Erlösung (Epos)

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englisch: Salvation; französisch: Le Salut; italienisch: Redenzione.


Manfred F. Fischer (1966)

RDK V, 1285–1288


RDK V, 1285, Abb. 1. Ehem. Berlin (z. Z. verschollen), 1337.
RDK V, 1285, Abb. 2. Nürnberg, 1465.

Das geistliche Epos „Die E.“ entstand im 1. V. 14. Jh. im Gebiet von Hessen und Nassau oder in Trier (wie aus der Sprache der Dichtung und der Herkunft der meisten überlieferten Handschriften des Werkes hervorgeht: [1]); der Verfasser des über 7000 Verse langen Epos dürfte ein Geistlicher gewesen sein.

Die Dichtung handelt von der Errettung der sündigen Menschheit durch Christi Erlösertat. Die Darbietung des Stoffes, die szenischer Darstellung entgegenkommt (ein für bühnenmäßige Aufführung umgearbeiteter Text ist fragmentarisch überliefert: [2] S. 196), beginnt mit der Schilderung der Schöpfung und des Sündenfalles, es folgt eine Disputation im Himmel, bei der es darum geht, wie Gottes Zorn über den Ungehorsam der Menschen besänftigt werden könne; nachdem vier Tugenden (Barmherzigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede) ihre Meinung vorgetragen haben, erklärt sich Christus bereit, der Menschheit wieder zur früheren „wirdekeit“ zu verhelfen, indem er das Erlösungswerk auf sich nimmt. Danach erscheinen in langer Reihe jüdische und heidnische „Propheten“, welche auf die künftige Geburt Christi hingewiesen haben. Vom Leben Jesu ist die Jugend und die Passion ausführlicher behandelt, Christi Wirken hingegen nur kurz gestreift. Gelegentlich flicht der Dichter in seine Darstellung Abschnitte über dogmatische Fragen ein, vor allem über die Dreifaltigkeit.

Die zwei einzigen illustrierten Handschriften des Epos – acht sind insgesamt erhalten – stammen aus Mainz (ehem. Berlin, Preuß. St.B., ms. germ. 4° 1412, seit dem Kriegsende verschollen: Wegener [3], dessen Beschreibung nach Maurer [1] zu vervollständigen ist; zum Stil der Bilder: Stange [4]) und aus dem Neckartal (Nürnberg, Stadtbibl., ms. Solger 15 fol.: Maurer [2], S. 201f.); sie sind 1337 bzw. 1465 entstanden. Beide Hss. sind unvollständig, ergänzen einander jedoch so, daß sie zusammen das ganze Epos bis auf etwa 180 Verse enthalten. Soweit Anordnung und Thematik der Bilder in den Hss. noch verglichen werden können, stimmen sie in hohem Maße überein, obwohl die jüngere Hs. weder in ihrer Textfassung noch in künstlerischer Hinsicht unmittelbar von der älteren abhängig ist. Die für die einzelnen Darstellungen gewählten Bildformate sind in beiden Hss. gleich: die meisten Bilder wurden in die Kolumnen der zweispaltig beschriebenen Seiten eingefügt, nur wenige erstrecken sich über die ganze Breite der Seite (Anbetung der Drei Könige, Beschneidung Christi, Einzug in Jerusalem, Weltgericht); die Nürnberger Hs. bringt vor dem Anfang des Textes (der in Berlin fehlt) ein ganzseitiges Bild mit Darstellung der vier Elemente (vgl. Sp. 1074, Abb. 42).

Die Anordnung der Illustrationen variiert nur geringfügig: in drei Fällen haben die Bilder in der Nürnberger Hs. einen anderen Platz bekommen (Bild nach V. 284: 19 Verse später als in Berlin; nach V. 1300: einen Vers früher; nach V. 5667: 10 Verse später). Auffälligerweise wurden in beiden Hss. der Tod Mariä bzw. ihre Exequien an einer dem Text nicht ganz entsprechenden Stelle eingefügt (vor V. 6089 [1, S. 256], aber: V. 6116ff. Beschreibung der Exequien und des Empfangs der Seele Mariä durch Christus). – Ebenfalls dreimal kam es im Bildschmuck der Nürnberger Hs. zu thematischen Veränderungen gegenüber der Berliner: statt der Erschaffung Evas (Berlin) ist diejenige Adams geschildert, statt des thronenden Antichrist dessen Geburt und anstelle des Todes Mariä die Exequien der Gottesmutter (in einer der Berliner Illustration nah verwandten Bildform: vgl. Wegener [3], S. 128 Abb. 112, und Abb. 2). Auf die Darstellung des ungläubigen Thomas (in der Berliner Hs. vor V. 5749) verzichtete der Illustrator der Nürnberger Hs.

Der Illustrationstypus zu dem Epos, den zu erschließen das Ergebnis der vergleichenden Betrachtung der in Frage kommenden Hss. nahelegt, umfaßte mindestens 53 Bilder. Diese begleiten den Text der Dichtung nicht gleichmäßig fortschreitend. Auf die Bilder zur Schöpfung (Elemente, Erschaffung Evas oder Adams, Sündenfall) folgen nach über 900 unbebildert gebliebenen Versen in dichter Reihe die der „Propheten“, deren Zahl hier viel größer ist als in den meisten entsprechenden Zeugenlisten (vgl. Ps.-Augustinus, Contra Iudaeos, Paganos et Arianos Sermo de Symbolo: Migne, P.L. 42, Sp. 1117ff.; sog. „Ordo Prophetarum“: Karl Young, The Drama of the Medieval Church, Oxford 1933, Bd. 2 S. 125–71; im übrigen s. Geburt Christi). Die ersten Darstellungen aus dem Leben Jesu sind die Geburt Christi, die Anbetung der Drei Könige, die Beschneidung Christi, der bethlehemitische Kindermord und der zwölfjährige Jesus im Tempel; ausführlicher wird die Bebilderung erst wieder mit den Illustrationen zu dem Passionsbericht (die bei Maurer [1] nicht angemerkte Kreuzigung Christi steht in der Nürnberger Hs. vor V. 5205; Berlin hat hier Textlücken bis V. 5365), an den sich folgende Szenen anschließen: Auferstehung Christi (Abb. 1), Frauen am Grabe, ungläubiger Thomas, Himmelfahrt Christi, Pfingsten und Tod (Exequien) Mariä. Mit vier Abbildungen aus dem eschatologischen Bilderkreis schließt der Bildzyklus ab (Antichrist, Henoch und Elias sowie Weltgericht). Auffälligerweise sind sämtliche Textabschnitte allegorischen und moralischen Inhalts unbebildert geblieben.

Der Illustrationszyklus besteht aus zwei heterogenen Bildgruppen: deren eine machen szenische Darstellungen aus, die andere enthält die „Autorenbilder“ der Propheten. Für beide gab es jeweils ältere Vorlagen, doch ist die Kombination, die für die Illustration zu dem Epos charakteristisch ist, bisher in der früheren Buchmalerei mit keinem als Vorbild in Frage kommenden Beispiel zu belegen gewesen.

Zu den Abbildungen

1. Ehem. Berlin, Preuß. St.B. (seit 1945 verschollen), ms. germ. 4° 1412 („Die Erlösung“), Auferstehung Christi. Lavierte Federzchg. Mittelrhein, dat. 1337. Nach [3], Abb. 111.

2. Nürnberg, Stadtbibl., ms. Solger 15 fol. (Sammelhs., enthält u. a. „Die Erlösung“), fol. 141v, Exequien Maria. Lavierte Federzchg. 1465 im unteren Neckartal entstanden. Fot. Bibl.

Literatur

Zum Text: 1. Frdr. Maurer, Die Erlösung. Eine geistliche Dichtung des 14. Jh. (– Dt. Lit. ... in Entwicklungsreihen, Reihe „Geistl. Dichtung des MA“, Bd. 6), Lpz. 1934. – 2. Ders. Überlieferung und Textkritik der Erlösung, Zs. f. dt. Altertum und dt. Literatur 68, 1931, 196–214.

Zur Illustration: 3. Beschr. Verz. Bln. Bd. 5, S. 127f. – 4. Stange Bd. 1, S. 72.

S. a. Epenillustration (Sp. 845f.).