Diakonikon

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englisch: Diaconicum, vestry; französisch: Absidiole latérale (diaconicum); italienisch: Diaconico.


Rudolf Egger (1954)

RDK III, 1382–1387


RDK III, 807, Abb. 4. Romainmôtier, um 1000.
RDK III, 1383, Abb. 1. Sursee, Kt. Luzern, 10. Jh. (?).
RDK III, 1383, Abb. 2. Hoischhügel, Kärnten, 5./6. Jh.
RDK III, 1385, Abb. 3. Trier, 326 bis Ende 4. Jh.

I. Begriff und Name

Das Wort D. ist griechisch, stammt aus dem hellenistischen Osten und bedeutet „zum Diakon gehörig“. Mag es im christlichen Osten mehrdeutig geworden sein, im Abendland bezeichnet es eindeutig den besonderen Raum des Kirchengebäudes, wo die Diakone walten. Zum Adjektiv ist ein Substantiv etwa οἴκημα hinzuzudenken, wie das D. auch οἶκος ἀσπαστικός d. i. salutatorium sc. cubiculum genannt wird (Theodoret, Hist. eccl. 5, 18, 13, ed. Parm, S. 311); vgl. die loca diaconica Cod. Theod. 16, 5, 31, a. 396. D. ist im Lateinischen Lehnwort, die Übersetzung lautet vestiarium, paratorium, secretarium u. a., je nachdem seine Verwendung betont wird: das Umkleiden der Zelebrierenden, die Vorbereitung des Meßopfers, eine im D. stattfindende Beratung. Unserem Sprachgebrauch und unseren Vorstellungen entspricht am besten Sakristei. In der altchristlichen Zeit hat das Kirchengebäude noch einen zweiten gleichartigen Raum, in welchem die Opferspenden der Gemeinde niedergelegt wurden, die πρόϑεσις lat. prothesis. Beide Räume pflegten symmetrisch in bezug auf den Altarraum angeordnet zu sein. Wurde in ihnen die Eucharistie aufbewahrt, so wurden sie auch mit einem von Anbauten des hellenistischen Tempels herrührenden Ausdruck als παστοφόρια, lat. pastophoria bezeichnet.

II. Lage

In den abendländischen Kirchenbau wurden zunächst sowohl D. als auch Prothesis übernommen, doch ist die Rolle, welche sie gemäß ihrem Charakter als Nebenräume spielen, eine bescheidene. Nur dort, wo beide ausgebaut sind, können wir den einen mit Sicherheit als D. ansprechen; gibt es nur einen Nebenraum, dann muß dieser die Funktionen beider erfüllen. Wenn bei ausgegrabenen Kirchen diese Anbauten fehlen, ist anzunehmen, daß einst solche aus Holz vorhanden waren, wie oft bei Landkirchen unserer Zeit; vgl. die erste und zweite Kirche unter dem Dom von Xanten (Germania 18, 1934, Taf. 13) oder die erste Anlage von St. Alban in Mainz (Mainzer Zs. 4, 1909, Taf. 5). Überblickt man den Denkmälervorrat, so ergeben sich einfache Gruppen: die zwei Nebenräume sind außen angebaut, symmetrisch verteilt oder an einer Seite, sie sind im Kircheninnern abgegrenzt, schließlich sind sie durch einen einzigen Raum ersetzt. In den Gruppen sind kleine Varianten möglich.

Beispiele: D. und Prothesis am Ende des Langhauses l. und r. angefügt zeigt der Grundriß der ersten Kirche an der Stelle des Münsters von Romainmôtier, Westschweiz, M. 5. Jh. Den gleichen Plan wiederholt die früh-m.a. Kirche am gleichen Platze (s. Sp. 807/08, Abb. 4; vgl. dazu [3] S. 127f.).

Wenig beachtet ist bisher der Parallelfall, auch auf Schweizer Boden: die altchristliche Kirche auf der Landzunge des Sempacher Sees bei Sursee, ein einschiffiger Saal mit Rundapsis in Schiffbreite, einem Vorraum und seitlich angebauten Nebenräumen, nur daß diese mit Apsiden ausgestattet sind. Irrig wäre es, diesen Bau unter die kreuzförmigen einzureihen (Abb. 1; vgl. R. Bosch in „Urschweiz“ 5, 1941, 22–31). Eine interessante Sonderlösung bieten die Nebenräume am Ostchor des St. Gallener Idealplanes: angebaut an den großen Altarraum, zugänglich von diesem und dem Querschiff, halb so breit wie die Seitenschiffe und kürzer als der Altarraum. Dadurch wird das Äußere des Ostchores mehrfach abgestuft und nicht wenig belebt.

Sind D. und Prothesis in Verlängerung des Schiffraumes angebracht, zu Seiten der Apsis, so ergeben sich zwei Typen. Beim einen ist die Tiefe der Nebenräume geringer als die der Apsis, und diese tritt im Aufriß hervor; beim andern sind Nebenräume und Apsis gleich tief und es kommt zum geradlinigen Abschluß der Kirche an der Chorseite, wobei die Apsis im Aufbau verschwindet. Den ersten Typ vertritt die Kapelle der spätantiken Burg auf dem Hoischhügel in Südkärnten (Abb. 2; vgl. [3] S. 103f., Abb. 95f.). Den zweiten Typ weisen Gradenser Kirchen auf: S. Maria delle Grazie, E. 6. Jh. ([3] S. 125 Abb. 109), und die ältere auf der Piazza della Corte ([3] S. 126 Abb. 110, ferner S. 123ff.).

Seltener finden sich die Nebenräume an der einen Langseite der Kirche. Eine solche Lösung bedeutet weder eine praktische Verbesserung noch einen Fortschritt, den ein planender Architekt erdacht hat, sondern es sind lediglich Hindernisse, welche sie hervorrufen. So war die Anlage sicher bei der altchristlichen Kirche im Legionslager von Lauriacum – Lorch bei Enns, O.Ö. (Österr. Jahreshefte 30, 1937, Beibl. Sp. 294 Abb. 86). Diese Kirche wurde in eine Ecke des Garnisonsspitales hineingebaut, eine Prothesis an der Südseite hätte die anstoßende Halle verunstaltet. Bei der altchristlichen Kirche auf der Höhe des Ulrichsberges in Kärnten waren die Nebenräume nur an der Nordseite möglich, da an der südlichen das Gelände zu stark abfällt (Carinthia I, Jg. 140, 1950, S. 57 Abb. 16). In Aquileia sind die zwei Kirchen des Bischofs Theodorus, erbaut bald nach 313 n. Chr., um einen Binnenhof gelegen, daher die Nebenräume der Kirchen je an der Hofseite („La basilica di Aquileia“, 1933, S. 276 Abb. 17, und S. 153 Abb. 10). Aquileia leitet gleich über zu jenen Kirchen, bei denen an das Langhaus Pseudo-Seitenschiffe angeschlossen werden. D. und Prothesis bilden in diesen beiderseits der Chorpartie den östlichen Abschluß einer Flucht von Gelassen. Eine solche Anlage, voll erhalten, ist die Nordkirche von Nesactium, Istrien, nahe Pola ([3] S. 117 Abb. 105).

Bei mehrschiffigen Kirchen ergibt sich als einfachste Art, Nebenräume unterzubringen, das Abgrenzen derselben am Ende der Seitenschiffe. Die ältesten Trierer Kirchen, die der konstantinischen Zeit angehören, haben schon diese praktische Lösung. Beim Südbau blieben D. und Prothesis bis ins 13. Jh. erhalten, beim Nordbau, dem Dome, wurden sie anläßlich des Umbaues unter Gratian in der alten Form wiederholt (Abb. 3). Auch bei solchen Anlagen kann selten der eine Raum als D. festgestellt werden. Nur wenn der eine mit dem Seitenschiffe verbunden, der andere von ihm abgemauert ist, kann kein Zweifel sein, daß letzterer das D. ist; Beispiel der Dom von Parenzo, Istrien, Anlage des Euphrasius, 6. Jh. (W. Neuß, Die Kunst der alten Christen, Augsburg 1926, S. 69). Bei Rundkirchen, die nur eine Türe haben und jeglichen Einbaues entbehren, wie S. Gereon in Köln, wird man D. und Prothesis in die zwei dem Altar benachbarten Nischen verlegen (Germania 29, 1951, S. 215ff., Abb. 1 und 3).

Die Entwicklung im Abendlande führte zum Einraum, unserer Sakristei. Vorgezeichnet ist sie in den einfachen Kirchen altchristlicher Zeit. Die Friedhofskirche auf dem Boden von Aguntum, bei Dölsach in Osttirol, hat D. angebaut ([3] S. 65 Abb. 69), die Kirche der spätantiken Fliehburg Duel, Oberkärnten, im l. Seitenschiff abgeteilt (R. Egger, Teurnia3, S. 77 Abb. 27). Zu der genetisch wichtigen Frage, in welchem Maße D. und Prothesis zum Werden des Querlchiffes beigetragen haben, siehe Querschiff.

Zu den Abbildungen

1. Sursee am Sempacher See, Kt. Luzern. Kirchenfundamente nach der Ausgrabung. Luftbild. 10. Jh. (?). Phot. Inst. f. Ur- u. Frühgesch. der Schweiz, Basel.

2. Hoischhügel bei Maglern, Südkärnten. Ehem. Kirche in der Römerburg, Ostansicht nach Rek. des Verf. 5./6. Jh. Nach [3] Abb. 96.

3. Trier, Grundriß des Dombezirks nach den Grabungen bis Frühjahr 1954. Unten die konstantinische Südkirche, 326 (heute Liebfrauen); oben die Nordkirche mit dem zentralen Erweiterungsbau von E. 4. Jh. (heute Dom). Maßstab 1 : 1360. Zeichnung Dr. Theodor K. Kempf, Trier.

Literatur

1. Du Cange, Kommentar zu Paulus Silentiarius, descriptio S. Sophiae, in Scriptores hist. Byz. 42, S. 133ff. unter Nr. 68. – 2. Cabrol-Leclercq IV, 1, 733–5. – 3. Rud. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Norikum, Sonderschriften des Österr. Archäol. Inst. 9, Wien 1916.

Verweise