Endymion

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englisch: Endymion; französisch: Endymion; italienisch: Endimione.


Leopold Ettlinger (1960)

RDK V, 326–333


RDK V, 327, Abb. 1. Govert Flinck, um 1640, Vaduz.
RDK V, 327, Abb. 2. Januarius Zick, um 1780-90, Privatbesitz.
RDK V, 329, Abb. 3. Balthasar Permoser, Anf. 18. Jh., Privatbesitz.
RDK V, 331, Abb. 4. Asam-Werkstatt, um 1730, Alteglofsheim.

I. Quellen

E. war ein griechischer Hirt – die Sage wird gewöhnlich auf den Berg Latmos in Karien lokalisiert –, dem Zeus auf seinen Wunsch ewigen Schlaf und ewige Jugend gewährte. Die Mondgöttin, die den schönen Schläfer fand, verliebte sich in ihn [1; 2].

Die von Pseudo-Apollodor (Bibliothek I, 7, 5), von Lukian (Dialog. deorum 11) und Fulgentius (Mythol. II, 16) – nicht aber von Ovid in den Metamorphosen – berichtete Sage von Diana-Luna (Selene) und E. wurde seit Boccaccio (De genealogia deorum IV, 16) von den Mythographen aufgegriffen und besonders bei Natalis Comes (Mythol. IV, 8) ausführlich erzählt; auch Erasmus bespricht in den Adagia, unter Berufung auf Aristoteles (Eth. Nicom. X, 8) und Cicero (Tusc. I, 92), die E.-Legende als Beispiel der somnolentia. Die bildenden Künstler hielten sich zuweilen auch an eine Version der Sage, die Athenäus (Deipn. XIII, 564) überliefert, wonach der Schlafgott Hypnos aus Liebe zu den schönen Augen des E. diese sich auch im Schlaf nicht schließen ließ. – Die Dichtkunst von der Renaissance bis ins 19. Jh. (John Keats) hat den E.-Stoff, oft in neuplatonischer Auslegung (Douglas Bush, Mythology and the Renaissance Tradition in English Poetry, Minneapolis 1932, S. 157f.), wiederholt gestaltet.

II. Darstellungen

A. Antike

Vor der hellenistischen Kunst scheint die Sage nicht dargestellt worden zu sein (anders jedoch bei Roger Hinks, Myth and Allegory in Ancient Art [= Stud. of the Warburg Inst. 6], London 1939, S. 29). Ein frühkaiserzeitliches Relief im Kapitolinischen Museum zu Rom (Kat. H. St. Jones, Oxford 1912, S. 219 u. Taf. 53) zeigt den schlafenden E. allein mit einem den Mond anbellenden Hund; Diana-Luna und E. zusammen erscheinen auf pompejanischen Wandbildern (Paul Herrmann, Dkm. der Malerei des Altertums, Mchn. 1904–31, Taf. 134–36) und wiederholt auf römischen Sarkophagen (Carl Robert, Die antiken Sarkophag-Reliefs III, 1, Bln. 1897, S. 53–111, Taf. 12–25; dazu Bull. Metrop.Mus. 15, 1956/57, 123–28), für die gerade dieses Motiv wie viele andere wohl seiner eschatologischen Bedeutung wegen gewählt wurde (Franz Cumont, Recherches sur le symbolisme funéraire des Romains, Paris 1942, S. 246–50). Möglicherweise ist aus diesem Grunde auch die Gestalt des schlummernden E. als Vorbild für den ruhenden Jonas auf frühchristlichen Sarkophagen übernommen worden (Ed. Stommel, Beitr. z. Ikonographie der konstantinischen Sarkophagplastik [= Theophaneia 10], Bonn 1954, S. 49; ders., Jb. f. Antike u. Christentum 1, 1958, 114f.; M. Simon in: Actes du Ve Congrès internat. d’archéol. chrétienne, Vatikanstadt u. Paris 1957, S. 317).

B. Neuzeit

Die bildende Kunst benutzte den E.-Stoff seit der Renaissance einmal um das arkadische Motiv des schlafenden Hirten darzustellen; in diesem Falle erscheint E., wie schon auf dem antiken kapitolinischen Relief, allein, und Luna als Mondsichel gießt ihr Licht über den Schläfer (Cima da Conegliano, Parma, Gall.Naz.: Ausst.Kat. „Giorgione e i Giorgioneschi“, Venedig 19552, S. 150f.; Guercino, Rom, Gall. Doria; auch ein Tafelbild Carpaccios mit Darstellung eines geharnischten Jünglings, um 1515–20 Der Name des Attributs „[Ort“ enthält das ungültige Zeichen „[“, das nicht hierfür verwendet werden kann., Slg. Arthur Sulley: L’Arte 33, 1930, 389], wird von Lionello Venturi wegen des über dem Bild ausgegossenen Mondlichts und eines den Mond anbellenden Hundes als E. gedeutet).

Andererseits gehört Dianas Besuch bei dem schlafenden E. zu dem beliebten Sagenkreis der Götterliebesgeschichten. In zyklischen Darstellungen dieses Kreises finden wir die Diana-E.-Legende zuerst bei Peruzzi in der Farnesina, um 1511 (Rich. Förster, Farnesina-Studien, Rostock 1880, S. 95f.; Elsa Gerlini, La Villa F. in Roma, Rom 1949, Abb. 37), dann in Vasaris Dekorationen für die Sala degli Elementi im Pal. Vecchio in Florenz (Vasari Mil. Bd. 8, S. 23) und vor allem auch in Annibale Carraccis Götterlieben im Pal. Farnese, um 1600 (Herm. Voß, Die Malerei des Barock in Rom, Bln. o. J., Taf. 170; Skizze dazu: St. Graph. Slg. München, Inv.Nr. 2844). Als einzelne Darstellung erscheint die E.-Legende bereits in der italienischen Malerei des 16. Jh., jedoch erfreute sich gerade dieser Stoff seiner größten Beliebtheit im 17. und 18. Jh. [3].

Als Beispiele seien – außer den bei Pigler [3] genannten – noch erwähnt: aus dem 16. Jh. ein Gem. von Giulio Romano im Mus. Budapest (Kat. 1910, Nr. 125) und ein Majolikateller des Jacopo da Caffagiolo (Pantheon 11, 1933, 111–13); aus dem 19. Jh.: ein Gem. des Domenico Pellegrini (1759–1840; L’Arte 12, 1909, Abb. S. 106) und zwei Gem. des Giov. Carnevali (1806–73; Ausst.Kat. „Il Piccio“, Bergamo 1952, Taf. 67 u. 68). – Durchaus ungewöhnlich ist die Darstellung von Diana und E. als Büsten, wie sie Giuseppe Mazzuoli d. Ä. (1644–1725) nach antiken Vorbildern – Diana und Satyr – schuf (Ant. Muñoz, L’Arte 19, 1916, 159f.).

Auch die niederländische Malerei ist reich an Darstellungen der Diana-E.-Legende (Abb. 1; Nachträge zur Liste bei [3]: zwei Gem. von Barend Graat, 1937 im Londoner Kunsthandel und 1928 in der Slg. E. v. Kovacs-Kanapy, Budapest [als Rubens], und Zchg. von M. Terwesten im Kk. Dresden: Fot. Netherl. Art Inst. L.Nr. 7072, 8163 und 8234; Gem. auf Kupfer von G. de Lairesse: Ausst.Kat. „The Hammer Collection“, Greenville, South Carolina, 1957, Abb. S. 27). – In der französischen Kunst ist besonders auf den Roman „L’Endymion“ des Jean Ogier de Gombauld hinzuweisen, der 1624 mit Kupfern von Crispyn de Passe erschien (Hofer Abb. 27; „eines der schönsten ill. Bücher der frz. Barockzeit“); diese beeinflußten auch das Kunstgewerbe (Warburg Journ. 19, 1956, Taf. 47–49; ebd. S. 262–65 Inhalt des Romans).

In der deutschen Kunst erscheint der E.-Stoff, soweit aus dem Denkmälerbestand zu schließen, erst seit dem späten 17. Jh. Balthasar Permoser zeigt den schlafenden E. allein, in einem Elfenbeinrelief (Abb. 3), merkwürdigerweise in starker formaler Anlehnung an den hl. Laurentius von Bernini (Ernst Michalski, B. P., Ffm. 1927, Taf. 10; eine Elfenbeingruppe Permosers mit Luna, die auf Wolken über E. schwebt, im Hzg. A.U.Mus. Braunschweig: Kat. Scherer 1931, Taf. 45). Diana und E. sind wiederholt in Barock- und Rokoko-Dekorationen dargestellt worden: Stuckrelief in Berlin, von einem Nachfolger Schlüters (Jb. d. preuß. K.slgn. 54, 1933, S. 59 Abb. 11); Fresko von Martin Altomonte im Schlafzimmer des Unteren Belvedere in Wien, 1716 (Kat. Wiener Barockmuseum, Wien 19342, S. 43f.); Fresko von Daniel Seiter im Pal. Reale in Turin, um 1690 (H. Voß a.a.O. S. 591). Als Einzelbild besonders seines arkadischen Charakters wegen im Rokoko beliebt, finden wir Diana-E.-Darstellungen auch auf Tafelbildern: Januarius Zick (Abb. 2 und Kat. Wiener Barockmus. Nr. 115, Taf. 248); Tiroler Maler 1. H. 18. Jh. (Innsbruck, Mus. Ferdinandeum: Kat. Neuerwerbungen 1938/39, Nr. 35 a; Luna erscheint hier in einer durchsichtigen Kugel); Kremser Schmidt (Zchg. zu einem Gem. von 1794, Wien: Kat. Wiener Barockmuseum 19342, Nr. 190 u. Taf. 229); Norbert Grund (Gem. ehem. im Rudolphinum, Prag: Kat. 1912 Nr. 213); Joh. Konr. Seekatz (Supraporte aus Schloß Braunshardt, 1765, im Schloßmus. Darmstadt: L. Bamberger, J. C. S. [= Heidelberger kg. Abh. 2], Heidelberg 1916, Abb. 52); Adam Frdr. Oeser (Kaminstück für ein Zimmer in Leipzig, vor 1788: Alphons Dürr, A. F. Oe., Lpz. 1879, S. 183; Tafelbild, 1937 im Berliner Kunsthandel: Weltkunst 11, 1937, Nr. 12 S. 4); Deckenbild aus dem Umkreis C. D. Asams im Schloß Alteglofsheim (Abb. 4); Miniatur auf Elfenbein von Heinr. Frdr. Füger, um 1774, Hist. Mus. der Stadt Wien, Inv.Nr. 114.480; weitere Beispiele bei [3]; erwähnt sei schließlich ein Zyklus von Leinwandtapeten mit mehreren Szenenbildern der E.-Legende, aus Schloß Lüderbach stammend, im Hof v. Buttlar in Zwesten Krs. Fritzlar (Jb. d. Dpfl. im R. B. Cassel 1, 1920, Taf. 93f. u. S. 101). – Die Plastik hat das E.-Motiv seltener dargestellt: außer den genannten Beispielen sei auf einen Elfenbeinhumpen des 17. Jh. in Braunschweig (Kat. Scherer Nr. 362) und auf Joh. Gg. Dorfmeisters vergoldete Bleigruppe von 1765 im Österr. Barockmus. in Wien (Kat. 19342 Nr. 193 u. Taf. 126) hingewiesen.

Als typisch für die Verwendung des E.-Stoffes mag auch erwähnt werden, daß gerade dieses Thema als Allegorie des Schlafes in Schlafzimmern (z. B. Hampton Court Palace, Schlafzimmer Wilhelms III., Deckenbild von Ant. Verrio, um 1690; Wien s. o.) dargestellt wurde.

Merkwürdigerweise hat Moritz von Schwind die E.-Legende unter die Philostratischen Gemälde der Karlsruher Kunsthalle, 1842/43, aufgenommen, obgleich Philostrat kein Gemälde dieser Art beschreibt und der Stoff auch nicht zu den von Goethe vorgeschlagenen Ergänzungen gehört (R. Förster, M. v. Schwinds Philostratische Gemälde, Lpz. 1903, S. 21; Otto Weigmann, M. v. S. [= Kl. d. K. 9], Stg. u. Lpz. 1906, S. 185). Auch Hans Thoma hat denselben Stoff gewählt.

Darstellungen des Besuches der Diana bei E. ist zuweilen die Figur des Amor beigefügt (schon auf römischen Sarkophagen, s. Robert a.a.O.; Ann. Carracci, Pal. Farnese; Jacob Wet, Hopetoun Slg., Linlithgow: Abb. 2; Joh. Gg. Dorfmeister; Ad. Frdr. Oeser), ein Motiv, das wohl der berühmten Schilderung der Jagd Didos mit Aeneas entlehnt ist. Mehrfach bereichern auch zwei Putten oder Eroten die Szene, deren einer den Finger Schweigen gebietend an den Mund legt.

Zu den Abbildungen

1. Govert Flinck, Diana und Endymion. Gem. a. Lwd., 1,41 × 1,08 m. Schloß Vaduz, Slgn. des Fürsten von Liechtenstein. Um 1640. Fot. Hanfstaengl, München.

2. Januarius Zick, Luna und Endymion. Gem. a. Lwd. (vgl. W. R. Jb. 9, 1936, 175f.). Privatbesitz. Um 1780–90. Fot. unbekannt (ZM).

3. Balthasar Permoser, schlafender Endymion. Elfenbeinrelief, 7 × 14 cm. Privatbesitz. Anf. 18. Jh. Fot. Hans Roth, München.

4. Schloß Alteglofsheim Lkrs. Regensburg, Deckenfresko im Turmzimmer des inneren Südflügels. Werkstatt des Cosmas Damian Asam, um 1730. Fot. Lore Hamacher, Konstanz, AE 17.

Literatur

1. Pauly-Wissowa Bd. 5, Sp. 2557 bis 2560. – 2. Roscher Bd. 1, Sp. 1246–48. – 3. Pigler Bd. 2, S. 151–55.

Verweise