Biene, Bienenkorb

Aus RDK Labor
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englisch: Bee, beehive; französisch: Abeille, ruche; italienisch: Ape, Arnia.


Liselotte Stauch (1939)

RDK II, 545–549


A. Symbolik

Die B. ist im mittelalterl. Schrifttum oft zu Vergleichen benutzt worden, obwohl die Bildersprache der Bibel sich ihrer selten und nur in uncharakteristischer Weise bedient. Die antike Vorstellung, daß die B. ihre Brut nicht zeugen, sondern von den Blüten sammeln (Aristoteles; Vergil, Georgica 4, 161ff.), veranlaßte die christliche Welt, die B. als Symbol der Jungfräulichkeit und der jungfräulichen Geburt anzusehen. Der hl. Ambrosius sagt von ihr: digna enim virginitas quae apibus comparetur: sic laboriosa, sic pudica, sic continens (De virginibus 1, cap. 8, 40; Migne P. L. 16 Sp. 200). Im Anhang zum lib. sacrament. des hl. Gregor wird sie als ein Vorbild der Jungfräulichkeit Mariens aufgeführt: O vere beata et amabilis apis, cuius nec sexum masculi violant, fetus non quassant, nec filii destruunt castitatem; sicut sancta concepit virgo Maria, virgo peperit, virgo permansit (Migne P. L. 78 Sp. 335). Diese Symbolik spielt im Exultet, dem bei der Weihe der Osterkerze gesprochenen Gebet, eine Rolle. Vom Wachs der Kerze oder von der Jungfräulichkeit Mariens (je nach der Fassung) kommt das Gebet auf die B., deren Jungfräulichkeit es folgendermaßen verherrlicht: Apes siquidem, dum ore concipiunt, ore parturiunt, casto corpore, nec foedo desiderio copulantur. Denique virginitatem servantes posteritatem generant, sobole gaudent; matres dicuntur, intactae perdurant. Flore utuntur conjuge, flore junguntur genere, flore domos instruunt, flore divitias conveunt, flore ceream conficiunt (Text der Exultetrolle von Bari [4]; weitere Texte s. [1] u. [2, S. 187 Anm. 1]). Die Illustrierung der Exultetrollen bringt dementsprechend Darstellungen von B., die an Blüten saugen, von Bienenstöcken und Bienenschwärmen zwischen den Darstellungen der Kerzenweihe und der thronenden Madonna, der Geburt oder der Verkündigung (Abb. s. [3]).

Die hl. Birgitta von Schweden vergleicht Maria mit einem Bienenkorb (Offenbarungen 6, 12): „Meine Tochter, du vergleichst mich mit einem Bienenkorbe. Ich war in Wahrheit ein Bienenkorb, als die hochgelobte B., der Sohn Gottes, von dem höchsten Himmel sich niederlassend, in meinem Schoß Einkehr nahm. Denn in mir war eine süßeste feinste Wabe durch Einwirkung des hl. Geistes auf das vollkommenste für die Aufnahme des süßesten Honigseims der Gnade vorbereitet worden. Diese Wabe aber wurde voll, als der Sohn Gottes in mich einging mit seiner Macht, mit seiner Liebe und mit seiner Heiligkeit.“ Auf diese Gedanken deuten die Bienenkörbe auf Grünewalds Stuppacher Madonna [6, S. 49f.].

Der Bienenstaat fand schon früh Bewunderung (Ambrosius, Hexaemeron 5, 21; Migne P. L. 14 Sp. 248ff.) und wurde als Vergleich gebraucht für die kath. Kirche und für eine christliche Lebensführung (Thomas von Cantiprat, Bonum universale de apibus) und andererseits auch als Satire auf die kath. Kirche (Philipp von Marnix, De roomsche Byen-Korf 1569; auf dem Titelblatt ein Bienenkorb in Form einer Tiara, in der Mitte thront eine B. mit Papstkopf, und darum schwirren B. mit Kardinals-, Bischofs- und Mönchsköpfen. Übersetzung von Fischart). Abraham a Santa Clara vergleicht das fleißige, keusche und gehorsame Leben der B. mit dem Klosterleben (Judas der Erzschelm, Salzburg 1686–95). – Im Physiologus und in den Bestiarien kommt die B. in der Regel nicht vor. Cahier [7, S. 137] erwähnt nur einen armenischen und drei griech. Texte, die einen Absatz über die B. bringen, in dem vor allem ihr Fleiß, der für die ganze Menschheit nützlich sei, gerühmt wird.

Ob die goldenen B., von denen über 300 im Grabe Childerichs I. in Tournai gefunden wurden und die wahrscheinlich seinen Mantel und vielleicht auch das Zaumzeug seines Pferdes schmückten, eine symbolische Bedeutung des Herrschertums hatten oder nur als Schmuck gedacht waren, muß dahingestellt bleiben [8, S. 73ff.]. Jedenfalls hat sie Napoleon in dem Bestreben, für sein Haus ein der Bourbonenlilie entsprechendes und an alte Tradition anknüpfendes Emblem zu finden, übernommen [9, S. 19f.]; die Krönungsgewänder, die Gewänder der Prinzen und Prinzessinnen waren mit goldenen B. bestickt. Aber auch die Bourbonen hatten sich schon der B. als Emblem bedient:

Ludwig XII. trug vor Genua an seiner Kleidung goldgestickt einen roi d’abeilles umgeben von B. mit der Devise: „Der König, dem wir gehorchen, gebraucht den Stachel nicht“ [10, S. 42], und Louise Bénédictine von Bourbon gründete 1703 den Orden der B.; das Abzeichen aus Gold zeigte eine B. und trug die Überschrift je suis petite, mais mes piqueurs sont profondes [12, S. 632]. Auch in der Hieroglyphik spielt die B. eine Rolle. Ammianus Marcellinus z. B. legte im 4. Jh. bei der Beschreibung von Obelisken und Hieroglyphen die B. als Sinnbild des Königs aus, dessen Strenge mit Milde vereint sein müsse, wie bei der B. der Stachel mit dem Honig [10, S. 7]. Horus Apollo deutet sie als ein seinem König gehorsames Volk (vgl. auch die Übersetzung Pirkheimers mit Illustration von Dürer [11, S. 207]) und die B. beim Honigbau als gut regierenden König [11, S. 219]. Für L. B. Alberti ist sie das Bild des Königs [10, S. 10], die Hypnerotomachia Polifili deutet sie als süß [10, S. 22] und Fischart als einig [10, S. 102]. Die B. ist im Gegensatz zur Elster ein Sinnbild des geselligen Menschen (Officia M.T. Ciceronis bei Heinrich Steiner, Augsburg 1531, illustriert von Hans Weiditz [1 a, Abb. 4]), ebenso im Gegensatz zum Sperling (Pseudocyrillus, Speculum sapientiae 2, 7: De passere et ape. Contra appetitum singularitatis, ed. Grässe 1880), ferner ein Bild des beizeiten vorsorgenden Menschen im Gegensatz zum Bären, der einen Winterschlaf halten muß (Seb. Brant, Narrenschiff, bei Bergmann, Basel 1494 [1 a, Abb. 22]), ein Sinnbild des Fleißigen (Pseudocyrillus 3,15: De ape et arane. Contra eos qui laborare nolunt et de rapinis vivere student), endlich ein Sinnbild des Mäßigen (Pseudocyrillus 4, 5: De ape et bibione. Proverbium contra amatores vini). – Die alte Vorstellung, daß die B. aus Tierkadavern entstehen, ist in der Vergilausgabe des Sebastian Brant (Grüninger, Straßburg 1502, Georgica 4, V. 285) dargestellt, ebenso in Valentinis Museum Museorum [15, S. 94, Fig. 79]). Hieran knüpft auch eine Darstellung Simsons, der in der Rechten einen Löwenkopf halt, aus dessen Rachen ein Bienenschwarm fliegt. Sie erscheint auf einer Medaille des Christoph Weiditz (Habich Nr. 378), die die Devise trägt: Nemo Adeo Ferus est, qui non mitescere possit. – Theokrit (Idyll 19) erzählt, daß Amor beim Honigstehlen von einer B. gestochen wurde und sich bei Venus beklagte, daß ein so kleines Tier einen so starken Schmerz verursachen könne, worauf ihm Venus bedeutete, daß auch er, obwohl nur klein, doch schreckliche Wunden hervorbringe. Diese Szene wird in der Renaissancekunst ein beliebtes Thema (Dürer, s. RDK I, Sp. 646, Abb. 4; Flötner; häufig bei Cranach). Bei Cranach bekommt die Darstellung noch eine moralisierende Bedeutung: so wie die B. Cupido sticht, während er den Honig stiehlt, so stachelt uns die mit Kummer gemischte Sinnenfreude. Der Honig bedeutet ferner auch die Lust der Welt in dem Gleichnis von Barlaam und Josaphat, s. RDK I, Sp. 1454ff.

B. Attribut

Als Attribut dient der Bienenkorb dem hl. Ambrosius, dem hl. Johannes Chrysostomus und dem hl. Bernhard von Clairvaux (Doctor mellifluus). Vom hl. Ambrosius erzählt die Legende, die in ähnlicher Fassung schon über Pindar und Platon berichtet wird, daß sich dem Knaben, als er mit offenem Munde schlief, ein Bienenschwarm auf den Mund gesetzt oder Honig in seinen Mund getragen habe, was auf seine spätere „wie Honig fließende“ Beredsamkeit hindeutete. Gelegentlich kann der Bienenkorb auch das Attribut der Hoffnung als Hinweis auf die Süßigkeit des Hoffens sein (P. Brueghel d. Ä., Zeichnung von 1559, Berlin, Kk.: die Hoffnung trägt den Bienenkorb als Kopfbedeckung; Stich von Cock) und ferner des Neides im Sinne von „Der Neid macht Honig zu Galle“ und „Die pyn hat das honig in dem Mund und den angel in dem zagel der do sticht“ (Ein schöne materi von den Siben totsünden un von den Syben tugenden, erschienen bei Joh. Baemler, Augsburg 1474, Totsünden niederdeutsch bei Simon Koch, Magdeburg 1490 [1 a, Abb. 35]. Hs. des Berliner Kk. Nr. 78, A. 16. Einblattholzschnitt von Erhard Schön um 1534, Geisberg Bd. 28, Nr. 1159). Nach Cesare Ripas „Iconologia“ (RDK II, Sp. 359) sind ein Bienenschwarm und Honigwaben, bei Bouchardon (Mâle IV, S. 424) ein Bienenkorb als Sinnbild des unschuldigen Lebens Attribute der Personifikation des Goldenen Zeitalters.

Literatur

1. L. Armbruster, Zur Bienenkunde frühchristl. Zeiten, Archiv f. Bienenkunde 17, 1936, Heft 6. 1 a. Ders., Alte Graphik und Imkerei, Arch. f. Bienenkunde 19, 1938, H. 6, 7. 2. Sauer. 3. Myrtilla Avery, The Exultet Rolls of South Italy, Princeton-Oxford 1937. 4. Emile Bertaux, Iconographie comparée des roulaux de l’Exultet, Paris 1904. 5. Ders., L’Art dans l’Italie méridionale, Paris 1904. 6. Heinrich Feurstein, Matthias Grünewald, Bonn 1930. 7. Ch. Cahier, Nouvelles mélanges d’Archéologie, Curiosités mystérieuses, Paris 1874. 8. Ernest Babelon, Le Tombeau du Roi Childéric, Mémoires de la Société Nationale des Antiquaires de France, Série 8, Bd. 6, Paris 1924. 9. Frédéric Masson, Livre du Sacre de l’Empereur Napoléon, Paris 1908. 10. Ludwig Volkmann, Bilderschriften der Renaissance, Leipzig 1923. 11. Karl Giehlow, Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance, Jb. Kaiserhaus 32, 1, 1915. 12. J. B. Friedreich, Die Symbolik und Mythologie der Natur, Würzburg 1859. 13. E. P. Evans, Animal Symbolism in ecclesiastical Architecture, London 1896. 14. Wolfgang Menzel, Christl. Symbolik, Regensburg 18562, S. 128. 15. Jul. v. Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Renaissance, Leipzig 1908. – S. ferner die Lit. zu Attribut, RDK I, Sp. 1218ff.

Verweise