Egypten
englisch: Egypt; französisch: Égypte; italienisch: Egitto.
Erich Hubala (1956)
RDK IV, 750–775
Äg. = Ägypten; äg. = ägyptisch (das Stichwort „Egypten“ geht auf die Schreibgewohnheit des Begründers des RDK, Otto Schmitt, zurück).
I. Der Begriff ägyptischer Kunst im Abendland
Unter äg. Kunst verstand das christliche MA im allgemeinen Kunstwerke, die in der schriftlichen oder mündlichen Überlieferung mit Äg. zusammengebracht wurden, gleichgültig ob äg. oder nicht-äg. Ursprungs. Seit dem 15. Jh. (in Italien; seit dem 16. Jh. in Deutschland) wurden dann – neben der weiter gepflegten ma. Auffassung – unter äg. Kunst fast ausschließlich ptolemäische oder kaiserzeitlich-römische Dinge ägyptisierender Art begriffen, was auch Fälschungen des 17. und 18. Jh. erweisen. Von Graf Caylus (Recueil d’antiquités égyptiennes, étrusques, grecques, romaines et gauloises ..., 7 Bde., Paris 1752–67) theoretisch gefordert, durch J. J. Winckelmanns stilkritische Betrachtung entscheidend beeinflußt (Gesch. d. K. des Alterthums, Dresden 1764), formierte sich erst im 19. Jh. das moderne Bild von äg. Kunst, nachdem die Entzifferung der Hieroglyphen durch Champollion (1827) einer exakten Ägyptologie die Grundlage gegeben hatte [1].
II. Äg. u. Deutschland
Schaffung und Verbreitung des koptischen Zönobitentums und die Lehren des alexandrinischen Arius († 336) brachten Äg. und das Abendland in bedeutsamen Kontakt. Deutschland erreichten diese Bewegungen nur in völlig verwandelter Form und über viele Verbindungsglieder hinweg. Sind auch christliche Ägypter früh in den Rheinlanden bezeugt (Hl. Athanasius 335–37 in Trier), spielt auch die Verehrung von Heiligen der Thebaischen Legion (Hl. Mauritius z. B., zw. 280 und 300 in St. Moritz niedergehauen) dort, in der Schweiz und in Oberitalien eine gewisse Rolle, zeugen auch Bodenfunde (koptisches Bronzegeschirr des 6./7. Jh. [24]) von der weiten Verbreitung koptischer Erzeugnisse, so handelt es sich doch um vereinzelte, der Anzahl nach unerhebliche Dokumente. Diese wurden überdies in Deutschland weder als äg. noch als grundsätzlich verschieden von anderem, syrischem oder byzantinischem Import angesehen. Der Einfluß koptischer (John D. Cooney, Late Egyptian and Coptic Art. An Introduction to the Coll. in the Brooklyn Mus., Brooklyn 1943) und später fatimidischer (10./11. Jh.) Kunst auf die abendländische wird von der Forschung sehr verschieden beurteilt [26]. Während ein Teil der Forschung selbst das Bandornament auf koptische Ursprünge zurückführen (Wilh. Holmqvist, Kunstprobleme der Merowingerzeit, Stockholm 1939) und auch in der vorkarolingischen Plastik (Franz Rademacher, Bonner Jbb. 143/144, 1938/39, 265–82) die Auswirkung koptischer Kunst erkennen will, wird andererseits darauf hingewiesen, daß das weitläufig importierte Formengut seit dem 6. Jh. hauptsächlich von Byzanz her bestimmt und eine klare Vorstellung von der Eigenart koptischer Kunst bisher nicht erzielt wurde (Edouard Salin, La civilisation mérovingienne d’après les sépultures, les textes et le laboratoire, 1: Les idées et les faits, Paris 1949).
Von Bedeutung war dagegen der direkte Kontakt mit dem christlichen Äg., der durch abendländische, auch deutsche Palästinapilger hergestellt wurde: die Pilger besuchten z. T. auch Oberäg. wegen der Erinnerungsstätten an Christi Leben und der koptischen Wallfahrtsorte (Carl Maria Kaufmann, Die Menasstadt, Lpz. 1910). Wie wenig aber solche Beziehungen Einfluß auf die Ikonographie äg. Heiliger (Mauritius, Athanasius) und Christi hatten, beweist das Fehlen äg. Formen auf den abendländischen Darstellungen etwa der Flucht nach Ägypten oder die in ma. Enzyklopädien überlieferte Deutung der Pyramiden als Kornspeicher des äg. Joseph.
Mit dem auch in Deutschland seit 1500 einsetzenden Interesse am alten, heidnischen Äg. lebte das christliche Äg. nur mehr in den Heiligenviten (nicht aber in deren Ikonographie) fort. Dagegen setzten seit dem 17. Jh. Studien der koptischen Sprache auch bei Deutschen ein, während die Erforschung koptischer Kunst erst später, fußend auf Ausgrabungen, wissenschaftliches Anliegen wurde. Mit Ciriaco d’Anconas Äg.-Fahrten (2. V. 15. Jh.) begannen Forschungsreisen nach Äg. mit hauptsächlich epigraphischem Interesse (s. u. III).
Orientreisen des Pietro della Valle, 1615–27, in Äg. beginnend; dt. Ausgabe seiner „Reißbeschreibung“ Genf 1674 [43]; Anlage eines koptischen Glossars. – Athanasius Kircher, Turris Babel etc., Amsterdam 1679 (S. 172, 203); Christian Blumberg, Fundamenta linguae Copticae, Lpz. 1716.
Von Deutschen reisten früh nach Äg.: Phil. Graf von Katzenellenbogen, 1433/34 (vgl. J. von Arnoldi in: Die Vorzeit, Marburg a. d. L. 1821, S. 58f.; [16]); Felix Faber aus Ulm, 1483; Bernhard von Breidenbach, 1483/84 (Peregrinationes in Terram Sanctam, Mainz 1486; bis 1498 ins Deutsche, Niederdeutsche, Französische und Spanische übersetzt); Ludwig Vartoman (Die Ritterliche und Lobwirdige Reysz ... welche sagt von den Landen Egypto ..., Frankfurt a. M. 1556; Ausst.Kat. Aufgang der Neuzeit, G.N.M. Nürnberg 1952, Nr. V 33); Lupoid von Wedel, 1578 (M. Bär, L. v. W., Beschreibung seiner Reisen und Kriegserlebnisse, Stettin 1895); Samuel Kiechel, 1585–89; Christoph Fürer von Haimendorff, 1565 (Jtinerarium Aegypti ..., Nürnberg 1620; [16]). Vgl. ferner R. Röhricht u. H. Meisner, Dt. Pilgerreisen nach dem hl. Lande, Bln. 1880.
André Thévets Cosmographie du Levant, Lyon 1554, ist die bedeutendste der illustrierten Kosmographien des 16. Jh., welche Äg. behandeln.
Erst das 18. Jh. brachte den Übergang von der ägyptisierenden Szenographie und topographischen Synopsis zur topographischen Aufnahme äg. Landschaft und äg. Denkmäler.
Richard Pococke, Description of the East, dt. Übers. R. Pocock (!), Beschreibung des Morgenlandes und einiger anderer Länder, aus dem Engl. von Breuer und Schreber, Erlangen 1790/91. – Dominique Vivant Denon, Voyages dans la Basse et la Haute Égypte, Paris 1802 (s. a. „Decription de l’Égypte“); die Aufnahmen Denons wurden während des Feldzugs von Napoleon in Äg. 1798–1801 besorgt. – Daneben lebt der Typus der „voyage pittoresque“ (z. B. Louis-François Cassas, Voyage pittoresque de la Syrie, ... et de la basse Égypte, Paris 1799ff.) und das Ägyptisieren in Form eines Romanes fort (Jean Terrasson, Die Geschichte Sethos, übers. von Matthias Claudius, Lpz. 1794).
Mit der Konstituierung einer exakten Ägyptologie (1843–45 Expedition von Rich. Lepsius, Entdeckung des „Alten Reiches“), den wirtschaftspolitischen Zielen folgend (Eröffnung des Suezkanals 1869), fügte sich Äg. in den Rahmen moderner Beziehungen Europas zum Ausland ein.
III. Hieroglyphen und Hieroglyphik
Im MA Gegenstand von Legendenbildung, noch von Serlio „bizzarerie egiziane“ genannt, wurden äg. Hieroglyphen seit A. 15. Jh. in Italien Gegenstand eingehender Studien [5; 6], deren Ziel Entzifferung äg. Schrift, deren bedeutendstes Ergebnis für die europäische Kunst jedoch Schaffung eines szenischen Ensembles äg. Motive war: Fra Colonnas „Hypnerotomachia Polifili“, Venedig 1499 (Text bereits 1467 abgeschlossen; [31]). Der Fund einer griechischen Hs. des 4. oder 2. Jh. n. Chr., der Hieroglyphica des Nilus, in der man den Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen gefunden zu haben glaubte (1419), führte bereits in der 2. H. 15. Jh. in Italien, um 1500 in Deutschland über die Erforschung der äg. zur Schaffung eigener Bilderschrift hinaus. Diese Hieroglyphik gehört nur im Hinblick auf ihren Anlaß und auf die damit zusammenhängende Erstarkung des Interesses an äg. Dingen in unseren Zusammenhang. Ihrem inneren Antrieb nach und ihrer weiteren Entwicklung wegen ist sie eine charakteristisch abendländische Erscheinung, deren geschichtliche Bedeutung in der Fortbildung einer dem MA eigentümlichen Auffassung des Bildzeichens bis ins Barockzeitalter liegt. Da die Hieroglyphe als Kryptogramm aufgefaßt wurde, war die Hieroglyphik entweder esoterisches Mittel oder moralisierende Bildersprache [15]. Ihr Ziel war ein bildhafter Zusammenhang von Gegenständen, deren besonderer Sinn neben ihrer landläufigen Bedeutung es erlaubt, das ganze Bild wie einen Satz zu „lesen“ (Dürer, Geheimbild in der Ehrenpforte Kaiser Maximilians, 1515). So entstand aus einer ägyptisierenden Philologie eine allegorisch-symbolische Ikonologie (Cesare Ripa, Iconologia, Rom 1593), die Hieroglyphe verwandelte sich in Emblem (Andrea Alciati, Emblematum liber, Augsburg 1531, mit Illustrationen v. Jörg Breu), Devise (RDK III 1345 – 54), Symbol, Attribut (RDK I 1212–20) und allegorische Figur (s. Allegorie, ebd. Sp. 346–65; Personifikation). Noch Ph. O. Runges Bemühungen um die Gestaltung der „Tageszeiten“ (1801–10) und Moritz von Schwinds Frühwerk „Adams Schlaf“ (um 1825) spiegeln die Wirkung dieser Hieroglyphik (s. hierzu [8; 43]). Auch die Theorien über die Entstehung der Schrift sind im 17. und 18. Jh. weitgehend von der Hieroglyphik beeinflußt.
Ihr ursprüngliches Ziel, die Entzifferung äg. Schrift, hat die Hieroglyphik niemals erreicht. Athanasius Kircher (Lingua aegyptiaca restituta, Rom 1643; Obeliscus Pamphilius, Rom 1650; [46]) schuf zwar ein in sich schlüssiges, aber objektiv falsches System von Lesarten. J. J. Winckelmann fand die Bemühungen um Entzifferung der Hieroglyphen „lächerlich“. J. F. Champollion (1790–1832) ist bei seiner Entzifferung von andern Voraussetzungen und Methoden ausgegangen.
IV. Äg. Götter und Mythologien
Verehrung äg. Gottheiten im römisch besetzten Germanien bezeugen Bodenfunde [11]. Äg. Götter und Mythen waren den auf antiker und später auch den auf arabischer Überlieferung fußenden ma. Schriftstellern wohl bekannt; auch bildliche Darstellungen sind nachweisbar (Rom, Bibl. Vat. Cod. Pal. 1066, fol. 224 v: Jupiter Amon [15]; Hrabanus Maurus-Hs. in Montecassino: Merkur Anubis; s. a. [14]). Ma. Traditionen bildeten auch eine Grundlage für äg. Götterkataloge deutscher Autoren nach 1500.
Vgl. die Schriften des Georg Pictor (Theologia mythologica etc., Freiburg i. Br. 1532; Apotheosis allegoricus etc., Basel 1558; [15]), des Johann Herold (Heydenweldt und irer Götter anfancklicher Ursprung, Basel 1554, illustriert) und des Georg Johann Herwart von Hohenberg (Thesaurus Hieroglyphicorum, Mchn. um 1610; [46]).
Der Titel des letzten Buches weist auf eine zweite Quelle äg. Mythologien, auf die italienische Hieroglyphik (s o. III) hin. Eine dritte sind die Neuausgaben antiker Autoren:
Herodot (II, hrsg. v. Lorenzo Valla, † 1457); Plutarch (De Iside et Osiride, hrsg. v. Celio Calcagnini, 1544); Diodorus Siculus (Bibliotheca historia, übers. v. Poggio Bracciolini, † 1459; dt. Übersetzung von F. A. Stroh, Ffm. 1782–86, 6 Bde.); Macrobius (Saturnalia); Heliodorus (Aethiopica); Plinius (Rer. nat. hist., hrsg. v. Baroaldus, Parma 1476).
Sammlung und Veröffentlichung spätantiker Kleinkunst mit Götterdarstellungen (Gemmen und Skarabäen) nährten die bildlichen Darstellungen äg. Mythologien seit Vincenzo Cartaris vielgelesenem Werk „Immagini degli dei delli antichi“, Venedig 1596 (Vicenza 16022, Bd. I S. 104–13, Anhang S. 5ff. – Étienne Dupéracs [1560–1601] geplantes Stichwerk „Illustration de Fragmen[t]s Antiques“ ist nie erschienen, die bedeutsamen Zeichnungen für den zweiten Band behandeln vielfach Themen der äg. Mythologie: vgl. Jean Guiffrey u. Pierre Marcel, Inv. général des dessins du Mus. du Louvre etc. Bd. 5, Paris 1910, Nr. 3846ff. m. Abb.). Neben Isis (Abb. 4), Anubis, Osiris und Horus erscheinen auch der löwenköpfige Typhon, Serapis mit schlangenumwundenem „Signum triciput“ [14] und Kanopus, der äg. Gott in Gestalt einer Vase (Abb. 3). Ath. Kircher gab eine Konkordanz äg. Gottheiten mit chaldäischen, griechischen und römischen Göttern heraus (Turris Babel, Amsterdam 1679, S. 143), versuchte eine Synopsis heidnischer und christlicher Mythen auf philologischer Grundlage und erdichtete sogar äg. Gottheiten: Kophta-Mophta (Obeliscus Pamphilius, Rom 1650, S. 283). Das größte und meistgelesene Kompendium in deutscher Sprache, Joachim von Sandrarts „Iconologia deorum“, Nürnberg 1680, faßt alle bekannten bildlichen Götterdarstellungen zusammen, im Text jedoch spielen äg. Götter kaum eine Rolle. Johann Daniel Maior widmete dem Jupiter Serapis als „medicus Aeguptus deus“ eine Schrift (Kiel 1685; [19]). Paul Ernst Jablonskis „Pantheon aegyptiorum sive de diis eorum commentarius“, Frankfurt a. M. 1752 [19], dürfte die letzte äg. Mythologie in deutscher Sprache sein. Ende des 18. Jh. spielte die Kenntnis äg. Götter keine Rolle mehr, „Isis ist (in Deutschland) die einzige, die es wenigstens zur Patin einer Zeitschrift gebracht hat“ [19, S. 77]. In der deutschen Kunst hat die äg. Kunst erstaunlich wenig schöpferische Gestaltung gefunden, mit Ausnahme des einzigartigen Apis-Altars Joh. Melchior Dinglingers in Dresden (Abb. 7; [19]; s. VI).
V. Äg. in der europäischen Kunsttheorie
Zwei antike Anschauungen über äg. Kunst haben auf die Kunsttheorie und Ästhetik des Abendlandes entscheidend eingewirkt:
1. Die von Platon vertretene Auffassung, äg. Kunst sei maximal idealistisch, also vergesetzlicht und damit optimal vorbildlich, zeitlos (Erwin Panofsky, Idea. Ein Beitrag z. Begriffsgesch. d. älteren Kunsttheorie, Bln. u. Lpz. 1924, S. 3). Dieses Urteil, in dem unser Begriff vom Monumentalen angelegt ist, hat auf die Kunsttheorie vom 15. Jh. an fortgesetzt eingewirkt: Alberti, Palladio, Vasari, Lomazzo, Kircher, Bellori, Fischer von Erlach. Erneuerungsbestrebungen in der Kunst des späten 18. Jh. (Ledoux, David), des 19. und 20. Jh. haben sich darauf gestützt (Runge, Desiderius Lenz, Maurice Denis); beim Durchbruch der klassizistischen Kunsttheorie (Graf Caylus, J. J. Winckelmann, A. R. Mengs, G. E. Lessing) leisteten solche Anschauungen wertvolle Dienste (Curt Gravenkamp in: Geistige Welt 2, 1947, 66ff.).
2. Die seit Herodot immer wiederholten Berichte über die Kolossalität äg. Denkmäler und ihrer von tieferem Sinne geprägten Gestalt (s. Pyramide). In Verbindung mit Nachrichten von der staatlichen Verfassung des Alten Äg. (Priesterherrschaft, Gott-Königtum der äg. Pharaonen) haben die Gedankengänge die staats- und kunstpolitischen Konzeptionen des 16. Jh. (Obelisken-Renaissance Papst Sixtus’ V., 1580 bis 1585), 17. Jh. (Frankreich unter Ludwig XIV., s. P. Claude-François Menestrier, Histoire du roi Louis le Grand par les médailles, emblèmes, devises etc., Paris 1689) und 18. Jh. nachweisbar angeregt, wobei äg. Sonnenmythos und damit dem Obelisken besondere Bedeutung zukam.
Die Architekturtheorie hatte am wenigsten Anteil an solchen Konzeptionen. Vitruvs äg. Haus (Architectura Buch VI Kap. 3, ed. J. Prestel, Straßburg 1913) wurde zwar rekonstruiert (Andr. Palladio, I quattro libri dell’ architettura, Venedig 1570, Buch II Kap. 7, S. 33), aber kaum nachgeahmt. Die um 1500 geschaffene Verbindung römischen Bogen- oder griechischen Architravbaues mit äg. Pyramiden oder Obelisken hat nur auf Festdekorationen größeren Einfluß gehabt. Die äg. Pflanzensäule – abgesehen von ikonographisch motivierten Beispielen des 17. und 18. Jh. (München, Karl-Borromäus-Kirche, 1621–23, abgebrochen 1902) – blieb vereinzeltes Bildmotiv (z. B. bei Rembrandt, Zinsgroschen, 1629; Kl. d. K. 2, 19093, S. 11). Der Versuch G. B.Vincis (1795), die antiken Säulenordnungen alle aus Äg. abzuleiten, ist eine Kuriosität. Eine andere verdient wegen ihrer tieferen Bedeutung Beachtung: C. de Pauw (Recherches philosoph. sur les Égyptiens et les Chinois, Bln. 1773; [43]) und J. J. Barthélemy (Les Chinois, colonie égyptiennes, Paris 1758) vertraten bei ihren Versuchen, die chinesische von der äg. Kunst abzuleiten, nur die allgemeine Anschauung: dies wie auch die Gleichsetzung äg. mit etruskischer Kunst im 18. und 19. Jh. zeigt deutlich, daß man äg. Kunst als außerhalb der antiken im engeren Sinne empfand. Tatsächlich ist das Ägyptisieren im Abendlande, vor allem im 18. Jh., ein Dekorationsproblem und nicht fundamentale schöpferische Arbeit. G. B. Piranesi hat dieser Situation eine gute Interpretation verliehen: im Text und in den Stichen der „Diverse maniere d’adornare i camini“ etc., Rom 1769 (Abb. 10; [38]).
VI. Schöpferische Auseinandersetzung mit äg. Motiven in der dt. Kunst
1. Vom Ma bis zum 16. Jh.
Der Sphinx, in römischer und süditalienischer Monumentalplastik des 13. Jh., auch mit äg. Kopftuch, liegend dargestellt (Abb. 1; [30]), fand Eingang in die romanische Kapitell- und Reliefplastik [29], allerdings öfter in die hockende, geflügelte Sirenen-Form verwandelt. An spätgotischen Grabdenkmälern läßt sich gelegentlich Motivgleichheit in der Lagerung der Wappenlöwen mit alt-äg. Löwen feststellen [27]. Es fällt auf, daß diese ikonographische Besonderheit (z. B. Baden, Grabstein der Pfalzgräfin Johanna v. Moosburg, gest. 1444) zeitgleich ist mit der Entdeckung äg. Löwen unter Papst Eugen IV. (1431–47) in Rom (Fontana Termini, dann vor der Vorhalle des Pantheon). Obwohl Schedels Weltchronik (1493) weder den Namen noch die Gestalt des Obelisken kennt (Stadtbild von Rom: in Turmgestalt mit Beischrift „guglia“), ist auf S. 33 ein Prunkgefäß des Alten Reiches abgebildet [18, S. 92]. Abgesehen von dem als Hieroglyphik aufgebauten Geheimbild der „Ehrenpforte Kaiser Maximilians“ (siehe III), wo ja äg. Formen gar nicht verwendet sind, zeugen der Holzschnitt „Die Philosophen“ (B. 130, M. 245a) im Werke Dürers, die Illustrationen von Konrad Celtis’ „Quattuor libri amorum“, Nürnberg 1502, Jörg Breus d. J. Holzschnitt „David und Bathseba“ (Geisberg, Einblattholzschnitte Nr. 393/94) sowie Bildarchitekturen desselben Augsburger Malers oder Refingers (Marcus Curtius, 1540, München, A. Pin.) von früher Verwendung äg. Motive. Obelisk und Pyramide waren damit als Requisit deutscher Bildarchitekturen eingebürgert, allerdings im Sinne einer ganz allgemeinen Angabe von „antikisch“, keineswegs äg.: auf Darstellungen der Flucht nach Ägypten z. B. fehlen äg. Motive gänzlich bis ins 18. Jh. (Ausnahme: Nicolas Poussin). Seit 1571 (Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo) lassen sich Obelisken als Aktroterien an deutschen Giebelfassaden (RDK I 277/78, Abb. 5 u. 6; 909/10, Abb. 3; ebd. II 118, Abb. 11), an Portalen, in Innenräumen (Nürnberg, Hirschvogelsaal: die Obelisken erst um 1600!) und an Brunnen feststellen [34]. Obelisken als Eckakroterien in Quinkunxstellung (Elias Holl, Augsburger Rathausentwürfe und Modelle, Augsburg, Maxim.-Mus.; s. Ulr. Christoffel, Augsburger Rathaus, Augsburg 1929, Abb. 30–32; s. a. RDK I 923/24, Abb. 6), die auch manieristisches Kunstgewerbe als Turmobelisk verwendete (Wien, Mus. f. K. u. Gew., mechanische Turmuhr, Augsburger Arbeit um 1600), sind in der deutschen Kunst nur vereinzelte Reflexe einer bedeutenden italienischen Motivschöpfung um 1500 [34]. Der Sphinx, allerdings in freiester Nachbildung, fand Eingang in den deutschen Ornamentstich (z. B. Daniel Hopfer, Tabernakelentwurf, B. 171; Lukas Kilian, Zchg. einer Groteske im Berliner Kupferstichkabinett; vgl. auch Berliner, Taf. 149, 2; 150, 1; 151, 1; 153; 156; 164; 165, 2). In der Brüsseler GobelinManufaktur des 16. Jh. eingeführt (z. B. Wien, Gobelin-Slg.; Baldaß Bd. 2, Taf. 119ff., 149), verband sich der Sphinx vereinzelt auch mit anderen äg. Motiven, so z. B. mit hundsköpfigem Anubis, Ibis und Kranich (?) auf einem Florentiner Groteskenteppich des Jan Rost in den Uffizien zu Florenz (zwischen 1549–54, Abb. 2). Viele ägyptisierende Darstellungen des 16. und 17. Jh. sind für uns schwer als solche zu erkennen, weil (s. Dürers Geheimbild) die Formen dieser Hieroglyphik völlig un-äg. erscheinen (z. B. ein Prunkschild der Medici in der Wiener Waffen-Slg., der Entwurf einer Henkelkanne von Virgil Solis, B. 530, oder eine zwölfseitige Trinkschale des Wenzel Jamnitzer in der Münchner Schatzkammer der Residenz, Kat. A. Hausladen, 1931, Nr. 139).
2. 1700-1730
Von 1700 bis 1730. Neue Quellen, neue Formvorstellungen und große Ziele kennzeichnen das Ägyptisieren in der deutschen Kunst des 1. Dr. 18. Jh. Eine nach 1527 in Rom aufgetauchte spätptolemäische Bronzetafel mit Darstellungen äg. Götter, heiliger Tiere und opfernder Menschen (die „Mensa Isiaca“, Turin: [19] Taf. 5) sowie das nach 1600 aufgefundene große Mosaik mit der Nilüberschwemmung (Palestrina, Mus. Barberiniano), ferner zwei große Telamone aus rötlichem Granit, im 16. Jh. aus der Villa Hadriana in Tivoli gewonnen (jetzt Rom, Vat. Mus., Braccio Nuovo), sind die wichtigsten im Bilde immer wieder veröffentlichten Quellen neben den nun sorgfältig edierten Gemmen- und Skarabäenkollektionen. Eine neue, ins Große strebende Behandlung der bereits geläufigen äg. Motive (Sphinx, Obelisk, Pyramide) hatte während des 17. Jh. ihre Leistungen außerhalb Deutschlands entwickelt: Hendrik de Keysers Grabdenkmal für Wilhelm von Oranien (Delft, Nieuwe Kerk, 1614 beg.), G. Lorenzo Berninis Vierströmebrunnen auf der Piazza Navona (1647–52) und sein Elefantenobelisk vor S.M. sopra Minerva (1666; [35]), Francesco Borrominis Falkenpilaster am Palazzo Falconieri in Rom (1639/40; Eb. Hempel, Fr. B., Wien 1924, Taf. 29, 1), Nicolas Poussins Darstellungen der Auffindung Moses’, 1628/29 (Dresden) und 1638 (Louvre), sowie die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, 1658 (Slg. Stroganoff), sind Beispiele dafür (Otto Grautoff, N.P., Mchn.-Lpz. 1914, Bd. 2 Nr. 18, 77, 153). Auch für andere a.t. Darstellungen wurden bisweilen äg. Motive benutzt (z. B. Amsterdam, Dekoration im Hause Herengracht 168, von I. de Moucheron und N. Verkolje, 1. H. 18. Jh.: Abb. 6). Hinzu kam eine gesteigerte Auffassung der allegorischen Bedeutung äg. Motive, wie sie Obelisk und Pyramide in der Stilperiode des Louis XIV und der Sphinx (als Symbol des Schweigens, in dem die Götter wirken: [19] S. 25) im deutschen 18. Jh. zeigen.
Zwei einzigartige Leistungen bezeichnen Anfang und Ende dieser kurzen Zeit erfolgreichster schöpferischer Auseinandersetzung mit äg. Motiven: die Herkulespyramide im Park von Wilhelmshöhe b. Kassel (1701 Beginn der Planungen, Stichwerk von Giov. Francesco Guerniero 1706) und der Apis-Altar Joh. Melchior Dinglingers im Grünen Gewölbe in Dresden (1731 dat. [19]); letzterer ein Pantheon äg. Gottheiten, für dessen Einzelheiten Vorbilder fast lückenlos nachgewiesen wurden, dessen Gesamtkonzeption und künstlerische Durchführung beispiellos ist (Abb. 7). Dazwischen liegt zeitlich Joh. Bernh. Fischers von Erlach „Entwurff einer Historischen Architektur ...“, Wien 1721 (aber bereits 1712 geplant: Hans Sedlmayr, Fischer von Erlach d. Ä., Mchn. 1925), in dessen 1.–3. und 5. Buche die Summe der antiquarischen Kenntnisse von Äg., aber mit erfolgreichem schöpferischem Freimut, gezogen ist (Abb. 8).
Bezeichnend für die Formauffassung dieser Zeit ist die Behandlung des Obelisken im Schloßhof von Weikersheim (um 1710), wo die konventionelle Gestalt aus je zwei Tritonen gebildet wird; die paarweise Aufstellung von Obelisken findet sich vielfach, z. B. am Neustädter Tor in Potsdam, 1753 von Knobelsdorff (Abb. 9; 1945 teilweise zerst.); die Behandlung der Pyramide in dem Grabmal des Grafen W. Wratislaw von Mitrowitz in der Jakobskirche der Prager Altstadt (nach Entwurf von J. B. Fischer von Erlach, durch M. J. Brokoff 1714 ausgeführt) oder die Entwürfe Longuelunes für ein „Pyramidengebäude“ in Dresden-Neustadt, 1727–32 (H. Gerh. Franz, Zacharias Longuelune u. d. Bauk. d. 18. Jh. in Dresden, Bln. 1953, Abb. 55–61; vgl. auch die Communs am Neuen Palais in Potsdam, 1765–69 von Karl von Gontard: Frdr. Nicolai, Das Neue Palais b. Potsdam, Bln. 1929, Abb. 5). Eine große Anzahl von weiblichen Sphingen, paarweise aufgestellt, z. T. mit Hieroglyphen auf den Schabraken (Wien, Palais Trautson, Treppenhaus, J. B. Fischer von Erlach, 1710–12: Bruno Grimschitz, Wiener Barockpaläste, Wien 1944, Abb. 47–49), die Pranken auf Kugeln gelegt (Pillnitz, Wasserpalais, Elbtreppe, 1719–21, M. D. Pöppelmann: Bruno Alfr. Döring, M. D. P., Dresden 1930, Abb. 123; Joachimsstein in Sachsen, Stiftsgarten, 1722–28: W. Pinder, Der deutsche Park, Königstein i. T. 1926, Abb. 119) oder hockend und geflügelt in Anlehnung an die Sirene (Wien, Belvederegarten, 1714–20, J. Lucas von Hildebrandt: Bruno Grimschitz, Joh. Luc. v. Hildebrandt, Wien 1932, Abb. 118 u. 119), repräsentieren dieses alteingebürgerte Motiv in der Freiplastik. Auch in der Glyptik (Bildnismedaille von Bengt Richter, dat. 1719) und in den Bildkünsten erscheint der Sphinx, jetzt auch auf deutschen Darstellungen der Flucht nach Ägypten (Daniel Gran, Altarblatt im Dom von St. Pölten, 1746). In der repräsentativen Wandmalerei ist der Obelisk auch in der deutschen Kunst schon eingebürgert: Tobias Stimmers Fresken im Schloß Baden-Baden, 1579 (zerst., aber in Nachzeichnungen erhalten: Z. A. K. 12, 1951, Taf. 25f.). Das Kunsthandwerk, vor allem die Porzellanplastik, machte jetzt häufig Gebrauch von äg. Motiven (Bad der Diana von Joh. Melchior Dinglinger, vor 1705, ehem. Grünes Gewölbe, Dresden, mit Sphinx auf dem bekrönenden Baldachin: Walter Holzhausen, Das Bad der Diana von J. M. Dinglinger, Bln. o. J., Abb. 5). Für das Japanische Palais im Großen Garten in Dresden arbeitete Joh. Gottlob Kirchner Kanopen in Porzellan (1727–31).
Der Wandel in der Auffassung und Verwendung äg. Motive bis zum Ende des 18. Jh. läßt sich besonders gut an den großen Sphingen verfolgen: um 1710 das Paar im Treppenhaus des Palais Trautson in Wien (s. o.); um 1768 die Sphingen im Park von Veitshöchheim von Ferdinand Dietz (Heinr. Kreisel, Der Rokokogarten zu Veitshöchheim, Mchn. 1953, Abb. 7); zw. 1782 u. 1798 die Sphingen im Park von Schloß Laxenburg bei Wien (W. Pinder a. a. O. Abb. 103).
3. 19. Jh.
Das 19. Jahrhundert. Um 1800 machte sich die Wirkung italienischer und französischer Dekorationen „im äg. Geschmack“ geltend. Die sogenannten „äg. Zimmer“ im Schloß Hohenzieritz (1795; Inv. Meckl.-Strelitz I, 1, Abb. S. 107), in der Wiener Hofburg (sog. Astronomisches Zimmer, zw. 1792 u. 1806), im Schloß Friedenstein bei Gotha (sog. Napoleonzimmer, um 1805), die Toskanazimmer in der Würzburger Residenz (Zs. f. Kg. 3, 1934, 104 bis 108), im Roten Palais in Kassel (Architekt Joh. Konrad Bromeis, 1818) gehen letztlich auf Piranesis dekoratives Ensemble im Ornamentstich („Diverse maniere“ etc., s. o.; Abb. 10) und in der profanen Architektur (Café degli Inglesi [Greco], Rom, Piazza di Spagna, Entwürfe vor 1769) zurück, wenn diese Art auch erst unter Napoleon I. (Umgestaltung des Palais Beauharnais in Paris, 1803, und Salon in der Villa San Martino auf Elba, 1814) in Deutschland populär wurde.
Ein vereinzeltes Beispiel ägyptisierender Formensprache bei Erneuerung einer kirchlichen Architektur ist die Stadtkirche in Tuttlingen (nach Stadtbrand 1803 Neubau in äg. Formen 1815–17).
Die großen deutschen Entwürfe für Denkmäler und Memorialbauten um 1800, in denen die monumentalen äg. Motive wieder und neu verwertet wurden, sind nicht verwirklicht worden: Friedrich Gillys Denkmal für Friedrich d. Gr., 1796 (Berlin, T. H.); Caspar David Friedrichs Entwürfe in Mannheimer Privatbesitz (G. Pauli, Die K. des Klassizismus usw., Propyl. Kg., Bln. 19252, Taf. 292), Haller von Hallersteins (1774–1817) Entwürfe für die Münchner Glyptothek und für die Walhalla bei Regensburg, ehem. St. Graph. Slg. München (Münchner Jb. 13, 1923, 102–20; Herm. Beenken, Schöpferische Bauideen d. dt. Romantik, Mainz 1952, Abb. 7–16, 27–34). Für das Denkmal der Schlacht im Teutoburger Wald lagen ebenso wie für das der Völkerschlacht von 1813 bei Leipzig Entwürfe mit ägyptisierenden Formen vor [46].
Die Pyramide als Wandgrab – jene seit Raffaels (?) Chigi-Monument in der Capella Chigi von S. Maria del Popolo in Rom, vor 1520 (Josef Weingartner, Römische Barockkirchen, Mchn. 1930, Abb. S. 178), immer wieder aufgenommene Motivschöpfung – fand um 1800 sehr aufwendige Nachahmungen (z. B. Grabmal des 1800 † General Desaix im Hospiz auf dem St. Bernhard, Schweiz; Grabdenkmal der Erzhzgn. Maria Christine von Antonio Canova, 1798–1805, Wien, Augustiner-Eremitenkirche [RDK II 419/20, Abb. 21]; Grabdenkmal Canovas in der Kirche S. Maria Gloriosa dei Frari in Venedig, 1827 von seinen Schülern ausgeführt; Denkmal für General Marceau in Koblenz, von Christian Trosson: Inv. Rheinland-Pfalz 1, S. 478). Die Cestiuspyramide in Rom (RDK I 885/86, Abb. 2) hat auch auf deutschem Boden Nachahmung gefunden, und zwar als Stimmungsträger im englischen Park (z. B. in Kassel-Wilhelmshöhe, zw. 1760 u. 1782, oder in Hohenheim bei Stuttgart, 1785–91 von Reinhard F. H. Fischer). Nik. v. Pigages Plan für ein „Grabmal des Sesostris“ im Park von Schwetzingen blieb unausgeführt. Joh. Gottfr. Grohmann empfahl Pyramiden im Park als Eiskeller aufzurichten (Ideen Magazin, Lpz. 1796/97, Heft 20, Taf. 9), Andreas Ludw. Krüger hatte bereits 1791/92 im Neuen Garten beim Marmorpalais in Potsdam eine solche erbaut (zu allem ausf. [46]).
Freischöpferischer Umgang mit äg. Motiven ist selten, vor allem selten von Erfolg gekrönt.
Joh. Gottfried Schadows äg. Statuen (nach Vorbild der hadrianischen Telamone) und die Sphinx von Joh. Christoph Wohler am Portal der 1791 begonnenen Orangerie im Neuen Garten zu Potsdam (Architektur von Carl Gotthard Langhans); Karl Frdr. Schinkels „Genius“ der äg. Baukunst in seinem Zyklus für das Portal der Berliner Bauakademie (ausgeführt von Frdr. Tieck und Aug. Kiß: Abb. 12); Jos. Ant. Kochs ägyptisierende Landschafts-Zchg. von 1831 in den Slgn. der Stadt Görlitz, vielleicht angeregt durch den 1816 errichteten Portico Egiziano im Garten der römischen Villa Borghese (Otto R. v. Luttcrotti, J. A. Koch, Bln. 1939, Nr. 298, Bl. 273); Ludwig Schwanthalers Relief im Ägyptensaal der Münchner Glyptothek (zw. 1827 u. 1830). Die Erneuerung des Westbaues am Dom zu Speyer durch Franz Ignaz Neumann, 1772–84 (1852 beseitigt), ist wegen der singulären Maskierung von Strebepfeilern als Obelisken hier zu nennen.
Im Kunsthandwerk sind die üblichen äg. Motive häufig: Sphingen in Marmor und Porzellan auf Tintenzeugen (München, Residenz-Mus., von Joh. Peter Melchior, dat. 1796), Uhrgehäusen (Berlin, Schloßmus., Uhrgehäuse mit äg. Motiven und Chinoiserien von J. Gg. Hörold), aber auch Kanopen in Porzellan und Steinzeug (z. B. Wien, Österr. Mus. f. angewandte K., dat. 1794: Abb. 11; Kassel, Hessisches L.M., mehrere Stücke aus der Steitzschen Manufaktur, um 1820) und ägyptisierende Trägerfiguren an Leuchtern (Bronzekandelaber auf Schloß Herrnsheim b. Worms: Lehnert Bd. 2, S. 381). Vieles davon in deutschen Museen ist französischer Import, so z. B. ein 1797 datierter Tisch mit äg. Motiven im B.N.M., Geschenk Napoleons an König Max I. Joseph. In der Möbelkunst wurden vereinzelt durch Stichwerke bekannt gewordene äg. Bauwerke imitiert: so ist z. B. die Kommode Joh. Hoegls im Audienzzimmer der Prälatur von St. Peter in Salzburg (1828; Abb. 14) eine ziemlich getreue Umsetzung vom Hathortempel in Denderah nach der Abbildung in Denons Publikation (Abb. 13), die in dieser Kommode aufbewahrt wurde ([46]; ebd. eine Fülle weiterer kunstgewerblicher Gegenstände mit äg. Motiven oder in ägyptisierendem Geschmack).
Am Ende des 18. Jh. übernahm die Theaterdekoration szenische Ensembles äg. Motive; sie trat damit das Erbe der absterbenden spätbarocken Kunst der Festdekorationen an. Da aber selbst für Stücke, die in Äg. spielen, die Verwendung solcher Dekorationen zunächst noch nicht unbedingt erforderlich war (vgl. die frühen Dekorationen zu Mozarts Zauberflöte: 1793 von Joseph Quaglio, selbst noch Moritz von Schwinds Entwürfe 1850; [46]), so darf der Wandel des Geschmacks, mit dem ägyptisierende Entwürfe geradezu unerläßlich wurden (vgl. die Zauberflötendekorationen Schinkels, 1815/16: RDK III 67/68, Abb. 6; die des Anton de Pian, Abb. 15; die von Beuther in Frankfurt a. M. und Weimar, von Goethe mit besonderem Lob bedacht), auf den Einfluß der französischen Äg.-Mode um 1800 zurückgeführt werden (Méhuls Joseph in Äg., Krönungsoper für Napoleon I. in Paris). Im weiteren Verlauf des 19. Jh. erfüllten ägyptisierende Theaterdekorationen für Bühnenwerke, deren Handlung in Äg. lokalisiert ist, den Anspruch auf historische Treue und taten damit den Bildungsbestrebungen Genüge (vgl. des Grafen Brühl Veröffentlichungen zum Berliner Theaterleben; Uraufführung von Verdis Aida anläßlich der Eröffnung des Suezkanals, Kairo 1871 [18]). Eine reiche Materialsammlung ägyptisierender Bühnendekorationen bietet Volkmanns nachgelassene Untersuchung [46].
Um 1850 war die Kenntnis äg. Motive und ihre Verwendung in den dekorativen Künsten unverbindliche Geschmacksangelegenheit. Carl Spitzweg verwendete sie häufig als pointierten Stimmungswert, so im „Gelehrten“: Mumienkasten, Krokodil, äg. Mauerfigur, Grabsteine (Eug. Kalkschmidt, C. Spitzweg, Mchn. 1945, Abb. 106; s.a. Abb. 64: Äg. Landschaft; Abb. 20: der Leser im Park, unter einem Sphinx; Abb. 15: Morgenlektüre; Abb. 104: Schlangenbeschwörerin vor äg. Tempel).
Erst gegen Ende des 19. Jh. mehrten sich Versuche, die Struktur äg. Kunst für die eigenen bildkünstlerischen Entwürfe auszubeuten. Desiderius Lenz (1832–1928), von Richard Lepsius’ großen Expeditionsberichten angeregt, schloß sich in Theorie und Praxis (äg. Reliefstil!) an äg. Kunst an und versuchte dabei Assimilierung an griechische Figurenbildung durchzusetzen (Martha Dreesbach, Die kunsttheoretischen Schriften des D. L. und ihr Verhältnis zum bildnerischen Werk, Diss. München 1956 [masch.]).
Zu den Abbildungen
1. Rom, S. Giovanni in Laterano, Kreuzgang-Südflügel, Sphinx als Tragfigur unter einer Doppelsäule. 80 cm l., 50 cm h. Zw. 1222 u. 1230. Fot. Gabinetto Fotografico Naz., Rom.
2. Jan Rost (in Florenz 1545–64 tätig), Bildteppich aus einer Folge von Groteskenteppichen, Ausschnitt. Florenz, Gall. degli Arazzi (Kat. 1884 Nr. 13–19). Fot. Alinari 1783.
3. Theodor (Dirk) de Bry (1528–98), Kanopus, Kupferstichillustration. Aus Jean-Jacques Boissard, Antiquitates seu inscriptiones et epitaphiorum ... exacta descriptio, Frankfurt a. M. 1597, Bd. 2, Teil 6, Taf. 6.
4. Cesare Malfatti (Entwurf), Isis, Holzschnittillustration zu V. Cartari. 16,8 × 11,8 cm. Nach Laurentius Pignorius, Le vere e nove imagini de gli dei delli antichi di Vicenzo Cartari, Padua 1615, S. 111.
5. Pietro Santo Bartolo (1635–1700), Harpocrates und Merkur Cynocephalus, Kupferstich nach einem Relief in der Slg. der Königin Christine von Schweden. Nach P. S. Bartolo, Museum Odescalcum, sive thesaurus antiquarum gemmarum etc., Rom 17472.
6. Isaac de Moucheron (1667–1744) und Nic. Verkolje (1673–1746), Wanddekoration im Haus Herengracht 168, Amsterdam. Landschaft von Moucheron, Figuren (Jephthahs Tochter) von Verkolje. 1. H. 18. Jh. Fot. Netherl. Art Inst., Den Haag, 4595.
7. Joh. Melchior Dinglinger, Apis-Altar, Ausschnitt: Überführung des Apis auf dem Nil nach Memphis (Mittelnische). Gold, Email, Perlen und Edelsteine. Ehem. Dresden, Grünes Gewölbe, Dat. 1731. Nach [19] Taf. 16.
8. Joh. Bernhard Fischer von Erlach, Äg. Grabbau in der Umgebung von Kairo, Kupferstich zum „Entwurff einer Historischen Architectur“, Wien 1721, Buch I, Taf. 15. 27,8 × 40,4 cm. Fot. RDK.
9. Potsdam, Neustädter Tor. Entwurf 1753 von Georg Wenceslaus von Knobelsdorff. Fot. F. M. Baur, Berlin, S 17.
10. Giov. Batt. Piranesi, Entwurf zu einem Kamin, Kupferstich aus „Diverse Maniere d’adornare i camini“ etc., Rom 1769. Nach A. Hyatt Mayor, G.B.P., New York 1952, Taf. 111.
11. Wien, Mus. f. angewandte Kunst, Inv. Nr. Ke 3495, Kanne in Form eines Kanopus. Wiener Porzellanmanufaktur, blaue Marke, Jahresstempel 1794. Fot. Mus.
12. Karl Frdr. Schinkel (Entw.) und Frdr. Tieck (Ausf.), Genius der äg. Baukunst. Relief von einer Portaleinfassung der Bauakademie, Berlin. Ca. 60 cm h., sign. „T“. Um 1836. Nach P. O. Rave, Genius der Baukunst, Bln. (1942), Taf. 10.
13. Denderah, Vorhalle des großen Tempels. Stich aus „Description de l’Égypte ou Recueil des Observations et des Recherches qui ont été faites en Égypte pendant l’expédition de l’armée française“, Paris 1821ff. Nach [45] S. 163.
14. Johann Hoegl, Kommode im Audienzzimmer der Prälatur des Stifts St. Peter, Salzburg. Hellbraun poliertes Holz mit dunkler Intarsia und Intarsien-Imitation. Sign. u. dat. 1828. Nach Inv. Österr. 12, Abb. 160.
15. Anton de Pian, Bühnendekoration zur Zauberflöte. Kupferstich, 12,4 × 14,7 cm. Nach N. Bittner, Theater Decorationen nach den Original Skitzen des K-K-Hof Theater Mahlers Anton de Pian, Wien 1818, Nr. 92.
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