Decke (textil)

Aus RDK Labor
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englisch: Cloth, cover; französisch: Couverture (de table); italienisch: Coperta.


Renate Jaques (1954)

RDK III, 1140–1145


RDK III, 999, Abb. 3. Breslau, um 1700.
RDK III, 1141, Abb. 1. Kloster Isenhagen, 2. V. 14. Jh.
RDK III, 1143, Abb. 2. Ehem. Berlin, um 1580.
RDK III, 1143, Abb. 3. Ehem. Berlin, 1763.

I. Begriff

D. (vom ahd. deckt) aus verschiedenem textilen Material, in Stickerei, Wirkerei, als Strick-D., Druck-D. und als Webereien, dienen zur Bekleidung von Tischen und verwandten Gegenständen. Neben ihrer Verwendung zu kirchlichen Zwecken, die in Form, Farbe und Darstellung religiös gebunden sind, entstehen seit gotischer Zeit D., die sich durch die Anordnung ihres Schmucks deutlich als weltliche Objekte ausweisen. D. sind für die Aufsicht bestimmt, oftmals erst durch das Herumgehen um den Tisch in ihrer Lesbarkeit erkennbar. Sie sind mit abschließenden Bordüren als abgepaßte Formate zusammengefaßt.

II. Techniken und Beispiele

1. gestickt

Gestickte D. Die Stickerei ist die textile Kunst des Malens mit der Nadel als Verzierung eines Stoffes mit Ornamenten oder Figuren. Die Stick-D. fußen in Deutschland auf einer langen Tradition.

Eine D. des Erfurter Dommuseums in wollenem Klosterstich [1, Abb. 95], die wohl in einem Benediktinerinnenkloster in der Nähe von Würzburg um 1360–70 entstand, zeigt unter Rundbogen figurenreiche Szenen aus der Tristansage. Das reihenmäßige Gegeneinandersetzen der fortlaufend gegebenen Erzählung möge als Beweis für die Verwendung als D. dienen. Sticktechnik und Themenwahl ordnen sie in die Gotik und in eine ritterliche Umgebung (Inv. Stadt Erfurt I, 1929, S. 310–14; s. a. Herb. Kunze in: Jb. d. Dkpfl. Prov. Sachsen u. Anhalt 1933/34, S. 104f.).

Die seit romanischer Zeit in Deutschland geübte Leinenstickerei zeigt eine weitere D. in Erfurt aus M. 14. Jh. [1, Abb. 102]. Die in Reihen geordneten Vierpässe enthalten jeweils gegenständig gegebene, heraldisch stilisierte Fabeltiere, die Zwickel füllen Blüten. Es sind weitergeformte Motive orientalischen Ursprungs. Die Einbindung eines solchen Rapportmusters zur allseitigen D. geschieht durch die Umrandung mit einem Wellenband, das Rosetten in die Schwingungen einschließt.

Eine um 1400 wohl im niedersächsischen Kloster Wienhausen entstandene Leinen-D. in Weißstickerei und farbigen Seiden [1, Abb. 103] läßt das bisher zu beobachtende Netzmuster zugunsten des stark isolierten Einzelmotivs fallen. Die Rauten fügen sich aus vier symmetrischen Blattmotiven zulammen, ihre Mitte füllt jeweils ein springender Steinbock. Je zwei dieser Motive sind in derselben Reihe gegen eine Mittelreihe anderer Deutung gestellt: hier sind kleinere laufende Hirsche übereinander angeordnet. Die D. ist in ihrer ursprünglichen, breit-rechteckigen Form erhalten und durch eine an drei Seiten umlaufende Bordüre abgeschlossen. Damit dürfte ihre Verwendung an einem von einer Seite zu sehenden Tisch – vielleicht auch herabhängend – anzunehmen sein.

Die Verbindung von weißer Leinen- und bunter Wollstickerei zeigt eine D. aus Kloster Isenhagen (Abb. 1), ebenfalls niedersächsischer Herkunft. Die sonst nicht wieder anzutreffende Vereinigung von Weißstickerei mit aus besonders feinen Fäden bestehender Wollstickerei sowie Zeichnung und technische Vielfalt ergeben ein Werk von seltener Qualität. Das vorgeschrittene gotische Formelement offenbart sich in dem Gleichgewicht zwischen Ranken und heraldischen Tieren, obwohl das Grundmotiv als Medaillon-Netzmusterung aus großen Lilien und Rosetten gebildet ist. Die in den Medaillons bewegt gegebenen Tiere tragen große Rankenzweige. Die Stickerei kann – im Unterschied zur Weberei – jedes Medaillon mit einem anderen Tier schmücken. Die in einer Richtung springenden Tiere – ein Element der Weberei – werden hier in der Mittelreihe durch gegenständige Adler am Außenrand kompositionell – als D.! – gebunden. Die auf allen vier Seiten umlaufende Bordüre aus Ranken faßt abwechselnd Weinblätter und deutbare Wappen.

2. gewirkt

Gewirkte D. sind seit M. 16. Jh. erhalten; die Technik wird allerdings in Deutschland bereits seit dem 11. Jh. geübt. Im 16. Jh. bemühten sich die deutschen Fürsten, eigene Unternehmen mit Hilfe flämischer Wirker zur Blüte zu bringen.

Wir nennen einige der ältesten erhaltenen Beispiele:

Aus der Hand Seger Bombecks, eines Flamen in kursächsischen Diensten, stammt eine gewirkte D. in Leipzig [1, Abb. 147]. Sie zeigt in der Mitte das kursächsische Wappen, von einer Blumenbordüre umrandet, und ist, wie aus der Signatur hervorgeht, im Jahre 1551 an den Rat der Stadt Leipzig geliefert worden.

In der schlesischen Werkstatt des Herzogs Georg II. zu Liegnitz und Brieg arbeitete der Flame Egidius Hohestraße. Die im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau bewahrte Tisch-D. [1, Abb. 149] gehörte zu den Ausstattungsstücken der vom Herzog begründeten Fürstenschule und zeigt die beiden Wappen des Herzogs und seiner Gemahlin Barbara, Markgräfin zu Brandenburg, in großformigem Verdürengrund und gleichartiger Umrandung. Sie ist um 1570 entstanden.

Verwandtschaftliche Beziehungen zu Schlesien und eigener Unternehmungsgeist veranlaßten den Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg zur Einrichtung einer eigenen Werkstatt, die nicht nur fürstliche Aufträge ausführte, sondern auch private Besteller bediente. Für den kurfürstlichen Leibmedicus Leonhart Thurneysser zu Thurn fertigte man eine Wappen-D. [1, Abb. 150], die sich durch die Verwendung architektonischer Versatzstücke und allegorischer Figuren, von Symbolen und Sinnsprüchen, Flechtbandbordüre und Rollwerk von den bisher genannten Typen wesentlich unterscheidet. Die Schriftumrandung nennt den Stifter, Verwendung der D. als Gedenk-D. und die Jahreszahl 1578.

Ein im Dienste der braunschweigischen Herzöge arbeitender Flame, Boldewin von Brüssel, schuf in der Hofwirkerei im Auftrage Ludwigs III. v. d. Asseburg und seiner Gemahlin Wappen-D., die als Brautgaben für seine Töchter bestimmt waren. Das Allianzwappen Asseburg-Westphal mit dem Datum 1608 steht auf einer solchen D. des Berliner Schloß-Mus. [1, Abb. 151] als Rund inmitten von Rankenrollwerk. Die Breite der Bordüre nehmen die sechzehn Ahnenwappen ein.

Eine Werkstatt in Wismar, vom mecklenburgischen Hof mit Aufträgen bedacht, bringt vom Auftraggeber losgelöste Themen wie die Darstellung Simsons mit dem Löwen auf einer um 1580 entstandenen D. in Berlin [1, Abb. 156], sowie eines Pelikans (Abb. 2). Das Mittelstück steht hier in Verdüren, das Ganze ist mit einer Verdürenbordüre gerandet; Geschlechterwappen erscheinen im Rand.

Aus einer Kasseler Werkstatt, die noch im 18. Jh. arbeitete, stammt eine mit der schwingenden Linie barocken Rankenwerks ausgestattete ovale Tisch-D. von 1703 im Landgrafen-Mus. in Kassel [1, Abb. 169], deren Mitte das landgräfl. hessische Wappen ziert. Nicht mehr flämische, sondern aus Aubusson eingewanderte französische Wirker sind für die Qualität verantwortlich.

3. gestrickt

Im 17. und 18. Jh. wird in Neiße und in Straßburg die Kunst des Figurenstrickens für die D.-Anfertigung geübt. Eine Strick-D. aus dem südwestdeutschen Raum zeigt im Mittelfeld den Doppeladler des Reiches, umgeben von Blüten- und Rankenwerk; in den Ecken stehen gekrönte Fabeltiere und Papageien [1, Abb. 173]. Die Arbeit zeigt die Meisterinitialen H K und die Jahreszahl 1690.

4. gedruckt

Gedruckte D. des 17. Jh. zeigen die Einwirkung der in der Weberei geübten Übernahme von Spitzenmustern, in Schwarz-Weiß-Wirkung gebracht [1, Abb. 175].

5. gewebt

Gewebte D. Die Zeit Friedrichs d. Gr. und Friedrich Augusts von Sachsen-Polen bedeutet in Deutschland die Blüte der Seiden- und Leinenweberei, namentlich in Schlesien. Auf einfarbigen und zweifarbigen Seiden- und Leinendamast-D. sind uns Städtebilder [1, Abb. 181f.], Jagdszenen und zahlreiche andere Darstellungen figürlicher Art erhalten, wie z. B. die Stierkämpfe auf einer D. in Breslau (Sp. 999/1000, Abb. 3). Als sogenannte „Friedensdecken“ (Abb. 3) verherrlichen sie den Friedensschluß des Siebenjährigen Krieges, indem sie die bisher feindlichen Potentaten im Mittelfeld an einem Tisch vereinen.

III. Verwendung

Verwendung der D. Über die Verwendung im kirchlichen Gebrauch siehe Altardecke (RDK I 489), Altartuch (RDK I 611–615), Chorpult (RDK III 554–556), Kanzel, Kelchvelum, Kredenztisch.

Im profanen Bereich dienen die künstlerisch wertvollen D. in erster Linie als Tisch-D., ferner auch als Bett-D. und zum Schmuck des Betpultes sowie einiger kleinerer Möbel.

Zu den Abbildungen

1. Kloster Isenhagen, Hannover. Decke mit Tieren und Wappen. Leinen, mit farbiger Wolle u. Seide gestickt. 1,22 × 1,65 m. Niedersächsisch 2. V. 14. Jh. Nach [1] Abb. 104.

2. Berlin, ehem. Schloßmuseum, Inv. Nr. 2045. Gewirkte Decke mit Pelikan, Blumen, Früchten und den Wappen der Familie des hzgl. mecklenburg. Hofmarschalls Werner von Hahn. Wolle, Seide und Goldfäden. 2,03 × 1,84 m. Wismar, um 1580. Phot. Mus.

3. Berlin, ehem. Staatl. Mus. f. dt. Volkskunde, Inv. Nr. 17 e. Sog. „Friedensdecke“ auf den Hubertusburger Frieden 1763. Seidendamast, weiß und rot. 1,05 × 0,95 m. Schlesisch, 1763. Phot. Mus.

Literatur

1. Renate Jaques, Deutsche Textilkunst, Krefeld (1953). – 2. Lehnert I und II. – 3. Göbel. – 4. Schuette. – 5. Bossert V und VI. – 6. H. Gravenor, Gammelt daekketoi av damast og dreiet (1580–1850), Oslo 1926.