Eigenkirche

Aus RDK Labor
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englisch: Private chapel; französisch: Église privée; italienisch: Chiesa di proprietà.


Ernst Gall (1956)

RDK IV, 963–966


I. Kirchengesch. Bedeutung

Als E. werden Gotteshäuser bezeichnet, die im Auftrag der Grundherren auf ihrem Boden errichtet worden sind und ihnen im frühen MA sowohl in vermögensrechtlicher Beziehung wie auch im Hinblick auf die Anstellung der Geistlichen unterstanden, während die sonstigen Kirchen von dem Bischof oder in seinem Namen begründet und verwaltet worden sind. Die E. gewannen ihre Bedeutung vornehmlich in den städtearmen germanischen Gebieten auf Grund der naturalwirtschaftlichen Agrarordnung. Hier beanspruchten die Grundherren auch die der Kirche dargebrachten Zehnten und sonstigen Opfer, ferner setzten sie die ihnen nicht passenden Geistlichen wieder ab, die vielfach zu den ihnen unterstellten unfreien Leuten gehörten. Demgegenüber waren die Bischöfe bemüht, ihre Rechte auf die kirchliche Leitung zu wahren und nicht nur die Weihe der von den Grundherren ausgewählten Geistlichen vorzunehmen. In karolingischer Zeit wurde bereits die Anstellung Unfreier als Geistlicher untersagt. Außer den Pfarrkirchen und sonstigen Oratorien wurden auch Dome und Klöster nach den Grundsätzen des E.-Wesens gegründet. Es gab auch bischöfliche E. Vornehmlich haben die Könige den Bistümern und Klöstern gegenüber entsprechende Rechte geltend gemacht; dazu gehörte insbesondere auch das Spolien- und Regalienrecht, zumal die mit Reichsgut ausgestatteten Bischöfe und Äbte als Reichsbeamte und Lehensträger der Krone angesehen wurden; dies mußte sogar 826 von Papst Eugen II. auf einer römischen Synode anerkannt werden. Die Ausdehnung des E.-Wesens, namentlich die Ernennung der Bischöfe durch den König, führte dann im 11. Jh., zur Zeit Papst Gregors VII., zu dem Investiturstreit, in dem seit 1075 jede Laieninvestitur verboten wurde. Zu einer Einigung kam es erst 1122 im Wormser Konkordat, auf Grund dessen nunmehr die Wahl der Bischöfe dem zuständigen Domkapitel in Gegenwart des Königs oder seines Stellvertreters vorbehalten war. Nach den Beschlüssen der Lateransynode im Jahre 1139 sollte auch jedes Eigentumsrecht an den Kirchen aufgegeben und den Bischöfen überlassen werden. Ebenso lehnten Gratian, entsprechend auch die Päpste Hadrian IV. (1154–59) und Alexander III. (1159–81) das E.-Wesen ab. An die Stelle des E.-Rechts sollte das Patronatsrecht treten, demzufolge die Grundherren, die den Boden für die Kirche, den Bau selbst und die Pfründen für die Geistlichen gestiftet hatten, ein Vorschlagsrecht für die vom Bischof zu ernennenden Geistlichen sowie gewisse Ehrenrechte, wie den Anspruch auf einen bevorzugten Platz in der Kirche, erhielten. Es sollte also zwischen dem weltlichen Kirchenbesitz und der geistlichen Unterordnung unter die bischöfliche oder päpstliche Gewalt, d. h. zwischen den temporalia und den spiritualia unterschieden werden. Das Königtum hat dann auch 1220 endgültig auf das Spolien- und Regalienrecht verzichtet. Bedeutungsvoll blieb der Unterschied zwischen den Reichs-E., deren weltlicher Besitz zum Reich gehörte, und den sogenannten Mediatkirchen, die von einem Grundherren gestiftet waren, wobei es sich sowohl um Dome, Stifts- und Klosterkirchen wie um Pfarrkirchen und Kapellen handelte. Schon seit dem 12. Jh. wurden einige Reichs-E. mediatisiert, indem sie weltlichen oder geistlichen Territorialfürsten als Geschenk oder Lehen überlassen wurden. Die Landeskirchen unter den weltlichen Reichsfürsten erhielten ihre eigentliche Bedeutung aber erst im Zeitalter der Reformation. Trotz aller theoretischen Wandlungen lebte das E.-Wesen doch noch weiter und nahm sogar gelegentlich noch bis ins 19. Jh. wieder neue Gestalt an, wenn es sich um Festigung des kath. Glaubens handelte.

II. Bauformen

Baugeschichtlich hing die Bedeutung der E. von ihrer liturgischen Zweckbestimmung ab, ob es sich um eine Dom-, Kloster- oder Pfarrkirche handelte; entscheidend war ferner die Vermögenslage der Grundherren. Besonders stattlich sind die von den Kaisern errichteten Dome und Klosterkirchen, wofür die Dombauten in Speyer und Bamberg sowie die Stifts- und Klosterkirchen in Goslar, Limburg a. d. H. und Königslutter charakteristische Beispiele sind. Da die Kaiser meist Mitglieder der Domkapitel waren, hatten sie ihren Ehrensitz im Chor, wo ihr Platz, wenn sie nicht anwesend waren, von dem „rex chori“ eingenommen wurde; in den Stifts- und Klosterkirchen hatten sie ihren Platz in unmittelbarer Nähe des Chores; so stand der noch erhaltene Kaiserstuhl in der Goslarer Stiftskirche ursprünglich an der Südseite vor dem Choraufgang. Auch den fürstlichen und adligen Grundherren sind in den von ihnen angelegten kirchlichen Bauten besondere Ehrenplätze eingeräumt worden. In der unter Heinrich dem Löwen errichteten Braunschweiger Stiftskirche war sein Platz im nördlichen Querhaus neben dem Chor, wohin von Burg Dankwarderode ein Gang hinüberführte. Am Dom zu Meißen, der vor der Albrechtsburg liegt, ist vor der Westfront in got. Zeit eine Fürstenkapelle erbaut worden, die allerdings vornehmlich als Grabstätte diente. Vielfach befanden sich die Ehrensitze auf den Westemporen, die an sich für die Sänger bestimmt waren, wo ihr Platz dann abgesondert war, wie noch heute in der von den Grafen von Rechberg in unmittelbarer Nähe ihres Schlosses erbauten Pfarrkirche zu Weißenstein aus dem 18. Jh. zu sehen ist. In der romanischen, von dem Pfalzgrafen bei Rhein gegründeten Klosterkirche Maria Laach wird die Westempore wohl auch Platz für die pfalzgräfliche Familie geboten haben. In den Pfarrkirchen der späteren Zeit sind dann für die Patronatsherren gewöhnlich Oratorien oberhalb der Sakristeien neben dem Sanktuarium angelegt worden; gute Beispiele bieten die Pfarrkirchen zu Aibling, Bernbeuren, Erbach, Hohenstadt, Innsbruck, Kißlegg und Kösching (s. Patronatskirche). Ein Kennzeichen der E. bilden auch die Stifterdenkmale, die meist in Tumbenform aufgestellt sind, so im Bamberger Dom, in den Klosterkirchen zu Gernrode, Kappenberg, Königslutter, Maria Laach und Rott a. Inn, den Stiftskirchen in Braunschweig, Wechselburg und Tübingen sowie in der Elisabethkirche zu Marburg; besonders eigenartiger Form ist das riesige Denkmal mit hohem Baldachin für den E.-Herren in der Pfarrkirche zu Jever. Wie sehr sich das Naumburger Domkapitel den Grundherren, die ihre Burg für den Dombau übergeben hatten, verpflichtet fühlte, so daß der Naumburger Dom auch als eine Art E. gelten kann, zeigt die Verherrlichung der Stifterfamilie in den Bildwerken an den Wänden des Westchores, war doch auch der damalige Bauherr Bischof Dietrich erst durch das Eingreifen seines Halbbruders, des Markgrafen Heinrich des Erlauchten, als solcher gewählt worden.

III. E. im engeren Sinne (Pfalz-, Burg- und Schlosskapelle)

Als E. im engeren Sinne können die Pfalzkapellen gelten. Sie sind in ihrer baulichen Gestalt recht verschieden gebildet: in zentraler Form (Würzburg, Aachen, Nimwegen, Bamberg, Goslar) oder als rechteckige Saalbauten mit Apsis oder Nische für den Altar (Ingelheim, Gelnhausen, Oberkaufungen). Gleiches gilt von den ma. Burg- oder Gutskapellen, die teils im Burgbau selbst liegen, teils gesondert im Burggelände stehen. Sie haben vielfach einen besonderen Sitz für den Burg- oder Gutsherren, namentlich bei der Anlage als Doppelkapelle, deren Obergeschoß für die Herrschaft bestimmt war, während das Untergeschoß für das Burggesinde und als Grabstätte diente (Nürnberg, Landsberg bei Halle, Neuenburg bei Freyburg a. d. Unstrut, Eger; Schwarzrheindorf); auch sonst sind häufig Emporen gegenüber dem Altar eingebaut (Burghausen, äußere Kapelle), die gegebenenfalls mit den Wohnräumen in Verbindung stehen (bischöfliche Stephanskapelle in Regensburg, Krautheim, Trausnitz bei Landshut); doch gibt es auch einfache Anlagen ohne Emporen (Münzenberg; Wimpfen; Marburg; Burghausen, innere Kapelle; Füssen), von denen einige mit einer Gruftkapelle versehen sind (Brieg; Harburg). Die prot. Schloßkapellen der Renaissancezeit haben vielfach große Emporenanlagen (Torgau; Stuttgart; Hellenstein bei Heidenheim; Neuburg a. d. Donau), in anderer Form, und zwar vielfach mit besonderen Oratorien, auch die kath. (Münchener Residenz, Landshuter Residenz, Heiligenberg), wie sie auch in der Barockzeit noch üblich blieben (Nymphenburg, Schleißheim). Im 18. Jh. sind ferner noch besondere Kapellen neben dem Schloßbau angelegt worden, wie auf der Harburg unter Beibehaltung der alten Gruftkapelle unter dem Altarraum (prot.) und beim Jagdschloß Falkenlust bei Brühl a. Rhein (kath.). Auch die großen barocken Hofkirchen, deren Stifter die weltlichen Herrscher waren, haben am Chor emporenartige seitliche Oratorien als Hoflogen und unter dem Sanktuarium eine Fürstengruft (z. B. die Münchener Theatinerkirche).

Literatur

1. Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des ma.-germanischen Kirchenrechtes, Bln. 1895 (Neuaufl. 1955). – 2. Ders., Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der E. und ihres Rechts, Zs. der Savignystiftung für Rechtsgesch., Kanonistische Abt. 16, 1937, S. 1ff. – 3. Herm. Nottarp, Aus dem fränkischen E.-Recht des 17. Jh., Halle 1937.