Erzengel

Aus RDK Labor
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englisch: Archangels; französisch: Archanges; italienisch: Arcangeli.


Karl-August Wirth (1966)

RDK V, 1405–1408


Nach spätjüdischer und christlicher Auffassung gibt es verschiedene Engelgruppen; deren eine bilden die E. (griech. ἀρχάγγελοι, latinisiert archangeli), die „über die Engel herrschen“ (so z. B. Johannes Chrysostomus, De incomprehensibili Dei natura III, 5: Migne, P. G. 48, Sp. 724 [ἀρχάγγελος λέγεται, ἐπειδὴ τῶν ἀγγέλων ἄρχει]).

Je nachdem, ob man ‚Engel’ als die Gesamtheit aller Engel oder, im engeren Sinne, als Angehörige des gleichnamigen, in der Hierarchie der Engel rangniedrigsten Engelchors versteht, gewinnt die Bezeichnung E. verschiedene Bedeutung.

1. E. sind die Engel des Engelchores, der in der Engelhierarchie den vorletzten Rang innehat. Hierzu s. Engelchöre, Sp. 555–601, bes. Sp. 598f. über die Ikonographie des Engelchors der E.

2. E. sind die Angehörigen einer kleinen Gruppe über alle Engel (= alle Engelchöre) gesetzter ranghöchster Engel: Engelfürsten; ihre Zahl wird verschieden angegeben: in der apologetischen und patristischen Literatur ist von drei bis acht, später von bis zu zwölf E. die Rede (Joh. Michl, RAC Bd. 5, Sp. 169ff. u. 182–86). Gestützt vor allem auf Tob. 12, 15, Apok. 1, 4 und 15, 1 wurde die Vorstellung, es gäbe sieben Engelfürsten, zur vorherrschenden. Drei von ihnen haben biblisch bezeugte Eigennamen (Michael, Gabriel, Raphael), einen vierten Namen nennen die Apokryphen (Uriel, vgl. Henoch 9, 1–10 u. 10, 1ff. sowie 4. Esra 4, 1 u. ö.). Gegen Versuche, auch den übrigen E. Namen beizulegen, wandte sich u. a. das Laterankonzil von 745 (Giov. Domenico Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Florenz und Venedig 1766, Bd. 12 Sp. 379f.; s. a. J. Michl a.a.O. Sp. 188), ohne sie ganz unterdrücken zu können; eine gewisse Geltung erlangte die – angeblich auf göttlicher Offenbarung beruhende – Namensliste des Franziskaners Amadeus Menez, in der außer den drei biblischen E. die Namen Uriel, Iehudiel, Barachiel und Sealtiel aufgeführt sind.

Die bildlichen Darstellungen der Engelfürsten sind ebenso zahlreich wie verschiedenartig. Von der großen Anzahl von Beispielen abgesehen, in denen einzelne oder mehrere Engelfürsten als Repräsentanten des Engelchors der E. wiedergegeben sind (s. Engelchöre), können folgende Gruppen unterschieden werden:

Wiedergaben aller Engelfürsten sind fast ausnahmslos Illustrationen zur Apokalypse oder Darstellungen der wie Heilige verehrten E. (über den Kult der sieben Engelfürsten: F. Cancellieri, De secretariis veteris basilicae Vaticanae, Rom 1786, Bd. 2 S. 1018–31): s. daher Braun, Tracht u. Attr.2 unter „Erzengel“ (in Vorbereitung); für Schilderungen der hl. Erzengel im Rahmen anderer Bildthemen s. etwa: sieben *Zufluchten.

Besonders vielfältig sind die Darstellungen der einzelnen Engelfürsten:

für Einzelfiguren, die denen anderer Heiliger entsprechen, s. Braun, Tracht u. Attr.2 unter „Gabriel“, „Michael“ und „Raphael“; für Schilderungen der einzelnen E.-Legenden vgl. den Heiligenband des RDK (geplant).

Diejenigen Begebenheiten der E.-Legenden, die auf biblische Textstellen zurückgehen, werden jedoch im RDK behandelt:

für Gabriel s. Verkündigung an Maria, *Verkündigung an Zacharias; s. a. Vision (Gabriel teilt Daniel göttliche Offenbarungen mit: Dan. 8, 16 und 9, 21) und Todesverkündigung an Maria (mit Rücksicht auf die Ikonographie der Gottesmutter im RDK behandelt, obwohl die Schriftquelle apokryph ist); für Michael s. Engelsturz (Sp. 621–74); s. a. Apokalypse (RDK I 751–81) und für das prot. Michaelsbild – aus den Sp. 508 genannten Gründen – Michael (prot.); für Raphael s. Tobias.

Die namentlich bekannten E. sind auf Grund ihrer Charakterisierung in der Bibel zu Repräsentanten verschiedener Vorstellungen und Begriffe geworden. So knüpft die Vorstellung (und die Verehrung) von *Schutzengeln im besonderen an Raphael an, der – immer in Anlehnung an den Bericht des Tobiasbuches – als E. der Heilungen gilt (als „medicus“ bezeichnet ihn z. B. die Inschrift auf dem Basler Antependium: RDK I 449/50, Abb. 6; s. a. Medizin und *Fakultäten), der als Vertreter des Engelchors der „Mächte“ (s. Engelchöre, Sp. 560 u. 596) und als Patron der Fischer und des Fischfangs verstanden und dargestellt wurde.

Die meisten Darstellungen aber schildern die Engelfürsten bei Verrichtungen, die schlechthin für alle Engel charakteristisch sind, wenn sie auch vielfach einem der E. zugeschrieben wurden (z. B. wird Michael – gemäß der Liturgie – als E. des Seelengeleits und als derjenige, der die Seelenwägung vornimmt, angesehen, und „an verschiedenen Stellen, wo die Bibel nur von Engeln redet, wird konkret an Michael gedacht“ [dazu J. Michl a.a.O. Sp. 251]). Hierher gehören auch all jene Engeldarstellungen, denen die Namen von Engelfürsten beigeschrieben sind, um die Anonymität der Engel aufzuheben (dazu s. Sp. 363–65).

Verweise