Birnstab

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englisch: Ogee moulding, keel moulding, rib with a pear-shaped profile; französisch: Tore aminci, piriforme, nervure à tore en soufflet; italienisch: Membratura a sezione piriforme.


Wolfgang W. Müller (1941)

RDK II, 768–770


RDK II, 767, Abb. 1. Mainz, Dom, Memorie.
RDK II, 767, Abb. 2.-4. Arnsburg, ehem. Zisterzienserkloster, Fragmente im Kapitelsaal.
RDK II, 769, Abb. 5.-7. Worms, Dom, Kapellen.

B. ist ein stabförmiges Bauglied von birnförmigem Querschnitt, d. h. oval mit mehr oder weniger ausgeprägter Schweifung und schmälerer oder breiterer Nase, in der Regel beiderseits von Kehlen begleitet, die durch Rundstäbchen oder Plättchen vom eigentlichen B. getrennt werden (Abb. 5 u. 6). Der B. ist charakteristisch für die Hoch- und beginnende Spätgotik, wo er hauptsächlich als Rippen- und Dienstprofil, sowie an Fenster- und Türlaibungen vorkommt. Er tritt an die Stelle des romanischen Rundstabes, der sich seit ungefähr 1200 unter Beibehaltung seiner Masse zum „geschärften“ Stab wandelt (Abb. 1 u. 2); die gegen M. 13. Jh. einsetzende Verfeinerung und plastische Differenzierung aller Formen löst den einfachen Rundstab und den geschärften Stab durch den B. ab, der mit seinen dünnen, klar voneinander abgesetzten Teilen in stärkerem Maße Träger einer Vertikalbewegung ist und zugleich reichere Licht- und Schattenwirkungen hervorruft. Die ausgeglichene Form des B. im 13. Jh. (Abb. 6) wird im 14. (Abb. 5) durch stärkere Kurvung der Profillinie differenziert; im 15. Jh. tritt der B. zurück hinter kleinteilig zusammengesetzten Profilen von blockmäßiger Gesamtform und geringer Bewegungsenergie. – Neben dem B. und häufig in Verbindung mit ihm verwendet die Gotik an Portallaibungen, Wandvorlagen und Bündelpfeilern auch immer wieder den Rundstab, der sich aber von dem romanischen durch schlankere Verhältnisse und die Flankierung mit Kehlen unterscheidet (Abb. 7); in der Gewölberippe und im Maßwerk ist gleichzeitig der reine Kehlstab außerordentlich verbreitet. Im Backsteinbau spielt der B. die gleiche Rolle bei leichter Verschiebung der zeitlichen Grenzen; auch herrscht er hier im 15. Jh. noch vor.

Zu den Abbildungen

1. Mainz, Dom, Memorie. Rippenprofil in Form eines geschärften Stabes, um 1220. Nach Zeichnung von Dr. Fritz V. Arens, Mainz.

2. Kloster Arnsburg (Oberhessen). Rippenfragment im Kapitelsaal, geschärfter Stab mit Schweifung, 1. H. 13. Jh.

3. Ebd. Rippenfragment, primitiver B. mit Nase und nicht abgesetzten Kehlen, 13. Jh.?

4. Ebd. Rippenfragment mit Nase und abgesetzten Flankenkehlen, 13. Jh.

– Abb. 2–4 nach Inv. Hessen, Kr. Gießen 2, S. 101.

5. Worms, Dom, Annakapelle (beg. um 1320). Entwickelte B. mit Flankenkehlen und runden Trennungsstäbchen.

6. Ebd., Silberkammer (letztes Drittel 13. Jh.). Geschärfter B. mit Flankenkehlen und runden Trennungsstäbchen.

7. Ebd., Georgkapelle (beg. um 1320). Gotischer Rundstab mit abgesetzten Flankenkehlen. – Abb. 5 bis 7 nach Zeichnungen von Dombaumeister Phil. Brand, Worms; vgl. Rud. Kautzsch u. a., Der Dom zu Worms, Berlin 1938, Textbd., S. 32 des Anhangs.

Literatur

1. M. Hasak, Einzelheiten des Kirchenbaus, Hdb. d. Arch. 2, Bd. 4, H. 4, Stuttgart 1903, S. 65ff., Abb. 123ff. 2. Lex. d. Baukunst I, S. 540. 3. K. H. Clasen, Hdb. d. Kw, S. 22f., Abb. 15f.

Verweise