Brauttüre
englisch: Bridal porch, porch (bridal porch); französisch: Porte des fiancées; italienisch: Portale nuziale.
Friedrich Zoepfl (1942)
RDK II, 1134–1137
B. (Brauttor, Brauttörle, Ehetüre) ist ein Seitenportal an m.a. Kirchen, vor dem der feierliche Eheabschluß vollzogen wurde.
Mit steigendem Nachdruck, wenn auch lange nicht mit durchschlagendem Erfolg, drang die Kirche seit dem 11. Jh. darauf, daß die Ehe kirchlich, d. h. in Gegenwart eines Priesters und im Umkreis des Gotteshauses, abgeschlossen werde. Als eine Handlung weltlichen Rechts wurde der Abschluß der Ehe nicht im Gotteshaus selbst vollzogen, sondern „in facie (in conspectu) ecclesiae“. Bei Dorfkirchen geschah das am gewöhnlichen Portal oder in dessen Vorhalle. Bei Stadtkirchen war dem feierlichen Eheabschluß ein eigenes Seitenportal zugewiesen. Es lag gewöhnlich an einer der Breitseiten, gerne an der nördlichen. Auf dieses Portal mündete häufig eine enge Gasse, die Brautgasse, auf der sich der Hochzeitszug zur Kirche bewegte. Vor der B. erwartete der Priester in Chorrock und Stola das Brautpaar, nahm ihm die Ehewillenserklärung ab, segnete die Brautgabe und weihte den Trauring, den der Bräutigam der Braut ansteckte. Daraufhin führte der Priester das Brautpaar in das Gotteshaus, wo es der Brautmesse beiwohnte, den Brautsegen, die Kommunion und den Brauttrunk empfing. In Einzelheiten wechselnd hat sich dieser Ritus bis über das Mittelalter hinaus erhalten; in Bamberg läßt er sich noch 1587 nachweisen, in Augsburg verliert er sich erst seit 1612. Auch Luther hat die Trauung „für der Kirchen“ zunächst beibehalten. Da und dort war jedoch die Trauung schon im 15. Jh. in die Kirche selbst verlegt worden, so in Salzburg 1420, in Freising 1480. In der Graphik des Spätmittelalters und der Renaissance ist der Vorgang einer Trauung vor der Kirchentür häufig festgehalten worden, so in der xylographischen Ausgabe der Ars moriendi von etwa 1470 (Abb. Münchner Jahrbuch 12, 1921/22, 22), im Nürnberger (Anton Koberger) Passional von 1488 (bei Darstellung der Vermählung Kaiser Heinrichs mit Kunigunde), in Dürers Marienleben (Vermählung Josephs u. Marias), in einer Handzeichnung Jan de Beers (Vermählung Marias) in der Albertina, auf einem Holzschnitt H. S. Behams von 1535 (Abb. 1), auf 2 Holzschnitten von Hans Weiditz in Petrarcas Trostspiegel (Augsburg, Hans Steyner, 1532, Blatt LXXXII r und Blatt XCIII v). Ihrem Zweck entsprechend war die B. gewöhnlich überdacht oder mit Vorhalle ausgestattet. Ihre Bedeutung wurde durch die Bogenfeld- oder Gewändeplastik hervorgehoben (Christus als Bräutigam der Kirche; Adam und Eva; die den Bräutigam erwartenden klugen und törichten Jungfrauen). Spätmittelalterliche B. haben sich mehrfach erhalten, z. B. in Bamberg (Obere Pfarrkirche), Bayreuth (mit Brautgasse), Bernau (Mark Brandenburg), Braunschweig (St. Martin), Friedberg i. Oberhessen, Kaufbeuren (St. Martin), Mainz (St. Quintin), München (Frauenkirche), Nürnberg (St. Lorenz und St. Sebald, Abb. 2), Rothenburg o. d. T. (St. Jakob), Ulm (Münster). Auch neuzeitliche Kirchen sind noch mit B. versehen worden, so die St. Paulskirche in München (geweiht 1906).
Zu den Abbildungen
1. Hans Sebald Beham, Holzschnitt B. 168. II, Kirchweih. Ausschnitt: Trauung vor der Kirche. 1535. Phot. Kk. Berlin.
2. Nürnberg, St. Sebald, Brautportal am nördlichen Querschiff. A. 14. Jh., obere Figuren, Vorhalle und Maßwerk um 1420/30. Phot. Staatl. Bildstelle, Berlin.
Literatur
1. Emil Friedberg, Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, Leipzig 1865, S. 205. – 2. R. Sohm, Das Recht der Eheschließung aus dem deutschen und kanonischen Recht geschichtlich entwickelt, Weimar 1875, S. 168. – 3. Otte I, S. 85. – 4. F. A. Hoeynck, Geschichte der kirchlichen Liturgie des Bisthums Augsburg, Augsburg 1889, S. 163ff. – 5. Franz Falk, Die Ehe am Ausgange des MA; Erläuterungen u. Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes 6, 4, Freiburg i. B. 1908, S. 3f. – 6. Jos. Freisen, Die katholischen Ritualbücher der nordischen Kirche und ihre Bedeutung für die germanische Rechtsgeschichte; Deutschrechtliche Beitr. 3, 2, Heidelberg 1909, S. 148. – 7. Deutsche Gaue 10,1909, S. 267f.; 23, 1922, S. 45; 27, 1926, S. 112; 28, 1927, S. 60f. – 8. Aug. Knecht, Handb. des kath. Eherechts, Freiburg i. B. 1928, S. 608f. – 9. Buchberger 2, S. 532f. – 10. Ludw. Eisenhofer, Handb. der kath. Liturgik 2, Freiburg i. B. 1933, S. 415. – 11. Ludw. Andr. Veit, Kirche und Brauchtum im vortridentinischen Eheschließungsritus in den Bistümern Augsburg, Konstanz und Mainz, Oberrheinisches Pastoralbl. 36, 1934, S. 133ff.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Zoepfl, Friedrich , Brauttüre, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II (1942), Sp. 1134–1137; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88922> [04.04.2022]
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