Bischofsstuhl
englisch: Bishop's throne; französisch: Chaire épiscopale; italienisch: Cattedra espiscopale.
Joseph Braun S.J. (1941)
RDK II, 808–816
Bischofsstuhl (Bischofsthron, Kathedra) ist ein thronartiger mit Seitenlehnen und hoher Rücklehne versehener Sitz für den Bischof beim Pontifikalamt sowie bei Abhaltung der feierlichen Vespern und feierlichen Laudes. In bischöflichen Kirchen, in denen der B. nächst dem Altar der Haupteinrichtungsgegenstand ist und die von ihm ihren Namen „Kathedrale“ haben, soll er dauernd und unbeweglich angebracht sein, in andern nur vorübergehend.
Seinen Platz hatte der B. in altchristl. Zeit und auch noch im frühen Mittelalter hinter dem Hochaltar im Scheitel der Apsis. In der Karolingerzeit, wenn nicht schon früher, begann man jedoch damit, den B. vor dem Altar an dessen Evangelienseite anzubringen, was dann in der Folge das Gewöhnliche wurde. Man hat den Wandel zurückgeführt auf das Entstehen der Gepflogenheit, auf den Altar ein Retabel zu setzen. Mit Unrecht. Er setzte lange vorher ein. Veranlaßt wurde er durch die Änderung der Stellung des Bischofs am Altar. Stand der Bischof bei der Feier der Messe nicht mehr an der Rückseite des Altars, sondern an dessen Vorderseite, dann legten Zweckmäßigkeitsgründe nahe, auch den B. aus dem Scheitel der Apsis seitlich vor den Altar zu verlegen. Natürlich vollzog sich der Wandel nicht mit einem Schlag, vielmehr fand er erst allmählich seine heutige Verbreitung. Im Scheitel der Apsis steht gegenwärtig der B. fast nur mehr in italien. Kathedralen, rechts und links begleitet von den Sitzen der Domherren.
Der B. ist Symbol des bischöflichen Amtes, besonders des Lehr- und Hirtenamtes; die schon im 11. Jh. im Ritus der Bischofsweihe bezeugte Zeremonie der Inthronisation, bei der der Konsekrator den neugeweihten Bischof zu seinem Thron führt und ihn auf ihm Platz nehmen läßt, ist Ausdruck der Besitzergreifung des Bischofsamtes. Äbten stand im Mittelalter und auch noch in nachmittelalterl. Zeit bis zur jüngsten Neukodifizierung des kanonischen Rechtes der B. nur kraft eines ihnen erteilten Privilegs zu, jedoch bloß in ihren Kirchen und auch in diesen zufolge eines Dekrets Alexanders VII. von 1659 nur in Gestalt eines beweglichen jedesmal bei Gebrauch neu zu errichtenden Thrones.
Kann der Bischof bei gewissen Gelegenheiten, wie bei feierlichen Totenmessen, bei den Karfreitagszeremonien, bei Anwesenheit eines Kardinals u. a. sich des B. nicht bedienen, so benutzt er statt seiner nach dem Caeremoniale episcoporum das sog. Faldistorium (Faltstuhl, weil ursprünglich zum Zusammenklappen eingerichtet), einen vierfüßigen, nur mit Armlehnen versehenen Sitz an der Epistelseite des Altars.
Betreffs der Form, materiellen Beschaffenheit und Ausstattung des B. hat es bis zum Erscheinen des Caeremoniale episcoporum keine allgemein geltenden Bestimmungen gegeben. Auch war bis dahin nicht vorgeschrieben, in den Kathedralen einen ständigen B. zu errichten. Alles das richtete sich vielmehr nach Brauch und Herkommen. Einheitlichkeit schuf dann jedoch das allgemein verpflichtende Caeremoniale episcoporum Clemens’ VIII., das für Kathedralen einen ständigen feststehenden Thron (thronus immobilis) vorschreibt. Er soll drei Stufen über dem Boden des Presbyteriums stehen, an der Evangelienseite errichtet sein und die Form einer Kathedra oder eines Thrones haben, d. i. mit Armlehnen und hoher Rücklehne ausgestattet sein. Hergestellt kann er sein aus Holz, Marmor oder sonst einem passenden Material, doch soll er mit einem seidenen Tuch bedeckt werden. Auch kann über ihm ein umbraculum, ein Baldachin, angebracht werden.
B. aus Stein haben sich auf deutschem Boden aus dem Mittelalter zwei erhalten, ein B. in St. Emmeram zu Regensburg (Abb. 1), der aus der Zeit der Regensburger Abtsbischöfe, d. i. aus der Zeit vor 972, datieren wird, und ein ihm ganz ähnlicher, wenig jüngerer B. in der Apsis des Westchors im Dom zu Augsburg. Der Sitz ruht bei beiden auf zwei liegenden Löwen als seitlicher und einer auf die Hochkante gestellten Platte als mittlerer Stütze. Einfacher ist der angeblich aus einer antiken Marmorsäule gearbeitete „Thron des hl. Clemens“ in der Kathedrale zu Metz, der zuerst in einer Urkunde Herimans 1090 erwähnt wird und nach dem Caeremoniale des 13. Jh. noch damals bis nach dem Evangelium benutzt wurde (Inv. Elsaß-Lothringen 3, S. 176, 169); er dürfte wohl erst bei dem Neubau der Kathedrale unter Theodorich I. (984–1005) und Theodorich II. (1005–1046) entstanden sein, kann aber, weil er schon 1090 als Kathedra des hl. Clemens galt, auch aus dem vorausgehenden Bau stammen (Marcel Aubert, La cathédrale de Metz, Paris 1931). Sämtliche Beispiele zeigen eine aus dem Halbkreis entwickelte Lehne. – Einen ganz anderen, auf deutschem Boden bisher nicht nachweisbaren Typus von rechteckiger Grundform repräsentiert die Kathedra aus dem A. 13. Jh. in St. Etienne in Toul; sie besteht aus zwei hohen, reich ornamentierten, vorne mit einem Säulchen besetzten Wandungen, zwischen die der Sitz eingefügt ist, und giebelartiger, mit reichem Laubwerk bekrönter Rückwand (Heribert Reiners, Die rheinischen Chorgestühle der Frühgotik, Stud. z. dt. Kg. 113, Straßburg 1909, Taf. 1).
B. aus Holz haben sich aus dem Mittelalter auf deutschem Boden nicht erhalten, vielleicht, weil es nicht Brauch war, in den Kathedralen unbeweglich einen B. aus solchem anzubringen. Doch geben uns in Ermanglung noch vorhandener Originale Miniaturen, wie die des Gundekarpontifikales zu Eichstätt, auf denen die Eichstätter Bischöfe des 14. und 15. Jh. zu Lebzeiten thronend abgebildet sind, und die deutschen Bischofssiegel des 12.–16. Jh. wie die Kölner, Trierer und andere, auf denen die Bischöfe ebenfalls thronend erscheinen, alles sehr naturgetreue und individuell ausgeführte Darstellungen, einigen Aufschluß über die Form des B. zu ihrer Zeit nach deutschem Brauch und über seine formale Entwicklung. Denn wie die Tracht, in der die Bischöfe auf allen diesen Bildwerken abgebildet sind, ihre liturgische Gewandung bei dem Pontifikalamt darstellt, so wird auch, wie unbedenklich angenommen werden darf, der Sitz, auf dem sie thronen, wirklichkeitsgetreu einen B., wie sie ihn bei liturgischen Pontifikalhandlungen benutzten, wiedergeben. Das gilt besonders von den Eichstätter Miniaturen, welche eine pontifikale Feierlichkeit, die feierliche Entgegennahme der Eidesleistung des Kapitels, darstellen. Der B. hat auf ihnen bei Heinrich V. († 1344) und Berthold von Zollern († 1367) die Form des damaligen Faltstuhles, bei Raban († 1385) die einer auf einer Stufe stehenden, lehnenlosen Bank, bei Johann II. († 1429), Albert II. († 1445) und Johann III. die eines Sitzes mit Stufe, Seitenlehne und Rückenlehne. Von einem Baldachin ist er auf keiner der Miniaturen überdacht. Ein solcher ist erst über dem B. des Bischofs Gabriel von Eyb († 1535) auf einer dem Gundekarpontifikale beigelegten Miniatur des Nikolaus Glockendon von 1517 angebracht. Auf den Siegeln der Kölner Erzbischöfe ist zuerst Friedrich I. (1100–31) thronend wiedergegeben. Der B. hat Bankform und ist mit Fußschemel versehen (vgl. auch Abb. 3), und so bleibt es bis zu den Siegeln Philipps von Heinsberg (1167–91), auf denen an Stelle einer Bank mit Schemel ein Faldistorium mit Fußschemel tritt. Die neue Form (Abb. 4) behauptet sich dann, solange die Bischöfe thronend auf ihren Siegeln abgebildet sind, d. h. bis zu Engelbert von der Mark (1364–66) einschließlich. Die Siegel der Trierer Erzbischöfe bilden bis ins späte 14. Jh. genaue Parallelen zu den Kölner Siegeln. Auch auf ihnen hat der B. von Bruno (1101–24) bis Hillin (1152–69) einschließlich die Form einer Bank mit Fußschemel und von Arnold I. (1169 bis 1185) bis Kuno von Falkenstein (1362–88) die eines Faldistoriums mit Fußschemel. Auf den Siegeln Werners von Falkenstein (1388 bis 1418) und seiner Nachfolger, auf denen diese, abweichend von dem gleichzeitigen Kölner Brauch, bis in die Frühe des 16. Jh. thronend erscheinen, hat der B. wieder Bankform (Abb. 5), doch ist der Schemel zu einer förmlichen Stufe geworden; ein Baldachin fehlt.
Durch das Caeremoniale episcoporum von 1600, dessen Annahme allgemein vorgeschrieben war, wurde auch die Form des B. und damit zugleich die des Abtsthrones allgemein für den Bereich des römischen Ritus festgelegt, auch für Deutschland. Eine weitere Entwicklung und Umbildung war, abgesehen vom Stil, weiterhin ausgeschlossen. Der B. hatte im Spätbarock die Gestalt eines Sessels mit geschweiften Lehnen. Ein prunkhaftes Beispiel von etwa 1750 bietet ein ganz vergoldeter, auf dem Sitz und an der Rücklehne mit Goldstickereien überzogener B., der nach Unterdrückung des Kölner Erzbistums und der 1802 erfolgten Neugründung des Bistums Aachen aus dem Dom zu Köln in das Münster zu Aachen übertragen und hier vom ersten Bischof Berdollet als solcher benutzt wurde (Abb. 2); einfacher ist ein Abtsthron von 1737 im Stift Göttweig. In den Denkmälerstatistiken ist auffallenderweise von Bischofs- und Abtsstühlen aus dem 17. und 18. Jh. in deutschen Kathedralen und Abteien kaum je die Rede, vielleicht, weil die meisten Erneuerungen aus dem 19. Jh. sind.
Von dem Bischofs- und Abtsstuhl, der seinen Platz an der Evangelienseite des Altares hat und beim feierlichen Pontifikalamt und feierlichen Pontifikalvespern und Pontifikallaudes vom Bischof und Abt benützt wird, ist zu unterscheiden der diesen im Chor zukommende Ehrensitz, wenn sie dem nicht feierlichen Chordienst anwohnen. Er bildet entweder einen Bestandteil des Chorgestühls oder gehört doch als Ergänzung zu demselben. Äbtissinnen kann ein Sitz von der Art des Bischofs- oder Abtsstuhles nicht zustehen, da sie keine pontifikalen Verrichtungen vornehmen können, wohl aber kommt auch ihnen als Symbol ihrer Regierungsgewalt im Chor ein ihnen vorbehaltener Ehrensitz zu.
Ein Beispiel eines bischöflichen Ehrensitzes im Chor aus dem E. 13. Jh. aus dem Dom zu Kirkebø auf den Faröern gibt es im Nationalmus. in Kopenhagen (Abb. 6); ein anderes aus der M. 14. Jh. ist aus dem Dom in Marienwerder in die Marienburg gelangt (heute um die Partie unter dem Sitz verkürzt; Inv. Westpreußen 11, Taf. 1, Groß Krebs). In Marienwerder selbst hat sich ein Ehrensitz des frühen 16. Jh. erhalten (Abb. 8): das ihn vorn abschließende Pult und die seitliche Tür, mit der er geschlossen ist, lassen keinen Zweifel, daß es sich bei ihm nicht um einen B., sondern um einen Bischofssitz im Chor, den Überrest eines Chorgestühls handelt. Einen dem Chorgestühl eingebauten Bischofssitz von 1767 gibt es im Westchor des Mainzer Doms. – An Beispielen für bischöfliche Ehrensitze außerhalb des Chors nennen wir den ehem. erzbischöflichen Sitz im Obergeschoß der alten Johanniskirche, der Palastkapelle der Erzbischöfe in Köln, der im Typus der romanischen B. aus einer Säule entwickelt ist („Der Dom zu Köln“, Festschrift zum 15. Oktober 1930, Köln 1930, S. 4, Abb. 2), und den bischöflichen Ehrensitz aus dem frühen 12. Jh. (unter Verwendung antiker Fragmente) in der Memorienkapelle des Mainzer Doms. Bei dem Entwurf A. Dürers für einen Thron des Salzburger Kardinals Lang im Anton-Ulrich-Mus. in Braunschweig (Winkler, Dürer-Zeichnungen IV, Nr. 920) handelt es sich nicht um einen liturgischen Ehrensitz, sondern um einen Thron mit Baldachin für den Empfangssaal im Palast des Kardinals.
Ein eigenartiger, an ein Betstübchen erinnernder Abtsstuhl aus dem Chor der Klosterkirche zu See-Buckow von 1476 befindet sich im Prov.-Mus. in Stettin (Abb. 7), ein an der Westwand zwischen den Sitzen der Nonnen angebrachter Äbtissinnensitz aus dem A. 14. Jh. im Nonnenchor des ehem. Zisterzienserinnenklosters Wienhausen bei Celle, ein Äbtissinnensitz von Faltstuhlform von 1242(?) in der Stiftskirche Nonnberg zu Salzburg und ein ebenso geformter Abtssitz aus der Benediktinerabtei Admont des 13. Jh. im Mus. f. K. u. Industrie in Wien (Pantheon 16, 1935, S. 374ff. Abb. 1 u. 2).
Zu den Abbildungen
1. Regensburg, St. Emmeram, sog. „Heinrichsstuhl“. Dolomit. Vor 972. Höhe 1,10 m. Phot. Bayer. Landesamt f. Denkmalpflege, München.
2. Aachen, Suermondt-Mus., Bischofsstuhl aus dem Dom zu Köln, nach 1802 im Aachener Münster. Vergoldet, mit Stoffbezug in Goldstickerei, um 1750. Phot. Verf.
3. Siegel des Kölner Erzbischofs Reinald von Dassel (1159–67). Nach Wilh. Ewald [5]. Bd. 1, Taf. II, 2.
4. Siegel des Kölner Erzbischofs Adolf I. (1193 bis 1205). Nach Wilh. Ewald [5], Bd. 1 Taf. 14, 3.
5. Siegel des Trierer Erzbischofs Otto von Ziegenhain (1418–30). Nach Wilh. Ewald [5], Bd. 2, Taf. II, 4.
6. Kopenhagen, Nat.Mus., bischöfl. Ehrensitz aus dem Dom zu Kirkebø auf den Faröern. Föhrenholz, um 1300. Höhe 2,68 m. Phot. Mus.
7. Stettin, Prov.Mus., Abtsstuhl aus der Klosterkirche zu See-Buckow (Kr. Schlawe). Eiche, farbig gefaßt. Inschrift „Anno dm̅ mo cccco lxxvi conpletu est hoc sedile prelator. pro man. Borchardi et mōchi et sacdots quē dn̅s nr̅ i̅h̅s̅ x̅. miseret. cū oibus fr̅ibus amē. Orate pro factōe unū pr̅ nr̅ et“. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
8. Marienwerder, Dom, Ehrensitz des Bischofs Hiob von Dobeneck (1501–21), Auf der Vorderseite Wappen des Bischofs. Eiche. Nach Inv. Westpreußen, Kr. Marienwerder, Beil. 16. Phot. H. Ruttkowski, Marienburg.
Literatur
1. L. Eisenhofer, Hdb. d. Liturgik I, Freiburg 1932, S. 376. 2. Viollet-le-Duc, Mobilier II, S. 147. 3. Rohault de Fleury, La messe II, Paris 1883, S. 147ff. 4. „Eichstätts Kunst“, München 1901 (Wiedergaben der Miniaturen des Gundekarianum). 5. Wilh. Ewald, Rheinische Siegel, 2 Bde, Bonn 1906 und 1910 (Abbildungen der Kölner und Trierer Siegel).
Empfohlene Zitierweise: Braun, Joseph , Bischofsstuhl, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1941), Sp. 808–816; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=94504> [04.04.2022]
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