Bildhauerbildnis

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englisch: Portrait of a sculptor; französisch: Portrait de sculpteur; italienisch: Ritratto di scultore.


Unter Benutzung eines Manuskripts von Kurt Gerstenberg (1939)

RDK II, 614–622


RDK II, 589, Abb. 5. Poehlde, 1284. Hannover.
RDK II, 589, Abb. 6. Joh. Christoph Ludw. Lücke, 1733.
RDK II, 615, Abb. 1. Peter Vischer, 1508.
RDK II, 615, Abb. 2. Adam Kraft, um 1495.
RDK II, 617, Abb. 3. Sebastian Kramer, nach 1548. Dresden.
RDK II, 617, Abb. 4. Um 1590. Rentweinsdorf.
RDK II, 619, Abb. 5. Christian Wenzinger, 1745.
RDK II, 619, Abb. 6. Joseph Feil, um 1770.

B. = Bildhauer, Bildschnitzer; Bb. = Bildhauerbildnis.

Unter Bb. verstehen wir in erster Linie Selbstbildnisse von Bildhauern (Steinbildhauern), Holzschnitzern, Erzgießern und Tonbildnern.

Die kennzeichnenden Attribute des B. sind im M.A. und in der Renaissance meist die zur Steinbearbeitung dienenden Werkzeuge, der Holzschlegel oder Klöpfel und der scharfkantige Meißel, also Instrumente, die auch der Steinmetz verwendet und die daher auch in Steinmetzbildnissen vorkommen. Mit den genannten Kennzeichen ist z. B. die Büste unter einem Gewölbeansatz der Kirche zu Amorsbrunn bei Amorbach ausgestattet (2. H. 15. Jh.; Inv. Bayern III, 18, S. 85). Die gleichen Werkzeuge zeigt auch noch die Büste des B. Sebastian Kramer neben der des Baumeisters Caspar Vogt an einem Kapitell des Treppenturms im Renaissance-Schloßhof zu Dresden (Abb. 3). Auch Zirkel und Winkelmaß oder Richtscheit, also die bevorzugten Instrumente und Attribute des Architekten (RDK II, Sp. 96ff.), kommen häufig bei Bb. vor, zumeist wohl dann, wenn der B. zugleich Architekt war. Die für das M.A. und auch noch für das 16. Jh. bezeichnende enge Verknüpfung von Architekten-, Bildhauer- und Steinmetzberuf spiegelt sich gerade im Meisterbildnis sehr deutlich, und auf Grund der Attribute allein läßt sich mitunter kaum entscheiden, ob ein Künstler in erster Linie Architekt oder B. war. Die weitgehenden architektonischen Aufgaben, die etwa Sakramentshäuschen, Kanzeln, Brunnen, mitunter aber auch Chorgestühle u. ä. dem B. stellten, boten jedenfalls Anlaß genug, das Bb. häufig auch mit dem Werkzeug des Architekten auszustatten. Eine sehr verschieden gedeutete, vermutlich vom Chorgestühl der Peterskirche zu Konstanz stammende Meisterbüste im Rosgartenmuseum zeigt Schlegel, Zirkel und (beschädigt) Winkelmaß. Anton Pilgram stellt sich bald mit dem Zirkel allein, bald mit Zirkel und Winkelmaß dar (s. u.).

Die Ganzfigur des unbekannten Meisters unter dem Erker der Alten Hofhaltung in Bamberg hält den Schlegel in der Rechten und in der Linken einen Kartuschenschild mit Zirkel und Meisterzeichen. Am Wandgrab des Ehepaars von Rotenhan in Rentweinsdorf (Unterfranken, um 1590, Abb. 4) erscheint links neben dem großen Bildfeld der B., ein Meister G., mit Zirkel, Winkelmaß und Schlegel in einer Hand, während die andere auf einer Sanduhr ruht. Klöpfel und zwei Meißel zeigt die Meisterbüste im Chorgewölbe des Berner Münsters (1517), wo der Baumeister Peter Pfister mit seinen Mitarbeitern dargestellt ist. Nach dem 30jährigen Kriege wird in den Bb. auf die früher üblichen Attribute verzichtet.

Mittelalterliche Bb. zeigen den Meister in der Regel als kleine Konsolfigur oder Büste von mäßiger Größe, vielfach in Verbindung mit Gewölbeanfängern oder Gewölberippen, also an wenig auffallender Stelle und in kleinem Maßstab. Überhaupt bleibt es bis zum Beginn der Neuzeit meist bei einer wenn nicht versteckten, so doch wenig betonten Anbringung. Wohl mit Recht sieht man in dem hockenden Männchen am linken Außenpfosten des Lichtenberg-Grabmals im Straßburger Münster (1299) den Meister dieses Werks. An der Kanzel des Baseler Münsters hat der aus dem Elsaß stammende B. Fritsch sein Bildnis so angebracht, daß der Kopf hinter einem Schriftband mit der Jahreszahl 1486 hervorlugt. Noch um 1520 zeigt ein Relief an der Friedhofkapelle zu Windberg in Niederbayern (Inv. Bayern IV, 20, S. 495–96) Kopf und Hand des Bildhauers recht unorganisch angebracht neben einem der beiden schwebenden Engel, die das Schweißtuch der Veronika halten. Auch die deutlich bildnismäßigen Figürchen vom Epitaph des Kölner Dombaumeisters Nikolaus von Büren († 1445), unter denen sich die Gestalt eines B. (oder Steinmetzen) mit Schlegel und Meißel befindet, halten sich in kleinem Maßstab (Köln, Diözesanmus.; Inv. Rheinprovinz VI, 3, S. 281 und Heinr. Appel im Wallraf-Richartz-Jb. 10, 1938, S. 98ff.). Als Konsolfigürchen sitzt unter den Handwerkern an der Empore des Grafen Ulrich in der Spitalkirche zu Stuttgart (1479) möglicherweise auch ein B. Seit dem Ausgang des M.A. wird bei der Anbringung der Bb. größerer Wert auf gute Sichtbarkeit gelegt, und die Dimensionen der Darstellungen nehmen erheblich zu, ohne Zweifel Ausdruck eines früher in diesem Maße unbekannten Geltungsbedürfnisses, mit dem sich aber – besonders in der zunächst auch weiterhin bevorzugten Darstellung als Konsole oder Tragfigur – immer etwas vom Geist bescheidener Unterordnung unter das Werk verbinden kann. Als Tragfigur unter seinem Sakramentshaus zu St. Lorenz in Nürnberg erscheint Adam Kraft in ganzer Figur, kniend, den Schlegel gegen das rechte Bein gestemmt, den Meißel in der Linken (Abb. 2). Eine Treppenstütze umfassend steht an der Kanzel der Stiftskirche zu Tübingen (ca. 1490) eine männliche Gestalt in profaner Tracht, die trotz des Fehlens von Attributen als Meisterbildnis angesehen werden darf. Ob es sich um einen B. handelt oder um einen Steinmetzen bzw. Architekten, ist so wenig zu entscheiden wie bei den dem Anton Pilgram zugeschriebenen Kanzelträgern in Berlin (D.M., aus Öhringen) und in Rottweil und den Statuetten am Sakramentshäuschen in Heilbronn. Sich selbst hat der Bildhauerarchitekt Pilgram unter der Kanzel (1513) und am Orgelfuß (1515) zu St. Stephan in Wien in eindrucksvollen lebensgroßen Brustbildern dargestellt, an der Kanzel mit dem Zirkel, am Orgelfuß mit Zirkel und Winkelmaß. Dem Beispiel Pilgrams folgt in der Anbringung seiner Büste unter der Kanzeltreppe noch 1561 Jörg Kempf von Rheineck im Münster zu Freiburg; nur daß der Meister sich jetzt in der ausgeglichenen Ruhe des Renaissancebildnisses darstellt. Noch im ganzen 16. Jh. kommen auch Bb. in Gestalt von Tragfiguren vor, beispielsweise am Rathauserker in Coburg (1577–79), wo der Meister in der Haltung eines Atlanten die Statue des Stadtpatrons St. Moritz trägt. Auch das Dresdner Kapitell (Abb. 3) kann in diesem Zusammenhang genannt werden. Jedoch findet sich im Zeitalter der Renaissance häufig auch eine Trennung des Bb. von jeder architektonischen Funktion, wie sie das schon genannte Relief in Rentweinsdorf zeigt (Abb. 4).

Während sonst der Barock im Bildnis auf ruhmsüchtige Darstellung bedacht ist, bleibt das Bb. vergleichsweise zurückhaltend. Meist fehlt, wie bemerkt, ein Attribut; der B. von Rang zeigt sich auch im Bildnis der Barockzeit in erster Linie als Kavalier. Bezeichnend ist dabei, daß immer ein dekorativer Zusammenhang bei der Anbringung gewahrt bleibt. Ein besonders schönes Beispiel bietet die Büste des Joseph Feil um 1770 am Schloß zu Münster i. W. (Abb. 6). Feil benutzt einen in den Mund gelegten Pfeil gewissermaßen als redendes Wappen zu sinnfälliger Namensdeutung. Als hervorragendes, aber leider aus dem Zusammenhang gerissenes Selbstbildnis eines Barock-B. sei das des Christian Wenzinger († 1797) von einem Ölberg in Staufen bei Freiburg i. B., jetzt in der Städt. Skulpturensammlung zu Frankfurt a. M., genannt (Abb. 5). Auch am Balkon seines Freiburger Wohnhauses hat sich Wenzinger (von dem es auch mehrere gemalte Selbstbildnisse gibt) ohne jedes auf seinen Beruf hinweisende Attribut dargestellt. Eine Sonderstellung nimmt das Selbstbildnis Balthasar Permosers an seiner Christusstatue von 1728 im Taschenberg-Palais zu Dresden ein; auf der Rückseite des Baumstammes, an den der Gegeißelte gefesselt ist, findet sich das nur 6 cm hohe Kopfbildnis des Meisters mit der Inschrift: „Balthasar Permoser hats gemacht in Salzburg in seinen 77. Ihar 1728“. Erst der Klassizismus bringt Büste und Reliefbildnis vereinzelt unter Verzicht auf dekorative Zusammenhänge, wofür die Specksteinmedaillons F. X. Messerschmidts im Museum zu Budapest unter den ersten Fällen zu nennen sind. Eine Büste im B.N.M. gilt als Selbstbildnis des Roman Anton Boos (Feulner, Münchner Barockskulptur, Abb. 100).

Die ältesten durch Beischrift gesicherten Meisterbildnisse finden sich in der Erzbildnerei, und zwar sowohl im Erzguß wie in der Goldschmiedekunst. An einer karol. Erztür der alten Basilika zu St. Denis war nach glaubhafter Überlieferung (J. Mabillon, Annales Ordinis S. Benedicti Bd. 2, Paris 1704) ein Airardus Monachus dargestellt, der dem hl. Dionysius zwei Türflügel überreicht; weder die Darstellung noch die Beischrift gestatten aber einen Schluß, ob Airardus der Meister oder der Stifter der Türen ist. Dagegen stellt das Relief mit VVolvinius magister phaber vor dem hl. Ambrosius am Mailänder Paliotto (gegen 835) zweifelsohne den Meister (Goldschmied) des berühmten Antependiums dar. An der Erztür der Sophienkirche in Nowgorod, einer Magdeburger Arbeit aus M. 12. Jh., stehen drei Meisterfigürchen, die in Beischriften Riquinus, Abram und Waismuth benannt sind; ihre Attribute (Zangen, Waage, Hammer, Schöpfbecher) nehmen doch wohl mehr auf das Gießerhandwerk als auf die Tätigkeit des B. Bezug. Klaffische Selbstdarstellung des Erzbildners ist die Statuette Peter Vischers am Nürnberger Sebaldusgrab, die den Meister im Arbeitskittel mit mächtiger Lederschürze, Punzhammer und Ziseliereisen in Händen zeigt (Abb. 1).

Nicht gering ist die Zahl der vermuteten Bb., da hier der Phantasie Tür und Tor offenstehen. Profane Tracht oder ein betonter Blick aus dem Bild heraus sind oft die einzigen Gründe, ein Selbstbildnis zu vermuten. Das Selbstbildnis des Naumburger Meisters wird – ohne jeden vernünftigen Grund – auf dem Abendmahlsrelief des Lettners in dem rechts sitzenden Apostel mit halb über den Schädel gestreiften Mantel gesehen. Adam Kraft glaubt man in dem Mann mit Hammer und Zange im Mittelfeld des Schreyerschen Grabmals zu erkennen. Der Nürnberger Bildschnitzer des Martha-Altars in der Lorenzkirche soll sein Selbstbildnis in dem Joseph von Arimathia der Grablegung Christi in Mühlhausen bei Pommersfelden (um 1510) gegeben haben, doch dürfte es sich eher um ein Bildnis des Stifters handeln. Sicher ein Künstlerbildnis stellt die (attributlose) Halbfigur auf einer Brüstung im Südquerschiff des Straßburger Münsters dar, in der Wilhelm Vöge (Niclas Hagnower, 1931) ein Selbstbildnis des Niclas Hagnower erkennen möchte. Der gleiche Verf. vermutet in einer Terrakottabüste im Londoner V.-a.-A.-Mus. ein Selbstbildnis des B. und Medailleurs Christoph Weiditz (Jb. d. Preuß. K.slg. 53, 1932, S. 150). Als Bb. abzulehnen ist das angebliche Selbstbildnis Jörg Syrlins am Ulmer Chorgestühl, zumal der Lorbeerzweig in der Hand eine höchst unwahrscheinliche Beigabe für einen spätmittelalterlichen B. ist. Dagegen ist der Mann in Pelzschaube und Barett mit Schlegel, Zirkel und Winkelmaß vom Chorgestühl der Peterskirche in Konstanz (jetzt Rosgartenmus.) sicher ein Meisterbildnis, wenn auch nicht notwendig das eines B. Auch das Riemenschneider-Selbstbildnis im Creglinger Altar (Schriftgelehrter im Tempel) darf nach der Übereinstimmung mit dem Bildnis auf dem Grabstein als gesichert gelten; etwas ferner stehen der Nikodemus-Kopf der Beweinung in Maidbronn und ein Kriegerkopf im Kreuzaltar zu Dettwang, die häufig als Selbstbildnisse angesprochen wurden.

Ein Bb. besonderer Art ist das Werkstattbildnis, das den Meister bei der Arbeit zeigt. Eine Chorstuhlwange aus dem Prämonstratenserstift Poehlde (1284; Hannover, Landesmus.; Sp. 589, Abb. 5) stellt einen sitzenden Mönch dar, der mit Meißel und Schlegel ein Füllbrett bearbeitet; an der Wand Werkzeuge. Ähnlich hat Hans Thoman (oder Hans Herlin?) sein Bildnis in Halbfigur an einer Wange des Chorgestühls in Memmingen (beg. 1501) angebracht, wie er mit dem Balleisen einen hockenden Mönch aussticht. (Dagegen zeigt ein Relief am Gestühl der Spitalkirche zu Baden-Baden den Schreiner Hans Kern bei der Tischlerarbeit, wie er gemeinsam mit einem Lehrknaben ein Brett zersägt.) An einem Haus in Amberg hat sich 1601 Georg Schwaiger bei der Arbeit in der Werkstatt dargestellt; das Relief befindet sich jetzt an Schloß Neidstein (B.A. Sulzbach; Inv. Bayern II, 19, S. 55). Schließlich schuf 1733 der Bildhauer und Porzellanmodelleur Joh. Chr. Ludwig Lücke sein B. im Atelier (Berlin, Privatbes.; Sp. 590, Abb. 6); neben dem sinnenden Meister hantiert ein Putto mit Schlegel und Meißel; an der Wand Bücher, Modelle und Werkzeug.

Zu den Abbildungen

1. Nürnberg, St. Sebald, Selbstbildnis Peter Vischers am Sebaldusgrab, 1508. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.

2. Nürnberg, St. Lorenz, Selbstbildnis des Adam Kraft am Sakramentshäuschen, 1493–1500. Phot. Dr. F. Stoedtner, Berlin.

3. Dresden, Schloß, Kapitell am Treppenturm mit Bildnis des Sebastian Kramer, nach 1548. Phot. Sächs. Landesbildstelle, Dresden.

4. Rentweinsdorf (U.Franken, B.A. Ebern), prot. Pfarrkirche, Bildnis des Meisters G. am Epitaph Rotenhan-Riedesel, um 1590. Phot. Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege, München.

5. Christian Wenzinger (1710–97), Selbstbildnis am Ölberg aus Staufen, 1745. Frankfurt a. M., Liebieghaus. Marburger Photo.

6. Münster i. W. Schloß, Bildniskopf des Bildhauers Jos. Feil, um 1770. Phot. Denkmalarchiv der Prov. Westfalen, Münster.