Ehebrecherin (Christus und die E.)
englisch: Christ and the woman taken in adultery; französisch: Christ et la Femme adultère; italienisch: Adultera (Cristo e l'adultera), Cristo e l'adultera.
Franziska Schmid (1956)
RDK IV, 792–803
I. Schriftquelle
Den Darstellungen der Geschichte von Christus und der E. (Adultera) liegt der Bericht des Johannesevangeliums (8, 3–11) zugrunde: Schriftgelehrte und Pharisäer bringen eine E. zu Christus in den Tempel und geben vor, sie wollten diese nach dem Gesetz Moses’ steinigen. Um seine Meinung befragt, schreibt Christus mit dem Finger in den Sand und antwortet dann: „Wer unter euch ohne Sünde ist (si quis sine peccato), der werfe den ersten Stein auf sie“ (8, 7). Daraufhin verlassen die Juden den Tempel, und Christus ermahnt die schließlich mit ihm allein zurückgebliebene E., hinfort nicht mehr zu sündigen.
Die Perikope von der E. ist eine Einfügung, die den zusammenhängenden Bericht des Johannesevangeliums unterbricht; sie gilt allgemein als Gut der synoptischen Überlieferung und dürfte vom Redakteur des Johannesevangeliums aus dem „Urmatthäus“ übernommen worden sein.
II. Darstellungen
A. Frühchristliche Zeit und Früh-MA
Weder in der Katakombenmalerei noch in der Sarkophagplastik der christlichen Antike findet sich die Geschichte der E. vor Christus. Die erste Darstellung der Adultera begegnet uns auf zwei syro-ägyptischen Elfenbeinpyxiden des 5./6. Jh. im Mus. Cluny zu Paris und in der Leningrader Eremitage (W. Fritz Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike u. d. fr. MA, Mainz 19522, Nr. 179 u. 180). Beide Male ist Christus im jugendlichen Philosophentypus mit Schriftrolle in der Hand dargestellt, die rechts neben ihm stehende E. legt einen Finger an den Kopf (byzantinischer Erstaunensgestus); Begleitpersonen fehlen. Das Thema der E. ist mit dem der Samariterin am Brunnen verbunden (wie das auch später, z. B. um 1020 im Echternacher Evangeliar im G. N. M. – ehem. Gotha – geschehen ist). Auf der Pyxis zu Leningrad ist durch zwei schlanke Säulen die Tempelarchitektur angedeutet.
In der Folgezeit fehlt die E. im abendländischen Bilderkreis, erst im 9. Jh. trat sie in einem nicht mehr erhaltenen Freskenzyklus der Abteikirche St. Gallen, 830–33, wieder auf (Tituli der Malereien bei Schlosser, Quellenbuch S. 133, Nr. 327); ebenfalls dem frühen 9. Jh. gehört ein Fresko desselben Themas in Münster i. Gr. an, in dessen Nachbarfeld ein bogenschießender Amor, der zu der Szene der E. gehören muß, dargestellt ist (Publikation von Linus Birchler und Alfr. A. Schmid in Vorbereitung). Von nun an findet man in Kleinkunst, Buch- und Monumentalmalerei häufig Darstellungen der Geschichte von Christus und der E.
Der Codex aureus von St. Emmeram in Regensburg, um 870 (München, St. B. Clm. 14 000), zeigt unter den aus Gold getriebenen Reliefs des Bucheinbandes eine Darstellung der Szene: zwei Männer führen die E., deren Haare mit einem Tuch bedeckt sind und die Orantenstellung einnimmt, vor Christus; dieser, von einem Jünger begleitet, bückt sich nieder und schreibt die Evangelienworte „si quis sine pec[c]ato“ in den Sand (s.u. III). Im Hintergrund der Szene ist durch eine Architekturkulisse der Tempel angedeutet (Abb. 1). Noch figurenreichere Abwandlungen des Themas finden sich auf einem wohl vom Magdeburger Antependium Ottos d. Gr. stammenden Elfenbeinrelief im Free Public Mus. Liverpool, Reichenau oder Oberitalien 962–73 (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen Bd. 2 Nr. 13; vgl. auch das Relief vom Tragaltar der Kathedrale in Namur, M. 11. Jh., ebd. Nr. 61 a); Christus erscheint bärtig. Im Egbertkodex (Trier, Stadtbibl. cod. 24, fol. 46 v; Abb. 2) wurde die Szene dahingehend differenziert, daß Christus vor den Juden und der Angeklagten sitzt. Die Darstellung schließt sich ziemlich eng an die Forderung des Malerbuches vom Berge Athos an, wo es heißt: „Der Tempel, und Christus sitzt und schreibt auf die Erde ... und hinter ihm sind die Apostel; vor ihm steht ein Weib, welches seine Hände auf der Brust gekreuzt hält, und Schriftgelehrte und Pharisäer fliehen und schauen zurück“ (Schäfer S. 194).
Die Bernwardsäule in Hildesheim bringt zum erstenmal eine kontinuierliche Darstellung des Themas: von zwei Männern wird die E. vor Christus gezerrt und geschoben; zuletzt steht sie in Orantenhaltung vor dem sie weit überragenden Jesus, der sie segnet (Francis J. Tschan, St. Bernward of Hildesheim Bd. 3, Indiana 1952, Taf. 169 u. 170). Das Echternacher Evangelienbuch Heinrichs III. und der Codex epternacensis im G.N.M. schildern die Szene in dramatischer Art: die anklagenden Juden haben sich bereits mit Steinen bewaffnet, um die an den Haaren herbeigezerrte E. zu töten; der thronende Christus – an Größe alle anderen überragend – aber schreibt den Freispruch auf die Erde. Beide Male wird durch Schriftzeilen mit den Anfangsworten der Textstelle das Geschehen erläutert (Alb. Boeckler, Das goldene Evangelienbuch Heinrichs III., Bln. 1933, Taf. 146 u. 176). Einen ähnlichen Aufbau bringt der Hitdakodex, Köln 1. V. 11. Jh. (Elis. Schipperges, Der Hitda-Codex [= Rhein. Meisterwerke H. 5], Bonn 1938, Taf. 22). Wie schon beim Egbertkodex schreibt Christus nicht die Evangeliumsworte, sondern „terra terram accvsat“ in den Sand. Die Darstellung zeichnet sich durch besonderen Figurenreichtum und psychologische Feinheiten aus. Das Gebetbuch der hl. Hildegard von Bingen, 2. H. 12. Jh. (München, St.B. Clm. 935, fol. 28 v), zeigt Christus in der von den ottonischen Miniaturen her bekannten Haltung, doch thront er nicht auf einer Bank, sondern sitzt auf einem Erdhügel mitten in einer blühenden Wiese, eine szenisch ungewöhnliche Erweiterung.
An Wandgemälden des 11. und 12. Jh. wären nur süditalienische Beispiele zu nennen: die E.-Szene an der südlichen Hochwand des Mittelschiffes von S. Angelo in Formis bei Capua, um 1080 [3, S. 788]; die Darstellung weicht von dem üblichen Typus ab und weist apokalyptische Züge auf: Christus thront als Weltenrichter auf der Weltkugel im freien Raum, vergibt der zitternden Angeklagten und segnet sie, während die Pharisäer sich zurückwenden und fliehen (F. X. Kraus, Jb. d. preuß. K.slgn. 14, 1893, Taf. 2 n. S. 84). An die übliche figurenreiche Darstellungsart der Anklage vor dem Tempel schließt das Mosaik von Monreale, um 1172, an [3, S. 789 Abb. 355]; die Wandmalereien in S. Giovanni a Porta Latina in Rom, um 1195, zeigen in schlechtem Erhaltungszustand den gewohnten Typus [3, Bd. 4, Taf. 252–55].
B. Vom 12. Jh. bis Ende 16. Jh.
Im Laufe des 12. Jh. erfolgte eine Reihe bedeutsamer Umwandlungen, die im späteren MA fast immer beachtet wurden. Waren der bärtige Christustypus und die E. mit verhülltem Haar bisher nur ausnahmsweise dargestellt worden, so galten diese Eigentümlichkeiten fortan als Regel. Der Philosophentypus Christi verschwand bei Darstellungen der E. ganz. Bis zum 12. Jh. wurde den Gestaltungen des Themas hauptsächlich der erste Abschnitt der Textquelle, nämlich Joh. 8, 3–6, zugrunde gelegt; nun aber verzichtete man meist – mit Ausnahme der Holzschnitte des 15. u. 16. Jh. – darauf, den ersten Teil des Evangelienberichtes (Anklage und Vorbereitung zur Steinigung) zu schildern, und stellte die Geschichte von der E. nach Joh. 8, 6–11 dar. Die Dramatik verlor sich damit zugunsten einer mehr statischen, erzählenden Form, womit eine vermehrte Verwendung von Spruchbändern, die von den handelnden Personen getragen werden, verbunden ist. Die Wandlung ist ebenso kennzeichnend für die hoch-ma. Interpretation des Themas (s. III) wie diese wiederum für das starke Zurückgehen des Interesses an der Perikope während der 2. H. 13. Jh., des 14. und auch der 1. H. 15. Jh. Erst im Spät-MA und zu Beginn der Renaissance wurde die Geschichte von der E. wieder ein häufiges, im hergebrachten Bildtypus wiedergegebenes Thema.
Von dem Gesagten sind die im 13. Jh. entstandenen kontinuierlichen Darstellungen auszunehmen: bei diesen werden Anklage und Begnadigung der E. in einer Bildfolge von zwei bis vier Szenen geschildert – ein Beispiel für die Vorliebe zu breit beschreibender Schilderung (vgl. die Häufigkeit von Spruchbändern). Zu nennen sind hier die Miniaturen des Ingeborgpsalters vom A. 13. Jh., Chantilly, Mus. Condé (Abb. 3), des Psalters aus Gloucester, um 1222 (München, St. B. Clm. 835), des Goslarer Evangeliars, um 1230–40 (Ad. Goldschmidt, Das Evang. im Rathaus zu Goslar, Bln. 1910, S. 14, Taf. 11), sowie in einer französischen Bible moralisée des 13. Jh. in der Wiener Nat.Bibl. (Nr. 11 794, fol. 174; Beschr.Verz. 8, 7, S. 41); ferner die Reliefs der rechten hinteren Säule des Ziboriums von S. Marco in Venedig, gleichfalls M. 13. Jh.
Der Kodex des EB. Kuno von Falkenstein im Trierer Domschatz, um 1380, zeigt die E. vor der Tempelarchitektur mit gleichsam gefalteten Händen, ein Typus, wie er als Derivat des Oransgestus im ausgehenden MA fast ausnahmslos verwendet wurde. Die Federzeichnung des Schaffhauser Lektionars (ms.gen. 8, fol. 198; Abb. 4), österreichisch um 1330, scheint in Hinsicht auf die Figurentypen ein frühes Vorbild für die im 15. u. 16. Jh. einsetzenden, sehr häufigen Bearbeitungen des Themas zu sein. Die Szene wird in illustrierten Vollbibeln gern dargestellt: Wien, Nat.Bibl. Nr. 485, tschechische Hs. um 1430; Stiftsbibl. Vorau i. Stmk. Nr. 288 (273), fol. 370, Bibel von 1467 (Beschr.Verz. 4, 1, S. 328); Stiftsbibl. Einsiedeln Nr. 285, Devotionale des Abtes Ulrich von St. Gallen, 1472.
Auch die Glasmalerei bemächtigte sich des Themas: Beispiele des 15. und 16. Jh. aus Frankreich bei [4].
Weitaus am häufigsten aber erscheint die E. in der Graphik, zumal in illustrierten Büchern des späten 15. und frühen 16. Jh.: so z. B. in Buchausgaben des Heilsspiegels (Basel 1476, bei Bernh. Richel: Schramm, Frühdrucke 21, Abb. 87; Speyer 1476, bei Peter Drach: ebd. 16, Abb. 367; Lübeck o. J., bei Lucas Brandis, s. u.), im Schatzbehalter (Nürnberg 1491, bei Koberger, Abb. 5), in Plenarien usw. Der ikonographische Typus ist hier stets derselbe: die E. trägt modische Kleidung, die Pharisäer Judenhüte oder Edelmannskappen bzw. Bischofsmützen und Mönchskapuzen. Im szenischen Aufbau sind jetzt wieder dramatische Momente einbezogen, etwa das an der Schulter von einem Pharisäer gehaltene Weib und die zur Steinigung herbeigebrachten Steine. Die Ähnlichkeit der Darstellungen läßt vermuten, daß ein oder mehrere einander ähnliche Vorbilder eifrig kopiert wurden: vgl. etwa den Holzschnitt im Lübecker Plenar von 1496 (Matthäus Brandis; ebd. 12, Abb. 321) mit den von einem Druckstock gefertigten Illustrationen in Lucas Brandis’ „De nye Ee vnd’ dat passional van Jhesus vnd Marien leuende“ (Lübeck 1478) und dem undatierten Spiegel menschlicher Behaltnis aus derselben Druckerei (Ebd. 10, Abb. 146 und 365).
In der Malerei machen sich dieselben Tendenzen wie bei den Darstellungen in den Frühdrucken bemerkbar: Individualisierung und Modernisierung des Bildinhalts und, damit verbunden, die Abwendung vom festgelegten ikonographischen Typus schreiten immer weiter fort.
Michael Pacher stellt in seinem Altarwerk von St. Wolfgang, 1479, die als Edelfrau gekleidete E. in eine reiche gotische Kirchenarchitektur. Veit Stoß läßt die E. im Kreise von Schergen und Schriftgelehrten betend vor Christus knien, folgt also nicht mehr den Evangeliumsworten (Kupferstich um 1475; Berthold Daun, V.St., Lpz. 1916, S. 29). Ein Scheibenriß der Erlanger U.B. ist von Edm. Schilling (Zs. f. Kw. 9, 1955, S. 163f. u. 177, Abb. 14) Hans Leonhard Schäufelein zugeschrieben worden.
Holbeins d. J. Wandgemälde im Basler Rathaus ist nur noch in Kopien überliefert. Nach dem Ausweis der Zchg. in der Kunsthalle Basel [5, Abb. 9] war die Szene in einem Innenraum dargestellt; zu seiten einer Arkade steht Christus auf einem niedrigen Podest und schreibt hebräische Buchstaben auf den Boden. Die Ankläger der E. sind bestürzt und wenden sich ab. Durch den Holzschnitt in Tob. Stimmers Neuem Testament, um 1576, wurde Holbeins Komposition auch für Antonio Tempestas Bibelillustration, Rom 1590, vorbildlich [5, S. 225 Anm. 36]. Noch zahlreicher sind die Wiederholungen von Lukas Cranachs d. Ä. und P. Bruegels d. Ä. Darstellungen der E. Cranach gestaltete das Thema mehrfach eigenhändig: Gem. im Kronacher Stadtbauamt, im Bonner L.M. (Friedländer-Rosenberg Nr. 110 u. 292; dort auch die Repliken aufgezählt) und in der Slg. H. Schniewind, New York (Ausst.Kat. Cambridge [Mass.] 1936, German Art 1450 to 1550, S. 9, Taf. 3). Neu ist die Darstellung in Form eines breitformatigen Kniestücks, doch ist aus dem Kreise Cranachs auch eine ganzfigurige Schilderung des Themas bekannt (Friedländer-Rosenberg Nr. 364). Mehr als ein Dutzend Repliken sind von Bruegels Grisaille in der Slg. Count A. Seilern, 1565 datiert (Abb. 6), bei F. Großmann [5] und bei Gustav Glück (Bruegels Gemälde, Wien 19515, Nr. 50) verzeichnet. Auch von Pieter Aertsen (Frankfurt a. M., Städel, Gem. von 1559, [5] Abb. 7) und Franz Floris sind Fassungen des Themas erhalten; spätere Darstellungen von Corn. de Baellieur (Stockholm, Slg. Westerberg; Braunschweig, Gem.Gal.), L. Finsonius (Potsdam, Neues Palais) und anderen.
Während in Deutschland und in den Niederlanden die zahlreichen Beispiele auf wenige bedeutende Vorlagen zurückgeführt werden können, hat Italien – zumal Venedig – eine Fülle selbständiger Bildschöpfungen hervorgebracht, die den Ganzfigurentypus und das Kniestück bezeugen (Tizian, „Giorgione“, Tintoretto, Lotto, Boccaccino, Annibale Carracci usw.; das berühmte Glasgower Gem., sicher nicht von Giorgione, wurde von Giov. Cariani, Gem. in der Ak. Bergamo, wiederholt); niederländische Stecher haben nicht selten die italienischen Gemälde kopiert, vgl. etwa die Stiche von Cornelis Cort nach Zuccaro (Hollstein, Dutch Fl. Engr. 5, S. 47), von Theod. van Kessel nach Carracci (Ebd. 9, S. 236), usw.
C. Barock
Im Barock hat man sich des Themas oft als Vorwurf für Gemälde bedient: Gem. von Rubens im Mus. roy. Brüssel, 1612/13 (Oldenbourg S. 54), und von Poussin im Louvre, 1653 (Walter Friedländer, N. P., Mchn. 1914, Abb. 232); Rembrandt beschäftigte sich lange Zeit mit der Geschichte der E.: von ihm sind ein Gem. in der Nat.Gall. London, um 1631/32, und zwei Zchgn. von 1632 bzw. 1661 erhalten (Fritz Saxl, W.-R.-Jb. N.F. 1, 1930, 225–30). Hier klingt wieder die Idee des Veit Stoß an, die E. reuig vor Christus knieen zu lassen. Die Art der Szenengestaltung kann als Aufforderung zu christlicher Nächstenliebe gedeutet werden, ein Bekenntnis, das Rembrandt immer wieder mit den verschiedensten Bildthemen umschrieb (Barmherziger Samariter, Lazarus, Tobias mit dem Fisch usw.).
Die auf einer Londoner Ausstellung 1953 als Zchg. Rembrandts ausgegebene Schilderung (Drawings by Old Masters, Royal Academy 1953, Nr. 314) ist schwerlich mit Recht diesem Meister zugeschrieben worden.
Die barocke Hofmalerei begünstigte das Thema neben der büßenden Magdalena und der Samariterin am Brunnen und wandelte es höfisch ab: nicht mehr Christus ist die Hauptfigur, sondern Komposition und Lichtakzente machen die Frauengestalt zum beherrschenden Mittelpunkt. Die Szene der E. hat ihren festen Platz im christologischen Bilderzyklus, der neben dem mythologischen in allen fürstlichen und bischöflichen Residenzen, deren Ausmalung sich noch vollständig erhalten hat, nachzuweisen ist: so z. B. in Schloß Eggenberg bei Graz (Gem. eines unbekannten Grazer Meisters aus dem 3. V. 17. Jh. im Westflügel); vgl. ferner einzelne Gemälde von Joh. Conr. Seekatz (Mainz, Gem.Slg.; Abb. 7) und Joh. P. Brandel (Wien, Kh.Mus.). – Seit dem 16. Jh. haben wir Zeugnis für Darstellungen der E. auf Bildteppichen in fürstlichem Besitz (Göbel III, 2, S. 128, 300 u. 284); erhalten hat sich ein wohl Delfter Teppich aus der 1. H. 17. Jh. (Ausst.Kat. Hamburg, Mus. f. K. u. Gew. 1953, Bildteppiche aus 6 Jhh., Nr. 52, Abb. 24).
Neben der höfischen blieb auch die kirchliche Tradition wichtig, die den überlieferten Bildtyp mit Christus als Hauptfigur der Komposition weiter pflegte.
Die Darstellung der E. in einem Zyklus biblischer Szenen an der Emporengalerie der Wormser Dreifaltigkeitskirche, um 1725 von Joh. Martin Seekatz, folgt im ikonographischen Aufbau dem Bibelstich von Merian (Thieme-Becker 30, S. 428f.). Ein Deckengem. von den Brüdern Grabenberger befindet sich im Mittelschiff der Stiftskirche Kremsmünster O.Ö. (Altmann Kellner, Die Stiftsk. von K., Linz 1946, S. 9f. u. 22); in der Galerie des Stiftes wird ein Gemälde von B. Altomonte, um 1730–50 entstanden, aufbewahrt (Abb. 8). Im Sommerrefektorium der Piaristen in Wien schuf F. A. Maulbertsch 1761 außer den Deckengem. auch einige ovale Grisaillemalereien, deren eine die Geschichte von Christus und der E. behandelt (Abb. 9).
William Blake schloß sich, den historisierenden Tendenzen des frühen 19. Jh. entsprechend, an ma. Vorbilder an (Elis. Luther Cary, The Art of W. Bl., New York 1907, Taf. 45). Während der 1. H. 19. Jh. wurde das Thema nur selten gestaltet.
III. Typologie
Trotz des hohen Alters der Darstellungen von Christus und der E. ist das Thema in der Typologie nur selten berücksichtigt. Mit seiner Deutung hatte man sich jedoch schon früh zu befassen: die Schriftquelle gibt nämlich keine Auskunft darüber, was Christus, bevor er den Anklägern antwortete, in den Sand schrieb. Zumeist löste man diese Frage durch lateinische Inschriften (in nach-ma. Zeit auch durch solche der Volkssprache, Abb. 6), die dem Anfang von Christi Erwiderung gleichen: „si quis sine peccato“. Aber in ottonischer Zeit findet sich auch die Inschrift „terra terram accusat“; die Quelle hierfür konnte noch nicht ermittelt werden.
In den großen typologischen Bilderhss. des MA ist der Geschichte von Christus und der E. nur selten gedacht. In der Bible moralisée wird die Perikope nur beiläufig im Bezug zu Sprüche 31, 26 erwähnt: die Worte, die Christus an die E. richtet, sind als Weisheit und holdselige Lehre interpretiert (A. de Laborde, La Bible moralisée illustrée usw., Bd. 2, Paris 1912, Taf. 284); eine Darstellung der E. ist in dem Wiener Exemplar der Bible moralisée zu Dan. 13, 45ff. (Daniel errettet durch sein Urteil Susanna vom Tode; bei Luther apokryph) in Beziehung gebracht (s. o.). In der Armenbibel, dem Heilsspiegel und in der Concordantia veteris et novi Testamenti fehlt die Geschichte von der E. Nur die Concordantia caritatis berücksichtigt die Erzählung ausführlich; in Temporale Nr. 55 (RDK III 841/42) sind 1. Mos. 38, 24 (Thamar wird zum Scheiterhaufen geführt) und Dan. 13, 45ff. als Präfigurationen herangezogen, dazu aus der Naturgeschichte Elefant und Löwe: der Elefant, weil er nach der Begattung im Wasser badet, und der Löwe, weil er die ungebadet nach einer Vergewaltigung zu ihm zurückkehrende Löwin zerreißt.
Zu den Abbildungen
1. München, St.B., Relief am Buchdeckel von Clm. 14 000 (Codex aureus von St. Emmeram). Goldblech, getrieben. Wohl Reims, um 870. Fot. Max Hirmer, München.
2. Trier, Stadtbibl. cod. 24, fol. 46 v, Egbertkodex. Reichenau, um 980. Inschriften: APLI – IHC XPC – ADULTERA – TERRA TERRAM ACCUSAT. Fot. Marburg 59 697.
3. Chantilly, Mus. Condé, Ingeborgpsalter. Paris, A. 13. Jh. Inschriften: oben „Qui sine peccato ...“, unten „Mulier ubi sunt qui te accusabant?“ „Nemo Domine“. Nach Paul Doncœur, Le Christ dans l’art français Bd. 1, Paris 1939, Taf. n. S. 90.
4. Schaffhausen, Stadtbibl. ms. gen. 8, fol. 198. Lektionar, österreichisch um 1330. Fot. Romberg, Schaffhausen.
5. Holzschnitt aus dem Schatzbehalter, Nürnberg 1491 bei Anton Koberger, 64. Figur. 25,6 × 17,9 cm. Nach Schramm, Frühdrucke 17, Abb. 380.
6. Pieter Bruegel d. Ä., Grisaille. Lwd., 24,1 × 34,4 cm. Slg. Count A. Seilern. Dat. 1565. Nach Repr. unbek. Herkunft.
7. Joh. Conrad Seekatz, Gem. Holz, 31 × 24 cm. Mainz, Gem.Slg. der Stadt. Um 1753–55, sign. Fot. Mus.
8. Bart. Altomonte (1702–79), Gem. auf Lwd. Kremsmünster, Gem.Gal. der Abtei. 2. Dr. 18. Jh. Fot. Lichtbildarchiv des Kh. Inst. d. Univ. Wien Nr. 22 773.
9. Frz. Anton Maulbertsch, Fresko im Sommerrefektorium des Piaristenkonvents in Wien. 1761. Fot. Lichtbildstelle des Kh. Inst. d. Univ. Wien.
Literatur
1. Johannes Reil, Die altchr. Bildzyklen des Lebens Jesu, Lpz. 1910. – 2. Charles Sedelmeyer, Die Ehebrecherin vor Christus, Paris 1912. – 3. Wilpert, Mos. u. Mal. Bd. 2, S. 787ff. – 4. Künstle I, S. 394f. – 5. F. Grossmann, Bruegel’s „Woman Taken in Adultery“ and Other Grisailles, Burl. Mag. 94, 1952, 218-29.
Verweise
Empfohlene Zitierweise: Schmid, Franziska , Ehebrecherin (Christus und die E.), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1956), Sp. 792–803; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89104> [04.04.2022]
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