Eisenradierung

Aus RDK Labor
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englisch: Etching on iron; französisch: Gravure sur acier à l'eau forte (art graphique); italienisch: Acquaforte su ferro.


Wolfgang Wegner mit Unterstützung von Günter Saur (Kap. II) (1957)

RDK IV, 1140–1152


RDK IV, 1141, Abb. 1. und 2. Eiserne Speerspitze, um 1500, mit eingeätztem Raster.
RDK IV, 1141, Abb. 3. Kupferplatte mit eingeätztem Raster.
RDK IV, 1143, Abb. 4. Daniel Hopfer, 1510-15.
RDK IV, 1143, Abb. 5. Albr. Altdorfer, nach 1530.
RDK IV, 1145, Abb. 6. Albrecht Dürer, 1515.
RDK IV, 1147, Abb. 7. Heinr. Vogtherr, 1545, und W. P. Zimmermann, 1618.
RDK IV, 1149, Abb. 8. Gerard Janssen, 1717.

I. Begriff

E. nennt man eine graphische Technik, bei welcher die Zeichnung in eine Eisenplatte geätzt wird, während man bei der gewöhnlichen Radierung anstelle der Eisenplatte eine Kupferplatte verwendet. Man überzieht die Platte mit einem Ätzgrund (s. Ätzung, RDK I 1223–26), in den man mittels einer Nadel die Zeichnung einritzt. Wird der Ätzgrund einer Säure („Ätzwasser“) ausgesetzt, so graben sich die Linien der Zeichnung auf chemischem Wege in die Platte ein. Technisch ist die E. auf das engste mit der Eisenätzung verwandt, die der Verzierung der Oberfläche von Gegenständen aus Eisen dient. Da der technische Vorgang bei der E. von der Forschung bisher nahezu unbeachtet blieb, ist hier näher auf ihn einzugehen (s. II).

Infolge der früher weniger scharfen Trennung der Metalle „Stahl“ und „Eisen“ und ihren Benennungen sprach man zuweilen auch von „in Stahl ätzen“.

II. Technische Eigenarten

Die von jeher beobachteten Eigentümlichkeiten der E. im Gegensatz zur Kupferradierung, die Unregelmäßigkeit und Rauheit ihres Striches, können auf naturwissenschaftlichem Wege erklärt werden.

Fast alle technisch in Verhüttungsprozessen gewonnenen Metalle sind nicht völlig rein, sondern von Begleitelementen mehr oder weniger stark verunreinigt. Der erzielbare Reinheitsgrad ist u. a. wesentlich vom chemischen Verhalten des betreffenden Metalls abhängig. Während z. B. Kupfer schon seit langem mit nur relativ geringen Gehalten von Verunreinigungen gewonnen wurde, fiel Eisen als eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung an. Im Gegensatz zur Neuzeit, in der der Stahl auf dem Wege über Roheisen mit 2–3% Kohlenstoff gewonnen wird, erhielt man früher den Stahl direkt aus dem Erz; der Stahl selbst ist wiederum eine Legierung mit maximal 1,7% Kohlenstoff und gewissen, jedoch geringen Gehalten an Mangan, Silizium, Schwefel und Phosphor. Die Begleitelemente entstammen im wesentlichen den Verunreinigungen des Erzes, der sog. Gangart, und den Zuschlägen, z. B. der Kohle, die dem Erz aus metallurgischen Gründen während der Verhüttung beigemischt werden müssen. Diese Verunreinigungen reichern sich normalerweise in der Schlacke an.

Ist die Metallschmelze, wie z. B. auch bei der alten Kupfergewinnung, dünnflüssig, so kann die Schlacke leicht in der Schmelze aufsteigen; sie bildet dann eine dicke Kruste, die durch Abziehen entfernt werden kann. Bei dem bis ins 19. Jh. hinein üblichen Stahlgewinnungsverfahren ließen sich jedoch nicht die hohen Temperaturen erreichen, die zur Herstellung einer dünnflüssigen Stahlschmelze notwendig sind.

Der Stahl fiel in einem teigigen Zustand als sog. Luppe an, und die Schlacke mußte durch Aushämmern und Ausschmieden entfernt werden. Dabei war die Trennung vom Metall natürlich nie vollständig zu erreichen. Ein nach solchem Verfahren gewonnener Stahl besitzt daher oft eine große Zahl von Schlackeneinschlüssen, die u. U. schon mit dem bloßen Auge sichtbar sind. Beim Polieren einer derart mit Schlacken durchsetzten Stahloberfläche wird die Schlacke leicht herausgerissen. Es bilden sich Vertiefungen, die einmal die saubere Übertragung der Zeichnung durch den Ätzprozeß ablenken und dadurch die Striche im Abdruck abgesetzt, d. h. geknickt erscheinen lassen können, zum anderen auch von der Druckschwärze ausgefüllt werden und im Druck als schwarze Punkte erscheinen können. Da Kupfer derartige Schlackeneinschlüsse weit seltener zeigt, treten bei Kupferdrucken diese Fehler nicht auf. Solche – relativ groben – Fehler im Abdruck dürften jedoch selten zu beobachten sein; häufiger erscheinen die Strichbegrenzungen selbst unscharf. Dies wird durch ungleichmäßigen Ätzangriff hervorgerufen, eine Folge örtlicher Schwankungen in der Zusammensetzung des Stahls. Während Kohlenstoff, Silizium und Mangan im allgemeinen gleichmäßig verteilt sind, neigen Phosphor und Schwefel zu örtlichen Anreicherungen („Seigerungen“), die mit Hilfe der Oberhoffschen Ätzung sichtbar gemacht werden können (Paul Goerens, Einführung in die Metallographie, Halle a. d. S. 19488, S. 241). Bei einem im Schmelzfluß gewonnenen Metall wie Kupfer wird der Konzentrationsausgleich, d. h. eine gleichmäßige Verteilung der Legierungsbestandteile, sehr rasch und leicht erzielt. Bei der Stahlluppe aber treten erhebliche Schwierigkeiten auf, so daß Seigerungen früher praktisch unvermeidbar waren; beim Kupfer hingegen sind solche Seigerungen im allgemeinen nicht festzustellen.

Die Wirkung eines Ätzmittels ist nicht nur wesentlich von seiner Natur, sondern auch von seiner Konzentration und seinem Dissoziationsgrad, der durch gewisse Zusätze geändert werden kann, sowie auch von der chemischen Zusammensetzung des zu ätzenden Metalls abhängig (Torkel Berglund, Hdb. der metallograph. Schleif-, Polier- u. Ätzverfahren, Bln. 1940, S. 37ff.). Das heißt, daß nicht nur Kupfer anders angegriffen wird als Stahl, sondern daß auch die Angriffswirkung bei Stahl je nach seiner Zusammensetzung verschieden sein kann. Besonders wirken sich Schwankungen im Phosphor- und Schwefelgehalt u. U. auf die Ätzung stark aus. Dementsprechend kann auch an den oben beschriebenen Seigerungsstellen die Ätzung gegebenenfalls anders wirken als in der Umgebung. Ob im Einzelfall eine Verstärkung oder Abschwächung des Ätzangriffs stattfindet, ist im voraus nicht zu entscheiden, da hierbei sowohl das Ätzmittel selbst als auch die Größe der Konzentrationsschwankung von Phosphor und Schwefel von Bedeutung ist. Ein Ätzmittel ist um so empfindlicher gegen derartige Seigerungen, je schwächer die Säure ist, auf der es aufgebaut ist (s. Berglund a.a.O.). Meist verwendete man bei der E. als Ätzmittel bis zum frühen 16. Jh. die wesentlich schwächer wirkende Essigsäure [1; 2; 3].

Um die Wirkung der Seigerungen bei derartigen Ätzmitteln sichtbar zu machen, wurde auf einer Speerspitze aus der Zeit um 1500 eine Wachsschicht aufgebracht, darin ein Raster eingezeichnet und mit verdünnter Natriumazetat-Lösung geätzt (Abb. 1). Die Verwendung dieses Ätzmittels erschien insofern gerechtfertigt, als sich das Kochsalz (NaCl) beim Glühen mit Holzkohle in Natriumkarbonat (Na2CO3) umsetzt und bei Zugabe von Essigsäure (CH3COOH) Natriumazetat (NaCOOH), das Natriumsalz der Essigsäure, bildet. Der Einfluß der Konzentration kann hierbei nicht erfaßt werden, da diese vom Grad der Umsetzung bei der Glühung mit Holzkohle und beim Übergießen mit Essig abhängig ist. – Auf dieses eingeätzte Muster wurde weiterhin eine neue Oberhoff-Ätzung aufgebracht. Wie Abb. 2 zeigt, ist die Schärfe nicht völlig gleichmäßig; an einzelnen Stellen erscheinen die Striche unscharf begrenzt. Es wird sichtbar, daß an der wiedergegebenen Stelle die Ätzung in den Bezirken, an denen Seigerungen auftraten, stärker angegriffen hat. Zum Vergleich dazu zeigt Abb. 3 ein ähnliches Muster, das in Kupfer eingeätzt wurde und derartige Ungleichmäßigkeiten nicht aufweist; das oben angewandte Ätzmittel griff das Kupfer nicht an.

Die heutigen Ätzmittel sind vorwiegend auf der Basis der starken Salz- oder Salpetersäure aufgebaut (Berglund a.a.O.). Diese Säuren waren jedoch vor 1300 nicht bekannt oder zugänglich (R. J. Forbes, A Short History of the Art of Distillation, Leiden 1948, S. 86f.). Die Gewinnung der Salpetersäure aus dem natürlichen Salpeter wurde zuerst um 1300, vermutlich in Italien, so ausgeführt, daß man den Salpeter mit Kupfervitriol und Alaun erhitzte, wobei diese letzteren die Schwefelsäure abgaben, durch die dann der Salpeter zersetzt wurde. Im späteren MA verwendete man hierfür bereits die freie Schwefelsäure. Nach Forbes (a.a.O.) wurden die diesbezüglichen Quellenschriften erst im 15. Jh. allgemein benützt (Geber) bzw. erschienen sie erst im Lauf des 16. Jh. im Druck (Biringuccio, Ortholan). Eine industrielle Herstellung der Salpetersäure gab es in Deutschland neben Italien möglicherweise seit der Wende des 15. zum 16. Jh., die von Schwefelsäure nicht vor dem 17. Jh.

In diesem Zusammenhang verdienen die Stimmen Beachtung, die den Übergang von der Eisen- zur Kupferradierung mit einem Wechsel der zum Ätzen verwendeten Säure im Laufe des 16. Jh. in Verbindung bringen (Alfr. Lichtwark, Der Ornamentstich der dt. Frührenss., Bln. 1888, S. 137; Giorgio Gf. Buonaccorsi, Radierung und Kupferstich, Ravensburg 1916, S. 7).

III. Geschichte

E. sind die frühesten vorkommenden Radierungen. A. M. Hind [8] geht in seiner bemerkenswerten, offenbar aber bisher nicht beachteten Ansicht, daß alle deutschen Radierungen des 16. Jh. E. seien, zu weit.

Augsburg ist der Ort, an dem wir in der Person Daniel Hopfers (Abb. 4) das erste Auftreten der E. feststellen können, wenn die Datierung der bisher als früheste datierte geltenden E. von Urs Graf (His 8; 1513) durch Hans Koegler (Beschr. Verz. der Basler Handzeichnungen, Basel 1926, Nr. 155; ders., Hundert Tafeln a. d. Gesamtwerk des Urs Graf, Basel 1947, S. 27) aus triftigen stilkritischen Gründen zu Recht in Frage gestellt und auf 1523 angesetzt wird. Die Herkunft der E. von der Eisenätzung ist in der Tätigkeit D. Hopfers verbürgt. Auch die von Pauli [7, S. 4] angeführten Beispiele von Flächenätzung (ebd. Taf. IV) und E. (B. 16 und B. 90, ebd. Taf. II) als Beispiele des wiederholten Abdeckens mit Wachs beim Ätzen sind Beweise für diese Herkunft. Die Vermutung, daß die Anregung für Hopfer von italienischen Eisenätzungen kam, ist naheliegend (für die Situation der Waffenforschung vgl. Bruno Thomas, Konrad Seusenhofer-Studien, Konsthist. Tidskrift 18, 1949, 37–70). Das umfangreiche, durch zahlreiche erhaltene E.-Platten technisch gesicherte Werk Daniel Hopfers (Ed. Eyssen, Dan. Hopfer, Diss. Heidelberg 1904; Thieme-Becker 17, 474–77; Erika Tietze-Conrat, Die Vorbilder von D. Hopfers figuralem Werk, Jb. d. Kh. Slgn. Wien 9, 1935, 97–110; dies., When was the First Etching Made?, Print Collector’s Quarterly 27, 1940, 167ff.) beginnt mit dem 2. Jahrzehnt d. 16. Jh., zunächst mit Arbeiten, die der deutschen spätgotischen Tradition verpflichtet sind, und ist dann mehr von italienischer Graphik beeinflußt. Nach der neuesten Forschung kann B. 87 (Gonsalvo de Cordoba, nach E. Panofsky [Art Bulletin 24, 1942, 44ff.] wohl richtiger Kunz von der Rosen darstellend), zuvor als die früheste E. Hopf ers angesehen, nicht vor 1515 entstanden sein.

Gleichfalls nach Augsburg weisen die E. des Monogrammisten CB (Thieme-Becker 37, S. 381; Ernst Buchner, Zs. f. Kunst 4, 1950, 321). Der Gedanke, das Aufkommen der E. mit Hans Burgkmair d. Ä. zu verbinden, was nach dessen künstlerischer Bedeutung sowie seinen vielfachen Beziehungen zur Plattnerei naheliegen würde, entbehrt bisher der sicheren Begründung. Die einzige für ihn gesicherte E., „Merkur, Venus und Amor“, kann erst um 1520 angesetzt werden (Wend. Böheim, Meister der Waffenschmiedekunst v. 14.–18. Jh., Bln. 1897, S. 23; Campb. Dodgson, The Print Collector’s Quarterly 19, 1932, 88; Arth. Burkhard, H. Burgkmair d. Ä., Lpz. 1934, S. 135, Abb. 85).

Albrecht Dürers E. (B. 19 [Abb. 6], B. 22, 26, 70, 72, 99), zwischen 1515 und 1518 entstanden, sind nicht nur künstlerisch die bedeutendsten deutschen E., sondern zeigen auch, daß in der Hand eines Meisters die Technik der E. in der Feinheit der Linien hinter der Kupferradierung nicht zurückstehen muß. Dürer handhabte auch bereits das Auswischen der Druckschwärze, das sonst in dieser Zeit der Auseinandersetzung mit einer neuen Technik nicht immer klar und sauber geübt wurde, sicher und nützte es sogar in verschiedenen Drucken zu jeweils ganz verschiedenartigen künstlerischen Wirkungen aus (Abb.: Jos. Meder, Dürer-Kat., Wien 1932, S. 54f.). Wie unten zu zeigen sein wird, war die relativ schlechte Haltbarkeit des E.-Materials einer der Gründe, die in Deutschland den Übergang zur Kupferradierung herbeiführten. Für die in diesem Zusammenhang wichtigen Beziehungen Dürers zu Augsburg vgl. Paul Post (Zum „Silbernen Harnisch“ Kaiser Maximilians I. von Coloman Kolman mit Ätzentwürfen A. Dürers, Z. h. W. K., N.F. 6, 1937/39, 253–58; Hermann Warner Williams Jr., Dürer’s designs for Maximilian’s silvered armour, Art in America 29, 1941, 73–82). Einen Überblick über die E. von Hans Sebald Beham (seit 1519), Bartel Beham, Heinr. Aldegrever (1528) und Jakob Binck gibt G. Pauli [7]. Über die Frage, ob die Radierungen Albr. Altdorfers (Abb. 5), die 1519 einsetzten, E. seien oder nicht, herrschte bisher Unklarheit.

Pauli [7] spricht von E., dagegen Frz. Wickhoff (Ein Musterbuch eines ital. Waffenschmiedes aus dem Beginn des 16. Jh., in: Schriften, hrsg. von Max Dvořák, Bd. 2, Bln. 1913, S. 276f.), gefolgt von Heinr. Leporini (Der Kupferstichsammler, Bln. 1924, S. 62), von Kupfer- statt von E.-Platten; es existieren aber keine E.-Platten. Karl Schwarz (Aug. Hirschvogel, Bln. 1917, S. 95) nennt Altdorfer den ersten Kupferradierer. Max J. Friedländer äußert sich in „A. Altdorfers Landschaftsradierungen“ (Bln. 1906) zur Frage der Technik nicht, sagt dagegen in „Die Radierung“ (Bln. 1921, S. 26): „Die Hopfer haben sich eiserner Platten bedient, vermutlich auch Dürer und Altdorfer, dessen Ornamentblätter nicht selten Rostflecke erkennen lassen.“ Die auch in der Publikation von Friedländer erkennbaren, unter der Kolorierung liegenden Flecken der Wiener Folge von Landschaftsradierungen (1522f. entstanden) machen es höchst wahrscheinlich, daß es sich hier um E. handelt (das Wiener Exemplar von B. 64, Synagoge 1519, zeigt ebenfalls solche Spuren), wie auch die Rostflecken auf den Münchner und Wiener Exemplaren der Pokalserie (B. 80f., nach 1530 entstanden) eindeutig für E. sprechen (Abb. 5).

Für die Niederlande wird, abgesehen von einer E. von Jan Gossaert, der Übergang zur Kupferplatte zugleich mit dem Auftreten der Radierung bei Lucas van Leyden angenommen. Die Anregung zur Radierung ging bei diesem jedenfalls von den E. Dürers aus (Ausst. Kat. „L. v. Leyden en tijdgenoten“, Rotterdam 1952, S. 10); nach Karel van Mander lernte er das Ätzen hingegen von einem Harnischätzer (Schilder-Boeck, Haarlem 1604, fol. 214 a: „Het Plaet-snyden soude hij geleert hebben van eenen die Harnassen hetste, en met sterck water beet, met oock eenigh onderwijs van een Goutsmit“). Spätere E. stammen von Jan Swart van Groningen, 1553, 1557 (Ludw. Burchard, Mitt. d. Ges. f. vervielfältigende K., 1914, 1–4; Thieme-Becker 32, S. 342).

Für die Anfänge der italienischen Radierung nimmt Joh. Wilde (Die Anfänge der ital. Radierung, Diss. Wien 1918, S. 1, 5, 14, 25) Kupfer als Material an, weist aber für die erste italienische Radiertätigkeit (Marcantonio Raimondi im 2. Jahrzehnt d. 16. Jh.) neben den vermuteten deutschen Vorbildern ebenfalls auf italienische Waffenätzer als mögliche Vorläufer hin. Francesco Parmigianino wird von Vasari (Ausg. Florenz, Torrentino 1550, 3. Teil, S. 850 u. 852) als Erfinder der Bearbeitung von Eisen- oder Kupferplatten mit Ätzwasser genannt, eine Behauptung, die Vasari 1568 allerdings zurücknahm.

Stellt man die Frage nach der weiteren Verwendung der E. in Deutschland, so muß man wohl entsprechend der großen Rolle der Eisenätzung annehmen, daß die E. das ganze 16. Jh. hindurch ausgeübt wurde. Gesicherte E. liegen – merkwürdigerweise auch alle aus Augsburg – vor:

1) „Erneuertes Geschlechterbuch der löblichen deß heiligen Reichs Statt Augspurg Patriciorum ... von Joh. Burgkmair (d. J.) und Heinrich Vogtherr vor anno 1545 in Stahel zierlich geradirt, die übrigen durch Wilh. Peter Zimmermann aufs fleißigst hinzu getan worden ... in Kupffer und Stahel geradirt und geätzt“ usw., Augsburg 1618 (Abb. 7). – 2) Wilh. Peter Zimmermann, „Relatio: Außführlicher Bericht, waß sich mit dem Passawischen Kriegsvolk ... verloffen“, Augsburg 1611 (14 Stahlradierungen; als E. erwähnt im Aukt.Kat. 54 von E. Hauswedell, Hamburg, Sept. 1953, Nr. 44; Hinweis von H. Domitzlaff). – 3) Am 20. April 1574 wurden dem Augsburger Ulrich Schweiher für das „Conterfet in Stahel“, das er in Friedberg bei Augsburg von dem nachmaligen Hzg. Wilhelm V. von Bayern angefertigt hatte, 100 fl gezahlt (Schuldverzeichnis des Hauses Fugger, fol. 22 v; B. Ph. Baader, Der bayer. Renaissancehof Hzg. Wilhelms V., Straßburg 1943, S. 301, Anm. 362; nur urkundlich überliefert; in München und Wien waren keine Drucke des Blattes festzustellen). – 4) Daß bei Hieronymus Hopfer, Daniels Sohn, der, seit 1531 in Nürnberg tätig, 1550 noch am Leben war, E. vorliegen, dürfen wir wohl annehmen.

Ein festes Datum für den Beginn des Übergangs von der E. zur Kupferradierung (um 1540–50) dürfte in dem Zeitpunkt gegeben sein, als in späteren Abzügen der frühen E., z. B. Dürers, die durch ihr Wasserzeichen fest datierbar sind (Meder a.a.O. Kat.Nr. 19: seit 1550; Nr. 67: um 1540/50; Nr. 96 „Die Kanone“ von 1518: bereits nach 1520!), Spuren des inzwischen auf den Platten aufgetretenen Rostes erkennbar wurden. Ein Beispiel für den Übergang von der E. zur Kupferradierung scheint das Werk von Hanns Lautensack zu sein, bei dem technische Unsicherheiten neben Spuren von Rost bzw. deren Tilgung auf einigen frühen Arbeiten an E. denken lassen (Annegrit Schmitt, Hanns Lautensack, Diss. München 1955 [masch.]; z. B. Schm. 47, St. Graph. Slg. München Inv.Nr. 102 316: 1544 datiert; unsigniert: B. 2, Schm. 1: 1552), während dies später nicht mehr der Fall ist und z. B. bereits von der Ansicht von Nürnberg (B. 59, Schm. 50: 1552) die Kupferplatten erhalten sind (München, St. Graph. Slg.). Schmitt setzt den Übergang von Eisen zu Kupfer bei Lautensack 1551/52 an (a.a.O., Ms. S. 30) und weist nach, daß Lautensack seine Schule als Goldschmied und Kupferstecher, nicht als Waffenätzer durchgemacht habe. Es ist daher um so bezeichnender, daß er seine ersten Ätzversuche auf Eisen und nicht auf Kupfer vornahm.

In den zeitgenössischen Traktaten und Kunstbüchlein ist bis ins späte 16. Jh. hinein im allgemeinen nur vom Ätzen auf Eisen oder Stahl die Rede.

Beispiele der ausnahmsweisen Erwähnung der Ätzung auf Kupfer sind: 1) Boltz von Ruffach, 1549 [3, S. 127]. – 2) Andreas Helmreich aus Halle a. d. S., 1589 (Ernst Darmstaedter, Berg-, Probir- und Kunstbüchlein, München 1926, S. 94). – 3) Paduaner Ms. Mitte 16. Jh. (Ernst Berger, Quellen für Maltechnik während der Renss., München 1901, S. 384). – Vgl. auch [2; 4].

Wie schon die zuvor erwähnten Beispiele zeigen, ist die Verwendung von Kupfer- statt E. in der Folgezeit trotzdem nicht als allgemein anzunehmen. Beide Materialien wurden wahrscheinlich nebeneinander gebraucht, wie es ja z. B. der oben zitierte Titel des Augsburger Geschlechterbuchs zeigt. Die ausschließliche Verwendung und die beherrschende Rolle der Kupferradierung in der italienischen und niederländischen Graphik des 17. Jh., zusammen mit dem Niedergang der Eisenätzung in der Plattnerkunst, dürften auch das Ende der E. nach sich gezogen haben. Die im 18. Jh. vereinzelt stehenden, zwischen 1717 und 1722 datierten E. von Gerard Janssen (Abb. 8) nehmen auch technisch eine Sonderstellung ein (Alfr.

Seyler, Neues zu Gerard Janssen, Die Graphischen Künste N.F. 4, 1939, 5–7). In jüngster Zeit spielt die E. in der Graphik Noldes eine wichtige Rolle (Gust. Schiefler, Das graphische Werk Emil Noldes I, Bln. 1911, S. 7 und Kat.).

Zu den Abbildungen

1. und 2. Eiserne Speerspitze, um 1500. Darauf ein mittels Oberhoffer-Ätzung eingeätzter Raster; die Seigerungen erscheinen dunkel. Vergrößerung 1 : 6 und 1 : 15. Fot. Inst. f. Metallurgie und Metallkunde, München.

3. Kupferplatte, um 1700. Darauf ein mit verdünnter Salpetersäure eingeätzter Raster. Vergrößerung 1 : 8. Fot. Inst. f. Metallurgie und Metallkunde, München.

4. Daniel Hopfer, Liebespaar (Eyssen 74). Eisenradierung, 22,7 × 15,1 cm. Um 1510–15. Fot. Albertina, Wien.

5. Albrecht Altdorfer, Pokalentwurf (B. 91). Eisenradierung mit Rostfleck, 17,4 × 9,7 cm. Nach 1530. Fot. St. Graph. Slg. München.

6. Albrecht Dürer, Christus in Gethsemane (B. 19). Eisenradierung, 22,1 × 15,6 cm. Dat. 1515. Fot. St. Graph. Slg. München.

7. Heinrich Vogtherr, Blatt 67 aus dem Augsburger Geschlechterbuch; zweiter, von Wilh. Peter Zimmermann beschrifteter Zustand. Eisenradierung, ca. 20,5 × 13,8 cm. 1545 bzw. 1618. Fot. G.N.M. Nürnberg.

8. Gerard Janssen, Herrenhaus und Gutshof. Eisenradierung, 21 × 29,8 cm. (Unikum, ehem. in der St. Graph. Slg. München, 1944 zerst.). Dat. 1717. Nach Die Graph. Künste N.F. 4, 1939, S. 6.

Literatur

I. Quellen: 1. William M. Ivins Jr., An Early Book about Etching (1531), Bull. of the Metropolitan Mus. of Art 12, 1917, 174–76 (auch in: W. M. Ivins Jr., Prints and Books, Cambridge [Mass.] 1927, S. 165–68). – 2. Hermann Warner Williams Jr., A Sixteenth-Century German Treatise, Von Stahel und Eysen (1539), Technical Studies 4, 1935/36, 63–92. – 3. Valentin Boltz von Ruffach, Illuminierbuch (1549), hrsg. von C. J. Benziger, München 1913. – 4. J. G. van Gelder, Hollandsche Etsrecepten vóór 1645, Oud Holland 56, 1939, 113–24.

II. Schrifttum: 5. E. von Harzen, Über die Erfindung der Ätzkunst, Naumanns Archiv 5, 1859, 119ff. – 6. S. R. Köhler, Über die Erfindung der Ätzkunst, Zs. f. bild. Kunst N.F. 9, 1897/98, 30–35. – 7. Gustav Pauli, Inkunabeln der dt. und niederländ. Radierung, Bln. 1908. – 8. Arthur M. Hind, A Short History of Engraving and Etching, London 1908, S. 105, 109. – 9. Jan Lauts, Die Anfänge der Waffenätzung und Radierung, Geistige Arbeit 3, 1936, Nr. 14 S. 1–2.

Verweise