Faltwerk

Aus RDK Labor
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englisch: Linen-fold pannelling; französisch: Parchemins pliés; italienisch: Cartoccio.


Georg Himmelheber (1974)

RDK VI, 1422–1425


RDK I, 1441, Abb. 3. Köln, um 1500.
RDK VI, 1423, Abb. 1. Kotzenbüll Krs. Eiderstedt, E. 15. Jh.
RDK VI, 1425, Abb. 2. Karlsruhe, A. 16. Jh.

Unter F. (Faltenfüllung, Pergamentrollenwerk) versteht man ein Ornament, das der Schreiner mit dem Hobel aus dem Brett herausarbeitet, indem er parallel zur Holzfaserrichtung laufende Hohlkehlen, Wulste und Grate, die an den Enden quer zur Holzrichtung in verschiedenen Formen abgestochen werden, anbringt und dadurch die zu schmückende Fläche gliedert.

F. tritt, gleichzeitig mit der „Rahmen-Füllungs-Konstruktion“, im Möbelbau um die Wende zum 15. Jh. als eigenständiges Schreinerornament auf, und zwar nur an nichttragenden Teilen, an den Füllungen der Möbel oder Täfelungen. Die Profilierung entsteht durch Bearbeitung des Brettes mit verschiedenen Profilhobeln, kann also vom Schreiner mit seinen eigenen Werkzeugen ohne die Zuziehung etwa eines Bildhauers ausgeführt werden. Da die Füllung ringsum in einer Nut liegt, muß diese Profilierung oben und unten abbrechen. Dies geschieht nicht in einer geraden Begrenzung, sondern das F. endet oben und unten in den mannigfaltigsten geschwungenen oder gebrochenen Formen.

Die technischen Bedingungen bestimmen zwar die Form des Ornaments, sind jedoch nicht ihr Ursprung. Die in der Literatur verbreitete Ansicht, die Entstehung des F. sei aus dem rein technischen Herstellungsvorgang des Bretterspaltens entstanden, wobei in der Mitte ein Grat entstehe, von dem die Bretter nach den Seiten zu abfallen, ist nicht zutreffend, da Bretter für gehobene Schreinerarbeit immer – in jener Zeit oft sogar schon mechanisch – gesägt wurden. Ebenso unrichtig ist der Erklärungsversuch, das F. ahme gerafften Stoff nach, den es am Möbel ersetze. Die Entstehung des F. ist vielmehr Zeugnis des Aufschwungs und der Verselbständigung des Schreinerhandwerks (im Rahmen der damaligen Entwicklung der Zünfte), das sich ein ihm gemäßes Ornament, unabhängig von der Architektur und der Bildhauerei, schuf.

Geschichte. Etwa um 1400 scheint das F. in Flandern entstanden zu sein. Der erste Beleg für das Vorkommen ist die Abbildung eines Stollenschränkchens auf der Darstellung der Geburt des Johannes im Mailänder Stundenbuch, um 1420–25, Jan van Eyck zugeschr. (Panofsky, Netherl. Painting, Bd. 2 Taf. 164 Abb. 299). Von Flandern drang es in alle Hartholz verarbeitenden Gebiete vor, besonders nach Westfalen und Norddeutschland. Weit verbreitet war es in England, Skandinavien und Frankreich, vereinzelt in Spanien und noch seltener in Italien. In Mittel- und Süddeutschland fand es keinen Eingang, da hier in erster Linie Weichholz zur Verwendung kam, dem die Kerb- oder Flachschnitzerei angemessener ist. Seine Blüte erlebte es im Verlauf des 15. und zu Beginn des 16. Jh., dann wurde es allmählich durch Renaissance-Ornamente abgelöst, obwohl es im ganzen 16., vereinzelt sogar noch im 17. Jh., auftrat.

Das F. fand seine Ausführung in den verschiedenartigsten Formen. Bei der einfachsten Form hat die Fläche einen Mittelgrat und fällt nach beiden Seiten leicht geschwungen ab. Oben und unten wird sie durch eine Art Kielbogen begrenzt, dessen Scheitel auf den Grat zu liegen kommt (Beispiel: Otto von Falke, Dt. Möbel des MA und der Renss., Stg. 1924, S. 53 links). Diese Grundform, die etwa einem in der Mitte gefalteten, aufgeklappten Papierblatt gleicht, konnte beliebig vervielfacht werden, so daß die einzelnen Grate sehr dicht zu stehen kommen. Ebenso wurde die Form der oberen und unteren Ränder reich variiert (Abb. 2). Gelegentlich kamen andere Ornamente hinzu (kleine Kreuzblumen, Pfeile; Beispiel: RDK I 1441f. Abb. 3). Vereinzelt wurde das F. auch in der Mitte der Füllung unterbrochen (Abb. 1). Bisweilen entsteht in der Tat der Eindruck, es seien häufig gefaltete Pergamentrollen nachgeahmt (O. von Falke a.a.O. S. 56 links, S. 67; Heinr. Kreisel, Die K. des dt. Möbels, Bd. 1, Mchn. 1968, Abb. 52, 55).

Da es sich um eine rein handwerkliche Schmuckform handelt, die wesentlich mitbestimmt wurde durch das sie formende Werkzeug, hat das F. keine ausgeprägte zeitliche Entwicklung. Schon das früheste, auf der oben erwähnten Miniatur, ist voll ausgebildet und zeigt dicht stehende Grate; die einfache Form begegnet jedoch noch während des ganzen 15. Jh. immer wieder (so z. B. auf dem 1494 dat. Altar von Hermen Rode, ehem. in St. Marien zu Lübeck, Greverade-Kapelle [Stange Bd. 6 Abb. 167] und auf zahlreichen Bildern des ausgehenden 15. Jh.). Lediglich die naturalistischen Nachahmungen von teilweise mehreren ineinanderliegenden Pergamentrollen traten kaum vor 1500 auf (O. v. Falke a.a.O. S. 77f. und 83; H. Kreisel a.a.O. Abb. 52).

Zu den Abbildungen

1. Kotzenbüll Krs. Eiderstedt, ev. Kirche, Lesepult. Holz, H. 1,90 m. E. 15. Jh. Fot. L.A. für Dpfl. Kiel.

2. Karlsruhe, Bad. L.mus., Inv. Nr. V 8831, Truhe (Seitenansicht). Eichenholz, Maße 78,5 × 62 cm. Niederrhein, A. 16. Jh. Fot. Mus.

Literatur

L. Cloquet, Menuiserie gothique, Rev. de l’art chr. 52, 1909, 11–22.