Chaiselongue

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englisch: Chaise-longue, couch; französisch: Chaiselongue, duchesse, sopha; italienisch: Chaiselongue, poltrona a sdraio.


Paul Schoenen (1952)

RDK III, 405–410


RDK III, 405, Abb. 1. Paris, um 1680.
RDK III, 407, Abb. 2. Paris, um 1760.
RDK III, 409, Abb. 3. Karl Friedrich Schinkel, um 1825, Berlin.

I. Begriff und Namen

Mit C. (frz. = langer Stuhl) bezeichnet man heute ein seit gepolstertes, flaches Ruhebett mit erhöhtem Kopfende, das einheitlich mit Leder oder Stoff bezogen ist und außer den Stützen keine konstruktiven Teile zur dekorativen Ausarbeitung freiläßt. Es dient einer kurzen Liegerast am Tage oder als provisorische Schlafstätte. In dieser Form ist die C. seit Ende 19. Jh. in allen Teilen Deutschlands bekannt. Da sie zum bequemen Sitzen ungeeignet ist, kann sie das Sofa nicht ersetzen. Seit kurzem wird sie durch die Couch mehr und mehr verdrängt, die die Funktionen von C. und Sofa vereinigt.

Dieses Möbel hat mit dem ursprünglich als C. bezeichneten nicht mehr viel gemein; es stellt vielmehr eine besondere Ausbildung des alten Ruhebetts (lit de repos) dar. Die alte C. stammt aus den französischen Adelshäusern (hôtels und maisons de plaisance), wo sie am Ende des 17. Jh. zuerst erwähnt wird. Ihr Name weist auf die Ableitung vom Stuhl hin, doch lassen Definition und Sprachgebrauch von Anfang an Unklarheiten aufkommen. Die Schwierigkeit einer Begriffsbestimmung wird durch die vielgestaltigen Ausformungen verwandter Polstermöbel (Sofa, Kanapee, Ottomane und Diwan) noch vermehrt. Es wird oft nicht beachtet, daß Kanapee und Sofa ihre Entwicklung von der Bank aus nehmen, also anderen Ursprung haben. Die Bestimmung „gepolsterter Lehnstuhl, dessen Sitz sofaartig verlängert werden kann“ (Spemann, Kunstlexikon) kommt dem ursprünglichen Möbel am nächsten.

Als am E. 17. Jh. die verfeinerte Wohnkultur des Adels den repräsentativen Pomp des Königsbarocks ins behaglich Intime abzuwandeln begann, erwies sich das bis dahin neben dem Paradebett (lit de parade oder lit de parament) im täglichen Gebrauch benutzte Ruhebett (couch oder couchette; z. B. [5] S. 105) als zu schwerfällig und zu wenig anpassungsfähig. Die Abwandlung des Ruhebettes im Sinne einer eleganteren, leichteren und künstlerisch anspruchsvolleren Form nähert sich bald der C. und führt zu einer gemeinsamen Weiterentwicklung. Die Bezeichnung C. bezieht sich zunächst auf einen verlängerten Sessel (fauteuil), auf dem die Beine ausgestreckt werden konnten. Der erste Hinweis auf dieses Möbel findet sich in den Memoiren des Duc de Saint-Simon, welche die Zeit von 1692–1723 umfassen. Er erwähnt einen Besuch beim Prince de Conti (Mém. t. VII p. 13), „qui étoit près de son feu sur sa chaise longue“, und in Bd. XIII erzählt er, wie Ludwig XIV. den Maréchal de Villars besuchte: „. . le maréchal ne pouvoit partir de sa chaise longue . .“ [1]. Ob hier schon das aus zwei Sesseln und Hocker (tabouret) zusammengesetzte Möbel gemeint ist, der verlängerte Stuhl im engeren Sinn also, ist bei der fehlenden Beschreibung unklar. Jedenfalls ist uns aus der Zeit um 1700 eine solche C. nicht erhalten. Es hat sich bei den ersten Möbeln dieser Art wohl um eine improvisierte Zusammensetzung von Polstersessel und Hocker gehandelt, die nicht als formale Einheit angesprochen werden kann. In den Memoiren der Mme. de Genlis lesen wir von einer Prinzessin: „elle recevait en tout temps ses clients, même les plus titrés, étendue sur sa chaise longue“ (Dictionnaire des étiquettes t. I, p. 101). Seit den 30er Jahren des 18. Jh. handelt es sich um eine Zusammensetzung aus zwei gepolsterten Sesseln mit geschlossenen Seitenlehnen, Bergère genannt, zwischen die ein tabouret eingeschoben werden konnte und die eine formale Einheit bildeten. Dieses Möbel wurde Duchesse genannt. Die Rückenlehnen der einander entgegenstehenden Sessel hatten verschiedene Höhe. Bald wird aus der Kombination das einheitliche Möbel. Wenn in Inventaren auf die Mehrteiligkeit ausdrücklich hingewiesen wird („une chaise longue en deux pièces ...“, Beschreibung der Möbel des emigrierten Pfarrers Dal denier, Toulouse 1793), so können wir schließen, daß die einheitliche Form die allgemein übliche geworden war. In der Entwicklung der Folgezeit fällt die Erhöhung des Fußendes gelegentlich fort. Seltener war eine Armlehne an der Rückseite angebracht; dieses Möbel hieß dann chaise longue de boudoir. Mit Rückenlehne und zwei gepolsterten Seitenwangen war das lit à l’anglaise oder lit en bâteau ausgestattet. Wir dürfen diese Unterscheidungen nicht zu genau nehmen. Häufig finden wir für das gleiche Möbel verschiedene Bezeichnungen, so daß selbst in den Inventaren des 18. Jh. Verwechslungen vorkommen. Die Freude an der Abwandlung und der organischen Verschleifung der Formen ließ die schwer bestimmbaren Zwischenstücke entstehen. Das Sofa, das in der Polsterbank seine Vorform hatte, kann formal als verbreiterter Polstersessel bestimmt werden. Mit geschlossenen, gerundeten Seitenlehnen wird es als Ottomane bezeichnet, die nun ihrerseits wiederum mit ungleich hohen Seitenlehnen sich als Ruhebett der C. nähert und Veilleuse genannt wird. Eine spätere Form dieser Art wird als Beigneuse bezeichnet, wohl wegen ihrer Wannenform. Als die klassische Form der C. aber muß das Möbel angesprochen werden, das eine Rückenlehne als Seitenwange hat und zum bequemen Sitzen mit ausgestreckten Beinen dient.

II. Stilistische Entwicklung

Abb. 1 zeigt das Ruhebett (lit de repos) auf der Stilstufe des Louis XIV; die reichere dekorative Ausstattung läßt das Möbel des feudalen Wohnraums erkennen. Die vier Stützen an jeder Langseite sind als Baluster ausgebildet, das Kopfende besteht aus einer schlichten gepolsterten Wange ohne Schnitzwerk. Das Möbel hat noch keine feste Polsterung. – Auf der gleichen Stilstufe steht ein anderes Möbel des Mus. des Arts déc. mit zwei leicht nach außen geneigten Seitenwangen [1]. Die ersten Beispiele für die C. als Kombinationsmöbel zeigen die Merkmale der 40er Jahre des 18. Jh. Ein aus zwei Sesseln mit halbrund geschlossenen Rückenlehnen (Bergère) zusammengesetztes Ruhebett zeigt Feulner [4 Abb. 418]. Das von Louis Delanois signierte, nach 1760 entstandene Möbel ist in straff profiliertem Holzgerüst durchgearbeitet, wobei der Entwicklung des Rokoko entsprechend Zarge, Stützen und Lehnen flüssig ineinander übergehen. Das Möbel hat feste, schwellende Polsterung. Die gleiche Grundform wie diese Kombination zeigt eine C. als einheitliches Möbel im Mus. des Arts déc. (Abb. 2; Werkzeichnungen hierzu s. [3] Abb. 24–26). Einer einfachen Bank sind die Seitenwangen mit Seitenlehnen in ungleicher Höhe aufgesetzt. Die alte Polsterung ist durch Flechtwerk ersetzt. Stilistisch steht das Möbel auf der gleichen Stufe mit dem vorigen. Ein Beispiel für die Weiterentwicklung der C. bietet das Ruhebett mit Rückenlehne an einer Schmalseite, die kurze Armstützen vorschiebt [4 Abb. 420].

Das Louis XVI bildet keine neuen Typen aus. Die monumentale Vereinfachung und Vereinzelung, die das Möbel im Klassizismus erfährt, verwischt die letzte Erinnerung an die ursprüngliche Kombination und faßt C. und Ruhebett endgültig als eine Form zusammen. So können Schinkels Ruhebetten als C. bezeichnet werden; sie leiten zu der Form über, die auf uns gekommen ist. Ein Mahagoni-Ruhebett aus dem Palais des Prinzen Albrecht [6 Abb. 192] zeigt ungleich hohe Seitenwangen an Kopf- und Fußende, die in Schneckenform ausrollen. Die strenge Kastenform des äußeren Umbaus läßt an der Vorderseite Flächen entstehen, die mit Einlegemustern in Ahorn besetzt sind. Die Stützen sind als Baluster ausgebildet. Die Polsterung vermeidet, wie das Gestell, die straff gespannte Schwellung, die für das Möbel des Rokoko kennzeichnend war. Einfachere, weniger repräsentative Möbel dieser Art zeichnet Schinkel zügiger durch (Abb. 3).

Das Biedermeier hat den Formen des Klassizismus ihre Strenge genommen, ohne jedoch neue Typen zu finden. Das zweite Rokoko greift auf die Typen und Formen des 18. Jh. zurück; die klassische C. erlebt eine kurze Erneuerung. Die C. der 70er und 80er Jahre zwingen dem Möbel Renaissancemotive auf; sie sind formengeschichtlich belanglos. Am E. 19. Jh. steht dann das eingangs beschriebene Zweckmöbel, das einer stilistischen Ausformung keine Ansatzstellen mehr bietet.

Zu den Abbildungen

1. Paris, Musée des Arts décoratifs, Lit de repos, um 1680. Holz, vergoldet. Phot. Mus.

2. Paris, Musée des Arts décoratifs, Chaiselongue, um 1760. Holz, vergoldet, mit Flechtwerk, Phot. Mus.

3. Karl Friedrich Schinkel, Ruhebett mit fester Polsterung aus dem Wohnzimmer der Kronprinzessin Elisabeth im Berliner Schloß, um 1825. Schwarz lackiertes Holz mit Messingauflage. Phot. Lore Müller, Berlin-Dahlem.

Literatur

1. Henry Havard, Dictionnaire de l’ameublement et de la décoration I, Paris (1885), S. 650ff.– 2. Alfred de Champeaux, Le meuble II, Paris 19062. – 3. Egon Heßling, Die Louis XV Möbel des Louvre; Die Louis XV Möbel des Musée des Arts décoratifs in Paris. Berlin 1910. – 4. Ad. Feulner, Kunstgesch. des Möbels, Propyl. Kg., Berlin 19273, S. 466. – 5. Herm. Schmitz, Dt. Möbel des Barock und Rokoko, Stuttgart 19372. – 6. Karl Friedrich Schinkel, Lebenswerk Bd. 6: Joh. Sievers, Die Möbel, Berlin 1950.

Verweise