgelehnt ([5]; Münster, Glasfenster der Lambertikirche, Typ B).

Als ikonographische Besonderheiten erwähnen wir: 1. Christus nicht nackt, sondern bekleidet; frühe Zeit: Missale in Ivrea, Evangelienbuch der Mathilde von Toskana in New York (s. o.); späte Zeit: Kasel im Diöz.Mus. Münster Nr. 467. – 2. Gesetzestafeln auf dem Altar als Hinweis, daß an Christus das Gesetz vollzogen wird: Nürnberg G.N.M., mittelfränkischer (?) Flügelaltar, um 1500 (Kat. Josephi Nr. 294).

c) Typologie. Am Klosterneuburger Altar (1181) ist die B. Christi der B. des Isaak und des Samson gegenübergestellt, in einer Gruppe der Armenbibeln (RDK I, Sp. 1079 80) der B. des Ismael und des Isaak, in der Concordantia caritatis der Selbstbeschneidung Abrahams und der B. der Israeliten (1. Mos. 17, 23–27). Der Heilsspiegel kennt nur die Darbringung im Tempel. In der protestantischen Kunst wird gelegentlich an Taufsteinen die B. Christi neben seiner Taufe dargestellt (Kroppenstedt, 1610; Holar in Nordisland, 17. Jh.).

Zu den Abbildungen

1. Fulda, Landesbibl., Sakramentar aus Weingarten (Cod. Aa 32, fol. 77 v, M. 13. Jh.), Beschneidung Christi in D-Initiale. Phot. Preuß. Staatsbibl. Berlin.

2. Straßburg, Frauenhaus, Beschneidung Christi, niederländisch, um 1450. Phot. Münsterbauamt, Straßburg.

Literatur

1. Buchberger 2, Sp. 243f. 2. L. Eisenhofer, Hdb. d. Liturgik I, 1932, S. 565, 568f. 3. Cabrol-Leclercq III, 2, Sp. 1717ff. 4. Wetzer-Welte II, S. 660ff. 5. Künstle I, S. 353. 6. Fr. Bunger, Gesch. d. Neujahrsfeier in der Kirche, Göttingen 1911.

Verweise