Calefactorium
englisch: Calefactory; französisch: Chauffoir; italienisch: Calefactorium, focolaio.
Konrad Hecht (1952)
RDK III, 308–312
I. Begriff
Das C., in den Quellen auch pisale, pyrale, aestuarium, hypocaustorium, stuba, Wärmestube, Wärmekammer (Wermutkammer) genannt, ist in den Klöstern des hohen und späten MA innerhalb der Klausur in der Regel der einzige heizbare Raum, in dem sich die Mönche zeitweilig – so nach den vor Sonnenaufgang gesungenen Laudes – wärmen konnten. Nach den Const. Hirsaug. werden hier die Novizen und ausnahmsweise auch die Mönche geschoren und rasiert (Migne, P. L. 150, 935 A, 955 D, 1100 A–C). Nach den Usus Ord. Cist. ist das C. der Ort, „wo die Brüder (z. B. in der Weihnacht) sich wärmen, wo sie ihre Stiefel schmieren und wo der regelmäßige Aderlaß vorgenommen wird, wo ferner der Kantor und die Schreiber Tinte mischen und Pergament trocknen und wo der Sakristan Licht und glühende Kohlen holt“ ([1] S. 151; Migne, P. L. 166, 1387 B, 1447 A–C, 1466 D, 1496 D, 1497 C). – Mit dem späteren 15. Jh., als heizbare Winterrefektorien aufkommen, verliert das C. an Bedeutung und kommt seit dem 16. Jh. außer Übung (Loccum 1592). Die Zahl der erhaltenen C. ist daher gering.
II. Lage
Karolingischen Benediktinerklöstern ist eine spezielle Wärmestube offenbar deswegen unbekannt, weil der im Erdgeschoß des Ostflügels gelegene große Arbeitsraum der Mönche heizbar war. Der St. Gallener Plan stimmt darin mit dem Grabungsbefund von Reichenau-Mittelzell (A. 9. Jh.) überein. In Muri wird noch um 1035 ein dormitorium, subtus autem pisalis errichtet, während das um 1030 erbaute Kloster auf dem Michaelsberg bei Heidelberg bereits ein neben dem Refektorium liegendes C. hat.
In den Klöstern der Cluniazenser liegt das C. regelmäßig östlich des Refektoriums im südlichen bzw. nördlichen Klausurtrakt (Cluny, Farfa, Hirsau, Alpirsbach, Ilsenburg). Die Zisterzienser halten an dieser Lage fest (Cîteaux, Clairvaux, Pontigny, Fontenay, Fossanova, Kirkstall, Arnsburg, Bronnbach, Loccum, Mariental, Maulbronn, Michaelstein, Pelplin, Riddagshausen, Stams, Walkenried; in Eberbach im Obergeschoß des Küchenbaues?). – Vereinzelt ist außer dem C. auch die Camera bzw. das Auditorium heizbar (Ilsenburg; Arnsburg, Chorin, Oliva). Kleinere Zisterzienserklöster können auf das C. zugunsten einer Heizung im Auditorium verzichten (nach Ostendorf [3] Silvacanne, Sénanque). Gelegentlich wird die Abluft des C. dazu benutzt, einen benachbarten Raum zu temperieren (in Maulbronn das Refektorium, in Arnsburg den Dorment).
III. Heizungsarten
a. Die Kaminheizung ist wie im Profanbau die Regel. Man begnügt sich entweder mit einem Kamin (Heiligenberg bei Heidelberg, Alpirsbach, Bronnbach, Kirkstall) oder setzt zwei Kamine nebeneinander (Michaelstein, Fontenay, Fountains) oder errichtet einen in der Mitte des Raumes auf vier Stützen frei stehenden Kamin (Clairvaux, Tintern).
b. Die von der römischen Hypokaustenheizung abgeleitete Luftheizung war in den karolingischen Klöstern bekannt. Die domus calefactoria des St. Gallener Idealplanes, deren Darstellung trotz ihrer Kürze den Bauherren verständlich gewesen sein muß, also etwas Gewohntes bezeichnet haben wird, ist anders nicht zu deuten. Zudem sind in Reichenau-Mittelzell (A. 9. Jh.) ebenfalls im Osttrakt den Wänden entlang unter dem Fußboden laufende Heizkanäle festgestellt, die auch hier in einen freistehenden Schornstein mündeten. – In deutschen Cluniazenserklöstern ist die Luftheizung nur in Ilsenburg nachgewiesen.
Die Zisterzienser bedienten sich dieser Heizmethode nicht ungern, obwohl sie dem Kamin gegenüber als luxuriös gelten durfte. Dom Martène berichtet von einer kleinen Hypokauste unter der Zelle Bernhards von Clairvaux, die aus einem unter dem Bett befindlichen, mit Löchern durchbohrten Stein bestanden habe, unter dem man ein Kohlenbecken anzündete (A. Le Noir, Architecture monastique, Paris 1852–56, III, 359). Seit 2. V. 13. Jh. ist die Luftheizung auch den deutschen Zisterziensern bekannt (C. in Arnsburg, Loccum, Maulbronn, Schönau, Walkenried; Auditorium in Chorin).
C., die nach dieser auch im Kaiserhaus zu Goslar, in den Schlössern zu Marburg und Marienburg, in den Rathäusern zu Göttingen und Lüneburg angewandten Methode erwärmt wurden, haben sich im Herrenhaus des Klosters Bebenhausen und – an gewohnter Stelle – im Kloster Maulbronn erhalten. Dort liegt unter der Wärmestube A im Erdgeschoß die gewölbte Heizkammer B (Abb. 1–3). Sie wird vom Hof her durch die Schüröffnung C beschickt und steht mit der Wärmestube durch 4 × 5 Kanäle in Verbindung. Fuchs und Rauchabzug sind im Mauerwerk der Hofseite ausgespart. Während das Feuer die Umfassungen der Heizkammer erhitzt, bleiben die Öffnungen im Fußboden der Wärmestube durch Metallkappen geschlossen. Ist das Feuer niedergebrannt, so wird der Rauchabzug bei D durch einen von außen zugänglichen Schieber geschlossen und die Kappen werden abgenommen (Abb. 2). Die durch das Schürloch eintretende kalte Luft erwärmt sich an den Umfassungen der Heizkammer und steigt durch die Kanäle E in die Wärmestube auf. – Infolge unzweckmäßiger Dimensionierung oder Bedienung einer solchen Heizung können, wie in Maulbronn, Rußflocken mit der Warmluft in die Wärmestube austreten. Bei Versuchen, die mit einer gleichartigen, in der Marienburg erhalten gewesenen Heizung angestellt wurden, konnte die Frischluft in einzelnen Fällen noch am 10. Tage nach Abbrennen des Feuers auf 30° R erwärmt werden (Verhandlungen zur Förderung des Gewerbefleißes in Preußen 1831).
Zu den Abbildungen
1. Maulbronn, Calefactorium, 2. V. 13. Jh., Grundrisse und Schnitte der Heizkammer und der Wärmestube, heutiger Zustand; Tür der Heizkammer zum Kreuzgang und Fenster im oberen Abschnitt der Schüröffnung um 1860 eingebrochen. Zeichnung Verf. nach eig. Aufn.
2. Maulbronn, Mündung der Warmluftkanäle, Draufsicht und Schnitt; Verschlußkappe ergänzt. S = Sandsteinplatte, M = Mörtelguß, G = Gewölbe. Zeichnung Verf. nach eig. Aufn.
3. Maulbronn, Fußboden der Wärmestube. Phot. Verf.
Literatur
1. Adolf Mettler, Zur Klosteranlage der Zisterzienser und zur Baugeschichte Maulbronns. Württ. Vierteljahrshefte f. Landesgesch. N. F. 18, 1909, 1–159. – 2. G. Fusch, Über Hypokaustenheizungen und m.a. Heizungsanlagen. Diss. Hannover 1910. – 3. Frdr. Ostendorf, Die Zisterzienserklöster Deutschlands. Zs. für Bauwesen 64, 1914, 543ff., 675ff.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Hecht, Konrad , Calefactorium, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1952), Sp. 308–312; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89287> [04.04.2022]
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