Braunfirnis

Aus RDK Labor
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englisch: Vernis brun; französisch: Vernis brun, émail brun; italienisch: Brunitura a base di olio di lino.


Karl Hermann Usener (1942)

RDK II, 1107–1110


RDK II, 1107, Fritzlar, Stiftskirche, Scheibenreliquiar, 2. H. 12. Jh.

I. Technik

B. (Firnisbrand, Leinölfirnis, Ölbräune, Schmelzfirnis; fälschlich auch Braunemail, braunes Maleremail, émail brun) nennt man die – romanische – Technik des Bräunens von (Rot-) Kupferplatten durch einen verkohlten Leinölauftrag. Die im gebrauchten Format zugeschnittene Rotkupferplatte wird mit einer Schicht Leinöl, deren Dicke sich nach der Dunkelheit der gewünschten Bräunung richtet, gleichmäßig bestrichen und so lange aufs Feuer gelegt, bis das Leinöl verkohlt ist. Aus dem so erzielten, mehr oder weniger transparenten B.-Überzug werden die figürlichen oder ornamentalen Motive mit einem Schabeeisen ausgeschabt und auf dem Feuer vergoldet (Golddekor auf B.-Grund), oder man läßt die Zeichnung in B. stehen, schabt den Grund aus und vergoldet ihn (B.-Dekor auf Goldgrund). Theophilus ([1], 3, Kap. 70) beschreibt diese Technik – als Schwärzen des Kupfers (Quomodo denigretur cuprum) – in einer besonderen Abart, dem B. mit Gravur. Dabei wird vor dem Auftragen des Leinöles die Musterung in Kontur und Innenzeichnung in die Kupferplatte graviert, so daß zu der allgemeinen silhouettenhaften Wirkung des Dekors noch dessen Belebung durch Gravur hinzutritt.

II. Verwendung

Auf der Billigkeit und der technischen Einfachheit des B. beruht die mannigfache Art seiner Verwendung, vor allem an weniger anspruchsvollen Stellen eines Gerätes und als Ersatz für Techniken, die in der ästhetischen Wirkung ähnlich, aber kostspieliger und schwieriger sind, wie das Email. Am häufigsten finden sich B.-Platten zur Verzierung der Unterseiten und Rückseiten von Tragaltären und Reliquiaren und als Inschriftbänder an Schreinen, Altartafeln und Portatilen. An architektonisch gegliederten Reliquienschreinen ist B. als Wandbekleidung hinter den Säulen häufig, gelegentlich kommt er auch als Dekor der Säulenschäfte vor (Honoratusschrein in Siegburg). Als Emailersatz werden mitunter ornamentale B.-Platten an den Rahmenleisten von Schreinen und Reliquiaren angebracht, seltener als Nimben getriebener Figuren (Hadelinusschrein in Visé). Anspruchslosere liturgische Geräte sind bisweilen ganz in dieser Technik ausgeführt (Tragaltärchen in Fritzlar; Inv. R. B. Kassel, Fritzlar, S. 82, Taf. 110; Braun [5], 2, Abb. 19. Tragaltar im St. Walburgastift zu Eichstätt; Inv. Bayern, Mittelfranken 1, Taf. 33; Braun [5], 2, Abb. 30. Taschenreliquiar, A. 13. Jh., im Schnütgen-Mus. in Köln).

III. Geschichte

Das Auftreten und die Geschichte des B. ist an die Bevorzugung des Kupfers als Werkstoff gebunden. Daher ist die Blütezeit dieser – ihrer geringen Kostbarkeit wegen stets nur sekundären – Technik das 12. und die 1. H. 13. Jh. Allerdings ist sie auch dem 11. Jh. schon bekannt, taucht jedoch nur sporadisch auf: am Ambo Heinrichs II. im Aachener Münster (Ornamentplatten und Inschriftbänder; RDK I, Sp. 633, Abb. 4); auf der Rückseite der Arca des hl. Willibrord, Emmerich, St. Martin (Kruzifix zwischen Evangelistensymbolen), und dem Rückdeckel des Wessobrunner Codex (München, Staatsbibl.); am Kronleuchter des Hezilo im Hildesheimer Dom (Ornamentplatten, in Verbindung mit Opus interrasile). Bei den Interrasileplatten dieses Radleuchters ist die B.-Technik zur Innenzeichnung verwendet (braune Ranken, goldene Innenzeichnung), ein Verfahren, das im 12. und 13. Jh. nur vereinzelt vorkommt (Unterseite des Tafelportatiles im Augsburger Domschatz – goldene Innenzeichnung; [5, T. 2, Abb. 27]; Rückseiten der Flügel des Floreffer Triptychons im Mus. du Cinquantenaire, Brüssel – braune Innenzeichnung). Der reiche Bestand an B.-Denkmälern der romanischen Zeit ist im Technischen weder durch eine Entwicklung noch durch einen zeitlichen Wandel historisch gegliedert. Wohl aber lassen technische Besonderheiten und die Häufigkeit und Art der Verwendung eine gewisse landschaftliche Gruppierung zu. B. mit Gravur findet sich typisch und fast ausschließlich an Werken des Wesergebietes (Fritzlarer Tragaltärchen; Rückseite des Fritzlarer Scheibenreliquiars, Abb.; Tragaltar des St. Walburgastiftes zu Eichstätt). Das Maas- und das Rheingebiet verwenden den B. ohne Gravur, sowohl als Golddekor vor B.-Grund wie als B.-Dekor vor Goldgrund. Diese beiden Arten kommen zuweilen nebeneinander an ein und demselben Werk vor (Heribertschrein, an den Sitzen der Apostel). Besonders häufig – auch als Ersatz für Email – wird B. an der Maas verwendet. Eine Besonderheit dieses Gebietes sind ornamentierte B.-Platten mit Muldenverzierung (Hadelinusschrein in Visé, Rahmenleisten; Servatiusschrein, Maastricht). Als Ersatz für Email sind B.-Platten vor allem in der Maastrichter Werkstatt beliebt (Servatiusschrein; Maastrichter Reliquiare, Mus. du Cinquantenaire, Brüssel). Am Servatiusschrein dienen sie – wie sonst Emailplatten (Heribertschrein) – abwechselnd mit gravierten, muldenverzierten Platten zum Dekor der Rahmenleisten. Die gleiche Art der Anwendung findet sich auch bei den Huyer Schreinen des Godefroid de Claire. Am Rhein ist der B. weniger beliebt als an der Maas. Art und Häufigkeit seiner Verwendung gehen nicht über das auch sonst Übliche hinaus. Wie an der Maas werden auch hier B.-Platten fast regelmäßig zum Schmuck der Unterseite von Tragaltären und Reliquiaren benutzt. Der Dekor ist im allgemeinen ornamental, selten kommt auch Figürliches vor (Maas: Tragaltarfragmente der Slg. Carrand, Florenz, Bargello; Tafelportatile des Augsburger Domschatzes – mit Kreuzigungsgruppe und Tugenden. Rhein: Eilbertustragaltar und Kuppelreliquiar des Welfenschatzes; [5, T. 1, Abb, 63–66]). Am Rhein wie an der Maas dienen B.-Platten zur Wandbekleidung hinter den Säulen architektonisch gegliederter Schreine (Maas: Hadelinusschrein, Schreine des Godefroid de Claire in Huy. Rhein: Dreikönigsschrein, Aachener Karlsschrein). Gelegentlich findet sich am Rhein auch B. mit Gravur, allerdings nur mit gravierter Konturierung (Ursulaschrein, als Ersatz für Gravierarbeit; [5, T. 1, Abb. 73]). Die Denkmäler des 13. Jh. bringen nichts wesentlich Neues, weder in der Art der Verwendung noch in der Technik. Wie eng – auf Grund der Ähnlichkeit ihrer ästhetischen Wirkung – die Verbindung von B. und Kupferschmelz während der Zeit ihrer Blüte gewesen ist, zeigt das Verhältnis von B. und Blauemail. Die früheren B.-Denkmäler des Maasgebietes bilden in der feingefiederten Zartheit ihrer Goldranken eine Vorstufe für die Goldranken vor blauem Emailgrund des Nikolaus von Verdun. Dagegen lehnen sich die B.-Arbeiten des 13. Jh., wie etwa die Platten am Dach des Elisabethschreines, ihrerseits an die Blauemails an. So ist auch bei der Rückseitenverkleidung des Floreffer Triptychons die braune Innenzeichnung der goldenen Gestalten offenbar eine Anlehnung an die mit blauem Glasfluß ausgeschmolzene gravierte Innenzeichnung, wie sie Nikolaus von Verdun bei den Figuren seines Klosterneuburger Altars verwendet. Mit der Gotik, mit dem Zurücktreten des Kupfers als Werkstoff zugunsten des Silbers und dem Verdrängen des Kupferschmelzes durch den Silberschmelz verschwindet auch der B.

Zur Abbildung

Fritzlar, Stiftskirche, Schatzkammer, Rückseite eines Scheibenreliquiars. Kupfer graviert, mit Vergoldung und Braunfirnis, 2. H. 12. Jh. Marburger Photo.

Literatur

1. Die Technik des Kunsthandwerks im 10. Jh., des Theophilus presbyter Schedula diversarum artium, hrsg. von Wilh. Theobald, Berlin 1933. – 2. Ferd. Luthmer, Das Email, Leipzig 1892 (dort auch Hinweise auf ältere Lit.). – 3. Steph. Beissel, Kunstschätze des Aachener Kaiserdomes, München-Gladbach 1904. – 4. Ernst Bassermann-Jordan und Wolfg. M. Schmid, Der Bamberger Domschatz, München 1914. – 5. Jos. Braun, Meisterwerke der deutschen Goldschmiedekunst der vorgotischen Zeit, T. 1 und 2, München 1922. – 6. Fritz Witte, Die Schatzkammer des Domes zu Köln, Augsburg 1927. – 7. Der Welfenschatz, hrsg. von Otto von Falke, Rob. Schmidt und Georg Swarzenski, Frankfurt a. M. 1930. – 8. Religiöse Kunst aus Hessen und Nassau, hrsg. von H. Deckert, R. Freyhan, K. Steinbart, Marburg 1932. Vgl. ferner Goldschmiedekunst, Schmelzkunst.