Docilitas

Aus RDK Labor
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englisch: Docilitas; französisch: Docilitas; italienisch: Docilità.


Ludwig Heinrich Heydenreich (1955)

RDK IV, 100–101


RDK III, 1399, Abb. 10. Pieter de Tode, 17. Jh.

Die D. (= Gelehrigkeit) tritt vom späteren MA an in mehrfacher Bedeutung auf. Als Mater scientiarum, d. h. der Artes liberales (s. Künste, Freie), ist sie – in Parallele zur Discretio, der Mater virtutum – am Stamm des Baumes der sieben Freien Künste in der „Canzone delle virtù e delle scienze“ (ital. Hs. des 14. Jh. in Chantilly, Mus. Condé; [1]) dargestellt: eine gekrönte, thronende Frauengestalt, in der Rechten einen Stab, in der Linken ein aufgeschlagenes Buch haltend (Abb. bei [1], Faks. fol. 1 r und 10 v). Ferner kann die D. eine Tugendeigenschaft verkörpern: so in einem Sockelrelief an Orcagnas Tabernakel von Or S. Michele in Florenz (1359), wo sie, zusammen mit der Solertia, als Begleiterin der Prudentia erscheint (Klara Steinweg, A. Orcagna, Straßburg 1929, S. 101f. u. Abb. 24; s. a. Tugenden).

Schließlich figuriert die D. als eine von zwölf Liebestugenden – als Frau reifen Alters mit einem Bakel in der Hand dargestellt – in den „Documenti d’Amore“ des Franc. de Barberino (Hs. des 14. Jh., Rom, Vat. Cod. Barb. lat. XLVI, 18, fol. 4 v, und 19, fol. 4 v; Franc. Egidi, L’Arte 5, 1902, Abb. S. 10f.).

In nach-ma. Zeit wurde die D. zur allgemeinen Allegorie der Gelehrigkeit und Lernfreudigkeit. Ripa schildert sie als jugendliche Mädchengestalt, die ihre Arme „wie zur Umarmung“ öffnet; als Brautschmuck trägt sie einen Spiegel, auf dem Haupt sitzt ein „gefälliger“ Papagei. Die Armhaltung bedeutet die Aufnahmebereitschaft, der Spiegel das Auffangen aller Phänomene der Natur, der Papagei (nach Plinius) Lerneifer und rasche Auffassungsgabe (C. Ripa, Iconologia, Venedig 1645, S. 163 o. Abb.). In dieser Bedeutung der „prontezza della discorsiva“ findet sich der Papagei auch auf späteren Darstellungen der Dialektik (bei Pieter de Tode u.a.; s. RDK III 1400, Abb. 10). – Anderes Attribut: ein Joch auf den Schultern (Nic. Cochin [2]). Sinnbild der D. ist auch der Elefant, nach Plinius, Hist. nat. 8, 3.

Literatur

1. Leone Dorez, La Canzone delle Virtù e delle Scienze di Bartolomeo di Bartoli da Bologna, Bergamo 1904. – 2. Gravelot-Cochin, Iconologie par Figures, ou Traité complet des Allégories, Emblèmes etc., 4 Bde., Paris o. J. (ca. 1790).