Buchbeutel

Aus RDK Labor
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englisch: Pouch (for carrying prayerbooks etc.); französisch: Etui de livre; italienisch: Borsa per il libro.


Heinrich Schreiber († am 22. Juni 1942) (1947)

RDK II, 1343–1346


RDK II, 1343, Abb. 1. Kolmar, um 1466.
RDK II, 1345, Abb. 2. u. 3. Halle, Universitäts-Bibl., 1497.
RDK II, 1345, Abb. 4. Halle, Universitäts-Bibl., 1497.

B. (Beutelbuch, girdle book) ist eine spät-m.a. Einbandform, bei welcher über den einfachen Ledereinband ein zweiter Bezug gelegt wird, der über den Unterschnitt des Buches verlängert ist, so daß das Buch daran wie ein Beutel getragen oder am Gürtel befestigt werden kann. Vom Hülleneinband unterscheidet sich der B. hauptsächlich dadurch, daß die meist an allen Schnitten überhängenden Lappen dort nur zum Schutz des Buches, nicht zum Tragen dienen; doch rechnen Glauning [1] und Larsen [5] den ausgesprochenen Hülleneinband in Göteborg zu den B. Oft sind die überstehenden Lappen abgeschnitten und lassen den ursprünglichen Charakter nicht mehr erkennen. Beutel, in welchem Bücher getragen werden können, heißen nicht B., sondern Buchtasche (s. Buchschrein). Außer Leder wird auch Samt für den B. verwendet, vor allem für kostbare Stundenbücher. Das nach unten hängende Stück wird entweder am Ende verknotet und dazu manchmal mit einem Haken versehen, oder es wird nur beim Tragen tütenförmig zusammengefaßt. Als Hauptzweck des B. gilt das bequemere Tragen des Buches; dazu kommt, besonders wenn der Überzug auch an anderen Buchschnitten die Kante überragt, der Schutz des Buches gegen Beschmutzung.

Nach dem Zeugnis der zahlreichen Darstellungen in der Kunst (Abb. 1; bei Glauning [1] allein 160 Beispiele aus Plastik, Graphik und Malerei) und der wenigen erhaltenen Stücke (17 bekannt) kann das Aufkommen des B. kaum vor M. 14. Jh. angesetzt werden. Das Hauptverbreitungsgebiet ist Deutschland; für die angrenzenden Länder fehlen noch gründliche Forschungen. Als B. gebunden wurden vor allem Gebetbücher und Gesetzestexte [5], letztere mehr im Norden. Die Form des B. hält sich bis ins 16. Jh. (als letzter mit weitem Abstand ein 1579 datierter), an vereinzelten Orten wie Hamburg (wo das Wort als Bookes-Büdel zum Ausdruck für „Herkommen“ wird) und Bremen in etwas gewandelter Gestalt bis ins 17. Jh.; ja man kann die als Taschen tragbaren Gesangbücher unserer Zeit dieser Entwicklung anreihen.

Der künstlerische Schmuck des B. ist selten bemerkenswert, da es sich überwiegend um Bücher starken Gebrauches handelt; doch kommen B. mit Beschlägen (Nürnberg, G.N.M.) und mit Blindpressung vor. Eine Liste mit Beschreibung der erhaltenen B. bringt Glauning [1], dazu kommen neuere Funde in Halle (Abb. 2–4; Bernh. Weißenborn, Der hallische Handschriftenschatz in Auswahl, Halle 1939, S. 3) und in Neuyork [7]. Bei den m.a. Darstellungen ist Vorsicht vor Verwechslung mit den als Unterlage manchmal gebrauchten Buchkissen (cussini) geboten.

Zum Anhängen am Gürtel ist auch eine Gruppe von Büchern eingerichtet, die aus eng auf kleinstes Format zusammengefalteten Blättern bestehen und mit einem Haken versehen sind, Kalenderbändchen des 13. bis 15. Jh. italienischer Herkunft, wegen des handlichen Formates wie die kleinen römischen Notiztafeln pugillaria genannt [6].

Zu den Abbildungen

1. Martin Schongauer, Orliac-Altar aus Isenheim, Innenseite des rechten Flügels; hl. Antonius. Ausschnitt: Hand mit Buchbeutel. Um 1466. Kolmar, Mus. Unterlinden. Phot. Bayer. Staatsgemäldesammlungen, München.

2.–4. Halle, Universitäts-Bibl., Buchbeutel mit Gebetbuch, Wildleder, 1497. Geschlossen und geöffnet. Phot. Photograph. Institut der Universität Halle.

Literatur

1. Otto Glauning, Der Buchbeutel in der bildenden Kunst, Arch. f. Buchgewerbe 63, 1926, S. 124ff. 2. Heinr. Schreiber, Buchbeutel und Hüllenband, Arch. f. Buchgewerbe 76, 1939, S. 492ff. 3. Ders., Vom Buchbeutel und seinen Verwandten, St. Wiborada 7, 1940, S. 13ff. 4. E. Majkowski, Neues zum Buchbeutel in der bildenden Kunst, Gutenberg-Jb. 14, 1939, S. 331ff. 5. Sof. Larsen, To minder fra de aabne ting. Ex bibliothecae Univ. Hafniensis, Kopenhagen 1920, S. 15ff. 6. Herm. Degering, Ein calendarium pugillare mit computus aus dem Jahre 1294, Buch und Bucheinband, Festschr. f. Hans Loubier, Leipzig 1923, S. 79ff. 7. K. Küp, A 15 th century girdle book, Bull. of the New York Public Library 43, 1939, S. 471ff.