Buckelquader

Aus RDK Labor
Zur Navigation springen Zur Suche springen

englisch: Rustic(a); französisch: Bossage; italienisch: Bozza, bugnato.


Fritz Viktor Arens (1950)

RDK III, 44–47


RDK II, 271, Abb. 2. Scharfenberg im Elsaß, um 1200.
RDK III, 151, Abb. 17. Bernstein im Elsaß, 1. H. 13. Jh.

B., auch Bossenquader (RDK II, Sp. 1062ff.), nennt man einen auf seiner Schauseite roh bearbeiteten Stein, dessen Vorderfläche sich buckel- oder kissenförmig vor den Rand vorwölbt. Meist umzieht den Buckel ein Randschlag, der das Versetzen der einzelnen Steine erleichtert und den sauberen Verband besser in Erscheinung treten läßt. Der B. beschränkt sich fast ganz auf den Profanbau (Ausnahmen z. B. die Kirchen in Niederschlettenbach, Boll, Krosigk im Saalkreis und Bregenz [3] sowie in Emmereis, Bayr.-Schwaben, B.A. Sonthofen). In der Hauptsache findet er sich an Festungsmauern und -türmen in der Antike, auch an Brücken, Aquädukten an unbeachteten Rückseiten (Rom, Ponte Molle, Acqua Marcia, Forum Augusti; Segovia, Aquädukt). Aus dieser Verwendung des B. am einfachsten Zweckbau ist zu schließen, daß ihm anfänglich in Antike und MA keinerlei künstlerische Funktion zukommt; man läßt die B. vielmehr stehen, um Arbeitszeit und damit Geld zu sparen. In vielen Fällen mag es nur auf die schnelle Fertigstellung eines Bauwerks angekommen sein, besonders bei Festungswerken in Zeiten der Gefahr (aus dem Baubefund der Porta nigra in Trier nachzuweisen, wo auch die Absicht einer Wegnahme der Buckel nach Hochführung des Gebäudes bestand [4]). Cohausen [2] behauptet, an den Bergfrieden der Iburg sehe man überall deutlich, daß die Buckel abgearbeitet worden seien, sagt aber nicht, ob das nach der Versetzung der Quadern geschah. Hätte man Wert auf besondere Schönheit der B.-Mauer gelegt, so wären die einzelnen Steine wohl regelmäßiger bearbeitet worden. Bei den frühen Bauten haben die B. verschiedene Länge und auch die Kissen sind ungleich hoch. Daraus geht hervor, daß man anfänglich vom B. keine künstlerische Wirkung erwartete; jedenfalls verzichtete man bei den Repräsentationsbauten der Burgen und Pfalzen sowie beim Sakralbau häufig auf den B. Bei vielen Burgen ist der B. auf den Bergfried beschränkt. Alle früheren Erklärungen des B. aus der Verteidigungstechnik sind nicht als stichhaltig zu betrachten: z. B. gegen das Hochschieben von Leitern an den Mauern, wegen Ablenkung der Geschosse, da auch B. an Stellen vorkommen, wo diese Eigenschaften unnütz waren, also im Inneren der Befestigungen (Eger, Schwarzer Turm). Schließlich hätte man dann auch die Mauern und nicht nur die Türme vieler Burgen mit B. aufführen müssen, und der B. hätte sich ausnahmslos bei allen jüngeren Befestigungen durchgesetzt.

Der B. kommt schon an griech. Festungsbauwerken vor, so am Fort Euryelos in Syrakus (um 400 v. Chr.), wird dann von den Römern [1] oft verwendet (z. B. wohl auch an der Porta Praetoria in Regensburg; Inv. Bayern II, 22, 3, S. 119). Dann reißt seit der Spätantike die Kette der B.-Bauten ab. Doch wurden die B. von den Kreuzfahrern im Orient wieder aufgegriffen, z. B. bei dem Bergschloß Saone, wo durchweg B. mit Randschlag verwendet sind, oder beim Crac des Chevaliers (beide in Syrien, A. bzw. 1. H. 12. Jh.; s. Georg Tröscher, Bauten der Kreuzfahrer im Morgenland, Kriegsvorträge der Universität Bonn, H. 104, Bonn 1943, S. 15ff. u. Abb. 15ff.). Im Abendland ist der B. vor der M. 12. Jh. nicht sicher nachzuweisen. Vielleicht gehört der Unterbau des Heidenturms in Regensburg (Inv. Bayern II, 22, 3, S. 76 u. 126) mit bis 1,70 m langen und 60 cm hohen B. in karol. Zeit, doch ist neuerdings auch das 12. Jh. als Entstehungszeit vorgeschlagen worden. Mit Beginn der Stauferzeit kann man mit dem Auftreten der B. wohl sicher rechnen; sie überwiegen im Burgenbau ungefähr ein Jh. lang (1150–1250), um dann vereinzelt an Stadtmauern und Türmen vorzukommen. Das Hauptverbreitungsgebiet ist die burgenreiche Hardt (Bayr. Rheinpfalz), das Elsaß und Franken, besonders längs des Maines, alles Gegenden, in denen Quadersteine (Sandund Kalksteine, Granit) gebrochen werden; in Bruchsteingegenden (z. B. am Mittelrhein die Schiefersteinburgen) verwendet man natürlich das nächstliegende Material. Gleichzeitig kommen in unmittelbarer Nachbarschaft der B.-Bauten auch Quaderbauten vor; der B. ist also in seiner Zeit kein Alleinherrscher. Die ältesten Beispiele sind: die Hohkönigsburg (nach Ebhardt 11. Jh., Dehio IV b ca. 1120), Burg Rothenfels am Main (um 1150), Münzenberg (3. V. 12. Jh., Quadergröße bis zu 130:50 cm). An frühen Pfalzen mit B. wären zu nennen: Frankfurt (um 1140), Ulm (1140–50), Hagenau und Kaiserslautern (um 1160), Eger, Schwarzer Turm (um 1180–90, Quadergröße bis 130:75: 60 cm, normal 90:50:50 cm), Gelnhausen (teilw. 1180–90). Von späteren, besonders schönen Beispielen wären der Trifels, Bergfried (vgl. Burgkapelle, Abb. 1) und Brunnenturm, Bernstein (Unt.-Elsaß, um 1200; Abb. s. Burg), Wildenburg bei Amorbach (A. 13. Jh.), Wallburg (Unt.-Franken), runder Bergfried (12.–13. Jh.), Miltenberg (A. 13. Jh.), Johanniterkastell Biebelried (B.A. Kitzingen, 1275) zu erwähnen. Gelegentlich werden auch die Kissen der B. sorgfältiger überarbeitet und Steine von annähernd gleicher Größe benutzt, wie am Trifels und später in Nürnberg. Wenn auch diese Form des B. an den ganz frühen Bauten nicht vorkommt, so ist sie doch keineswegs ein Datierungshilfsmittel, da bis ins 15. Jh. immer wieder große Steinformate mit unregelmäßigen Kissen verwendet werden.

Zwei sichtbare Buckel auf einem Quader kommen auf allen Ecksteinen vor, ferner auf Absatzschrägen (Trifels; Scharfenberg, RDK II, Sp. 272, Abb. 2, und Landeck B.A. Bergzabern, beide um 1200), ein um die Ecke im Winkel laufender Buckel an einer Tür am Trifels-Bergfried. Als Eckquader in künstlerischer Absicht bei Quaderbauten und bei Bruchsteinmauerwerk, wohl auch aus dem technischen Gesichtspunkt der Eckverstärkung bei sonst glatten Wänden findet sich der B. an den Burgen Kinzheim (um 1200), Ramstein (1293) und Rathsamhausen im Elsaß, Salzburg (A. 13. Jh.) und Prozelten am Main (14. Jh.). – Zangenlöcher kommen an frühen B. nicht vor. Am Roten Turm der Kaiserpfalz zu Wimpfen finden sich Wolfslöcher meist an Stellen, wo die Lagerfugen offen liegen und die Oberseite der Quadern sichtbar ist. Vereinzelt kommen die Wolfslöcher auch auf den Buckeln der Vorderseite vor. – Gleichzeitig entstehen die Hohenstaufenschlösser und auch andere Wehrbauten Italiens mit B., die sich dann auch die Palastfassaden erobern (Florenz, Bargello, beg. 1255, Pal. Vecchio, 1298–1314; vgl. auch das Relief am Campanile des Domes mit der Darstellung eines Turmbaus), wo nun wohl auch ästhetische Absichten für die Verwendung des B. maßgebend waren. Der B. wird auch nach dem Ende seiner Blütezeit (M. 13. Jh.) noch im Burgenbau verwendet, z. B. an den Bollwerken der Hohkönigsburg (nach 1479), Neuscharfeneck (B.A. Bergzabern, nach 1469); seine hauptsächliche Verwendung findet er aber nun beim Bau der Stadtmauern bis ins 16. Jh., z. B. Nürnberg, Eßlingen und Kloster Maulbronn (3. V. 14. Jh.). Aus dieser langen, nach oben hin schwer bestimmbaren Verwendungsdauer des B. folgt, daß er allein nicht als Datierungshilfe angesehen werden darf. – Als späte Nachahmung der B. im Verputz sei die Verkleidung des Bürgerturms in Pfeddersheim 1511 (Inv. Hessen, Kr. Worms, Fig. 55) erwähnt.

B. als Kunstmittel s. Rustika.

Literatur

1. Jos. Durm, Die Baukunst der Etrusker und Römer, Hdb. d. Architektur II, 2, 19052, S. 19ff., 201ff. 2. Aug. von Cohausen, Die Befestigungsweise der Vorzeit und des MA, Wiesbaden 1898, S. 145, 163. 3. Otto Piper, Burgenkunde, 19062, S. 85f., 132f. 4. Rud. Schultze, Beobachtungen an der Porta nigra zu Trier, Trierer Zs. 8, 1933, S. 1ff. 5. Friedr. Sprater, Schlößl und Schloßeck, zwei pfälzische Burgruinen der Salier- und Hohenstaufenzeit, Der Burgwart 39, 1938, S. 7. 6. Gottfr. Schlag, Die deutschen Kaiserpfalzen, Frankfurt a. M. 1940, S. 25.

Verweise